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Carl Kröger ist Angestellter in einer Hamburger Buchhandlung. Jetzt steht er vor seiner Pensionierung. Gibt es danach noch etwas Erfüllendes zu tun? Bücher waren stets sein Lebensinhalt. Und Kröger hat noch eine Mission zu erfüllen. Sein Weg führt ihn in einen norwegischen Fjord.
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Seitenzahl: 57
Veröffentlichungsjahr: 2019
Für Marianne
Uli Hoffmann
Kröger
Novelle
www .tredition.de
© 2019 Uli Hoffmann
Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg
Umschlagsfoto: Uli Hoffmann
ISBN
978-3-7497-0472-9 (Paperback)
978-3-7497-0473-6 (Hardcover)
978-3-7497-0474-3 (e-Book)
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Inhalt
Prolog
Lübeck, 1957
Lübeck, 1962
Lübeck, 1964
Lübeck, 1965
Hamburg, 2011
Lübeck, 2015
Oslo, 2016
Flomdalen, 2017
Kiel, 2017
Hamburg, 2018
Drømfjord, 2018
Epilog
Prolog
Carl Kröger erhöhte sein Gehtempo. Einmal, um noch mit dem Strom der Fußgänger in der Grünphase am Überweg mitzuschwimmen. Nicht, dass er es übermäßig eilig gehabt hätte, noch eine halbe Stunde blieb ihm bis zum offiziellen Arbeitsbeginn. Natürlich legte er Wert auf Pünktlichkeit, allerdings war ihm Pedanterie gänzlich unbekannt. Einstimmungszeit nannte er die Spanne, die ihm wichtig war, wenn er, wie meistens, lange vor den übrigen Angestellten im Laden war, der Buchhandlung Globig in Eppendorf. Globig war eine inhabergeführte Traditionsbuchhandlung, die nunmehr in vierter Generation von Helena Globig geführt wurde. Vor gut zehn Jahren hatte sich Carl Kröger vorgestellt und Helena Globig hatte ihm sofort eine Festanstellung gegeben, weil sie von seinem bibliophilen Sachverstand beeindruckt war. Und Carl Kröger entpuppte sich als wahrer Glücksgriff für die Buchhandlung. Sein umfangreiches Wissen, seine Eloquenz, sein glückliches Händchen im Umgang mit den Kunden trugen maßgeblich zum geschäftlichen Erfolg der Buchhandlung bei. Herr Carl, wie ihn die Stammkunden nannten, war der gefragte Berater und zahlreiche Bücherinteressierte verlangten ausdrücklich nach ihm und nahmen anstandslos Wartezeiten in Kauf, bis sie von ihm bedient wurden.
Carl Kröger war gelernter Buchhändler, hätte aber auch beruflich andere Möglichkeiten gehabt. Nach der Lehre studierte er Germanistik und Geographie, entschied sich jedoch gegen den Abschluss für das Lehramt und begann wieder die Arbeit als Buchverkäufer. Er selbst hätte den Begriff natürlich nie verwendet, sah er sich doch eher als Mittler, als Dienstleister, dem die ehrenvolle Aufgabe zufällt, potentielle Leser mit einem passenden Baustein aus der literarischen Welt zusammenzubringen. Sozusagen an der Basis war sein nach langem Suchen endgültig gefundener Platz.
Heute dachte Carl für einen kurzen Moment darüber nach, ob es eine gute Idee war, bereits in diesem Jahr in den Ruhestand zu gehen. Vor sechs Wochen war er 64 geworden und innere Stimmen hatten ihm immer häufiger zugeflüstert: „Hör auf zu arbeiten!“ Eigentlich hätte er ja große Lust weiterzumachen. Der Job fiel ihm leicht, bereitete keinen Stress und er würde seiner Chefin keinen größeren Gefallen tun können, wenn er sagen würde: „Ich mach‘ noch ein paar Jährchen.“
Aber seine Entscheidung war nun mal getroffen. Sein Haus hatte er bereits verkauft, zusammen mit seinen Ersparnissen und Versicherungen würde er über einen üppigen Betrag verfügen, von dem er seinen Ruhestand komfortabel würde gestalten können. Und sein Plan dafür war absolut konkret und harrte der Umsetzung.
