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Bei den Krankenkassen ist das Wachstum zu Lasten von Service und Leistung in den Vordergrund getreten. Viele Verantwortliche sind leider zu weit von ihrer Aufgabe, die Versicherten zu betreuen abgerückt. Nachdem der Einheitsbeitragssatz eingeführt wurde, wäre die Einheitskrankenkasse der logische Folgeschritt gewesen. Die Politik hat es nicht geschafft, eine vernünftige Reform der Krankenversicherung durchzuführen. Viele sogenannte Reformen haben einen Flickenteppich hinterlassen. Der Versicherte ist dabei auf der Strecke geblieben. Dabei gab und gibt es sehr viele Möglichkeiten, wieder menschenwürdig mit kranken und alten Menschen umzugehen. Dazu muss noch nicht einmal zusätzlich Geld in die Hand genommen werden. Der Gedanke der Solidarität muss wieder ganz in den Vordergrund gerückt werden
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Seitenzahl: 125
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Jaschi
Kranke Krankenversicherung
So werden Kranke und Alte abgezockt
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kranke und Alte werden abgezockt
Rückblick
Das Geld wird knapp
Die Leistungen
Die Möglichkeiten der Krankenkassen
Fragliche Hilfsmittel
Manager
Widerspruch und Klage
Wie könnte es weitergehen?
Änderungen der Gesetze
Finanzierung
Einsparungen
Vision
Danke
Impressum neobooks
Welche Rolle spielt der Mensch noch in der gesetzlichen Krankenversicherung? Werden die Gesetze noch für uns oder für die Lobbyisten gemacht? Diese Fragen klingen sarkastisch. Wer sich die Mühe macht, einmal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, wird sicher sehr große Bedenken bekommen, ob er wirklich noch im Mittelpunkt der politischen Geschehnisse steht.
Die gesetzlichen Krankenkassen haben kein Geld. Die gesetzlichen Krankenkassen haben Milliarden Euro Überschüsse erwirtschaftet und sitzen auf dem Geld. Die Finanzsituation der Krankenkassen hat in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Dies ganz besonders, seit die Politik in die Selbstverwaltung der Krankenkassen entscheidend eingegriffen hat; besser: diese verstümmelt hat.
Was stimmt denn nun? Werden wir von der Politik oder von den Krankenkassen belogen?
Die Wahrheit liegt, wie so oft, in der Mitte. So richtig lügen tut eh’ Keiner; erst gar nicht ein Politiker!
Ich habe vierundvierzig Jahre in der gesetzlichen Krankenversicherung gearbeitet. Als Lehrling, Sachbearbeiter, Teamleiter und Abteilungsleiter. Zusätzlich habe ich sieben Jahre als Personalrat die Interessen der Belegschaft vertreten.
In den letzten dreißig Jahren konnte ich die wirklich wichtigen Dinge umsetzen, damit die Versicherten sich gut aufgehoben fühlten. Das war nur möglich, weil ich Vorstände hatte, denen das ebenso am Herzen lag wie mir. Dadurch wurden andere Kolleginnen und Kollegen automatisch für einen optimalen Einsatz sensibilisiert. Die Fusionswelle sorgte dann allerdings dafür, dass ich ausstieg. Auf ein Mal standen nur noch Selbstbeweihräucherung und Sparmaßnahmen im Vordergrund des Unternehmens. Für mich war das nicht nachvollziehbar und passte überhaupt nicht zu meiner Philosophie der Betreuung von Versicherten.
Trotzdem ließ mich die gesetzliche Krankenversicherung nicht einfach los. Meine Kontakte zu ehemaligen Kolleginnen und Kollegen einiger Krankenkassen bestehen nach wie vor. In den letzten beiden Jahren habe ich von dort fast nur Unzufriedenheit der Mitarbeiter mitbekommen. Der Grund hierfür liegt darin, dass immer mehr die finanziellen Gesichtspunkte die tägliche Arbeit bestimmen.
Daher muss endlich Einer oder Viele aufstehen und vernehmlich den Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft klar machen, dass die Menschen nicht für Politiker und Einrichtungen da sind, sondern umgekehrt.
