Kriegsreisende - Frank Westenfelder - E-Book

Kriegsreisende E-Book

Frank Westenfelder

4,8

Beschreibung

Als Söldner während des sogenannten „War on Terror“ plötzlich wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregten, erschienen sie dennoch als ahistorische Relikte aus längst vergangenen, finsteren Epochen. Inzwischen erfreuen sie sich in den Massenmedien einer neuen Popularität als amoralische und materialistische Schurkengestalten. Dieses Buch versucht nun hinter die Nebelschwaden aus Mythen und Vorurteilen zu blicken, und Söldner als Kinder ihrer Zeit, als Produkte des Modernisierungsprozesses zu zeigen. Da die Verwendung von Söldnern von der ökonomischen Situation einer Gesellschaft abhängt, eignen sie sich bestens dazu, die Entwicklung der Gesellschaft vor diesem Hintergrund zu beschreiben. Von der Entstehung der europäischen Staaten im Mittelalter bis in die Gegenwart wird den Fragen nachgegangen, wann und warum Söldner verwendet wurden, und was sich im Laufe der Zeit daran geändert hat. Bei dem Buch handelt es sich um eine Neuausgabe des inzwischen vergriffenen Titels: Eine kleine Geschichte der Söldner (2011) Dazu Franziska Augstein in Augstein's Auslese: „eine kleine Weltgeschichte aus dem Blick der Söldner [...] sehr gut geschrieben, ein reines Vergnügen dieses Buch zu lesen, es ist hoch intelligent“.

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Für Robert,

dem ich das Thema verdanke und

der in den meisten Gedanken präsent ist

Inhalt

Die Unpatrioten

Ein Beruf wird neu entdeckt (ca. 1000–1300)

Schwertkönige

Die Männer des Cid

Gegen den Adel

Das Fußvolk

Wes Brot ich ess …

Der Aufstieg (ca. 1300–1480)

Der Feind Gottes, des Mitleids und des Erbarmens

Condottieri

Der Hundertjährige Krieg

Der Bascot

Der Herbst des Mittelalters

Das goldene Zeitalter (ca. 1480–1650)

Den Schrecken in den Feinden mehren

Arme Schiebochsen

Die weite Welt

Die Schätze des Orients

Abenteurer und Soldaten

Der Abstieg beginnt (ca. 1650–1815)

Die verkauften Regimenter

Sklaven für vier Pennys täglich

Glücksritter

Der Anfang vom Ende

Die Söldlinge Albions

Vom Rauben und Morden

Ausverkauf (ca. 1815–1914)

Libertad

Träumer, Revolutionäre … Legionäre

Des weißen Mannes Bürde

Kriegstourismus

Das Ende vom Lied? (ca. 1918–1990)

Armeen im Exil

Spanien und Marokko

Der Fall der Weißen Riesen

Spezialisten

Adrenalinjunkies

Postmoderne (1990 und danach)

Greencard-Soldaten

Moderne Mietregimenter

PMCs

Bilder und Mythen

Bibliografie

Anmerkungen

Die Unpatrioten

„Söldner und Hilfstruppen sind nutzlos und

gefährlich. Wer nämlich seine Herrschaft auf

Söldner stützt, wird niemals einen festen und

sicheren Stand haben; denn sie sind uneinig,

herrschsüchtig, undiszipliniert und treulos;

mutig unter Freunden und feige vor dem

Feind; ohne Furcht vor Gott und ohne Treue

gegenüber den Menschen; […] im Frieden

wirst du von ihnen ausgeplündert und im

Krieg vom Feind. Die Ursache dafür ist, daß

sie kein anderes Verlangen und keinen anderen

Grund haben, der sie im Felde hielte, als

das bißchen Sold, das nicht ausreicht, um sie

für dich den Tod suchen zu lassen.“

Niccoló Machiavelli, Der Fürst (1513)

Die meisten modernen Vorurteile über Söldner gehen letzten Endes auf Texte Machiavellis zurück, die im Laufe der Jahrhunderte in immer neuen Varianten kopiert und kolportiert wurden. Dabei wird jedoch gerne übersehen, dass Machiavelli zwar ein hervorragender Propagandist war, vom Krieg selbst jedoch sehr wenig verstand und als Historiker die Fakten beliebig seinen politischen Vorstellungen anpasste 1). Sehr gerne wird auch übersehen, dass für Machiavelli die Alternative zum Söldner der „Milizionär“ – ein kurzfristig aufgebotener Bürger – war, und nicht der „Soldat“. Denn bis ins 19. Jahrhundert bedeuteten „Soldat“ und „Söldner“ exakt dasselbe, nämlich einen Kämpfer, der für seine Dienste bezahlt werden musste, da er sie als Beruf ausübte 2). Wenn beispielsweise Friedrich der Große von „Soldaten“ sprach, meinte er grundsätzlich Söldner, egal ob diese aus Preußen, dem Reich oder einem ganz anderen Land stammten. Die Unterscheidung von „Soldat“ als idealistischem Patrioten und „Söldner“ als materialistischem Ausländer ist eine willkürliche und relativ moderne Konstruktion, mit der seit der Französischen Revolution versucht wurde, die neuartigen Massenheere aus Wehrpflichtigen aufzuwerten und nach Möglichkeit den Gegner zu diffamieren.

Historisch betrachtet war die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gemeinschaft meistens auch mit einer Art Kriegspflicht verbunden. Bedrohten Feinde den Stamm, das Volk oder die Stadt, mussten sich alle waffenfähigen Mitglieder an der Verteidigung beteiligen. Die Gruppe betrachtete es dabei als ihr gutes Recht, Unwillige zu verjagen oder gar zu töten. Rechte und Privilegien innerhalb der Gemeinschaft waren fast immer mit einem besonderen Einsatz im Kampf verbunden. Im Idealfall führte ein König direkt gefolgt vom Adel das Volk in die Schlacht; im antiken Griechenland trugen die wohlhabenden Bürger als schwer bewaffnete Hopliten die Hauptlast des Kampfes, und auch in mittelalterlichen Städten lastete die Verteidigung hauptsächlich auf Patriziern und Bürgern. Sklaven, Unfreie oder soziale Außenseiter waren dagegen normalerweise vom Kriegsdienst völlig ausgenommen oder hatten lediglich inferiore Hilfsdienste zu leisten.

Obwohl die Vorstellung, dass sich jeder – möglicherweise sogar nach Rang und Vermögen – an den schwersten Lasten der Gemeinschaft zu beteiligen hat, geradezu von einer rührend naiven Überzeugungskraft ist, findet man ihre reale Umsetzung jedoch fast nur in relativ einfach strukturierten Gesellschaften oder in den Nationalstaaten des 19. und 20. Jahrhunderts.

Dies liegt zum guten Teil daran, dass der Krieg oft spezielle Fertigkeiten und Eigenschaften erfordert, die nur durch jahrelange Ausbildung und Erfahrung erlangt werden können. Ganz zu schweigen von den zahllosen Härten und Entbehrungen, die von „Zivilisten“ kaum zu ertragen sind. So warnt ein deutscher Militärtheoretiker in der Renaissance eindringlich davor, „daß ein Herr sich nit soll bereden lassen, daß er sein Landvolk gebrauche, um Krieg zu führen; ... denn er fährt nit wohl damit, und solches Volk, das also ausgeführt wird, das tuts nit gern, gedenkt wider hinter sich zu seinem Weib, Kindern, Gütern und Hantirungen, die es verseumpt ... und wan man vor den Feind kompt und etwas ernstliches zugehen will; das seindt sie nit gewohnt, lauffen darvon“3). Auch Napoleon, der ja eigentlich die Bürgersoldaten eines Volksaufgebotes führte, schätzte nur Berufssoldaten, vor allem seine Veteranen von der Garde, die nach vielen Kriegsjahren das zivile Leben weit hinter sich gelassen hatten. Neue Rekruten bezeichnete er dagegen verächtlich als „moutons“ (Schäfchen) 4).

