Kontrolle und Freiheit im Internet - Elena Vohl - E-Book

Kontrolle und Freiheit im Internet E-Book

Elena Vohl

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Beschreibung

Können wir uns im Netz frei bewegen, oder überwachen Staat, Medien und Wirtschaft jeden Klick? Das Internet vereint die freiheitlichen Werte der westlichen Welt wie kein anderes Medium: Jeder kann sich informieren, Beiträge produzieren und sich mit der Welt vernetzen. Totale Freiheit ̶ oder unkontrollierbare Gefahr? Wo stößt die Freiheit des Einzelnen an ihre Grenzen, und wann sind Kontrollen sinnvoll, um die Sicherheit der Anderen zu gewährleisten? 13 netzpolitische Akteure aus Politik, Wirtschaft und Medien legen ihre Sicht auf die Frage dar: Ist Regulierung im Internet nötig, oder zerstört sie dessen Chancen und Möglichkeiten?

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Seitenzahl: 312

Veröffentlichungsjahr: 2017

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ibidem-Verlag, Stuttgart

 

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I: Theoretischer Teil

1. Einleitung

1.1 Überblick zum Forschungsstand

1.2 Zielsetzung

1.3 Vorgehensweise

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Das (Massen-)Medium Internet

2.2 Regulierung des Internets

2.3 Freiheit im Internet

3. Freiheit im Internet: Artikulation und Partizipation

3.1 Freie Artikulation als Bildungsprozess

3.2 Partizipation im Netz

3.3 Artikulationsgruppen im Internet

4. Kontrollen im Internet: Die Überwachung der Bürger

4.1 Privatsphäre: Zwischen Überwachung und Transparenz

4.2 Datenschutz und das Recht auf Vergessenwerden

4.3 Staatliche Kontrolle

4.4 Medienkontrolle und Meinungsbildung

4.5 Wirtschaftliche Kontrolle

II: Empirischer Teil

5. Methodisches Vorgehen

5.1 Erhebungsmethode: Das offene Leitfadeninterview

5.2 Auswahl und Beschreibung der Interviewpartner

5.3 Erhebung der Daten

5.4 Kritische Anmerkung zur empirischen Erhebung

6. Auswertungsmethode: Die dokumentarische Methode

6.1 Theoretische Grundprinzipien

6.2 Arbeitsschritte der dokumentarischen Interpretation

7. Darstellung der Ergebnisse

7.1 Ergebnisse der formulierenden Interpretation

7.2 Exemplarische Falldarstellungen

7.3 Typologie der Fälle

7.4 Zusammenfassung und Herausstellung der Ansätze

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Anhang 1: Leitfadeninterview

Anhang 2: Kurzfragebogen

Anhang 3: Transkriptionsregeln

Magdeburger Schriftenreihe zur Medienbildung

Impressum

Abkürzungsverzeichnis

 

§.

Paragraph

Abs.

Absatz

Art.

Artikel

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

Bitkom

Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungs-gericht

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

DIVSI

Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet

DJV

Deutscher Journalisten-Verband

dt.

Deutsch

ebd.

Ebenda

et. al.

lateinisch für „und andere“

f.

folgende Seite

ff.

folgende Seiten

GG

Grundgesetz

JMStV

Jugendmedienstaatsvertrag

LPG

Landespressegesetz

o. Jg.

ohne Jahrgang

RStV

Rundfunkstaatsvertrag

[sic!]

originale Schreibweise im Zitat

TMG

Telemediengesetz

UrhG

Urheberrechtsgesetz

vgl.

Vergleiche

zit. n.

zitiert nach

ZugErschwG

Zugangserschwerungsgesetz

 

 

I: Theoretischer Teil

1. Einleitung

„It was a bright cold day in April, and the clocks were striking thirteen. Winston Smith, […] slipped quickly through the glass doors of Victory Mansions […] Winston made for the stairs. […] On each landing […] the poster with the enormous face gazed from the wall. It was one of those pictures which are so contrived that the eyes follow you about when you move. BIG BROTHER IS WATCHING YOU, the caption beneath it ran.”

(Orwell 1949, S. 5, Herv. im. Orig.)

George Orwell beschreibt bereits im Jahr 1949 in seinem fiktionalen Werk „1984“ das Schreckensszenario einer Überwachungsgesellschaft, in der die Menschen mithilfe von Technologien jederzeit kontrolliert werden können. Der Roman skizziert eine Dystopie, in welcher der Protagonist an dem Versuch scheitert, seine Privatsphäre vor der fiktiven Diktatur Ozeanien zu schützen. Das System unterzieht ihn einer Gehirnwäsche, sodass er sich schlussendlich, mit einem Gefühl der Sicherheit, in die überwachte Gesellschaft eingliedert.

Dass sich diese Vision nicht mehr grundlegend von unserer heutigen, demokratischen Gesellschaft unterscheidet, wird aktuell vielfach diskutiert. Mediale Berichterstattungen offenbaren kontinuierlich Schlagzeilen, die ebendiese Überwachungsszenarien im Internet postulieren. Der Staat als Regulierer ist omnipräsent ̶ sei es durch Datensammlungen (Vorratsda-tenspeicherung), Internetsperren (Zugangserschwerungsgesetz) oder staat-liche Geheimdienste, die sich jeglicher Kontrolle entziehen und stattdessen ihren eigenen Regeln folgen (NSA, GCHQ, BND). Aber nicht nur der Staat, auch die Wirtschaft spioniert die Bürger im Internet aus und macht sich deren Daten zu Eigen. Jede Suchanfrage wird von Google gespeichert, jeder Kommentar von Facebook analysiert. Kaum ein Schritt im Internet bleibt unbeobachtet. Online-Medien überwachen die Bürger im Internet zwar nicht, dennoch haben die Art der Berichterstattung sowie die Wahl des Distributionskanals entscheidenden Einfluss auf die Meinungsbildung der Menschen.

Dabei ist es insbesondere das Internet, das die freiheitlichen Werte der Demokratie wie kein anderes Medium vereint. Hier kann und darf die eigene Meinung frei artikuliert, sich vernetzt und sich informiert werden. Dennoch geht jede Freiheit auch mit Verantwortlichkeit einher, sodass die Freiheit des Einzelnen immer dort endet, wo die des Anderen beginnt. Um zu garantieren, dass die Freiheit des Denkens geschützt wird, gibt es demokratische Rechte in Deutschland. Sie sollen die Freiheitsrechte ge-währleisten, gleichzeitig aber auch Grenzen der Meinungs-, Informations-, und Kommunikationsfreiheit formulieren. Diese dürfen jedoch nicht derart eng gefasst sein, dass es zu einer Eingrenzung der deklarierten Freiheit im Internet kommt (vgl. Kleinwächter 2012, S. 8f.). Der Staat befindet sich somit in der Pflicht, durch entsprechende Maßnahmen den Schutz der Freiheit sowie den Schutz des Einzelnen zu gewährleisten. Diese Gradwanderung mündet oftmals in einem grundlegenden Konflikt zwischen den beiden fundamentalen Werten Freiheit und Sicherheit. Innerhalb dieses Spannungsverhältnisses ist die Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit zu verorten, die untersucht, ob Regulierungen im Internet notwendig sind oder ob diese die Möglichkeiten und Chancen des Internets beeinträchtigen.