Wenn ich jetzt behaupten würde, dass ich völlig objektiv eine Betrachtung der Krankenkassen vornehmen könnte, wäre ich anmaßend. Jedoch glaube ich, dass ich Verschiedenes erklären kann, das immer wieder den Krankenkassen an guten oder negativen Eigenschaften nachgesagt wird. Zusätzlich möchte ich Hinweise geben auf verschiedene Praktiken der Krankenkassen, die, gelinde gesagt, verbesserungswürdig sind.
Ich kann nicht auf alle Einzelheiten eingehen, die besser zu machen sind. Das würde ein Werk mit einigen Fortsetzungen geben. Daher habe ich einige Bereiche sehr ausführlich beschrieben und andere nur angerissen. Es sollen sich hierdurch Denkanstösse ergeben.
Immer wieder hört man Prahlereien von Menschen, die eine besondere Leistung von ihrer Krankenkasse erhalten haben wollen. Andere wiederum behaupten, dass ihnen ihre Krankenkasse ganz normale Leistungen nicht gewähren würde.
Das ist wie bei der Steuererklärung. Wie viele Mitmenschen behaupten, mal wieder das Finanzamt so richtig an der Nase herumgeführt zu haben! Da werden Sachen aufgetischt, die jedes Anglerlatein in den Schatten stellen. Wenn das auch nur annähernd stimmte, würde das bedeuten, dass bei den Finanzämtern nur Deppen sitzen, die an das Gute im Menschen glauben und blauäugig jede kritische Betrachtung vermissen lassen. Im Grunde genommen wissen wir, dass es sich nicht so verhält
Ebenso ist es bei den Krankenkassen. Auch hier wird überwiegend gesetzeskonform gearbeitet.
Andererseits treffen nicht selten diese Aussagen zu. Vielfach werden jedoch nur unvollständige Details preisgegeben und somit wird der ausschlaggebende Fakt, nämlich der medizinische Hintergrund, nicht korrekt dargestellt. Nur wenn man ale Informationen hat, kann man Vergleiche ziehen.
Ich möchte anhand von gelebten Beispielen aufzeigen, was bisher immer machbar war und auch zukünftig realisierbar ist, auch wenn die finanzielle Situation nicht einfach war und nicht sein wird. Voraussetzung ist natürlich, dass dies seitens der Führungsebenen der Krankenkassen überhaupt gewollt ist.
Zusätzlich habe ich eine Vision, wie „die gesetzliche Krankenkasse von morgen“ aussehen könnte. Dies geht mit den finanziellen Mitteln, die heute zur Verfügung stehen. Bei einem vernünftigen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Beiträgen ist alles ohne Beitragssatzerhöhung machbar.
Es lohnt sich, das gesamte System der gesetzlichen Krankenversicherung einmal ausführlich zu beleuchten. Es sind zwar im letzten Jahrzehnt sehr viele Aussagen über gute und nicht so gute Krankenkassen gesagt und geschrieben worden, ein echter Vergleich fand meiner Meinung nach jedoch niemals statt. Es ist auch nicht einfach, Beitrag, Leistungen und Service gegenüber zu stellen. Plaketten auf Briefbögen oder im Internetauftritt von irgendwelchen unwichtigen Einrichtungen über besondere Leistungen einer Krankenkasse sind eher peinlich, als sie echte Qualitäten einer Krankenkasse wiedergeben.
Was bedeutet schon der „Titel“ beste regionale Krankenkasse in Thüringen zu sein, wenn diese Krankenkasse für ganz Deutschland geöffnet ist? Meines Wissens werden nur Fakten von den Krankenkassen gesammelt, anstatt beispielsweise dreihundert Versicherte zu befragen. Was hat der Versicherte davon, wenn es von Plaketten nur so wimmelt, er selbst jedoch nicht mehr persönlich in seiner Krankenkasse vorsprechen kann, da die einzige Geschäftsstelle in der Nähe seines Wohnortes bereits für immer geschlossen hat.
Bei der Zertifizierung ist das ähnlich. Alles wird auf den Tag des Audits vorbereitet. Vorher war Chaos, nachher auch. Was soll also diese Augenwischerei? Kostet Geld. Nicht das des Vorstands; nein das zahlen auch die Versicherten.
Wenn mir Einer gesagt hatte, dass seine Krankenkasse jetzt ein Zertifikat führe, antwortete ich immer, dass wir uns um unsere Versicherten bemühen und nicht um ein Zertifikat. Viele haben das sehr gut verstanden.