Wurden also die militärischen Qualitäten von aus Bauern und Bürgern gebildeten Volksaufgeboten von Heerführern eher für gering erachtet, so sprach gegen ihre Verwendung noch ein anderes, gewichtiges Argument: sie waren aus ökonomischer Perspektive einfach zu kostbar. In zunehmend arbeitsteiligen Gesellschaften war es nicht sinnvoll, erfahrene Kaufleute, Handwerker oder gar Studierte auf dem Schlachtfeld zu opfern. Sie nützen der Gemeinschaft schließlich viel mehr als Fachkräfte und Steuerzahler. Die besser Ausgebildeten und besser Verdienenden, und natürlich die Reichen von Geburt, sind deshalb bald dazu übergegangen, den Kriegsdienst mit all seinen Risiken und Strapazen gegen eine gewisse Bezahlung vorwiegend den sozial niederen Schichten zu überlassen. Schon ein altes chinesisches Sprichwort sagt: „Aus gutem Eisen macht man keine Nägel und aus guten Männern keine Soldaten“5).

Waren Gesellschaften ökonomisch erfolgreich, so konnte es leicht passieren, dass der Arbeitsmarkt einen Großteil der potenziellen Soldaten absorbierte, wodurch das Militär Rekrutierungsprobleme bekam. In prosperierenden zivilen Gesellschaften war immer öfter zu beobachten, dass selbst die Unterschichten den Härten eines Feldzuges kaum noch gewachsen waren und kriegerische Qualitäten zunehmend einbüßten. Diese fand man dagegen reichlich unter armen Völkern, die in Wüsten, Steppen und Gebirgen ständig um die knappen Ressourcen kämpfen mussten. Und deshalb haben „so weit Berichte über den organisierten Krieg zurückreichen, die Wohlhabenden die Kriegerfertigkeiten der Armen für ihre Zwecke gekauft“ 6).

Die Vorteile liegen auf der Hand. Man bekam abgehärtete und erfahrene Krieger, und das manchmal sogar zu einem Preis, der unter dem der eigenen Lohnarbeiter lag. Außerdem musste man diese Art der Truppen nur so lange besolden wie Bedarf bestand und konnte sie anschließend wieder nach Hause schicken.

Aus der Verpflichtung von Profis ergab sich jedoch das Problem, dass diese im Vergleich zu Volksaufgeboten ungleich mehr kosteten. Ein Staat musste ökonomisch schon sehr gut funktionieren, um sich in größerem Maß Söldner leisten zu können, abgesehen davon, dass sie meistens nur in relativ kleiner Zahl zur Verfügung standen. Es reichte aber noch lange nicht, wenn in einer Gesellschaft große Mengen an Geld in Umlauf waren. Von mindestens ebenso großer Bedeutung waren staatliche Rechte und Strukturen, die es überhaupt erlaubten, Steuern zu bemessen und dann auch einzuziehen. Auch heute kennt jeder Beispiele von Ländern der modernen Welt, wo zwar manche in unglaublichem Luxus schwelgen, die Regierung aber kaum in der Lage ist, ihre Polizei regelmäßig zu bezahlen. Ein mittelalterlicher europäischer Herrscher stand vor ähnlichen, wenn nicht viel schwierigeren fiskalischen Problemen.

Mit der Entwicklung der Verwaltungsstrukturen der frühneuzeitlichen Staaten – allen voran die der großen Händlernationen Venedig, den Niederlanden und Großbritannien – wuchsen die Steuereinnahmen. Doch da zwischenstaatliche Probleme gerne mit Kriegen geregelt wurden, stiegen die Kosten für das Militär stetig. Fast immer gingen alle Parteien bis an die Grenze ihrer Möglichkeiten oder auch etwas darüber hinaus. Dabei blieb es nicht aus, dass das „Volk“, d. h. besonders die Schichten, die den Großteil der Steuern aufbringen mussten, zunehmend danach verlangte, bei der Verwendung derselben mitzuentscheiden. Die historischen Großereignisse, die nicht nur unsere Vorstellungen von Staat und Gesellschaft, sondern auch die Verfassungen aller westlicher Staaten bis heute entscheidend mitbestimmen, der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775–1783) und die Französische Revolution (1789–1799), wurden beide durch den Streit um die Bewilligung von Steuern ausgelöst, die man wiederum benötigte, um die durch Kriege entstandenen Schulden zu bezahlen 7).

In beiden Konflikten stützten sich die letzten Endes siegreichen Revolutionäre auf Truppen aus Freiwilligen und Konskribierten (Ausgehobenen), während sich die Regierungen auf die traditionellen Regimenter aus nationalen und fremden Söldnern verließen. Das wurde von den Revolutionären zur Hebung der eigenen Moral ausgeschlachtet, indem sie behaupteten, die eigenen Truppen, die ja schließlich für Überzeugungen und höhere Ziele kämpften, seien den materialistischen Feinden weit überlegen.

Dass die Briten von deutschen Fürsten in großem Stil Truppen zur Verstärkung gemietet hatten, war Wasser auf die Mühlen der amerikanischen Rebellen. Sie kämpften nun nicht nur für ihre Freiheit, sondern auch noch gegen verschacherte Fürstenknechte, was den alten Vorurteilen neue Facetten hinzufügte. Das Wort „hireling“ (Mietling) kam groß in Mode; George Washington sprach pathetisch von „sklavischen Söldnern“. Diese äußerst populären Vorstellungen fanden schließlich sogar Eingang in die amerikanische Nationalhymne, wo es in der dritten Strophe heißt: „No refuge could save the hireling and the slave”.

Frankreich hatte die Amerikaner propagandistisch, aber auch mit Truppen, darunter ebenfalls viele deutsche Söldner, unterstützt. Und so war die Legende von den finsteren Fürstenknechten, die von aufrechten freiheitsliebenden Patrioten besiegt wurden, in Europa längst populär, als es einige Jahre danach zur Französischen Revolution kam. In der Marseillaise ist ausgiebig von „Horden von Sklaven“, „ausländischen Kohorten“ und „Söldnerscharen“ die Rede. Gegen sie kämpfen die Bürger, die „Kinder des Vaterlandes“. Im Laufe der Napoleonischen Kriege wurden diese Gedanken schließlich in ganz Europa Allgemeingut. Auch die konservativen Mächte konnten auf diese mächtige Ideologie nicht verzichten, die sie mit bisher unbekannten Massen an Kriegsfreiwilligen versorgte, wozu die „Erfindung“ oder Wiederentdeckung der Wehrpflicht ihr Übriges tat.

Ihre eigentliche Dynamik bekam diese Ideologie jedoch dadurch, dass Aufklärung und Revolution den religiösen Fundamenten der Gesellschaftsordnung schwer zugesetzt hatten. Den frei gewordenen Bereich okkupierte nun zunehmend der Patriotismus, der sich dabei großzügig bei christlichen Metaphern und Ritualen bediente. Dieser fatale Prozess erstreckte sich über das ganze 19. Jahrhundert und erreichte dann im Ersten Weltkrieg einen ersten morbiden Höhepunkt. Gefallene wurden zu Märtyrern, die ihr Blut auf dem Altar des Vaterlandes geopfert hatten. Alle am Weltkrieg beteiligten Nationen errichteten Denkmäler, die eindeutig religiöse Kult- und Opferstätten zum Vorbild hatten. Der nationalistische Gefallenenkult übernahm dabei Funktionen der Religion in einer säkularisierten Gesellschaft 8).

