Konjunkturen und Krisen - Günter Schmölders - E-Book

Konjunkturen und Krisen E-Book

Günter Schmölders

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

■Geschichtliche Einleitung Ursprung und Bedeutung der Worte ‹Konjunkturen› und ‹Krisen› / Geschichte der ersten Krisen / Internationale ‹Konjunkturzyklen› / Die Weltwirtschaftskrise ■Konjunkturtheorie (Die wichtigsten Deutungsversuche) ‹Exogene› Ursachentheorien / ‹Endogene› Ursachentheorien / Monetäre Konjunkturtheorien / Konjunkturtheorie als ‹dynamische› Wirtschaftstheorie / Die psychologische Deutung des Konjunkturgeschehens ■Konjunkturbeobachtung und Konjunkturforschung Statistische Methoden / ‹Konjunkturbarometer› / Konjunkturforschung ■Konjunkturpolitik und Krisenbekämpfung Die monetäre Lösung / Konjunkturpolitik mit nichtmonetären Mitteln / Von der Krisenpolitik zu einer Konjunkturpolitik des stabilen Wachstums ■Ungelöste Probleme Ausschaltung der Konjunkturschwankungen / Natur und Ursachen des Konjunkturzyklus / Der Rhythmus der ökonomischen Aktivität / Das Problem der Konjunkturdiagnose und -prognose ■Enzyklopädisches Stichwort: Staats- und Sozialwissenschaften ■Erklärung einiger Fachausdrücke ■Literaturhinweise ■Namen- und Sachregister

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 175

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



rowohlt repertoire macht Bücher wieder zugänglich, die bislang vergriffen waren.

 

Freuen Sie sich auf besondere Entdeckungen und das Wiedersehen mit Lieblingsbüchern. Rechtschreibung und Redaktionsstand dieses E-Books entsprechen einer früher lieferbaren Ausgabe.

 

Alle rowohlt repertoire Titel finden Sie auf www.rowohlt.de/repertoire

Günter Schmölders

Konjunkturen und Krisen

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

■ Geschichtliche Einleitung

Ursprung und Bedeutung der Worte ‹Konjunkturen› und ‹Krisen› / Geschichte der ersten Krisen / Internationale ‹Konjunkturzyklen› / Die Weltwirtschaftskrise

 

■ Konjunkturtheorie

(Die wichtigsten Deutungsversuche)

‹Exogene› Ursachentheorien / ‹Endogene› Ursachentheorien / Monetäre Konjunkturtheorien / Konjunkturtheorie als ‹dynamische› Wirtschaftstheorie / Die psychologische Deutung des Konjunkturgeschehens

 

■ Konjunkturbeobachtung und Konjunkturforschung Statistische Methoden / ‹Konjunkturbarometer› / Konjunkturforschung heute

 

■ Konjunkturpolitik und Krisenbekämpfung

Die monetäre Lösung / Konjunkturpolitik mit nichtmonetären Mitteln / Von der Krisenpolitik zu einer Konjunkturpolitik des stabilen Wachstums

 

■ Ungelöste Probleme

Ausschaltung der Konjunkturschwankungen / Natur und Ursachen des Konjunkturzyklus / Der Rhythmus der ökonomischen Aktivität / Das Problem der Konjunkturdiagnose und -prognose

 

■ Enzyklopädisches Stichwort: Staats- und Sozialwissenschaften

 

■ Erklärung einiger Fachausdrücke

 

■ Literaturhinweise

 

■ Namen- und Sachregister

Über Günter Schmölders

Günter Schmölders (1903–1991) war ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler, Finanzwissenschaftler, Finanzsoziologe und Sozialökonom.