Der Gesetzgeber hat in einigen Bereichen den Krankenkassen eine gewisse Gestaltungsmöglichkeit der Leistungen eingeräumt.
Dadurch können gemäß der Satzung zusätzliche Leistungen in die Satzung aufgenommen werden oder bereits gesetzlich vorgegebene Leistungen erweitert werden. Angeblich orientiert man sich am Bedarf seiner Mitglieder. Das stimmt sicher teilweise. Meine Vermutung war schon immer, dass es nur um Marketing geht. Diese Satzungsleistungen betreffen ohnehin nur einen Minianteil an den Gesamtausgaben. Aber sie werden mit großer Aufmachung in Szene gesetzt.
Die gesetzliche Krankenversicherung bestand Ende der 1960er Jahre aus über 1.800 einzelnen Krankenkassen. Die Mitgliederzahl einer Krankenkasse betrug zwischen einigen Hundert und einigen Millionen Menschen. Der größte Anteil an den Krankenkassen war der der Betriebskrankenkassen. Die höchsten Mitgliederzahlen lagen seinerzeit bei den Ersatzkassen.
Die Krankenkassen wurden früher von der Vertreterversammlung, dem Vorstand und dem Geschäftsführer verwaltet. Ab 1996 wurde aus Vertreterversammlung und Vorstand der Verwaltungsrat. Aus dem Geschäftsführer wurde der Vorstand. Die Selbstverwaltungsorgane der einzelnen Krankenkassen beschlossen die Satzung der Krankenkasse, und als Teil der Satzung den Beitragssatz. Der Beitragssatz musste so geplant werden, dass aufgrund des aufgestellten Haushaltsplanes eine Kostendeckung zustande kam. Außerdem war jede Krankenkasse verpflichtet, eine Rücklage zu bilden, um auch dann ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können, wenn die Ausgaben unplanmäßig angestiegen waren.
Weitere Bestandteile der Satzung sind die Leistungen, die von den Krankenkassen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben selbst gestaltet werden können.
Die Aufsichtsbehörden müssen die Satzung und damit den Beitragssatz genehmigen.
Aufgrund dieser Bestimmungen gab es zwischen den Krankenkassen zum Teil erhebliche Unterschiede in der Höhe der Beitragssätze. Das lag an unterschiedlichen Krankheitsrisiken der Mitglieder, an zum Teil großen Unterschieden der Einkommen und an den Verwaltungskosten der einzelnen Krankenkassen. Die Betriebskrankenkassen (BKK) hatten den Vorteil, dass die Trägerunternehmen, für die die BKK errichtet war, die Sachkosten der Verwaltung sowie die Personalkosten der BKK trugen.
Die Beiträge zur Krankenversicherung werden schon immer nach der Höhe der Einkünfte berechnet. Wenn also eine Krankenkasse nur für Angestellte mit technischen Berufen errichtet war, so konnte man davon ausgehen, dass dort auch hohe Beitragseinnahmen erzielt wurden. Ebenso verhielt es sich bei den Betriebskrankenkassen. War eine BKK für die Beschäftigten eines Unternehmens der Chemischen Industrie oder der Metallindustrie zuständig, wurden die Beiträge von durchschnittlich höheren Einkünften berechnet, als dies bei beispielsweise bei einer BKK der Fall war, die für ein Unternehmen des Einzelhandels errichtet wurde.
Ab 1996 wurde das gesamte System der gesetzlichen Krankenversicherung entscheidend geändert. Die Zuständigkeit der Krankenkassen wurde erweitert.
Galt bisher, dass nur Angestellte in den Angestellten-Ersatzkassen Mitglied werden konnten, so war dies vorbei. Fortan konnten auch Arbeiter in die Ersatzkassen wechseln. Arbeiter in Unternehmen mit einer BKK mussten bis 1996 in der BKK des Unternehmens versichert werden. Jetzt konnten sie sich die Krankenkasse aussuchen. Die Betriebskrankenkassen konnten sich „öffnen“. Das bedeutete, dass auch nicht dem Unternehmen angehörende Personen in die BKK wechseln konnten.
Das wirbelte die Risiken der Krankenkassen erheblich durcheinander. Vorbei war die Zeit der Krankenkassen mit „Eliteversicherten“.