Hatten Söldner durch die allgemeine Wehrpflicht bereits ihre ökonomische Basis verloren, so wurden sie durch den pseudoreligiösen Nationalismus nun auch moralisch geächtet. In Gesellschaften, in denen der Tod fürs Vaterland die höchste Form des Gottesdienstes ist, sind Söldner die letzten Ketzer, die letzten Ungläubigen. Der „Söldner“ ist das Gegenbild zum aufrechten, sich für „die Idee“, das Vaterland opfernden Bürger schlechthin. Indem man seine Gegner als „Söldner“ beschimpft, betont man die eigenen edlen Motive, wird zum besseren Patrioten. Napoleon nannte seine Gegner vor Austerlitz „Mietlinge Englands“, da sie englische Subsidien erhielten, und die deutsche Presse diffamierte zu Beginn des Ersten Weltkrieges die Briten generell als Söldner, da es sich um Berufssoldaten handelte.

Die totalitären Ideologien wie Faschismus und Kommunismus machten sich den Opferkult nicht nur zunutze, sondern pervertierten ihn weiter. Es spricht aber Bände, dass ausgerechnet in Hitlers Deutschland und Stalins Russland, also dort, wo man den Kult ums Vaterland am aufdringlichsten zelebrierte, mit Abstand die meisten Deserteure hingerichtet wurden. Es ging also längst nicht mehr um ein freiwilliges Opfer; das Vaterland war zum unersättlichen Moloch geworden, dem geopfert werden musste, und die Patrioten hatten seine willigen Götzendiener zu sein.

Söldner waren im Laufe der Geschichte zweifelsohne an vielen Exzessen beteiligt, besonders dann, wenn sie nicht bezahlt worden oder auf andere Weise jeder Kontrolle entglitten waren. Man kann jedoch sicher sagen, dass sie noch nicht einmal mit annähernd solchem Enthusiasmus mordeten und Zivilisten abschlachteten, wie dies von sogenannten „Idealisten“ im Namen höherer Ziele im 20. Jahrhundert getan wurde.

Das Ende des Kalten Krieges zog in vielen Staaten eine Abschaffung der Wehrpflicht nach sich. Und man findet nicht allzu viele Freiwillige, wenn es darum geht, irgendwo in der Welt westliche Werte zu verteidigen. Das religiös verbrämte politische Geschwafel von Opferkult und Märtyrertum, das vor nicht allzu langer Zeit so typisch für Europas Patrioten war, hört man nun vorwiegend von islamischen Fanatikern 9). Von der anderen Seite benutzt, enthüllt das Morden für den guten Zweck plötzlich seine blutige Fratze, die es natürlich schon immer hatte. Damit geraten im Westen Patriotismus und Opferbereitschaft weiter unter Verdacht. Der an ihre Stelle getretene Materialismus und der westliche Zentrismus eröffnen einen neuen Blick auf das Söldnertum.

Söldner als finstere Schergen zu präsentieren, die aus eigener Gier oder im Dienst obskurer Großkonzerne und Geheimdienste das Ende der Demokratien vorbereiten, macht vielleicht Schlagzeilen, ist aber eher Vernebelungstaktik. Man sollte vielmehr versuchen, hinter der politischen Propaganda und den Vorurteilen die historische Gestalt des Söldners zu verstehen, und welche Umstände ihre Entwicklung vom Mittelalter bis in die Gegenwart beeinflusst haben. Im historischen Kontext waren sie weit weniger Agierende, sondern notwendige Werkzeuge, aber eben auch Produkte auf dem Weg zu Gewaltmonopol und Nationalstaat, durch den sie schließlich obsolet wurden. Geformt von einer zunehmend arbeitsteiligen, am Geld orientierten Gesellschaft, sind sie zugleich Ausdruck und Spiegelbild derselben. Es ist deshalb durchaus möglich, dass ihr momentanes Comeback einen fundamentalen Umbruch innerhalb dieser Gesellschaften ankündigt.

Ein Beruf wird neu entdeckt

(ca. 1000–1300)

Mit dem Untergang des Römischen Reichs waren auch die Söldner aus der europäischen Geschichte verschwunden. Edelmetalle und Geld waren selten geworden und noch mehr fehlte es an einer Verwaltung und an Verkehrswegen, um Steuern zu bemessen und einzusammeln. Komplexere staatliche Strukturen waren einer primitiven Naturalwirtschaft gewichen. Der Kriegsdienst dieser Feudalgesellschaft beruhte auf der Lehnsfolge. Das heißt, gegen die Überlassung von Grundbesitz rüstete sich der Lehnsmann selbst aus und war für eine gewisse Zeit des Jahres zum Kriegsdienst verpflichtet. Söldner, wie sie das Altertum kannte, hatten im Feudalismus keinen Platz 10).

Aber der Feudalismus veränderte auch die militärische Organisation der germanischen Stämme, die die Herrschaft im Abendland übernommen hatten. Der Krieg wurde immer mehr zur Sache einer kleinen, in sich abgeschlossenen Schicht. Einerseits schützte der Adel durch dieses Gewaltmonopol seine Privilegien und baute sie weiter aus; andererseits hätte auch niemand große Heere versorgen oder führen können. Unter diesen Umständen ging die Kriegstüchtigkeit der alten Volksaufgebote weitgehend verloren, die sich dann auch den Raubzügen der Wikinger und Ungarn gegenüber als relativ hilflos erwiesen.

Stattdessen setzte sich ein neuer Typus auf den Schlachtfeldern Europas durch: der des schweren, gepanzerten, mit der Stoßlanze ausgerüsteten Reiters: des Ritters. Doch die neuen Krieger waren teuer. Man schätzt, dass der Wert der Ausrüstung eines fränkischen Reiters, bestehend aus Streitross, Panzer, Helm, Lanze, Schwert und Schild, dem Viehbestand eines kleinen Dorfes entsprach 11). Außerdem erforderte die sichere Handhabung der Waffen und des Pferdes jahrelange Übung. Noch aufwendiger war das Anerziehen des unerschrockenen Angriffswillens. Denn die Ritterheere kannten als einzige Taktik die massierte Attacke, aber gerade dazu mussten sie jenes arrogante Überlegenheitsgefühl besitzen, wie es für elitäre Kriegerkasten typisch ist. Hieraus wird leicht ersichtlich, dass die Anzahl der Ritter, verglichen mit den alten Fußaufgeboten, nur klein sein konnte, denn es waren viele Bauern notwendig, um einem Einzelnen Ausrüstung, Ausbildung und Lebensstil zu ermöglichen.

Im Idealfall war also im Feudalismus von Geld und Solddienst wenig die Rede. Aber es wäre nicht mit rechten Dingen zugegangen, wenn ein Fürst in bedrängter Situation nicht mithilfe seiner Schätze oder durch Kredite versucht hätte, die Zahl seiner Krieger zu vermehren oder seine Lehnsmänner zu einer längeren Dienstzeit zu überreden; ganz zu schweigen davon, wenn er gegen rebellische Untertanen vorgehen musste. Man stößt also auch im Feudalismus auf Söldner, sobald nur etwas Geld zu fließen beginnt.

Doch im berüchtigten Dunkel des Mittelalters war anfangs nicht nur das Geld und mit ihm die Söldner verschwunden, sondern auch die Kunst des Schreibens. Die kargen Überlieferungen und historischen Quellen beschäftigen sich mit den Dynastien und ihren Reichen. Die Krieger selbst treten nur bei wichtigen Ereignissen kurz in Erscheinung. Ihr Werdegang ist nicht von Interesse.