Inhaltsübersicht

VorbemerkungI. Geschichtliche Einleitung1. Ursprung und Bedeutung der Worte ‹Konjunkturen› und ‹Krisen›2. Geschichte der ersten Krisen3. Internationale ‹Konjunkturzyklen›4. Die WeltwirtschaftskriseII. Konjunkturtheorie (Die wichtigsten Deutungsversuche)Vorbemerkung: Die Einteilung der Konjunkturtheorien1. ‹Exogene› Ursachentheorien2. ‹Endogene› Ursachentheorien3. Monetäre Konjunkturtheorien4. Konjunkturtheorie als ‹dynamische› Wirtschaftstheorie5. Die psychologische Deutung des KonjunkturgeschehensIII. Konjunkturbeobachtung und KonjunkturforschungVorbemerkung1. Statistische Methoden2. ‹Konjunkturbarometer›3. Konjunkturforschung heuteIV. Konjunkturpolitik und KrisenbekämpfungVorbemerkung1. Die monetäre Lösung2. Konjunkturpolitik mit nichtmonetären Mitteln3. Von der Krisenpolitik zu einer Konjunkturpolitik des stabilen WachstumsV. Ungelöste Probleme1. Ausschaltung der Konjunkturschwankungen?2. Natur und Ursachen des Konjunkturphänomens3. Der Rhythmus der ökonomischen Aktivität4. Das Problem der Konjunkturdiagnose und -prognoseEnzyklopädisches Stichwort: Staats- und SozialwissenschaftenÜber den VerfasserErklärung einiger FachausdrückeLiteraturhinweiseNamen- und SachregisterPersonenregisterSachregister

Vorbemerkung

Die vorliegende Kurzdarstellung eines Fragenkreises, der als eines der Kardinalthemen der modernen Wirtschafts- und Sozialwissenschaft gelten darf, will nichts anderes bieten als eine erste Orientierung, die es dem Leser ermöglicht, sich an Hand eines zusammenfassenden Überblicks den Zugang zum weiteren Studium der vielschichtigen Problematik zu erschließen; auf die weiteren Bände dieser Enzyklopädie, insbesondere Band 161 «Das Ende der Weltwirtschaftskrise» von A.PREDÖHL sowie meine «Geschichte der Volkswirtschaftslehre» (Band 164/165), sei hier ebenso verwiesen wie auf die am Schluß aufgeführte Spezialliteratur[*].

Gegenüber der Erstauflage von 1955 wurde der Stoff inzwischen überarbeitet und – soweit in diesem Rahmen möglich – der neueren wirtschaftswissenschaftlichen Entwicklung angepaßt.

Der kurzen geschichtlichen Einleitung schließt sich eine Übersicht über die verschiedenen Ansätze einer theoretischen Deutung des Konjunkturphänomens an; auf die Darstellung der Aufgaben und Probleme der empirischen Konjunkturbeobachtung und Konjunkturforschung folgt eine Skizze der Maßnahmen und Methoden, mit deren Hilfe die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Gefahren Herr zu werden versucht, die sich für Staat und Wirtschaft aus Konjunkturen und Krisen ergeben.

I. Geschichtliche Einleitung

1. Ursprung und Bedeutung der Worte ‹Konjunkturen› und ‹Krisen›

Die Ausdrücke ‹Konjunkturen› und ‹Krisen› haben bis zu ihrer heutigen Bedeutung mannigfaltige Entwicklungen und Begriffswandlungen durchgemacht. Aus der Philosophie der Stoiker stammt die Vorstellung von der conjunctio rerum omnium, einer das Dasein geheimnis- und unheilvoll verknüpfenden Schicksalskette, dem ‹orphisch unzerreißbaren Band› GOETHEs, dem sich der Mensch niemals entziehen könne. Die mittelalterliche Himmelskunde verstand unter Konjunkturen die wechselseitigen Verknüpfungen der Bahnen der einzelnen Gestirne und die Stellung der Sternbilder zueinander, denen häufig eine schicksalhafte Bedeutung für die Menschen und ihr Handeln beigemessen wurde. In der Wirtschaftswissenschaft bezeichnet man als Konjunkturen oder Konjunkturschwankungen, Wechsellagen oder Zyklen (Business Cycles) jenes besonders dem Industriezeitalter eigentümliche Auf und Ab der allgemeinen Wirtschaftslage, deren markanteste Phase die Krisen sind, Wendepunkte, an denen eine übersteigerte ‹Hochkonjunktur› in die meist langandauernde ‹Depression› umschlägt; diese Vorstellung erinnert an die Heilkunde, die den Wendepunkt im Krankheitsverlauf, an dem sich das Schicksal des Patienten entscheidet, als Krise zu bezeichnen pflegt.