1.1 Überblick zum Forschungsstand

Die Studie „Freedom on the Net 2014“ der US-Nichtregierungsorganisation Freedom House hat in den vergangenen Jahren untersucht, welche Länder der Welt das Internet zensieren und somit die Freiheit ihrer Bürger einschränken. Insgesamt wurden 65 Länder untersucht, 36 Länder bemühten sich demnach um Zensuren. Insbesondere Russland, die Türkei, die Ukraine und Angola schränkten ihre Bürger verstärkt im Internet ein. Island ist demnach das freiheitlichste Land, während Deutschland auf Platz fünf rangiert (vgl. Freedom House 2014 [online]).

Die internationale Non-Profit-Organisation Reporters without borders veröffentlicht ebenfalls jährlich eine Studie über Länder der Welt, die die Pressefreiheit aufgrund zensierender Maßnahmen einschränken. Global habe sich die Pressefreiheit verschlechtert, die Mehrzahl der 180 bewerteten Länder verschärften die Kontrollen gegenüber den Journalisten. Insbesondere in Konfliktregionen komme es immer wieder zu gezielten Unterdrückungen (vgl. Reporters without borders 2014 [online]).

In Deutschland untersucht die gemeinnützige Gesellschaft Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) in Zusammenarbeit mit dem SINUS-Institut Heidelberg die Entwicklungen im Bereich Netzstruktur, Netzpolitik, Datenschutz und Medienkompetenz (vgl. www.divsi.de o. Jg. [online]). 2013 wurde in diesem Rahmen eine quantitative Studie veröffentlicht, die sich mit dem Thema „Freiheit vs. Regulierungen im Internet“ befasste (vgl. DIVSI 2013a [online]). Insgesamt wurden 1.487 Personen befragt, die einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren abbildeten (vgl. ebd., S. 5). Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass über die Hälfte der Befragten der Meinung sind, dass der Staat verstärkt im Internet als Beschützer auftreten sollte. Gleichzeitig gehen die Menschen davon aus, dass ebendieser Staat die Kommunikation im Netz überwacht (vgl. ebd., S. 5).

Des Weiteren wurde 2012 eine Milieu-Studie durchgeführt, die eine bevölkerungsrepräsentative Typologie zum Thema Vertrauen und Sicherheit zum Ziel hatte (vgl. DIVSI 2012, S. 10 [online]). Eine gezielte Untersuchung der politisch Netzaktiven führte das Institut für Marktforschung sowie Politik- und Sozialforschung TNS im Auftrag des Bundespresseamtes im Jahr 2012 mit 770 Netzaktiven durch (vgl. TNS 2012, S. 1ff.).

Wie sogenannte „Entscheider“ des Internets über Freiheit und Regulierung denken, sollte in einer Entscheiderstudie des DIVSI evaluiert werden. Dazu wurden qualitative und quantitative Forschungsvorgehen miteinander verknüpft. Im ersten Schritt fanden 60 Experten-Interviews mit Meinungsführern aus Deutschland statt, um auf Basis der generierten Hypothesen eine quantitative Repräsentativerhebung mit 1.221 Befragten durchzuführen. Die Interviews dauerten nicht länger als 25 Minuten, für die Repräsentativerhebung wurde eine computergestützte Telefonbefragung durchgeführt (vgl. DIVSI 2013b, S. 14f. [online]). Die Entscheider kamen zu dem Schluss, dass die Wirtschaft als dominante Kraft des Internets bewertet werden kann. Global agierende Anbieter von Internetdiensten seien demnach die Hauptakteure, die ebenso wie Hacker und unbedachte Nutzer die größten Risiken im Netz darstellen. Sicherheit halten die Entscheider eher für eine Illusion, da die Menschen sich an einen freieren Umgang mit den eigenen Daten gewöhnen müssten. Die Nutzer seien zudem für ihre eigene Sicherheit verantwortlich, wobei es ihnen an der notwendigen Kompetenz im Umgang mit dem Medium fehle. Die Unterscheidung zwischen online und offline sei heute weitestgehend obsolet (vgl. ebd., S. 63ff.).

1.2 Zielsetzung

Obgleich vorliegende Arbeit mit ihrer zugrunde liegenden qualitativen Methode einen ähnlichen Ansatz wie die Entscheiderstudie des DIVSI verfolgt, können hinsichtlich ihrer Herangehensweise Unterschiede fest-gestellt werden. Um der zuvor erläuterten Forschungsfrage auf den Grund zu gehen, wurden netzpolitische Akteure interviewt, die sich nicht nur durch ihre Rolle als Entscheider und Einflussnehmer auszeichnen, sondern die aufgrund ihrer persönlichen Expertise über konjunktives Wissen verfügen. Da der Fokus der Arbeit auf die regulierenden Instanzen Staat, Wirtschaft und Medien gelegt werden soll, liegt es nahe, Experten aus diesen beruflichen Umfeldern zu befragen. Entsprechend zählen Politiker, Journalisten, Netzaktivisten, Wirtschaftsexperten sowie Datenschützer zur ausgewählten Zielgruppe. Um deren konjunktives Wissen zu explizieren, wird sich der Erhebungsmethode des leitfadengestützten Interviews bedient, die es wiederum ermöglicht, offene Fragen zu gestalten, um Erzähltexte zu generieren. Diese liefert Einblicke in die persönlichen Orientierungsstrukturen der Experten, sodass der subjektive Sinngehalt der Interviews transzendiert werden kann. Im Rahmen vorliegender Befragung wurde den Experten deshalb ein zeitlicher Rahmen gewährt, um ausführlich auf einzelne Fragen antworten und somit persönliche Erfahrungen vermitteln zu können. Zur Auswertung wird eine Methode herangezogen, die sich zwischen subjektivem Sinn und objektiven Strukturen verorten lässt: die dokumentarische Methode nach Ralf Bohnsack (vgl. Bohnsack 2003; 2010). Mit dieser qualitativen Forschungsmethode kann offengelegt werden, aufgrund welcher Sinnbezüge Menschen unter Berücksichtigung der sozialen Welt handeln (vgl. Lamnek 2010, S. 27f.). Darüber hinaus ist es in Zeiten des digitalen Wandels sinnvoll, auf aktuelle Problematiken zu verweisen und neue Entwicklungen mit einzubeziehen.