Das Schreiben war lange die Tätigkeit hochgelehrter Spezialisten, das Material teuer und Bücher Kostbarkeiten. Niemand verschwendete dies für allgemein bekannte Banalitäten, wie die genaue Beschreibung von Kriegszügen, das Schicksal von Einzelnen oder gar das von Fremden, die nur für eine bestimmte Zeit ihre Schwerter vermieteten. Wenn geregelte Finanzen es den Feudalstaaten gestatteten, sich Verstärkungen zu mieten, wurde das nicht unbedingt schriftlich festgehalten. Die ersten Söldner, die Eingang in die Chroniken des Mittelalters fanden, haben es meistens nur zu namenlosen Anmerkungen gebracht, oder sie mussten wirklich Außergewöhnliches geleistet haben.

Schwertkönige

Der einzige Reichtum des unbedeutenden normannischen Barons Tankred von Hauteville waren seine zahlreichen Söhne. Nach zwei Ehen hatte er zwölf große, kräftige und verschlagene Burschen. Aber es gab nicht viel Verwendung für sie. Man erzählte sich zwar noch, wie der Wikingerhäuptling Rollo mit seinen Langbooten die Seine hinaufgefahren war und Karl dem Einfältigen die Normandie abgepresst hatte, aber die Wikingerzüge waren vorbei. Die Eroberer hatten die Sitten und Sprache des französischen Adels übernommen und beschäftigten sich mit dem römischen Recht, um ihre Besitzansprüche zu untermauern und von ihren Untertanen regelmäßige Abgaben einzutreiben. Schlechte Zeiten also für Tankreds unternehmungslustige Söhne. Sie lungerten zu Hause herum, lagen dem Vater auf der Tasche und im Streit mit den Nachbarn. Gerne wären sie, wie ihre Großväter, einem Fürsten gefolgt, um in fremden Königreichen zu plündern und Land zu erobern, aber der große Raubzug Wilhelms des Eroberers nach England war noch nicht in Sicht. Da kamen zu ihrem Glück und dem des geplagten Vaters, möchte man vermuten, vielversprechende Nachrichten aus dem Süden Italiens 12).

Dort herrschte Byzanz und damit der einzige Staat, der das Söldnerwesen des spätrömischen Imperiums ohne Bruch fortgeführt hatte. Die funktionierende byzantinische Verwaltung sorgte für regelmäßige Steuern, mit denen Söldner bezahlt werden konnten. Wie im späten Römischen Reich kamen auch in Byzanz nur relativ wenige Truppen aus den Kerngebieten. Man warb vor allem unter den kriegerischen Völkern an der Peripherie, in Anatolien, im Kaukasus und auf dem Balkan. Je mehr diese Gebiete jedoch der türkischen Expansion zum Opfer fielen, desto mehr musste auf fremde Völker zurückgegriffen werden, sodass schließlich Kumanen, Petschenegen, Magyaren, Serben, Bulgaren, Walachen, Georgier, Armenier, Alanen, Albanier und sogar Türken das Reich Byzanz’ verteidigten. Das Rückgrat der byzantinischen Armee aber bildete die bekannteste Söldnertruppe des frühen Mittelalters: die Warägergarde. Bei den Warägern handelte es sich um schwedische Wikinger, die bereits im 9. Jahrhundert in Russland eigene Fürstentümer errichtet hatten. Im byzantinischen Solddienst erschienen sie erstmals 987, als Fürst Wladimir von Kiew 6.000 Mann an Kaiser Basileios II. schickte, für die er selbst keine Verwendung mehr hatte.

In Süditalien hatte Byzanz ständig Probleme mit dem rebellischen langobardischen Adel. Einige dieser Adligen hatten einer Gruppe von Normannen, die auf der Rückreise von einer Pilgerfahrt in Apulien Station machte, eine Menge Geld für tatkräftige Unterstützung gegen Byzanz versprochen. Vom Reichtum des Landes tief beeindruckt − die Normandie war das reinste Armenhaus dagegen −, zögerten die Normannen nicht lange und versprachen, im nächsten Jahr gemeinsam mit Verwandten und Freunden in ausreichender Zahl zurückzukehren. Ihre Erzählungen stießen in der Heimat auf reges Interesse; im Frühjahr machte sich ein kleines Heer aus nachgeborenen Söhnen, landlosen Abenteurern und Gesetzlosen auf den Weg.

Obwohl die normannischen Söldner der Langobarden nach einigen kurzen Überraschungserfolgen bei Cannae 1018 durch die überlegene byzantinische Armee und deren Waräger eine vernichtende Niederlage erlitten, hatten sie sich doch mit Bravour geschlagen, und man hatte auch weiterhin Verwendung für sie. Sowohl die Byzantiner wie auch die langobardischen Fürsten nahmen sie in Dienst. Und da der byzantinische Solidus heiß begehrt und die Beute bei den vielen Überfällen, Streifzügen und Vergeltungsaktionen auch nicht zu verachten war, füllten sich ihre Reihen schnell mit neuem Nachschub aus der armen Heimat. Innerhalb weniger Jahre mauserten sie sich zu einer unverzichtbaren Elitetruppe für alle Parteien. Wenn es für regelmäßigen Sold nicht reichte, waren vor allem die Langobarden schnell dabei, kleine Städte und Ländereien, meistens in noch zu erobernden Gebieten, in Zahlung zu geben. Die Normannen kämpften für jeden und alles: Geld, Beute, Land und Versprechungen. Ein langobardischer Fürst soll sie mit folgenden Worten angespornt haben: „Ihr sitzt noch immer auf dem Lande, das euch gegeben wurde, und doch lebt ihr darin, wie die Mäuse unter der Türschwelle [...] Jetzt ist die Zeit gekommen, mit starker Hand danach zu greifen, und dabei will ich euer Führer sein. Folgt mir, ich gehe voraus und ihr mir nach! Und lasst mich euch sagen, warum [...] weil ich euch gegen Männer führen werde, die wie Weiber sind, die aber in einem weiten und reichen Lande leben“13). Der Erfolg blieb nicht aus und wurde zum besten Werber in der Normandie.

Mit dem Nachschub aus der Heimat kamen 1035 auch die drei ältesten Söhne Tankreds nach Italien: Wilhelm, Drogo und Humphrey. Zuerst kämpften sie im Dienst der Byzantiner, Seite an Seite mit den Warägern gegen die Sarazenen auf Sizilien, doch bald wieder gegen Byzanz, und endlich gelang es den Brüdern Hauteville mit Apulien ein Stück Beute dauerhaft zu sichern. Daraufhin folgten weitere von Tankreds Söhnen: Robert, der sechstälteste, führte die Normannen zu neuen Siegen. Anna Komnena, die Tochter des byzantinischen Kaisers, beschreibt ihn als typischen Glücksritter: „Dieser Robert war von normannischer Herkunft und niedriger Geburt, tyrannisch von Natur, verschlagen, tapfer in der Schlacht, sehr geschickt in seinen Anschlägen auf den Reichtum und das Vermögen der Großen und außerordentlich zäh in der Verfolgung seiner Ziele“14). Aufgrund seiner Kriegslisten, seinen Intrigen und seiner Klugheit erhielt er bald den Beinamen „Guiscard“, der Schlaue. Nach langen Kämpfen wurde er zum Herzog von Apulien und Kalabrien, was für seine normannischen Gefolgsleute zahlreiche Städte, Burgen und Lehen bedeutete. Doch auch das war seinen ehrgeizigen Brüdern nicht immer genug. Als Roger, der achte Sohn Tankreds, auf der Bühne erschien, dachte er nicht daran, sich mit einem Lehen in den armseligen kalabrischen Bergen zu begnügen. Nachdem er in einigen Kleinkriegen die ersten Erfahrungen und ein eigenes Gefolge gesammelt hatte, machte er sich mit Robert Guiscard an die Eroberung des sarazenischen Siziliens. Dort errichtete er nach Roberts Tod eine selbstständige Grafschaft und sein Sohn erwarb als Roger II. die Königskrone von Sizilien und Süditalien.