Nun hatten die Beitragssätze eine große Bedeutung für viele Menschen. Bei Unterschieden von mehreren hundert Mark im Jahr war es schon verlockend, eine andere Krankenkasse zu wählen. Der mit dieser Änderung einhergehende neue Wettbewerb endete letztlich für einige Krankenkassen mit der Schließung. Kluge Krankenkassenverantwortliche schlossen sich mit einer oder mehreren Krankenkassen rechtzeitig zusammen. Die Zeit der Fusionen begann.
Zunächst begannen bei den bisherigen „Pflichtkrankenkassen“ die Überlegungen, wie sie für jetzige und zukünftige Mitglieder interessant werden könnten. Viele Krankenkassen hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt doch kaum um Mitglieder bemühen müssen, da diese per Gesetz zugewiesen wurden. Jetzt wurde bei den Betriebskrankenkassen überlegt, ob es sinnvoll sei, sich für Mitglieder zu öffnen, die nicht aus dem Trägerunternehmen kamen. Die „Öffnung“ einer BKK bedeutete, dass fortan auch die Verwaltungskosten von der BKK alleine zu tragen waren.
Wenn man sich öffnete, musste man sich auch darum bemühen, bekannt zu werden. Das war bei der großen Anzahl an Krankenkassen gar nicht so einfach. Also wurde das Marketing eingeführt oder verbessert.
Was ist Marketing, wie macht man Marketing? Viele Krankenkassen waren mit diesem Thema überfordert. Also holte man sich von „Fachleuten“ Rat. Guter Rat ist teuer. Das zeigt sich immer wieder. Auch hier.
Jede Krankenkasse beschäftigt viele gute und sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese haben sicher auch gute Marketingideen. Schließlich haben sie ihren Beruf erlernt. Außerdem haben sie von ihren Versicherten immer wieder gehört, welche Wünsche diese haben, welche Themen interessant sind oder was erklärt werden muss. Vorausgesetzt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in der Lage, den Versicherten überhaupt zuzuhören.
Echte Marketing-Experten haben auch richtig viel Ahnung. Nicht unbedingt von Krankenkassen. Aber das konnte zunächst nur den stören, der es besser wusste. Sicher wussten es auch einige Krankenkassenfachleute besser. Aber was zählt schon der Prophet im eigenen Lande. Fremde Dienstleistungsunternehmen wurden mit ins Boot genommen, um den Krankenkassen ein neues oder besseres Image zu verpassen. Die Aufgabe des Marketings war, die Krankenkasse in der Bevölkerung bekannt zu machen.
So wurden die verschiedensten Instrumente eingesetzt, um Mitglieder zu werben oder zu halten.
Mitgliederzeitschriften gibt es schon immer. Aber nicht bei allen Krankenkassen oder nicht für alle Mitglieder. Was sollten diese Zeitschriften erreichen? Zunächst einmal Information für die Mitglieder. Welche Information ist wichtig? Richtig: Information zur Gesundheit oder über die Krankenkasse sowie Gesetzes- oder Satzungsänderungen. Da man jedoch davon ausging, dass das nicht genügte, kamen dann Bücherempfehlungen, Preisrätsel, Reiseangebote und Kochrezepte hinzu. Man hätte auch den Umfang der Zeitschrift verringern können.
Es folgten viele Auftritte der Krankenkassen in der Öffentlichkeit. Kaum ein Autohaus stellte am Wochenende seine neuen fahrbaren Untersätze aus, ohne dass zusätzlich Krankenkassen ihren Service und ihre Leistungen ebenfalls an einem Aktionsstand darboten. So hatte die Bevölkerung außer der Plastiktüte mit Autoprospekten eine zweite Plastiktüte mit Werbematerial der Krankenkasse nach Hause zu schleppen. Bei dieser Gelegenheit wurden Blutdruckmessungen, Blutzuckerbestimmungen oder Herz-/ Kreislauftests durchgeführt. Der Wert solcher Aktivitäten hielt sich in Grenzen. Kinder wurden geschminkt, Erwachsene fotografiert und viele sinnfreie Aktivitäten mehr gab es an solchen Aktionstagen. Geld für Marketing schien keine große Rolle zu spielen.