Anhand der Interviews soll herausgearbeitet werden, wie Freiheit im Internet zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht der Befragten definiert werden kann und warum sie für die deutsche Gesellschaft von Bedeutung ist. Ebenso soll untersucht werden, wie sich die Netzbürger in Deutschland entwickelt haben. Im Fokus der Betrachtung liegen insbesondere die unterschiedlichen Regulierungsmaßnahmen im Internet: Es gilt demnach zu klären, welchen Einfluss die netzpolitischen Akteure den staatlichen, wirtschaftlichen und medialen Regulierungsmaßnahmen zuordnen. Hierbei soll betrachtet werden, inwieweit die Befragten aufgrund ihres beruflichen Hintergrundes, ihres Alters sowie ihres medialen Expertenwissens zwischen den Grundpfeilern „Freiheit“ und „Sicherheit“ differenzieren: Wird die grundlegende Freiheit des Internets durch Kontrollen eingeschränkt, oder sind diese notwendig, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten? Zudem gilt es herauszufinden, welche Rolle die Themen Transparenz, Datenschutz und Gleichbehandlung im Internet spielen. Abschließend wird der Frage auf den Grund gegangen, ob es das freie Internet überhaupt noch gibt und wie das ideale Internet aussehen sollte. Kurzum bietet die Arbeit einen Einblick in die Sichtweisen aktueller Entwicklungen zur digitalen Gesellschaft aus Expertensicht.

1.3 Vorgehensweise

Um sich dieser Zielsetzung zu nähern, wird folgende Herangehensweise gewählt: Im theoretischen Teil der Arbeit werden zu Beginn die Grundlagen expliziert. Dazu wird das Wesen des Internet vorgestellt und dessen Stellenwert in der heutigen Gesellschaft herausgearbeitet. Um die heutige Struktur des Internets zu erfassen, ist ein Rückblick in die geschichtliche Entwicklung notwendig. Das aktuelle Gefüge des Netzes ist wiederum geprägt von verschiedenen Regulierungsformen, die im Anschluss erläutert werden. Jenseits regulierender Schranken gilt es, die individuellen Frei-heiten im Internet zu schützen. Welche Freiheiten existieren und welcher Rechtsprechung diese zugrunde liegen, wird am Ende des Grundlagenkapitels behandelt (Kapitel 2). Das darauffolgende theoretische Kapitel widmet sich dem Thema Freiheit im Internet. Es wird untersucht, welchen Stellenwert freie Artikulation im Internet für die Gesellschaft besitzt und welche Bildungsprozesse mit ihr einhergehen. Auch das Thema Partizipation als demokratische Grundvoraussetzung soll näher betrachtet werden. Zudem erfolgt die Vorstellung der einzelnen Artikulationsgruppen (Kapitel 3). Im letzten theoretischen Kapitel wird das Thema Kontrollen im Internet fokussiert. Hier folgt die Untersuchung der Bereiche Privatsphäre und Datenschutz, ehe der Schwerpunkt auf staatliche Kontrollen und regulierende Maßnahmen gelegt wird. Darüber hinaus gilt es, auch Medien und Wirtschaft als Kontrolleure des Internets detailliert zu betrachten (Kapitel 4). Im Anschluss daran beginnt der empirische Teil der Arbeit. Nach dem methodischen Vorgehen werden die Experten vorgestellt und die Abläufe der Datenerhebung erläutert (Kapitel 5). Es folgt die Darstellung der Auswertungsmethode in ihren einzelnen Arbeitsschritten, ehe diese zur Anwendung kommt (Kapitel 6). Die Ergebnisse der Auswertung werden darauffolgend anhand von Fallbeispielen eingehend betrachtet und im Anschluss in einer Typologie zusammengefasst (Kapitel 7). Im abschließenden Fazit gilt es, die Essenz der Ergebnisse zu extrahieren, um auf dessen Basis einen möglichen Ausblick zu formulieren (Kapitel 8).

2. Theoretische Grundlagen

Um einen Einstieg in die wesentlichen Themen der vorliegenden Arbeit zu gewähren, widmet sich dieses Kapitel der Geschichte des Internets, dessen heutiger Struktur, den unterschiedlichen Formen von Regulierungen sowie den gesetzlichen Freiheiten im Internet.

2.1 Das (Massen-)Medium Internet

In der heutigen Gesellschaft ist das Internet ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen und privaten Lebens. Der Anteil der Internetnutzer in Deutschland lag im Jahr 2014 bei 79,1 Prozent, 63 Prozent waren täglich online. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies zwar nur einem Zuwachs von zwei Prozent, dennoch agieren laut ARD/ZDF-Onlinestudie1 neun von zehn der unter 60-jährigen Deutschen täglich im Internet. Das Potenzial der jüngeren Altersgruppen scheint somit weitgehend ausgeschöpft, gleichwohl wird erwartet, dass die Zahl der Onliner in den kommenden Jahren weiter ansteigt.

Abbildung 1: Entwicklung der Onlinenutzung in Deutschland (in Prozent)

Quelle: Eigene Darstellung (modifiziert nach v. Eimeren & Frees 2014, S. 379)

„Rechnet man den Trend der letzten Jahre hoch, dürfte […] die Internetverbreitung in Deutschland bis 2018 auf rund 85 Prozent steigen.“ v. Eimeren & Frees 2014, S. 379) Getragen werde dieser Trend von der Generation 60plus, deren Internetpenetration aktuell bei 45,4 Prozent liegt. Im europäischen Vergleich liegt Deutschlands ältere Generation somit im oberen Mittelfeld, die Tendenz ist steigend. In den vergangenen Jahren habe sich laut van Eimeren und Frees insbesondere bei den älteren Onlinern eine Dynamik entwickelt, die durch den Anstieg der Internetverbreitung um sechs Prozent innerhalb eines Jahres erkenntlich wird (vgl. ebd.).

Mithilfe von Internetanwendungen findet ein Großteil der privaten Kommunikation statt. Kommunizieren und Informationen suchen stellen somit die wichtigsten Motive der Online-Nutzung dar (vgl. ebd.). Neben dem privaten Gebrauch werden auch Geschäftsprozesse im Unternehmenskontext heute maßgeblich von Internetanwendungen unterstützt. Die zunehmende Verbreitung von internetbasierten Diensten habe eine vermehrte Abhängigkeit der Gesellschaft vom Datentransport und von einer funktionsfähigen Internetinfrastruktur zur Folge (vgl. Zarnekow, Wulf & Bornsteadt 2013, S. 1). Schon die Bezeichnung Internet, die als gebräuchliche Abkürzung des Begriffs internetwork verwendet wird, macht deutlich, dass es sich bei diesem Medium um eine Zusammenschaltung unabhängiger, globaler und lokaler Netzwerke handelt (vgl. ebd., S. 7). Wie die ersten Netzwerke entstanden sind und welche Entwicklungsprozesse zur heutigen Internetarchitektur geführt haben, wird weiterführend dargestellt.