Die Normannen hatten damit längst die Niederungen des Söldnerund Abenteurertums verlassen. Sie waren zu höchstem Feudaladel aufgestiegen und hatten dadurch die Aufmerksamkeit der Chronisten gefunden. Sie waren sicher nicht die ersten mittelalterlichen Söldner, aber die erfolgreichsten, und lediglich deshalb ist man so gut über sie unterrichtet. Als die Söhne von Eroberern waren sie nur wenig in ihrer neuen Heimat und deren Traditionen verwurzelt, stattdessen besaßen sie Vertrauen in die eigene Kraft und einen geradezu grenzenlosen Landhunger. Der deutsche Adel benötigte noch Jahrzehnte, um den Normannen mit der gleichen Unbekümmertheit und Gier zu folgen. Doch selbst dabei hatte er immer die normannischen Eroberungen vor Augen. Sie zeigten dem Rittertum erst, was möglich sein konnte. Tankreds Nachkommen schufen sich mit ihren Schwertern Grafschaften, Herzogtümer und ein Königreich und inszenierten damit die beeindruckendste Erfolgsgeschichte des Mittelalters.

Viele versuchten, es den Normannen nachzutun. Man stößt auf ähnliche Gestalten bei der spanischen Reconquista, der deutschen Ostkolonisation, der Eroberung der britischen Inseln und den Kreuzzügen. Oft werden dabei Landhunger und Skrupellosigkeit des Adels hinter „edleren“ Motiven verborgen. Am deutlichsten treten sie wahrscheinlich im Verlauf des vierten Kreuzzuges in Erscheinung, als sich das ganze Kreuzfahrerheer von Venedig gewissermaßen in Sold nehmen ließ, um seine Überfahrt nach Palästina „abzuarbeiten“. Im Auftrag Venedigs eroberten die Kreuzfahrer zuerst das christliche Zara an der dalmatinischen Küste und 1204 dann Konstantinopel. Nach getaner Arbeit nutzten aber nur die wenigsten die freie Überfahrt ins Heilige Land. Stattdessen errichteten sie in Byzanz ein „lateinisches Kaiserreich“ und begannen Städte und Ländereien unter sich zu verteilen. Die dabei Zukurz-Gekommenen machten sich unter der Führung zweier französischer Abenteurer an die Eroberung von Südgriechenland und der Morea. Es war eine internationale Mischung vorwiegend aus Frankreich, Flandern, Burgund, dem Rheinland und der Lombardei, die in Byzanz zusammenfassend „Franken“ genannt wurden. Diese fränkischen Ritter bezeichneten sich selbst ganz ungeniert als „Leute, die erobern gehen“. Das Land war groß und reich genug, sodass sich fast jeder, der über einige entschlossene Männer verfügte, ein eigenes Fürstentum schaffen konnte. Noch einmal ging der Traum der Hautevilles in Erfüllung und ein Historiker bezeichnete es treffend als „die Zeit, wo die Märchen und Sagen wahr wurden, wo irrende Ritter Königskronen im Archipel fischten“15).

Die Männer des Cid

Der byzantinische Solidus – im Westen oft als „Bezant“ bezeichnet – war nicht die einzige Goldmünze des Abendlandes. Seit dem 8. Jahrhundert etablierte sich neben ihm der arabische Dinar, da die Araber durch die Eroberung Nordafrikas Zugriff auf das Gold aus Nubien hatten. Mehr noch als der Bezant entwickelten sich die arabischen Goldmünzen unter dem Namen „Mancus“ zu den „Dollars des Mittelalters“16), die von Norwegen bis Sizilien als Zahlungsmittel angenommen wurden. Europäische Könige dagegen ließen bestenfalls aus Prestigegründen Münzen prägen und mussten dazu Bezant oder Dinar einschmelzen.

Zum engsten und längsten Kontakt zwischen abendländischen Kriegern und arabischen Goldmünzen kam es in Spanien, und es belegt die Mechanismen des Geschäfts, dass sich über alle Glaubensgrenzen hinweg ein florierender Söldnermarkt entwickelte. Die arabischen Herrscher Spaniens waren sehr reich und gaben einen Großteil der Staatseinkünfte für Söldner aus, allerdings meistens weniger, um die Christen mit Krieg zu überziehen, sondern mehr um den arabischen Adel unter Kontrolle zu halten. So ließ der große Abd ar-Rahman III. seinem „Amtskollegen“ König Otto dem Großen ausrichten: „Euer König ist ein weiser und gewandter Fürst. Allein ich beobachte etwas in seiner Politik, was mir nicht gefällt: nämlich dieses, dass er, anstatt die ganze Macht allein in seinen Händen zu behalten, einen Teil davon seinen Vasallen überlässt. Er überlässt ihnen seine Provinzen, weil er glaubt, sie dadurch an sich zu ketten. Dies ist ein großer Fehler. Solche Herablassung gegen die Großen kann keine anderen Folgen haben, als ihren Stolz und ihre Neigung zum Aufruhr zu nähren“17).

Die Kalifen stützten sich lange auf ihre Leibgarden aus nubischen oder slawischen Sklaven, dazu kamen zahlreiche Berber aus Nordafrika, mit der Zeit aber auch immer mehr christliche Söldner aus den nördlichen Provinzen. An den Christen schätzten die Moslems vor allem ihre schwere Panzerung und ihre Art, in geschlossener Formation anzugreifen. „Ein Franke zu Pferde kann ein Loch in die Mauern von Babylon rennen“, sagten Araber über ritterlich Bewaffnete 18).

Christen dienten aber nicht nur bei inneren Konflikten, sie scheinen auch wenig Probleme gehabt zu haben, gegen ihre Glaubensbrüder zu Felde zu ziehen. Als der Höfling Abi Amir, der später unter dem Namen „al-Mansur“ (der Siegreiche) berühmt werden sollte, die Regierungsgewalt an sich riss, brach er zwar zuerst die Macht des arabischen Adels, überzog dann aber die christlichen Königreiche im Norden mit verheerenden Kriegen. 985 eroberte und zerstörte er Barcelona, 987 Coimbra, 988 León und 997 sogar das Wallfahrtszentrum Santiago de Compostela. Die Glocken der Kathedrale wurden im Triumph nach Córdoba gebracht, wo sie fortan als Lampen die Moschee erleuchteten.

In über 50 Feldzügen wurde al-Mansur zu Geißel und Albtraum der Christen, was diese aber nicht davon abhielt, in seinen Heeren zu dienen. Der Orientalist Reinhart Dozy bezeichnet sie als „arm, habgierig und schlechte Patrioten“. Er hätte besser „schlechte Christen“ schreiben sollen, da der Patriotismus zu dieser Zeit noch nicht erfunden war. Al-Mansur schätzte seine christlichen Söldner als schwere Kavallerie; er sorgte dafür, dass sie ohne Störungen ihre Gottesdienste abhalten konnten, und machte den Sonntag in seiner Armee zum Feiertag. Dozy schreibt über Christen und Berber in der Armee: „Die einen wie die anderen waren so zu sagen sein Eigentum. Sie hatten ihr Vaterland verleugnet und vergessen, und Andalusien war für sie keine neue Heimat geworden; kaum dass sie die dortige Sprache verstanden. Ihre eigentliche Heimat war das Feldlager, und wiewohl sie ihren Sold aus dem öffentlichen Schatz erhielten, standen sie doch nicht im Dienst des Staates, sondern in ibn Abi Amirs Dienst. Ihm verdankten sie ihr Vermögen, von ihm hingen sie ab und von ihm ließen sie sich gebrauchen gegen wen er wollte“19).

