Sunnivas Spuren - Uli Hoffmann - E-Book

Sunnivas Spuren E-Book

Uli Hoffmann

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Beschreibung

In elf Erzählungen beschreibt Uli Hoffmann Menschen in besonderen Lebenssituationen. Es geht um die Fragen, was wirklich wichtig ist im Leben und woher die Menschen Zuversicht und Sicherheit beziehen. Auch die Frage von Vergangenheit und Schuld wird aufgeworfen. Die Suche eines Mannes nach seiner Jugendliebe führt ihn an einen fast mystischen Ort.

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Für Rüdiger

Uli Hoffmann

Sunnivas Spuren

Erzählungen

© 2021 Uli Hoffmann

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44,

22359 Hamburg

Umschlagfoto: Rüdiger Harth

ISBN

978-3-347-24053-7 (Paperback)

978-3-347-24054-4 (Hardcover)

978-3-347-24055-1 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Das gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Grauzone

Wattwanderung

Sunniva

Klopfzeichen

Baustellenbesichtigung

Zeitverzug

Haydn

Wetterumschwung

Sicherheitsgefühl

Verteidigungssstrategie

Wasser des Lebens

Grauzone

Es war immer das Gleiche. Immer, wenn Severin Delcroix an einen Ort seiner Vergangenheit kam, entstand vor seinen Augen ein Bild entweder in brillanten Farben oder in Schwarzweiß. Nichts dazwischen. Je nachdem, welche Erinnerung er an diesen Ort hatte. Nun sind Erinnerungen per se etwas sehr Persönliches. Zuschreibungen sowohl negativer wie positiver Art erfolgen aufgrund individueller Erlebnisse und Einordnungen.

Vor fast zehn Jahren musste es gewesen sein, als er mit Marie-Thérèse zum letzten Mal hier war. Zum letzten Mal. Das klingt so lapidar. Für Marie-Thérèse war es jedoch der letzte Tag ihres jungen Lebens. Mit einem Ruderboot waren sie aufs Meer hinausgefahren. Rémy Manaudou, der Bootsvermieter, hatte noch gewarnt. Das Wetter drohte umzuschlagen.

Aber das konnte Severin Delcroix nicht gelten lassen. Es wäre ein Zeichen von Schwäche gewesen, wenn er an Land geblieben wäre. Und Schwäche war das, was Severin nie zeigen würde, zumal nicht in der Gegenwart von Marie-Thérèse. Sie waren damals ein Vierteljahr verheiratet, als er sich in Brest als Unternehmensberater selbstständig gemacht hatte. Damit verbunden war ein erhebliches finanzielles Risiko; die Verschuldung belastete ihn weiterhin. Marie-Thérèse hatte dort eine Stelle als Grundschullehrerin angetreten. Ihre Eltern waren erfolgreiche Unternehmer in Quimper.

An den Hergang des Unfalls hatte Severin keine Erinnerungen. Der Polizei gegenüber hatte er immer wieder geschildert, wie er bei den ersten Starkböen die Jolle gewendet und den Rückweg in Richtung des Phare du Petit Minou eingeschlagen hatte. Der Sturm hatte das kleine Boot jedoch auf die Felsen vor dem Fort de Toulbroc’h gedrückt. Beim Aufprall wurde Marie-Thérèse aus der Jolle geschleudert und prallte mit dem Kopf auf einen Felsen. Sie muss sofort tot gewesen sein. Es gab natürlich eine Untersuchung durch die Polizei. Ihm konnte jedoch keine Schuld an dem Unglück nachgewiesen werden.

Heute war Severin also zum ersten Mal seit dem Unfall wieder hier. Die Szenerie mit dem Leuchtturm bot ihm das erwartet düstere Schwarzweißbild. Er überlegte, wann sich zum letzten Mal ein kontrastreiches und heiteres Farbfoto in seine Netzhaut eingebrannt hatte. Vielleicht war es die Hochzeit mit Monique vor zwei Jahren. Die Farben des Bildes waren zwar mit der Zeit verblasst, aber als er damals Marie-Thérèse heiratete, musste es ein ebenfalls brillantes Foto gewesen sein.