2.1.1 Geschichte des Internets

Als Ursprung des Internets wird die theoretische und praktische Entwicklung von Computernetzwerken durch die US-amerikanische Rüstungs-forschung zwischen 1960 und 1970 betrachtet. Um den vermeintlich technischen Rückstand der amerikanischen Forschung gegenüber der russischen Wirtschaft aufzuholen, gründete das amerikanische Verteidigungsministerium 1958 die Advanced Research Projects Agency (ARPA)2, deren wesentliche Aufgabe in der Untersuchung und Entwicklung von Computertechnologien für den militärischen Einsatz bestand. Die Forschungsarbeiten der 1960er Jahre resultierten vor allem in der theoretischen und praktischen Konzeption von Methoden der Computervernetzung, die als Grundlagen des heutigen Internets betrachtet werden (vgl. Engemann 2003, S. 17ff.). Ein Paradigmenwechsel in der Technologie der Datenübertragung bildete die auch heute noch existente fundamentale Struktur des Internets: Statt Nachrichten zwischen Sender und Empfänger über direkte Verbindungsschaltungen zu übermitteln, wie bei einem klassischen Telefonsystem, wurde die Nachricht digital codiert und in Pakete zerlegt. Diese enthielten neben den Inhalten der Nachricht weitere Informationen über den Absender, das Ziel sowie die Gesamtgröße der Ursprungsnachricht (vgl. ebd.). Eine direkte Schaltung zwischen Sender und Empfänger war nicht mehr nötig, da die schrittweise Übertragung der Datenpakete in einem „[…] theoretisch unbegrenzt großen Netzwerk von Computern“ (Engemann 2003, S. 18) realisiert werden konnte. Durch die Vermeidung zentraler Verschaltungsinstanzen konnte die militärische Kommunikation gegen feindliche Datenangriffe immunisiert werden. 1969 entstand somit das ARPANET3, welches Computeranlagen mehrerer amerikanischer West-küsten-Universitäten miteinander verband. Immer mehr Rechner amerikanischer Universitäten und staatlicher Forschungseinrichtungen wurden in den 1970er Jahren an das ARPANET angeschlossen. Währenddessen entwickelten sich weitere Computernetzwerke, die unterschiedliche Protokollstandards verwendeten, wodurch ein Datenverkehr zwischen den verschiedenen Netzen kaum möglich war. Daher musste ein Protokoll-standard entwickelt werden, der die Fähigkeit besaß, zwischen den unterschiedlichen Anwendungen und Netzwerken vermitteln zu können. Für diese Funktion der universellen Vermittlung wurde der Begriff Internetting etabliert. Die technische Umsetzung des Meta-Protokolls wurde als Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP) bezeichnet und ermöglichte ab den späten 1970er Jahren Interoperabilität zwischen verschiedenen Netzwerken (vgl. Engemann 2003, S. 19f.). Durch das TCP/IP war es möglich, Daten über eine beliebige Anzahl unterschiedlicher Netze zu versenden. „Aus dieser Vernetzungswirkung des TCP/IP zwischen den schon in den 1970er Jahren in die Hunderte gehenden separaten Netzwerken […] resultierte dann das Internet als das 'Netz der Netze'.“ (Engemann 2003, S. 20, Herv. im Orig.) Ende der 1970er Jahre kam mit dem Domain Name Service (DNS)4 eine weitere wichtige Verein-fachung der Nutzung hinzu. Fortan musste zur Verbindung des Computers nicht mehr dessen genaue numerische Adresse bekannt sein, stattdessen wurde ein nutzerfreundlicher Name verwendet. Dieser ermöglichte die Verbindung zum entsprechenden Server (vgl. ebd.).

Die theoretischen und technischen Voraussetzungen des Internets liegen der militärischen Computerforschung der 1960er und 1970er Jahre zugrunde. Bis zur Abtrennung eines unabhängigen militärischen Netz-werkes 1983 waren zivile und militärische Computer gemeinsam im ARPANET vertreten. Die Entwicklung der Technologie schritt so schnell voran, sodass der militärische Sektor früh verlassen wurde. Eine suk-zessive allgemeine Verbreitung folgte über den akademischen Sektor (vgl. ebd.). In der ersten Hälfte der 1990er Jahre setzte sich zunehmend der Gebrauch von E-Mails zur Datenübertragung im gesamten akademischen Bereich durch, sodass ab 1995 nahezu alle Universitäten der Industrie-nationen ihren Mitarbeitern und Studenten die Nutzung des Internets ermöglichten. Nach Engemann (2003) sei die Entwicklung des Internets nicht das Resultat der Organisationsleistung staatlich-zentralistischer Bürokratien, sondern sie geht „[…] auf eine spezifische Form der Konsensbildung über technische Standards, Protokolle und Architektur des Netzes im Schnittfeld von akademischer Computerforschung, Militär und libertärer Programmiererszene […] zurück“ (S. 24). Die Entfaltung des Internets wurde in einem institutionenübergreifenden, kollaborativen Optimierungsprozess vorangetrieben, welcher die bis heute wirksame Idealisierung des Internets als „[…] fundamental demokratische Potenz“ (ebd.) begründet.

Mit der Entwicklung der Softwarespezifikation World Wide Web (WWW5) konnten grafische Benutzeroberflächen von der Nutzung des Personalcomputers (PCs) auf die des Internets übertragen werden. Tim Berners-Lee stellte sein Hypertext-System erstmals 1989 an der Forschungseinrichtung CERN6 vor. Um Forschungsergebnisse auf einfache Art und Weise auszutauschen, wurde eine Methode für das Verflechten wissenschaftlicher Artikel geschaffen. Berners-Lee beschreibt das World Wide Web als eine großräumige Hypermedia-Initiative zur Informationsbeschaffung. Ziel sei der allgemeine Zugang zu einer großen Sammlung von Dokumenten (vgl. Berners-Lee & Fischetti 1999, S. 47ff.). Mit der Einführung des WWW konnten multimediale Informationen in einem weltweit ausgedehnten Archiv auch von PCs aus zugänglich gemacht werden. Mit der zunehmenden Multimediafähigkeit der Personalcomputer schaffte das WWW einen bis heute anhaltenden Popularisierungsschub für das Internet, auch außerhalb des akademischen und militärischen Sektors (vgl. Engemann 2003, S. 31f.).