Bis zu CLEMENT JUGLAR[*] befaßte sich die Wirtschaftswissenschaft lediglich mit den Krisen (auch Handelskrisen, Absatzkrisen oder -stockungen genannt), die sie je nach ihrer Erscheinungsform als allgemeine oder als Agrar-, Kredit- oder industrielle Absatzkrisen bezeichnete; seit JUGLARs Beobachtung, daß diese Krisen periodisch wiederzukehren pflegen, wird die Krise meist nur noch als Wendepunkt oder als Mittelabschnitt eines mehr oder weniger regelmäßig ablaufenden Zyklus zwischen dem ‹Aufschwung› (Hochkonjunktur, Boom) und der ‹Depression› angesehen. Die amerikanische Konjunkturforschung unterscheidet heute gern die mildere ‹Recession› (Abschwächung) von der ‹Depression›, jenem verhängnisvollen Rückschlag, den die Konjunkturpolitik mit allen Mitteln zu verhindern versuchen muß; die Terminologie befindet sich auf diesem Gebiet noch stark in der Entwicklung.

Das Vorkommen gelegentlicher wirtschaftlicher ‹Krisen› scheint ebenso alt zu sein wie die Wirtschaft selbst; auf einem Papyrus aus Memphis findet sich die Beschreibung einer solchen Staats- und Wirtschaftskrise etwa um 3000 v. Chr.: ‹Die Gesetze sind zerbrochen – die Menschen treten sie öffentlich mit Füßen. Der Gesetzesverächter lebt im Wohlstand, aber der ehemals Wohlhabende hat alles verloren. Spärlich ist das Gold; der Handwerker ist ohne Arbeit. Wer gesät hat, bekommt nichts für seine Ernte, und das Land ist erschöpft. Ich zeige Dir ein Land, in dem das Unterste zu oberst gekehrt ist.›

Die Geschichte des alten Orients (Ägypten und Babylonien) zeigt dieses wirtschaftliche Auf und Ab bereits recht deutlich; bekannt sind die sieben fetten und sieben mageren Jahre des Alten Testaments und Josephs Vorsorge für die kommende Notzeit. Um die Zeit SOLONs (594 v. Chr.) machte sich in der ganzen damals bekannten Welt ein allgemeiner Niedergang bemerkbar, und um 33 v. Chr. war Rom das Opfer einer durch unproduktive Heeres- und Flottenausgaben herbeigeführten wirtschaftlichen Krise, deren Folgen, insbesondere in Gestalt einer weitverbreiteten Arbeitslosigkeit, durch Verteilung von Getreide gemildert werden mußten.

Diesen ‹vorkapitalistischen› Wirtschaftskrisen, deren Ursache in Mißernten, Kriegen oder Seuchen zu suchen sei, stellte J.SCHUMPETER[*] die Konjunkturschwankungen des kapitalistischen Zeitalters gegenüber, die erst mit der Ausbildung des modernen Kreditwesens auftreten, wie es in Italien seit dem 16. Jahrhundert entwickelt wurde und von hier aus nach Holland und England gelangte. Die niederländische Wirtschaftskrise von 1565 zeigt bereits derartige Züge einer ‹kapitalistischen› Wirtschaftstechnik; vor allem aber gehören dazu die Spekulationskrisen der Neuzeit, beginnend mit der Tulpenkrise (1634–39) sowie dem Mississippi- und dem Südseeschwindel (beide um 1720). Die frühkapitalistische ‹Wirtschaftsgesinnung›, die diese Spekulationskrisen überhaupt erst möglich machte, und den Glauben seiner Zeit an das natürliche Auf und Ab des Schicksals bringt SHAKESPEAREs Vers zum Ausdruck:

‹Gezeiten gibt’s im menschlichen Geschick:

Wer klug die Flut benützt, gelangt zum Glück.›

2. Geschichte der ersten Krisen

Die Tulpenkrise

Um 1560 hatte der flämische Edelmann BUSBEQ, Botschafter am Hof des türkischen Sultans, die in den Bauformen des Landes mannigfach wiederkehrende Tulpe kennengelernt; die schöne Blume wurde in Holland durch Beschreibungen und Zeichnungen von CHARLES DE L’ÉCLUSE bekanntgemacht. Daraus entwickelte sich eine allgemeine Tulpenliebhaberei, die bald zur Manie ausartete; wie heute noch für seltene Briefmarken, so wurden damals für Tulpenzwiebeln hohe Preise bezahlt. Es blieb nicht aus, daß diese Mode von den im Kolonialgeschäft reich gewordenen holländischen Handelsherrn auch kommerziell ausgenutzt wurde; aus der privaten Tulpenliebhaberei entwickelte sich dadurch eine rasch um sich greifende geschäftliche Spekulation, die bald das ganze Wirtschaftsleben in ihren Bann zog. Hauptmärkte für Tulpenzwiebeln waren Amsterdam, Utrecht, Rotterdam, Leyden und Haarlem; allmählich griff der Handel jedoch auch bis nach London und Paris über. Für eine Zwiebel wurden schließlich bis zu 1500 Gulden gezahlt, gleichwertig 12 Ackern Landes oder einem neuen Reisewagen samt Geschirr und zwei Schimmeln; leichtfertige Spekulanten verpfändeten Haus und Hof, um sich am Tulpengeschäft mühelos und rasch zu bereichern, und den Tulpenpreisen folgten bald die Preise anderer begehrter Spekulationsobjekte, so daß ein allgemeiner ‹Boom› entstand. Der Umschwung, der nicht ausbleiben konnte, begann im Jahre 1637 mit einem allgemeinen Preissturz, einer Verkaufspanik, die zahlreiche Zwangsexekutionen nach sich zog und anschließend zu einem allgemeinen Zusammenbruch des Wirtschaftslebens führte; aus der Tulpenkrise war eine schwere allgemeine Wirtschaftskrise geworden.

Periodische Krisen in England

In England, dem einzigen Kulturland mit einer über 200jährigen ununterbrochenen industriellen Entwicklung, läßt sich die Periodizität der Krisen und Konjunkturen am eindrucksvollsten beobachten; so ist es zu erklären, daß die Konjunkturtheorie ihre Beobachtungen und Schlußfolgerungen weitgehend auf der englischen Krisengeschichte aufgebaut hat. M.BOUNIATIAN[*] bezeichnete als ‹Krisen› in England die Jahre:

1745

1793

1825

1763

1796

1836

1772

1810

1839

1778

1815

1847

1783

1819

1857

Der durchschnittliche Abstand von einer Krise zur anderen wäre danach 7½ Jahre; allerdings schwankt dieses Intervall zwischen 3 und 18 Jahren. Unverkennbar ist der enge Zusammenhang der Reihe mit dem technisch-industriellen Fortschritt; der Webstuhl beispielsweise, 1784 erfunden, war bis 1815 nur mit Handbetrieb in Gebrauch gewesen. Der Textilindustrie kam die Erfindung der Dampfmaschine sehr zustatten; in dem schnellen Aufschwung von 1815 bis 1818 wurden allein in Manchester 2000 Dampfwebstühle installiert. Nach der Krise von 1819 stieg ihre Zahl bis 1824 auf 24000, von denen die meisten in der Krise 1825 wieder stillgelegt werden mußten; aber der neue Aufschwung ließ die Zahl bis 1835 auf 110000 anschwellen, ein deutliches Zeichen für den engen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsentwicklung und der industriellen Technik, das sich später im Eisenbahn-Boom eindrucksvoll wiederholen sollte.