Richtigen Auftrieb erhielt das Geschäft jedoch, als nach al-Mansurs Tod verschiedene Gruppen um die Vorherrschaft im Kalifat von Córdoba kämpften. Eine der schwächeren Fraktionen suchte in ihrer Not Hilfe bei den katalanischen Grafen Armengol von Urgel und Ramón Borrell von Barcelona. Die Katalanen nutzten die Notlage, um den Preis in die Höhe zu treiben, und erhielten schließlich zwei Dinare pro Mann und Tag, die Grafen sogar 100. Die Katalanen kamen mit einer 9.000 Mann starken Armee nach Córdoba und schlugen im Juni 1010 mit schweren Verlusten – darunter auch der Graf von Urgel – die feindliche Fraktion. Jedoch erlitten sie bald darauf am Guadalquivir eine furchtbare Niederlage. 3.000 Katalanen sollen dort den Tod gefunden haben, unter ihnen die Bischöfe von Girona, Vich und Barcelona. Nach diesen schweren Verlusten plünderten sie aber noch ausgiebig das verbündete Córdoba und zogen dann mit Beute beladen wieder in ihre Heimat.

Dieser Söldnerzug der Katalanen ins ferne Córdoba blieb dort zwar ohne historische Konsequenzen, hatte jedoch auf die weitere Entwicklung des Geschäfts enorme Auswirkungen. Als das einst mächtige Kalifat kurz darauf in die sogenannten Taifa-Königreiche zerfiel, die sich bevorzugt gegenseitig bekämpften, lag es auf der Hand, sich militärische Unterstützung bei den Christen im Norden zu mieten. Für diese war es wiederum eine willkommene Gelegenheit, an die heiß begehrten Golddinare zu kommen, mit denen dann in genau dieser Zeit nicht wenige Paläste und Kirchen gebaut wurden. Vor allen Dingen jedoch war es für die christlichen Fürsten eine gute Gelegenheit, sich durch Söldnerdienste den Aufbau eigener Streitkräfte finanzieren zu lassen. Für die Verpflichtung, einem Taifa-König im Kriegsfall ein gewisses Truppenkontingent zur Hilfe zu schicken, erhielt man eine feste Bezahlung, die „Paria“. Normalerweise wurden etwa 20 Unzen Gold pro Mann und Jahr bezahlt; die Fürsten erhielten zusätzlich bei Vertragsabschluss einige Tausend als Prämie. Sie nutzten diese Einnahmen, um unter ihren Dienstleuten, besonders den Söhnen der Kastellane, eine professionelle Kriegerschicht zu formen, die nun regelmäßig besoldet werden konnte. Als die Taifa-Könige an Macht verloren, konnte es natürlich nicht ausbleiben, dass die „Parias“ zunehmend den Charakter von Schutzgeldern annahmen, die dann auch gelegentlich mit Strafexpeditionen eingetrieben wurden.

Die Grafen von Barcelona waren nach wie vor gut im Geschäft. Allein Graf Ramón Berenguer I. von Barcelona kassierte von 12 Kleinkönigen Tribut. Aber auch für Navarra waren die Parias bald die wichtigste Einnahmequelle; so zahlte beispielsweise der Emir von Saragossa 1069 jeden Monat 1.000 Dinar. König Alfons VI. von Kastilien erhielt beim Abschluss eines Schutzvertrages mit Granada 30.000 Metcales und darüber hinaus jährlich weitere 10.000 20). Das Geschäft lag zwar weitgehend in den Händen der Großen, dennoch blieb es nicht aus, dass auch selbstständige Unternehmer ihre Dienste anboten. Fielen christliche Adlige in Ungnade, so flohen sie nicht selten in eines der Taifa-Königreiche und „verdienten ihr Brot“ durch Söldnerdienste 21).

Am bekanntesten unter diesen Söldnerführern ist der kastilische Adlige Rodrigo Díaz de Vivar, der später unter seinem Kriegsnamen „El Cid“ zum spanischen Nationalhelden avancierte. Der Cid diente bereits als junger Mann König Sancho II. von Kastilien, besonders in dessen langwierigen Kämpfen mit seinem Bruder Alfonso. Es ist deshalb verständlich, dass er sich mit Alfonso nicht besonders gut verstand, als dieser nach der Ermordung von Sancho dessen Nachfolge antrat. Da die Kastilier im Austausch für die begehrten Parias eine ganze Reihe von Taifa-Königen mit Truppen unterstützten, konnte es nicht ausbleiben, dass bei diesen Gelegenheiten verschiedene kastilische Söldnerführer aneinandergerieten. Als der Cid bei einer dieser Auseinandersetzungen einem Günstling des Königs eine vernichtende Niederlage bereitete, fiel er in Ungnade und musste ins Exil fliehen.

Natürlich ging er nicht alleine, wie es gerne in Filmen gezeigt wird. Mit ihm gingen Männer seines Haushalts, persönliche Gefolgsleute, deren materielle Existenz mit der seinen engstens verbunden war. Die Dienste dieser Truppe offerierte er zuerst den Grafen von Barcelona. Anscheinend konnte man aber zu keiner Einigung kommen, und so zog der Cid weiter nach Zaragoza. Der Taifa-König dort war relativ isoliert und nahm den bereits erfahrenen Kämpen mit seinem Gefolge gerne in Sold. Der Cid stand ungefähr vier Jahre (1081–85) im Dienst des Königs von Zaragoza. Dabei wurde er reich und mächtig. Sold, Beute und besonders die Lösegelder seiner vornehmen Gefangenen füllten seine Kasse und sorgten für einen starken Zulauf an Kriegern. Darunter waren sicher auch Exilanten wie er selbst, aber auch landlose Abenteurer und überzählige Söhne, und natürlich auch viele Moslems, die das Gros seiner Infanterie und leichten Reiterei stellten.

Inzwischen hatten die militärischen Erfolge Kastiliens dazu geführt, dass einige Taifa-Könige die mächtigen Almoraviden aus Nordafrika zu Hilfe gerufen hatten. Von diesen war Alfonso bei Sagrajas (1086) vernichtend geschlagen worden, weshalb ihm nun an der Aussöhnung mit dem erfahrenen Söldnerführer gelegen war. Der Cid wurde also wieder in Gnaden aufgenommen. Doch die Harmonie war nur von kurzer Dauer. Nachdem der gefürchtete Emir der Almoraviden mit einem Teil seiner Truppen nach Nordafrika zurückgekehrt war, häuften sich bald wieder die Spannungen. Der Cid war sicher kaum noch gewohnt, Befehle entgegenzunehmen, und verhielt sich auch in Kastilien immer mehr wie ein selbstständiger Heerführer. Er kämpfte bald wieder im Dienst und im Bündnis mit Zaragoza gegen Moslems und Katalanen. Dabei wurde er immer mehr ein autonomer Warlord mit einem eigenen Heer, das er natürlich auch selbst finanzieren musste.

Zu Regelung seiner Geldprobleme hatte der Cid sein Operationsgebiet an die Mittelmeerküste verlegt, da dort die kleinen, aber wohlhabenden Taifa-Königreiche gute Möglichkeiten für Beute und Schutzgelder boten. Er hatte nun einen hervorragenden Ruf als Söldnerführer und so zogen ihm Abenteurer aus dem christlichen und moslemischen Spanien zu. Da er für dieses Heer eine feste Basis benötigte, eroberte er einige Burgen nahe der Küste, von denen er ausgedehnte Raubzüge unternahm und Parias einzog. 1090 schlug er − wieder einmal − seinen alten Gegner, den Grafen von Barcelona, etwas später besiegte er eine Koalition verschiedener Taifa-Könige mit Katalanen und Kastiliern und unternahm eine Strafexpedition nach Kastilien. Er war nun endgültig sein eigener Herr. Die Eroberung von Valencia 1094 war dann nur noch die logische Konsequenz dieser Entwicklung. In Valencia verwirklichte der Cid sozusagen den Traum fast jedes Söldnerführers: er schuf sich sein eigenes Königreich. Auch wenn das nur von kurzer Dauer war, so sollte man nicht vergessen, dass Portugal auf ähnliche Weise entstanden ist.