2.1.2 Struktur des Internets

Aus ökonomischer Sicht sind heute zwei maßgebliche Eigenschaften des Internets zu nennen: Zum einen die Unabhängigkeit der zusammengeschalteten Netzwerke, zum anderen die Öffentlichkeit des Internets. Als einzige gemeinsame Konvention der verschiedenen Netzbetreiber kann die Schaffung einer logischen Struktur gesehen werden, die den Datentransport sowie die Wegewahl der Adressierung möglich macht. Die Gestaltung der Datenübertragungsverfahren und der physischen Infrastruktur bleibt den einzelnen Netzbetreibern selbst überlassen. Somit wird letztere nicht nur für den Internetverkehr, sondern oftmals für andere Dienste, wie Festnetztelefonie oder Rundfunkübertragung, genutzt. Ebenso ist die Dienstegestaltung der einzelnen Anbieter im Internet vom Datentransport entkoppelt (vgl. Zarnekow, Wulf & Bornsteadt 2013, S. 7).

Durch die Anwendungsmöglichkeiten, die auf Basis der in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwickelten Techniken entstanden, wurde es den Nutzern ermöglicht, von ihren Personalcomputern aus Web-Anwendungen zu bedienen. Das Nutzungsverhalten der Onliner veränderte sich, da Inhalte aus dem Internet nicht nur rezipiert, sondern auch kommentiert oder erweitert werden konnten. Daraus resultierte eine neue Form der Öffentlichkeit, die nach Ariane Windhorst (2010) als virtuelle Öffentlichkeit bezeichnet werden kann (S. 222). Grundsätzlich stehe es jedem Menschen unabhängig von Stand, Klasse und Milieu frei, sich im Cyberspace zu bewegen.7 Die technische Struktur des Internets mache es zudem grundsätzlich möglich, dass alles von jedem online veröffentlicht werden kann. Dementsprechend könne das Internet als demokratieförderndes Medium angesehen werden (vgl. ebd., S. 221).

Seit einigen Jahren konstatiert sich der Begriff Web 2.08, da das WWW mit seinen netzwerkartigen Kommunikationsstrukturen und umfassenden Anwendungen neuartige interaktive Diskursarten erlaubt. Im Gegensatz zu klassischen Massenmedien wird im Internet eine interaktive Nutzung ermöglicht, es findet keine einseitige Kommunikation statt. Dies erfordert eine höhere Eigenaktivität von den Rezipienten. Die Öffentlichkeit spaltet sich somit in Onliner (oder Netizens9) und Offliner. Die angebotenen Computer-netzwerke werden in der öffentlichen Kommunikation heute von allen Altersgruppen genutzt, was an den veränderten technischen Plattformen für traditionelle Kommunikationsweisen und dem umfassenden gebotenen Leistungsspektrum liege (vgl. Prommer & Vowe 1998, S. 7). Weltweit lag die Anzahl der Internetnutzer laut Statista10 im Jahr 2014 bei 2,92 Milliarden Menschen (Statista 2015a [online]). Jährlich steigt die Zahl der Onliner um 200 bis 300 Millionen Nutzer. Bill Gates' Einschätzung „Internet is just a hype“ aus dem Jahr 1995 (Schaar 2009, S. 42) kann entsprechend der aktuellen Zahlen als widerlegt angesehen werden. Vielmehr hat sich das Internet zum festen Bestandteil des alltäglichen Lebens konstatiert, dessen Anwendungen sämtliche Lebensbereiche tangieren. E-Mails verdrängen den klassischen Brief, Bestellungen im Internet verdrängen den konventionellen Handel, Online-Banking verdrängt die Verwendung von Schecks und Überweisungsformularen. Peter Schaar (2009) sieht die sogenannte e-Welt11 nicht durch Technologien gekennzeichnet, sondern durch ihre Anwendungsfelder, die anstelle entsprechender Funktionen der realen Welt treten (S. 43f.).

Dass diese Entwicklung nicht nur Vorteile für die Öffentlichkeit mit sich bringt, beschreibt Windhorst (2010), indem sie anmerkt, dass sich der „[….] gewaltigste Strukturwandel der Öffentlichkeit aller Zeiten“ abzeichnet (S. 222). Sie ist der Meinung, dass Kontrollinstanzen notwendig seien, da die Menschen im Internet in „ungeahnter Intensität“ von ihrem Recht auf Veröffentlichung Gebrauch machen würden. Insbesondere die Presse sei als Kontrollmedium „unverzichtbar“ (ebd.). Im Folgenden soll verdeutlicht werden, welche Regulierungsformen des Internets grundsätzlich existieren. Weiterführend wird in Kapitel 4beschrieben, welche expliziten Kontrollinstanzen die virtuelle Öffentlichkeit beeinflussen oder gar zensieren.

2.2 Regulierung des Internets

Der Informatiker Wolfgang Coy spricht bereits im Jahr 1998 in seinem Aufsatz „Wer regiert das Internet?“ von vielfältigen Regulierungen des Internets (Coy 1998, S. 134ff.). Es existiere eine globale und eine mediale Struktur, sodass viele herkömmliche Ordnungsvorstellungen nicht mehr greifen würden. Vielmehr wäre ein erheblicher Regelungs- und Abstimmungsbedarf erkennbar (vgl. ebd.). Der Begriff Regulierung stellt laut Definition einen Teilbereich der Politik dar. Allgemeine verbindliche Regeln und Entscheidungen über Medienorganisationen sowie die massenmediale öffentliche Kommunikation als auch deren Implementation stellen den Kern der Regulierung dar. Die breiteste Definition beschreibt Regulierung als jegliche Form sozialer Kontrolle. Sie geht davon aus, dass alle Mechanismen, die in irgendeiner Form das Verhalten beeinflussen, Regulierungen sind (vgl. Puppis 2007, S. 49f.).

Innerhalb einer weiteren Begriffsbestimmung wird der Staat als Regulierungsakteur12 genannt. Regulierung als intendierter Staatseinfluss umfasst nicht nur Gebote und Verbote, sondern auch andere Arten der Einflussnahme. Hierzu zählt das Setzen von ökonomischen Anreizen, Subventionen oder die Bereitstellung von Informationen zur Problemlösung. Bei beiden Deutungsansätzen erfolgt die Regulierung aus bestimmten Gründen (vgl. ebd.). Eine staatliche Regulierung des Internets sollte aufgrund seiner Grundsätze nur in sehr geringem Maße stattfinden. Der Kommunikationswissenschaftler Denis McQuail brachte diesen Grundsatz folgendermaßen auf den Punkt:

„The Internet has developed in a spirit of de facto freedom from any control and in its early days was considered as a 'common carrier' medium, using the telecommunications system for the transmission and exchange of messages and information.”

(McQuail 2005, S. 238f.)

Staatliche Regulierungen sollten sich folglich darauf beschränken, die Infrastruktur auszubauen, um einen chancengleichen Zugang zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zu ermöglichen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass es von staatlicher Seite aus Bestrebungen gibt, illegale Tätigkeiten im Netz zu unterbinden. Dazu zählen etwa Bestrebungen mit politisch radikalem oder pornografischem Bezug sowie die Verletzung von Urheberrechten.13 Die Inhalte im Netz werden ansonsten der Selbstregulierung14 überlassen (vgl. Puppies 2007, S. 90).