Ein weiteres Charakteristikum der englischen Krisen ist ihre enge Verbindung mit dem Außenhandel und den auswärtigen Kapitalbewegungen. Die napoleonischen Kriege bedeuteten für England eine Kapitalausfuhr von 60 Millionen £ an ‹Subsidien›, von denen 50 Mill. in Form von Waren geliefert wurden – eine ‹Kriegskonjunktur›, die 1815 jäh zu Ende ging (vgl. Tabelle). Aber auch im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts bestätigt sich der Zusammenhang zwischen Außenhandel und Konjunkturentwicklung, wenn auch das Verhältnis von Ursache und Wirkung sich im Zeitalter der beginnenden Weltwirtschaft gelegentlich umzukehren scheint. Wie heute von den Vereinigten Staaten, war im vorigen Jahrhundert die Weltkonjunktur von der englischen Wirtschaftsentwicklung geprägt, die frühzeitig eine enge internationale Verflechtung erkennen ließ. Vollends im Zeitalter der Goldwährung, die das letzte Viertel des neunzehnten Jahrhunderts beherrschte, wurden Kapitalbewegungen und Investitionen, Konjunkturen und Krisen zu internationalen Erscheinungen; davon wird noch in anderem Zusammenhang zu sprechen sein.

Die ersten Krisen in Deutschland

Die erste deutsche Wirtschaftskrise war demgegenüber noch durchaus eine Agrarkrise. Nach den napoleonischen Kriegen herrschte zunächst eine allgemeine Hungersnot, die Tausende zur Auswanderung zwang; da die Kontinentalsperre (1806–1815) die natürlichen Absatzgebiete der deutschen Landwirtschaft, in erster Linie die Länder England, Schweden und die Niederlande, zu verstärktem Eigenanbau veranlaßt hatte, trat nach der Wiederkehr normaler Verhältnisse eine allgemeine Absatzkrise der Landwirtschaft ein, die zu Zwangsversteigerungen vieler überschuldeter Höfe (Güterschlächterei), übrigens im Zusammenhang damit zu einer ersten Welle des Antisemitismus führte (1821).

Von dem Rhythmus der englischen Industriekonjunktur blieb die deutsche Volkswirtschaft dagegen zunächst noch unberührt; erst nach der Revolution von 1848 begann auch bei uns ein sichtbarer industrieller Aufschwung, der durch die ersten Bankgründungen (A. Schaaffhausenscher Bankverein 1848, Discontogesellschaft 1851, Darmstädter Bank 1853, Berliner Handelsgesellschaft 1856), die Entwicklung des Aktienwesens und den Beginn des Eisenbahnbaus gekennzeichnet ist. Die neuen Aktien erlebten bald ihre erste große ‹Hausse›, die 1857 in einem allgemeinen Zusammenbruch zu Ende ging; die Krise brach im Frühjahr in Amerika aus und griff über London und Hamburg auf die deutschen Börsen über.