Die Verwendung christlicher Söldner war durch die Zersplitterung des moslemischen Spaniens zwar gefördert worden. Aber auch nachdem die Almoraviden fast alle Teilkönigreiche mit ihrem Herrschaftsgebiet in Nordafrika vereinigt hatten, tat dies ihrem Einsatz keinen Abbruch. Bereits der mächtige Herrscher der Almoraviden Ali ibn Yusuf (1106–1143) begann mit der Aufstellung einer Elitetruppe aus christlichen Gefangenen, die er „mehr als seine eigenen Leute schätzte“22). Auch die Herrscher von Tlemcen und von Tunis setzten auf die zuverlässigen christlichen „Milizen“, wie diese Söldnertruppen genannt wurden. Sie hatten zahlreiche Privilegien, eigene Kirchen mit den dazugehörenden Priestern, und unterstanden dem Kommando eines „Alcayt“.

Diese Milizen, deren Stärke zwischen einigen hundert und weit über tausend Mann schwanken konnte, konnten längst nicht mehr unter Gefangenen rekrutiert werden. Bei vielen handelte es sich um Emigranten, die mit ihrem Gefolge nach Nordafrika geflohen waren – so wurde Tunis nach dem Fall der Staufer zu einem Sammelbecken staufischer Ritter –, dazu kamen Abenteurer, die der gute Sold lockte. Mit der Zeit wurde der Bedarf so groß, dass die nordafrikanischen Herrscher mit den christlichen Kollegen auf der Iberischen Halbinsel regelrechte Lieferabkommen schlossen. So lieh 1274 der König von Aragon dem Herrscher von Tunis u. a. 10 Kriegsschiffe, 10 Galeeren und 500 Bewaffnete zur Eroberung von Tlemcen 23). Der König erhielt dafür 100.000 Bezant, für den ersten Sold waren dann noch einmal 100.000 vorgesehen.

Die maurischen Herrscher schätzten an den christlichen Milizen vor allem ihre Disziplin und die schwere Bewaffnung, was bei vielen Gefechten die Entscheidung bringen konnte. Fast noch wichtiger aber war, dass sie als Ausländer, mehr noch, als „Ungläubige“, nie selbst nach der Macht streben konnten. Deshalb war auf sie bei den zahlreichen internen Machtkämpfen, den Intrigen und Anschlägen natürlich weit mehr Verlass als auf den einheimischen Adel.

Gegen den Adel

Verschwörungen und Rebellionen des Adels waren und sind das grundlegende Problem aller Feudalgesellschaften. Im Mittelalter wurden deshalb mit Abstand die meisten Kriege intern geführt. Fast jeder europäische König musste über Jahre gegen den rebellischen Adel im eigenen Land zu Felde ziehen, oft sogar gegen die eigenen Söhne, die Brüder, manchmal sogar gegen Schwestern oder die Gattin. Schon die Merowinger waren berüchtigt für den Enthusiasmus, mit dem sie sich gegenseitig ausrotteten. Die normannischen Könige Englands kämpften bevorzugt gegen ihre Barone und ihre eigenen Söhne. Im Heiligen Römischen Reich kulminierten diese Konflikte in der großen Auseinandersetzung zwischen Staufern und Welfen, die sich über Generationen erstreckte.

Gegen diese zentrifugalen Kräfte, die alle europäischen Staaten in ihrer Substanz schon bedrohten, noch bevor sie richtig geformt worden waren, halfen eigentlich nur zwei Dinge: Söldner und Beamte, wobei die Letzteren im Wesentlichen dazu dienten, die notwendigen Mittel für die Bezahlung der Ersteren aufzutreiben. Ohne die Möglichkeit, Krieger mit Geld anstatt mit Land zu bezahlen, hätte wahrscheinlich keine einzige europäische Nation über längere Zeit Bestand gehabt.

Bei dieser Entwicklung spielte das England der normannischen Könige eine Art Vorreiterrolle. Bezogen auf den Ausbau der Zentralgewalt – Verwaltung, Finanzwesen und damit natürlich auch Militär – gilt es als der modernste Staat des Abendlandes seiner Zeit. Das wichtigste Argument für die Verwendung von Söldnern war auch in England die zweifelhafte Loyalität der Feudalaufgebote, die hier anscheinend Höchstwerte erreichte. Ein Historiker meint, dass in England seit 1066 die Loyalität des Adels vor allem „durch ihre Abwesenheit“ aufgefallen sei. Als Beispiel führt er die zehn mächtigsten normannischen Barone an. Von diesen Kampfgefährten Williams des Eroberers verloren zwei ihren Grundbesitz wegen Untreue, fünf – oder ihre Söhne – rebellierten bis zum Ende des Jahrhunderts mindestens einmal, der sechste im Jahre 1101. Lediglich zwei der zehn großen Adelsgeschlechter standen länger als 35 Jahre treu zur Krone und ihren beschworenen Verpflichtungen 24)!

Den meisten Leuten fällt zu William dem Eroberer lediglich die Schlacht bei Hastings ein – in Schulbüchern steht ja auch nicht mehr. Den weitaus größten Teil seines kriegerischen Lebens zog er jedoch gegen seine eigenen Untertanen, seinen Sohn und den König von Frankreich – in diesem Fall selbst als rebellischer Vasall – zu Feld. Diese „Familienstreitigkeiten“ waren zwar im ganzen Abendland verbreitet – wahrscheinlich sogar in den Feudalsystemen der ganzen Welt –, unter den Normannen erreichten sie jedoch ungewohnte Höhepunkte. Das lag zum Teil sicher daran, dass die Normandie und erst recht England gemeinsam eroberte Territorien waren, in denen sich die Adligen durchaus gleichwertig fühlten. Ein Herzog oder ein König war ein Emporkömmling, wie alle anderen auch; altes Recht oder Traditionen galten wenig, wenn man sie nicht mit Gewalt durchsetzen konnte. Im Jahr der Schlacht von Hastings 1066 hatte William bereits 31 Regierungsjahre als Herzog der Normandie hinter sich − ein endloser Überlebenskampf und eine immense Erfahrung mit der Illoyalität seiner Barone. Wahrscheinlich hatte er bereits hier gelernt, die Zuverlässigkeit von Söldnertruppen zu schätzen. Denn sein Herzogtum verfügte über einige florierende Hafenstädte, ein gut ausgebautes Steuersystem, und er selbst legte immer Wert auf gefüllte Kassen.

Doch auch wenn der Adel ausnahmsweise treu zu seinen beschworenen Pflichten stand und sich in voller Stärke einfand, konnte es sein, dass seine Kräfte bei Weitem nicht ausreichten. Feudalheere waren in der Regel sehr klein und man nimmt an, dass die Normandie maximal 2.000 Mann Feudaltruppen hätte liefern können. Dann wäre das Land aber ohne Verteidigung geblieben und den Angriffen seiner Nachbarn ausgeliefert gewesen. Für die Schlacht bei Hastings gehen neuere Schätzungen von einer normannischen Truppenstärke von um die 7.500 Mann aus. Bei dem größten Teil des Heeres handelte es sich also weder um Normannen noch um Lehnsleute. Das Gros stellten Flamen und Bretonen, dazu kamen Franzosen aus dem Poitou, Maine und der Ile de France, manche waren aber auch aus Burgund, der Provence oder sogar Italien gekommen.