2.2.1 Zugangsregulierungen

Prinzipiell ist der Zugang zum Internet einfach. Voraussetzung ist ein PC oder ein mobiles, internetfähiges Endgerät (Laptop, Smartphone, Tablet15). Dies sind sowohl die Bedingungen als auch die Grenzen des Zugangs: Wer über kein internetfähiges Endgerät verfügt, hat auch keinen Zugang zum Internet. Hinzu kommt nach Coy (1998) der Bildungsaspekt: Die Onliner müssten in der Lage sein, Englisch zu lesen und zu verstehen. Ebenso sollten die Rezipienten über technische Kompetenzen verfügen, um das verwendete Endgerät bedienen zu können. Coy spricht in diesem Zusammenhang von Computer Literacy16 als weltweite Kulturtechnik, deren Erwerb in der frühen Kindheit verankert sei (vgl. ebd., S. 137). Es wird vorausgesetzt, dass eine öffentliche Kultur des Umgangs mit den offenen globalen Netzen entsteht. Dass dies innerhalb der Grenzen vieler Nationalstaaten nicht selbstverständlich ist, macht Coy deutlich. Er beschreibt, dass es in Europa und Amerika eine historische Verbindung zwischen Demokratie und dem Zugang zum Wissen gebe. Dort existiert das Recht auf Schulbildung, Ausbildung und allgemeine Bildung, in dessen Kontext öffentliche Bibliotheken und die ideologische Vorstellung einer freien Presse entstanden. In der amerikanischen Verfassung werden freedom of information und freedom of the press zum konstitutionellen Recht erklärt. In Deutschland zählen die Rechte der Denkfreiheit, der Informationsfreiheit und der Meinungsäußerung zu den zentralen Anliegen des Grundgesetzes. Dies erfordert nach Coy eine aktive Rolle des Staates, da die Kosten des Zugangs zu Informationen über das Internet nicht zur Schranke solcher Rechte werden dürften. Diese Ausübung müsse nicht kostenlos oder unreguliert sein, vielmehr bestünde ein politischer Spielraum zur Gestaltung des Rechts auf Teilhabe (vgl. ebd., S. 136ff.).

Trotz der Grundrechte der Industrienationen ist ein Digital Divide17 zwischen gut und schlecht Verdienenden festzustellen, „[…] der einem sozialen Ausschluss gleichzukommen droht“ (Puppis 2007, S. 267). Die Differenzierung in Onliner und Offliner lässt sich nicht nur in sozialer, sondern auch in geografischer Hinsicht beobachten. Insbesondere in Entwicklungsländern sind die Barrieren zur Internetnutzung groß. Hier spielen nicht nur Infrastruktur und finanzielle Aspekte eine Rolle, sondern auch die zuvor genannten bildungstheoretischen Voraussetzungen. Die Idee eines uneingeschränkten, freien Zugangs zum Wissen ist somit keine globale Strategie. Einige Länder verbinden mit dem Recht auf Bildung gar die Kontrolle der zugänglichen Informationen, sodass es „[…] um die politische und rechtliche Kontrolle des Zugangs zu Informationen als Zensur- und Erziehungsmaßnahme“ geht (Coy 1998, S. 139). Auch in den Industrienationen gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Inhalte als Problem erachtet werden können. Was als legal oder illegal eingestuft wird, unterscheiden die einzelnen Länder aufgrund unterschiedlicher kultureller Bewertungen. Ein gemeinsamer Konsens scheint kaum möglich zu sein (vgl. Puppis 2007, S. 267).

2.2.2 Technische Regulierung

„The architecture – the underlying technology and technological configuration of the Internet – is of key importance to what can be done online and to the limits and possibilities for regulation and governing the online environment.”

(Ó Siochrú, Girard & Mahan 2002, S. 104f.)

Durch die technische Ausgestaltung des Internets wird bestimmt, welche Möglichkeiten den Nutzern offen stehen. Ebenso gibt sie Aufschluss darüber, welche Formen der Regulierung umsetzbar sind, wodurch technische Fragen unmittelbare soziale und ökonomische Auswirkungen haben (vgl. Puppis 2007, S. 269).

Die technische Kontrolle beginnt mit der Festlegung der Protokollvereinbarungen sowie deren Änderungen und Anpassungen. Sie bestimmen die aktuelle und zukünftige Nutzung des Netzes. Im Internet sind vor allem Organisationen wie die Internet Engineering Task Force (IETF), die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) oder die Internet Society (ISOC) für die Regelung der Protokollfragen verantwortlich. In regelmäßigen internationalen Treffen beschäftigt sich die IETF mit der technischen Weiterentwicklung von Internetprotokollen und -verfahren. Ihre Aufgabe ist es, Internetprotokollstandards weiterzuentwickeln und zu verwalten, um kurzfristige Probleme zu lösen und die fehlerfreie Nutzung des Internets zu ermöglichen (vgl. Coy 1998, S. 135). Die IETF ist eine offene, Internationale Vereinigung, deren freiwillige Mitglieder sich in Diskussionsgruppen im Netz austauschen. Zu ihnen zählen Netzwerktechniker, Hersteller, Netzbetreiber oder Forscher. Da es sich um eine lose Organisation ohne Rechtsform handelt, ist keine förmliche Mitgliedschaft nötig und alle interessierten Individuen können an den internationalen Treffen teilnehmen (vgl. www.ieft.org o. Jg. [online]).

An der Spitze der Internetverwaltung steht die ICANN als ein „Musterbeispiel für transnationales Wirtschaftsrecht“ (Tietje 2009, S. 443). Sie koordiniert verschiedene Bereiche des Internets und ist neben der Verwaltung der zentralen Root-Server insbesondere für die Vergabe der IP-Adressen für das Domainnamen-System zuständig. Zudem verwaltet die ICANN im hierarchischen Domain-System die als Top Level Domains bezeichneten Ländercodes. Die Zuständigkeit innerhalb der Länderdomains liegt allerdings bei nationalen Vergabestellen. In Deutschland ist etwa die DENIC18 verantwortlich. Auch die Zuweisung der Generic Top-Level Domains, wie org für Organisationen oder com für kommerzielle Aktivitäten, fällt in den Zuständigkeitsbereich der ICANN. Dabei entscheidet sie, ob und wie die Top-Level Domains ausgeweitet werden. Als zivilrechtliche Non-Profit-Organisation hat die ICANN jedoch keine staatlichen Befugnisse19 (vgl. ebd.).