3. Internationale ‹Konjunkturzyklen›

Die jetzt beginnenden ‹Konjunkturzyklen› zeigen bereits größere Regelmäßigkeit und einen ausgeprägteren internationalen Zusammenhang als die älteren ‹Krisen›. Nimmt man als einfachsten Ausdruck der industriellen Beschäftigungslage die Umschlagspunkte der Kohlenpreise, so sind die Jahre 1857, 1868, 1873, 1890, 1901, 1906 weltwirtschaftliche Krisenjahre; das Gemeinsame der jetzt in raschem Tempo einsetzenden industriellen Entwicklung in den großen europäischen Ländern war der Siegeszug der Dampfmaschine in der Industrie und, insbesondere in der Verkehrstechnik, die Entfaltung des Eisenbahnverkehrs und der Dampfschiffahrt. Auch die unvermeidlichen Rückschläge dieser industriellen Entwicklung zeigen infolgedessen engen internationalen Zusammenhang; England als das älteste Industrieland war mit den stärkeren Ausschlägen der Konjunktur in Deutschland, Belgien und Frankreich durch seine umfangreichen Kapitalbeteiligungen verbunden, der Außenhandel war auf den gemeinsamen Weltmarkt angewiesen, und die Preisentwicklung der Welthandelswaren beeinflußte die Ertragsentwicklung der heimischen Wirtschaft. So zeigt das weltwirtschaftliche Auf und Ab in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts mehr und mehr Züge internationaler Prägung; die Krisen, die die im ganzen kräftig nach oben gerichtete Entwicklung unterbrechen, sind weltwirtschaftliche Krisen, wenn auch keineswegs Weltwirtschaftskrisen.

Das eindrucksvollste Symptom, an dem die sozialen Folgen der in Krisenzeiten periodisch eintretenden Arbeitslosigkeit in diesen Zeiten abzulesen waren, ist das Auf und Ab der Auswanderung: die langjährige Depression nach der Krise von 1873 führte in Deutschland zu einem Wanderungsverlust von fast 1,5 Mill. in 10 Jahren, der nach 1895 zum erstenmal wieder von einem Wanderungsgewinn abgelöst wurde. Auch die natürliche Bevölkerungsbewegung erlebte zwischen 1896 und 1900 einen ausgeprägten Aufschwung, der sich nach der Krise von 1900/01 von 1903 an fortsetzte.

Ein Beispiel einer ausgeprägten Hochkonjunktur waren die sogenannten Gründerjahre1871–73, die zeitlich mit dem großen amerikanischen Eisenbahn-Boom zusammentrafen. Durch die französische Kriegsentschädigung von 5 Mrd. Frs. wurde die Rückzahlung von Staatsschulden des Norddeutschen Bundes und der süddeutschen Staaten ermöglicht; die große Geldflüssigkeit führte zu zahlreichen Neugründungen, insbesondere nachdem der bis 1871 geltende Konzessionszwang für die Gründung von Aktiengesellschaften aufgehoben worden war. Hand in Hand damit entwickelte sich eine wachsende Börsenspekulation, die durch die Ausgabe von Prioritätsaktien, eine Erfindung des Spekulanten Dr. STROUSBERG, noch gesteigert wurde. Der Umschwung begann im Mai 1873 in Wien und erreichte Berlin im Oktober; die Börsenkrise zog 1874 eine Eisenbahn- und 1875 eine Montankrise nach sich und wurde durch die Londoner ‹Silberpanik› 1876 weiterhin verlängert, so daß sie ihren Tiefpunkt erst 1879 erreichte.

4. Die Weltwirtschaftskrise[*]

Der Weltkrieg 1914–18 zerstörte die hochentwickelte, auf der international geltenden Goldwährung und der Freizügigkeit von Menschen, Gütern und Kapitalien aufgebaute Weltwirtschaft. An ihre Stelle trat die mit mehr oder weniger inflationierten Binnenwährungen erkaufte Kriegskonjunktur der einzelnen Länder, die in der Krise von 1921 ihr Ende fand; in den meisten europäischen Ländern war diese Krise allerdings noch von der Inflation überdeckt, die erst in schmerzhaften Währungsreformen überwunden werden mußte[*]. Inzwischen hatten die USA nach 1922 schon wieder einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung zu verzeichnen, der anscheinend ein neues Zeitalter heraufgeführt hatte, in dem der Wohlstand ständig anstieg; jeder fünfte Amerikaner war Kraftwagenbesitzer, die meisten Haushaltungen besaßen Rundfunkgeräte und Kühlschränke, die allerdings häufig genug auf Abzahlung gekauft worden waren. In der Präsidentenwahl 1928 siegte HOOVER mit der triumphierenden Parole: ‹Wir sind dem Sieg über die Armut näher als je ein Land es war; noch acht Jahre in diesem Tempo weiter, und die Armut wird aus unserem Lande verschwunden sein.› Aber schon im Jahr darauf wurde klar, daß die Hoffnung auf eine ‹ewige› Hochkonjunktur trügerisch gewesen war; der Höhepunkt war 1929 erreicht. Das ganze Land nahm am Taumel der Börsenspekulation teil, die neben dem amerikanischen Geld auch mehrere Milliarden Dollar an Auslandskapital angelockt hatte, deren Zusammenbruch infolgedessen alsbald die ganze Weltwirtschaft mit in seinen Strudel zog.