Lübeck, 1957
Die Werkstatt von Carl Kröger senior befand sich in der Altstadt von Lübeck in der Böttcherstraße. „Möbeltischlerei Kröger“ zeigte das große hölzerne Schild an der Hausfront, das mit feinen Intarsien stilvoll gestaltet war. Carl war fünf Jahre alt, als ihn sein Großvater zum ersten Mal sozusagen offiziell in die Werkstatt ließ und ihm zeigen wollte, was er dort tat. Obwohl Carl wiederholt an der Hand seiner Eltern der häuslichen Arbeitsstätte einen Besuch abgestattet hatte, überwältigte ihn auch diesmal wieder der Duft nach frisch gesägtem Holz. Ein natürlicher Werkstoff wird im Grunde genommen verletzt, ja zerstört, und quittiert dies mit einem herrlichen Duft. Der Großvater erklärte seinem Enkel den Zweck der unterschiedlichen Geräte und Werkzeuge, soweit das einem Fünfjährigen überhaupt verstehbar gemacht werden kann.
Der junge Carl bestaunte mit großen Augen, welche Holzstücke nach den einzelnen Bearbeitungsschritten entstanden. In einem Teil der Werkstatt standen fertige oder halbfertige Möbelstücke herum und Carl lernte früh die Bezeichnungen für die einzelnen Möbelteile kennen und zu unterscheiden. Der alte Kröger hatte sich einen Namen erworben für die Herstellung hochwertiger Möbel, wobei er sich auf Bücherschränke und -regale sowie deren repräsentative Kombinationen spezialisiert hatte.
Carl trug den Namen seines Großvaters, obwohl „Carl“ in den fünfziger Jahren schon ein wenig aus der Zeit gefallen schien. Seine Mutter hatte ihm erklärt, sein Großvater hätte den Herzenswunsch, dass sein Enkel einmal in seine Fußstapfen treten und den Handwerksbetrieb weiterführen würde. Carls Vater hatte bereits früh für eine Enttäuschung gesorgt, indem er einekaufmännische Tätigkeit in einem traditionellen Lübecker Handelskontor eingeschlagen hatte.
Nun lagen also alle Hoffnungen auf dem Enkel und Tischlermeister Carl bemühte sich nach Kräften, den Jungen an seine Handwerkskunst heranzuführen. Und nicht nur das.
Später, Carl war 10 Jahre alt, nahm ihn der Großvater einmal mit zu einem Kunden in der Beckergrube, für den er eine aufwändige Büchermöbelkombination herstellen sollte. Der Raum in dem prächtigen Haus war bereits leergeräumt und Carl sen. nahm das Aufmaß vor. Dabei versuchte er seinem Enkel zu erklären, welche Lösung er für welchen Raumteil im Sinn hatte. Der Junge hatte Schwierigkeiten, dieser Antizipation zu folgen, hörte aber brav zu und erhielt eine altersentsprechende, kindliche Vorstellung von „sich etwas ausdenken, einen Bauplan anfertigen“.
In den folgenden Wochen bekam er seinen Großvater kaum zu Gesicht, weil dieser bis spätabends in der Werkstatt beschäftigt war. Das Kreischen der Sägen war bis in sein kleines Zimmer zu hören und erinnerte ihn an die Auftragsarbeit für die Beckergrube. Dabei ahnte er nicht, welch großartiges Erlebnis ihm bevorstehen sollte.
Eines Vormittages klopfte der Großvater an die Tür seines Zimmers und betrat den Raum. Der Junge war erstaunt, seinen Großvater im Sonntagsstaat zu sehen, den er normalerweise nur zum Kirchgang zu tragen pflegte.
Die beiden gingen über die Böttcherstraße in die Beckergrube und hielten auf das repräsentable Haus der Kunden zu, während die Passanten auf dem Gehsteig den Tischlermeister und dessen Enkel fast ehrerbietig grüßten, indem die Männer ihren Hut hoben und die Damen freundlich, aber sittsam den beiden zulächelten. Carl war ein bisschen stolz, dass seinem Großvater und ein wenig auch ihm eine gewisse Bedeutsamkeit, fast eine Art von Respekt beim Gang durch die Lübecker Altstadt zuteil wurde.
Als sie vor dem Haus der Auftraggeber in der Beckergrube standen, ließ Carl seinen Blick über die Backsteinfassade und deren filigrane Einzelheiten wandern. Er hätte zu gerne gewusst, wie es sich als Kind im Haus der wohlhabenden Familie leben ließe. Großvater hatte ihm den Grund für ihren Besuch dort nicht mitgeteilt, doch hatte Carl in den Tagen zuvor mitbekommen, dass die Gesellen aus der Tischlerei diverse Möbelteile in Richtung Beckergrube abtransportiert hatten. Das Besitzerehepaar begrüßte die beiden und bat sie in die Bibliothek, die Carl noch immer als steriles, frisch renoviertes Zimmer in Erinnerung hatte. Als der Junge eintrat, verschlug es ihm die Sprache. Einzelne Teile waren ihm aus der Werkstatt bekannt, was sich ihm hier allerdings