Eine andere Ebene der technischen Kontrolle stellen die Dienstleistungen des Netzes dar. Die klassischen Dienste reglementieren – über alle technischen Grenzen der Rechnerarchitektur und der Betriebssysteme hinaus – den Umgang mit im Netz gespeichertem Wissen. Die technischen Definitionsrechte für das WWW liegen bspw. bei der wissenschaftlichen Organisation W3 Consortium20 (W3C). Dass die Definitionsmacht weltweiter Programmiersprachen bei den Entwicklern und somit Großkonzernen liegt, sei eine typische Form der Kommerzialisierung (vgl. Coy 1998, S. 136).

2.2.3 Ökonomische Regulierung

Die gleichzeitige Nutzung des Internets durch sehr viele Menschen, die über eine entsprechende Ausrüstung verfügen, ist generell möglich. Clement und Schreiber (2013) sprechen von einer „Nicht-Rivalität in der Nutzung“ (S. 28). Dennoch erlauben die technischen Eigenschaften der Kommunikationsnetzwerke die Erhebung von Anschluss- oder Nutzungsgebühren, was wiederum einen Ausschluss verursachen kann. Würden nicht zahlungswillige Personen somit von einer Nutzung des Internets ausgeschlossen, könnte man von einer Rivalität der Nutzung sprechen und das Internet käme einem „Klubgut“ gleich (ebd.).

Eine weitere Regulierung der Internetnutzung kann durch die Überlastung der Internet-Infrastruktur entstehen. Eine Überlastung liegt vor, wenn die Menge der an einem Router ankommenden Datenpakete höher ist als dessen Kapazität. Ursachen dafür können eine nachfrageinduzierte Überlast durch hohe Nutzeraktivitäten oder eine angebotsinduzierte Überlast sein. Diese Überlasten entstehen, wenn Übertragungswege ausfallen oder diese in zu geringem Maß verfügbar sind. Bei Anwendungen im Finanzbereich oder der Abwicklung von Geschäftsprozessen wäre eine Minderung der Dienstqualität unmittelbar spürbar. Bei nicht-qualitätssensitiven Diensten, wie dem Aufrufen von Websites oder dem Versand von E-Mails, sind die Folgen für die Nutzer häufig kaum spürbar (vgl. ebd., S. 27ff.).

Auch wenn der Eindruck entsteht, dass die Leistungskapazitäten des Internets kein regulierender Faktor sind, weisen Studien darauf hin, dass es aufgrund der immens steigenden Nutzung zu Dichteeffekten kommen kann, wenn nicht in zusätzliche Verbindungen investiert wird (vgl. Kruse 2008, S. 188f.). Gleichzeitig sinken die Preise für die Internetzugänge und es besteht hauptsächlich eine Rivalität in der schnellen Übertragung der Datenpakete (vgl. Clement und Schreiber 2013, S. 28f.).21

Ökonomische Regulierung findet auch durch die Kommerzialisierung des Internets statt. Medienkonzerne, Werbeindustrie, Printmedien und TV-Produzenten haben längst begonnen, das Medium Internet für ökonomische Zwecke zu nutzen. Das Netz dient als riesiger Warenkatalog, dessen Kosten durch eine noch größere Einnahmequelle gedeckt werden: die Werbung. Die meisten Dienstleistungen im Internet werden durch Werbung finanziert. „Eine der zentralen Dienstleistungen, der Nachweis der im Netz gespeicherten Daten und Informationen durch Suchmaschinen, die eine laufende Bestandsaufnahme des Netzes vornehmen, wird durch sogenannte Bannerwerbung finanziert.“ (Coy 1998, S. 142) Personenbezogene Daten22 sind dabei für die individuelle Werbung von zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung. Unternehmen streben nach umfassender Kenntnis über die Lebensumstände, Vorlieben und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des potenziellen Kunden.23 Für das individualisierte Marketing werden personenbezogene Daten benötigt, damit die persönlichen Wünsche der Kunden Beachtung finden (vgl. Schaar 2009, S. 186ff.). Der Markt für solche Daten ist außerordentlich groß und bei jedem Mausklick hinterlassen Onliner ihre digitale Spur im Netz. Durch die Präsentation ausgewählter Werbung auf Basis bekannter persönlicher Vorlieben werden die Nutzer somit gezielt manipuliert.

2.2.4 Rechtliche Regulierung

Die Regelungen des Eigentums und der persönlichen Freiheiten gehören zu den Kernfragen des bürgerlichen Rechts. Diese Regelungen sollten auch im Netz gelten. Die bisherige mediale Ausprägung des Internets provoziert jedoch Kontroversen rund um Bürgerrechte, Datenschutz, Meinungsfreiheit, Zensur sowie Konflikte im Umgang mit geistigem Eigentum (Coy 1998, S. 142). Die Notwendigkeit des Schutzes von geistigem Eigentum in Zeiten technischer Reproduzierbarkeit ist umso erheblicher. Durch den Einzug moderner Medien ist es heute komplizierter, geistige Arbeiten zu schützen. Deshalb wurden Patentrechte und Urheberrechte zur Sicherung des geistigen Eigentums geschaffen. Das Urheberrecht schützt nach § 1 UrhG die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Dieser Schutz ist personenbezogen und kann als „Recht des schöpferischen Geistes“ bezeichnet werden (Dreyer, Kotthoff & Meckel 2013, S. 11f.).

Coy (1998, S. 143f.) bezeichnet geistiges Eigentum als „kulturelles Erbe der Menschheit“. Grundsätzlich würden Patentrechte und Copyright den zeitlich begrenzten Schutz anerkennen. Gleichwohl bildet das Internet alle rechtlichen Beziehungen der einzelnen Bürger ab. Die rechtliche Bewertung und Behandlung des Datenschattens der Bürger hängt empfindlich von nationalen Bürgerrechten ab. Die Regelung des Datenschutzes, des informationellen Selbstbestimmungsrechts, der Glaubens-, Meinungs- und Pressefreiheit wird in der Bundesrepublik Deutschland wie in den USA vergleichbar geregelt. Dennoch existieren im Detail Unterschiede: Historisch begründet differenziert sich das deutsche Recht etwa in Bezug auf neonationalistische Propaganda von dem anderer Staaten. Im Internet stoßen diese Rechte oft an ihre Grenzen, da die amerikanischen Vorstellungen von privacy, freedom of speech, freedom of expression, freedom of religion und freedom of the press auf kampf- und zensurbereite Regierungen treffen (vgl. ebd.).