Ausgehend von London, wo die fehlgeschlagenen ‹Photomaton›-Investitionen den unsoliden HATRY-Konzern zum Erliegen brachten, kam es im Oktober 1929 zum Börsenkrach in Wallstreet. Drei Wochen pausenloser Kursstürze entzogen jetzt zahlreichen Handels- und Industriekrediten ihre Deckungsgrundlage; die eingefrorenen Abzahlungsgeschäfte verbreiteten die Krise über die gesamte Wirtschaft, deren Parole wurde: ‹Rette sich wer kann.› Die Industrie ging zur Fünftagewoche, später zur Dreitagewoche über; die Krise breitete sich in den folgenden beiden Jahren auf die ganze Welt aus. Im März 1931 wurde die durch Übernahme der überschuldeten Bodenkreditanstalt geschwächte ‹Österreichische Creditanstalt› von den Kreditabziehungen zur Strecke gebracht, mit denen die französischen Banken die Ankündigung eines Zollanschlusses zwischen Österreich und Deutschland beantworteten[*]. Der daraufhin einsetzende ‹Run›, eine allgemeine Kreditpanik der Weltwirtschaft, griff über die anderen Banken des Hauses ROTHSCHILD auf Deutschland, Holland und die Schweiz über; Reichspräsident HINDENBURG mußte den amerikanischen Präsidenten HOOVER telegraphisch um ein Moratorium bitten, und zugleich verzichtete das Reich auf den geplanten Zollanschluß mit Österreich.

Beides kam zu spät. An der schwächsten Stelle, bei der mit dubiosen ‹Nordwolle›-Krediten engagierten ‹Darmstädter und Nationalbank›, führten die ausländischen Kreditabzüge zuerst zur Zahlungsunfähigkeit; Reichskanzler BRÜNING verordnete am 13. Juli 1931 Bankfeiertage und erklärte anschließend die Garantie des Reiches für alle Bankeinlagen, um einen allgemeinen Zusammenbruch des Kredits zu verhindern. Die damit sichtbar gewordene Bankenkrise erreichte auf dem Weg über die Balkanländer schließlich auch Paris, wo die ‹Banque Nationale de Crédit› ihre Schalter schließen mußte, und zuletzt wieder ihren Ausgangspunkt London, wo die Banken zwar von der Notenbank gehalten wurden, die strukturelle Schwäche des Pfundkurses aber am 21.9.1931 die Aufhebung der 1925 wiedereingeführten vollen Goldeinlösung der Banknoten erzwang. Dem englischen Beispiel folgten alle Dominien, die nordischen Länder, Südamerika und Japan; die Zweiteilung der Weltwirtschaft in ‹Goldblock› und ‹Pfundklub› war die Folge.