Nach und nach überlegte man dann, wie sich das Marketing, wenigstens teilweise, refinanzieren lässt. Man brachte in der Mitgliederzeitschrift Werbung unter. Letztlich blieb auch noch ein wenig Platz für die echte Information übrig. Jedenfalls erreichten die Zeitschriften schnell das Format der Werbeprospekte von Möbelhäusern, Discountern usw. Fazit war, dass viele Menschen diese Hefte aus dem Briefkasten direkt in den Papiermüll entsorgten.
Give-aways, also Geschenke, waren seinerzeit der große Renner. Kugelschreiber waren bereits nicht mehr reizvoll, da man diese ohnehin schon überall nachgeworfen bekam. Da gibt es doch noch wirksamere Gegenstände. Bleistiftanspitzer, Seife, Lineal, Mini-Taschenrechner, Zettelklötze mit 1000 Blatt, Selbstklebezettel in jeder Größe, Schreibblocks, Handtücher, Mini-Schraubendreher-Sätze, Reisezahnbürsten mit Zahncreme - eine für morgens, eine für abends. Diese Aufzählung ist sicher nicht komplett.
Werben um Mitglieder ist ja eine legale Sache. Nur - wo bleibt das Mitglied bei diesem Geschehen? Es reicht nicht aus, das Thema „Service“ hoch zu hängen, der Service muss auch erbracht werden.
Es gab Zeiten, da warteten die Mitglieder bei ihrer neu gewählten Krankenkasse Monate auf die Krankenversichertenkarte. Telefonisch kam man erst gar nicht zu einem kompetenten Ansprechpartner durch. Somit war der Service schon zu Beginn der Mitgliedschaft in Frage gestellt.
Ich habe schon vor 15 Jahren den Satz geprägt, dass die Versicherten einer Krankenkasse auch versorgt wären, wenn es diese Krankenkasse nicht gäbe – die Krankenkasse aber ohne ihre Versicherten nicht existieren würde und die Beschäftigten keinen Job hätten. Leider haben das nicht alle begriffen. Viele glaubten, sie seien der Nabel der Welt. Das betraf und betrifft nicht nur den „kleinen“ Sachbearbeiter, sondern ganz besonders auch viele Chefs.
Ich sage hier ausdrücklich viele. Denn nicht alle Beschäftigten der Krankenkassen sahen ihre Tätigkeit als „Job“. Zum Glück gab und gibt es heute noch Krankenkassenpersonal, dem die Nöte der Mitglieder am Herzen liegen. Diese Menschen haben begriffen, dass es nicht wichtig ist, rund um die Uhr per Handy, E-Mail oder Fax erreichbar zu sein. Viel wichtiger ist es, sich mit dem Einzelnen sachlich, fachlich und menschlich zu beschäftigen.
Man warb mit der ständigen Rufbereitschaft für die Versicherten. Diensthandys wurden angeschafft. Aus dieser Zeit habe ich Aussagen von Mitarbeitern einiger Krankenkassen. Die Rufbereitschaft wurde tatsächlich genutzt. Manchmal sogar klingelte es nachts um 23 Uhr, weil eine Thekendiskussion über ein Krankenkassenthema nicht zufriedenstellend abgeschlossen wurde. Dann fiel einem der Diskutierenden ein, dass er seine Krankenkasse ständig erreichen kann. So konnte er tatsächlich eine Klärung herbeiführen.
So ein Angebot ist natürlich kompletter Unfug. Kein Mensch muss nachts Sozialversicherungsfragen klären. Das Gleiche gilt für Wochenenden und Feiertage.
Ich habe selbst mit Kollegen den Heiligabend- und Silvesternotdienst in den Geschäftsräumen der Krankenkasse versehen. Dieser war für die Menschen gedacht, die ansonsten aufgrund ihrer Arbeitszeit nicht persönlich die Krankenkasse aufsuchen konnten.
Wer kam? Heiligabend besuchten uns dreizehn männliche Rentner. Einem muss das so gut gefallen haben, dass er zwei Stunden später noch einmal kam. Vielleicht mussten diese Herren nur die Zeit überbrücken, die Ihre Ehefrauen für die Vorbereitung des Weihnachtsbraten benötigten. Oder, schlimmer, sie haben sich davor gedrückt, den Christbaum zu schmücken.