Aktuellste Ereignisse zeigen, dass die amerikanische Regierung selbst den libertären Vorstellungen vieler Netizens keineswegs folgt. Durch den als Whistleblower24 bekannt gewordenen Edward Snowden wurde im Juni 2013 bekannt, dass die amerikanische National Security Agency (NSA) und die britischen Government Communications Headquarters (GHCQ) die gesamte westliche Welt gezielt überwachte, Telefonate abhörte und politische Partner heimlich ausspionierte (vgl. Beckedahl & Meister 2013).25

2.2.5 Politische Regulierung

Unter dem Begriff Medienpolitik wird die Gesamtheit der Maßnahmen politisch-administrativer Systeme zusammengefasst. Diese wirken direkt oder indirekt auf die Produktion, Distribution und den Konsum massenmedial verbreiteter Inhalte ein. Medienpolitik wird in diesem Verständnis sehr eng an den Staat und staatliche Akteure (Regierung, Verwaltung, Parlament) gebunden (vgl. Puppis 2007, S. 35). Neben Gesetzen, Verordnungen oder Gewährleistungen, zählt nach Hachmeister (2008) auch „[…] die Vermittlung und Präsenz von Politik in den Medien“ und die „Politik der Medienordnung selbst“ (S. 17) zum Feld der Medienpolitik.

Wenn von politischer Regulierung die Rede ist, rückt meist der Begriff Governance26 in den Fokus. Aus politikwissenschaftlicher Sicht ist darunter das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte zu verstehen: „[…] von der institutionalisierten zivilgesellschaftliche Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln staatlicher Akteure.“ (Mayntz 2005, S. 15) Der Staat greife dabei nicht als einziger steuernder und koordinierender Akteur in die Gesellschaft ein. Vielmehr sei der Staat ein „[…] differenziertes Geflecht nur teilweise hierarchisch miteinander verbundener Akteure […]“ (ebd.). Die Steuerung und Koordination würde gemeinsam mit nicht-staatlichen Akteuren vollzogen. Wenn private Akteure anstelle des Staates regulieren, wird von Selbstregulierung gesprochen. Für die Regulierung ist hier nicht der Staat, sondern Vertreter der Regulierten selbst zuständig (vgl. Puppis 2007, S. 59f.). Regulierungen von Staat und nicht-staatlichen Akteuren spielen auch für den weiterführenden Begriff Media Governance eine Rolle: Dieser thematisiert die sich wandelnde Konstellation der Akteure im Kommunikationsbereich. Hier wird die Forderung laut, dass Bürgerinnen und Bürger individuell an administrativen Prozessen zu beteiligen sind (vgl. Donges 2007, S. 14). Gerechtfertigt wird die Regulierung in Massenmedien dadurch, dass sie ein Forum für politische Debatten und Informationen bieten, welches geschützt werden soll. Auf diese Weise wird Öffentlichkeit hergestellt, die für das Funktionieren moderner Demokratien notwendig ist. Der Einfluss nicht-staatlicher Akteure ist auch deshalb von enormer Bedeutung, da die Medien, neben der politischen Meinungs- und Willensbildung, auch als Kontrollinstanzen fungieren. Machthaber können über das Internet kontrolliert und kritisiert werden (vgl. Puppis 2007, S. 82f.).

Dass diese mit nicht-staatlichen Akteuren geteilte Regulierungsfunktion in der Realität einigen Staaten missfällt, macht Coy (1998) sehr deutlich. Seiner Meinung nach sind sich die Regierungen weltweit einig, eigenständig Inhalte im Netz zensieren zu wollen. Dabei räumt er ein, dass Zensurmaßnahmen auf breiter Front an der technischen Infrastruktur des Internets scheitern: „Zensur im Netz kann nur als mehr oder minder willkürliche Einzelmaßnahme erfolgen. Dies ist das grundlegende Dilemma, dem alle Regierungen im globalen Netz ausgeliefert sind.“ (Coy 1998, S. 148) Die politische Kontrolle beziehe sich nicht nur auf die Zensur von Inhalten, sondern auch auf die Kontrolle über den Zugang zum Netz. Demgegenüber stehe eine Gemeinschaft aus Netznutzern, die das Internet als Ort individueller Freiheiten jenseits staatlicher Schranken erleben. Diese gälte es zu verteidigen, da sich staatliche Regulierungen und Eingriffe empfindsam auf den intendierten offenen, globalen Austausch auswirken (vgl. ebd.).

2.3 Freiheit im Internet

Auch in der heutigen Informationsgesellschaft besitzt jeder Einzelne subjektive Rechte, die ihm kraft Verfassung und sogar kraft internationalen Rechts zustehen. Diese gelten auch, wenn der deutsche Bürger im Internet tätig ist und dort am Informations- und Meinungsaustausch teilnimmt.

„Im Prinzip gilt für die Kommunikationsvorgänge im Netz, was auch für den Austausch außerhalb des Netzes gilt: Die in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechte der Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit sind hier wie dort die Bastionen politischer Freiheit, aber auch die zensurfreien (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG!) Tore für Spiel und Unterhaltung.“

(Bull 2013, S. 32)

Das Internet ist somit keinesfalls ein rechtsfreier Raum. Ohne bestimmte Schranken wäre das Miteinander der Menschen im Internet ungeschützt. Die allgemeinen Gesetze müssten nach Bull (2013) im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung für den freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt werden. Eines besonderen Grundrechts für die Kommunikation bedürfe es nicht. Wenn es als schrankenlos verstanden würde, wäre es mit dem Grundgesetz ohnehin nicht vereinbar (S. 33f.).

Die Forderung nach Freiheit im Netz dient als Argument dafür, die Handlungs- und Äußerungsfreiheit des Individuums nicht zu eng zu begrenzen. Eine Grenze der Freiheit ist durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) im Jahr 1977 entstanden. Das Gesetz will die Meinungs- und Medienfreiheit nicht einschränken, faktisch wird diese jedoch erschwert. Wer demnach personenbezogene Daten Dritter im Internet veröffentlicht, darf dies nach der Grundvorschrift des BDSG (§4 Abs. 1) nur, wenn der Betroffene dazu eingewilligt hat. Daraus resultiert eine gegenwärtige Rechtslage, die Bull als „peinlich“ (S. 34) bezeichnet: Während es jedem frei stehe, offline (wahre) Behauptungen über andere zu verbreiten, müsse derselbe Vorgang online möglicherweise vor dem BDSG gerechtfertigt werden. Unter Umständen könne die Datenschutzauftragsbehörde die Aussagen über das Internet verbieten oder gar reglementieren (vgl. ebd.).

Das Suchen nach Informationen und Unterhaltung ist im Internet selbstverständlich erlaubt. Sobald das Recht Dritter unberührt bleibt, sollte das Surfen im Netz unbeobachtet geschehen. Dem Staat ist es zwar erlaubt, sich ebenfalls allgemein zugänglicher Informationen zu bedienen, nicht rechtens ist es aber, sich unter einer Legende in eine Kommunikationsbeziehung zu einem Grundrechtsträger zu begeben, um persönliche Informationen des Betroffenen einzuholen, die der Staat sonst nicht erhalten würde (vgl. Bull 2013, S. 35f.).

2.3.1 Meinungsfreiheit