Die Devisenbestände der europäischen Notenbanken schrumpften bis Ende 1932 auf ein Drittel zusammen, ihr Außenhandel lag praktisch still und an seine Stelle trat unter den einzelnen Ländern ein Wettlauf um möglichst weitgehende Selbstversorgung (Autarkie) und autonome ‹Konjunkturpolitik›. Die Zahl der Arbeitslosen betrug in Deutschland schließlich über 6 Mill., in den USA 10–12 Mill.; hier trat noch eine Sonderkrise der Landwirtschaft hinzu, die an dem Industrieboom 1922–29 kaum Anteil gehabt hatte. Aus diesem Grunde kam es unter ROOSEVELT endlich sogar in den USA zur Abkehr von der Goldparität (19.4.1933), damit aber währungspolitisch zum Kampf Aller gegen Alle mit dem Mittel immer neuer Währungsabwertungen; die japanische Währung beispielsweise folgte 1931 der britischen, 1933 der amerikanischen Abwertung und wurde 1934 noch einmal selbständig abgewertet, so daß die japanische Industriekonkurrenz zeitweise auf dem Weltmarkt alle Länder des Westens valutarisch unterbieten konnte.

Eine Weltkrise dieses Ausmaßes hatte es noch nie gegeben. Mit der Radikalisierung der arbeitslosen Massen leitete sie politische Entwicklungen ein, deren innere Dynamik nur wenige erkannten; war das noch eine ‹Krise› – oder schon der Zusammenbruch des Kapitalismus? Und: können solche Katastrophen sich wiederholen?

Antwort auf diese Fragen vermag nur ein genaues Durchdenken der Zusammenhänge zu vermitteln, mit denen sich die Konjunkturtheorie und die empirische Konjunkturforschung beschäftigen.

II. Konjunkturtheorie (Die wichtigsten Deutungsversuche)

Vorbemerkung: Die Einteilung der Konjunkturtheorien

In der Konjunkturlehre unterscheidet man die Frage nach den Ursachen der Konjunkturen und Krisen von der Frage nach den funktionalen Zusammenhängen, die die Wirtschaftspolitik zur Bekämpfung und Milderung der Konjunkturschwankungen selbst dann kennen muß, wenn die Suche nach den Ursachen erfolglos bleiben sollte. Seit JUGLAR (1860) wird von den Ursachentheorien verlangt, daß sie neben dem Zustandekommen der Konjunkturen und Krisen auch ihre periodische Wiederkehr erklären können: ‹Die drei Perioden Prosperität, Krise und Liquidation wechseln einander immer in der gleichen Reihenfolge ab›; die Periodizität dieses Kreislaufs erscheint damit, wie oben bereits erwähnt, als selbständiges Problem neben dem der Ursachen des Zyklus.

An Versuchen, die Konjunkturerscheinungen zu deuten, besteht kein Mangel; FOSTER und CATCHINGS haben nicht weniger als 230 Ursachentheorien gezählt. Versucht man, Ordnung in diese Fülle zu bringen, so kann man mit M.BOUNIATIAN ‹endogene› und ‹exogene› Ursachentheorien unterscheiden:

a) endogene Ursachen der Konjunkturen und Krisen nehmen diejenigen Erklärungsversuche an, die das Zustandekommen des Zyklus als immanent im Wesen des (kapitalistischen) Wirtschaftssystems und des volkswirtschaftlichen Geld- und Güterkreislaufs gelegen bezeichnen;

b) exogene Ursachen liegen den Deutungsversuchen zugrunde, die außerwirtschaftliche Vorgänge wie meteorologische Einflüsse, Bevölkerungsbewegungen, Kriege, Seuchen, aber auch zufällige Goldfunde für die Konjunkturen und Krisen verantwortlich machen.

Dieses Schema ist nur zu einer ersten groben Orientierung geeignet; sein bedeutsamster Mangel liegt darin, daß alle diejenigen Konjunkturtheorien, die den psychischen Prozessen eine besondere Bedeutung beimessen und die Konjunkturerklärung aus Faktoren wie Optimismus und Pessimismus, geschäftlichen Irrtümern und mancherlei menschlichen Gemütsbewegungen ableiten, in dieser Einteilung nicht recht unterzubringen sind. Psychische Momente werden in der Wirtschaftstheorie heute noch überwiegend als exogene Faktoren betrachtet, so wenig sich leugnen läßt, daß alles Wirtschaften menschliches Handeln und daher von menschlich-allzumenschlichen Antriebskräften abhängig ist.