Unter diesen Freiwilligen gab es eine Menge „normaler“ Söldner, die zuerst ein Handgeld erhielten und später mit der Beute ausgezahlt werden sollten. Doch William verfügte bei Weitem nicht über die Mittel, um ein Heer dieser Größe richtig zu besolden. Der größte Teil sollte deshalb mit erobertem Land für seine Mühen entschädigt werden. Tatsächlich kann man für den Südwesten Englands hunderte flämischer Lords nachweisen, die dort Lehen erhalten haben. Natürlich trat nicht jeder Abenteurer in ein Vertragsverhältnis mit William. Reichere Adlige traten mit einer ganzen Truppe in seine Dienste und erhofften sich dafür eine Grafschaft, mit der sie wiederum ihre Männer entlohnen konnten. Manche, wie Alan von Bretagne oder Eustace von Boulogne, brachten nicht nur Krieger, sondern auch Versorgungsgüter, Geld und Schiffe in die Unternehmung ein. Es wäre nun sicher mehr als ungerecht, wenn man nur die armen Teufel, die auf einen Vorschuss angewiesen waren, als „Söldner“ bezeichnen würde, die großen Investoren, die auf viel reicheren Gewinn hofften, dagegen nicht 25).

Nach dem Sieg bei Hastings begann die Niederwerfung der Angelsachsen, ein äußerst grausamer Kleinkrieg, der sich über Jahre hinzog. Für diese Aufgabe brauchte William mobile, schnell verfügbare Truppen, die sich nicht um ihren eigenen Besitz kümmern mussten. Söldner stellten deshalb hier den größten Teil. Viele wurden als Mitglieder des königlichen Haushalts, der „familia regis“, unterhalten. Das heißt, sie lebten auf Kosten des Königs und erhielten festen Sold. Natürlich erwartete auch ein zum Haushalt gehörender Ritter irgendwann ein Lehen für seine Dienste – manche hatten auch längst welche. Dennoch gab es noch hundert Jahre später jede Menge Ritter ohne Lehen, die im Haushalt des Königs oder verschiedener Barone lebten.

Theoretisch beruhte Englands militärische Macht nun im Wesentlichen auf dem Ritterdienst. Das Land wurde als Ritterlehen vergeben. Das heißt, es wurde geregelt, mit wie vielen Schwerbewaffneten sein Besitzer dem König Waffendienst leisten musste. Mächtige Barone waren einige hundert schuldig, mancher Abt vielleicht nur ein Dutzend und viele kleine Grundbesitzer sollten lediglich selbst erscheinen. Mit diesem System hätte man theoretisch knapp 5.000 Ritter mobilisieren können, ist aber nie über einen Bruchteil hinausgekommen. Eines der Probleme war die begrenzte Dienstzeit – 40 Tage jährlich –, durch die längere Feldzüge unmöglich waren. Hier behalf man sich mit Geld und bezahlte die Ritter, wenn die Pflichtzeit abgelaufen war. Wesentlich gravierender war, dass man zunehmend Fußvolk für Garnisonen und Belagerungen, aber auch auf dem Schlachtfeld benötigte. Es gab zwar noch aus angelsächsischer Zeit Volksaufgebote und die Milizen der Städte, aber ihr Ausbildungsstand und ihre Kampfmoral waren meist sehr gering. Erfahrene Profis und Spezialisten waren praktisch nur auf dem Söldnermarkt zu bekommen.

Ein grundlegendes Problem des Ritterdienstes war aber, dass das Gros der Truppen von den Baronen gestellt wurde, und die waren chronisch unzuverlässig. Solange die Angelsachsen noch unterworfen werden mussten, hielt man notgedrungen zusammen. Doch kaum war der letzte Widerstand erloschen, kam es 1075 zur ersten großen Rebellion. 1078 erhob sich sogar Williams Sohn Robert Kurzhose, der die Normandie verwaltete und nun endlich sein Erbe antreten wollte. Auf der Suche nach Hilfe, verbündete er sich mit dem König von Frankreich. William konnte beide Aufstände niederschlagen, musste dabei aber auf die schlagkräftige Unterstützung von Söldnern zurückgreifen, die sich als wesentlich zuverlässiger erwiesen – zumindest solange das Geld kam.

Nun unterschieden sich Williams Probleme nur wenig von denen anderer Könige – wenn auch die normannischen Barone vielleicht doch etwas aufsässiger als der europäische Durchschnitt waren. Bleibt die Frage, warum er ungleich mehr als andere auf Söldner zurückgriff und dies auch finanzieren konnte. Da war sicher als Erstes seine harte „Lehrzeit“ als Herzog der Normandie, während der er den Wert des Geldes und damit die Bedeutung einer funktionierenden Finanzverwaltung erkannt hatte. Als erfolgreicher Eroberer machte er später nicht nur reiche, geldwerte Beute, sondern konnte auch das Land neu nach Gutdünken verteilen und organisieren. Bei der Belehnung seiner wichtigsten Mitstreiter achtete er zum Beispiel genau darauf, dass keine großen zusammenhängenden Territorien entstanden. In England übernahm er mit dem „Danegeld“ – eine Abgabe, die ursprünglich den Tributzahlungen an die dänischen Wikinger diente – eine der ältesten regelmäßigen Steuern Europas. Er setzte zahlreiche Beamte ein, die Steuern und Abgaben nicht nur eintreiben, sondern auch deren Aufkommen möglichst genau notieren sollten. Seine Steuerliste, heute berühmt als „Domesday-Book“, ein einzigartiges Inventarium von Land und Leuten, sollte in erster Linie erfassen, was dem König zustand. William beherrschte nicht das größte Königreich des Abendlandes, aber sicher das am stärksten zentralisierte seiner Zeit.

Hatte William Söldner noch in möglichst bescheidenem Umfang, zur Niederschlagung von Rebellionen (was ihm meistens sehr schnell gelang), als Garnisonen wichtiger Festungen und als Ergänzung während seiner Feldzüge auf dem Kontinent genutzt, so änderte sich das, als er 1087 den Strapazen eines dieser langwierigen Feldzüge gegen Frankreich erlag und seine Söhne sich um das Erbe stritten. Robert Kurzhose, der Erstgeborene, hatte schon vorher die Normandie erhalten; William II. „Rufus“ (der Rote) wurde König von England und Henry, der Jüngste, mit Geld abgefunden.

Bereits nach einem Jahr Regierungszeit erhoben sich fast alle englischen Barone gegen William Rufus und wurden dabei von Robert Kurzhose unterstützt. William Rufus konnte fast nur auf die Hilfe der angelsächsischen Bevölkerung und der Kirche zählen. Deren militärische Schlagkraft war allerdings bei Weitem nicht ausreichend. Die besorgte er sich im Ausland, wie eine Chronik berichtet: „Wegen der Angst vor einem Aufstand, sammelte er Söldner vom Beginn seiner Herrschaft. Er verweigerte ihnen nichts und versprach ihnen sogar reicheren Lohn für später. […] Die Nachricht von seiner Großzügigkeit verbreitete sich im Westen und erreichte sogar den Osten. Krieger liefen ihm zu, aus jeder Provinz auf dieser Seite der Berge (Alpen, Anm. d. Verf.), und er bezahlte sie freigiebig“26). Hauptsächlich dank der Söldner war der Aufstand bald niedergeschlagen. Schlachten gab es keine, dafür ausgiebige Verwüstungen und einige Belagerungen, für die als Spezialisten Armbrustschützen, Ingenieure und Mineure geworben worden waren.