Monique war heute in der kleinen Pension in Plouzané geblieben. Severin ging vom Parkplatz in Richtung des Phare du Petit Minou. Grauabstufungen. Vom gepflasterten Weg, der auf beiden Seiten von Bruchsteinmauern gesäumt war, hatte er den Leuchtturm immer im Blick. Die Farben waren ihm abhandengekommen, aber er erinnerte sich, dass der Turm über ein rotes Lampenhaus verfügte. Seine Schritte verlangsamten sich, als er das Postkartenmotiv mit Leuchtturm und der Meeresbucht im Blick hatte. Er überlegte, ob man von einem Farbspiel von Grautönen sprechen durfte. Dazu engten die Mauern seinen Weg nach vorne deutlich ein. Oft war er damals mit Marie-Thérèse dieses Spalier von Steinen durchschritten. Es führte zu seinem unausweichlichen Ende.

Nachdem er zum Auto zurückgegangen war, fuhr er in westlicher Richtung bis Portez. Dort fand er ein attraktives Segelrevier und einen Bootsverleih. Für den nächsten Tag mietete er eine Jolle. Wie damals, dachte er. Seine finanzielle Situation war immer noch prekär. Von seinem größten Problem, dem Glückspiel, war er immer noch nicht losgekommen.

Am Abend eröffnete er Monique, er habe ein vortreffliches Segelrevier gefunden und gleichzeitig für den kommenden Tag eine Jolle gemietet.

„Willst du das wirklich?“, fragte sie.

„Du weißt, wie gerne ich segele, Monique.“

„Ja, aber die Sache von damals!“

„Ich bin darüber hinweg!“, erwiderte Severin.

Sie fuhren am nächsten Morgen nach Portez und Severin zeigte Monique stolz das Boot, das er ausgesucht hatte.

Da der Wetterbericht einen ruhigen Frühsommertag prophezeite, entschied sich Severin für einen größeren Törn. An der Plage de Porsmilin herrschte bereits reger Badebetrieb.

Severin hielt weiter auf die offene See zu. Nur mittels eines guten Fernglases hätte man erkennen können, wie der Mann seine leblose Begleiterin über Bord warf. Das angehängte Gewicht würde sie in die Tiefe ziehen.

Severin blickte zurück in Richtung des Badeortes. Details konnte er jedoch nicht erkennen, da das entstandene Bild erneut in unzähligen Grautönen komponiert war.

Wattwanderung

Der Dorfkrug empfing die beiden mit seiner angenehmen Wärme. Sie waren zwei Stunden auf der Deichkrone gelaufen, wo ihnen der herbstliche Westwind zuletzt ziemlich zugesetzt hatte. Im Krug herrschte um diese Zeit reger Betrieb. Stammgäste des Dorfes am Wattenmeer vermischten sich mit zahlreichen Touristen, die es hier im November immer noch gab. Christian Sieversen suchte einen freien Tisch und schlug ihn Sarah zum Platznehmen vor. Sie stimmte zu, wie sie meistens in ihrem Leben das tat, was Christian für sie geplant hatte. Geplant und durchdacht, wobei er nie irgendwelche Alternativen zulassen hatte, sondern stets von ihr erwartete, dass sie nur ja sagen musste. Das betraf ihre Ehe wie auch die gemeinsame Firma, eine kleine Druckerei in Husum, die sich auf Broschüren, Kataloge und Kalender spezialisiert hatte. Christian war der Geschäftsführer, Sarah verantwortete die Buchhaltung.

Die beiden waren nunmehr fast dreißig Jahre verheiratet und Birgit, ihre beste Freundin, hatte anlässlich ihrer Silberhochzeit gefragt, ob es das Leben sei, von dem sie immer geträumt habe. Sarah hatte geantwortet, es ginge ihnen doch gut. Birgit war davon überzeugt, dies meinte Sarah doch ausschließlich in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie hatte noch nie Sympathien für Christian empfunden und hielt ihn für einen notorischen Schürzenjäger. Tatsächlich hatte Sarah ihr mehrmals ihren Verdacht mitgeteilt, er habe in Friedrichstadt eine Freundin. Sie konnte es nie beweisen, schien aber in letzter Zeit zu Christian auf Distanz zu gehen.

Von ihrem Kurzurlaub auf Pellworm hatten sie sich versprochen, dass sie ausloteten, ob sie noch genügend Gemeinsamkeiten hatten. Ihre kleine Pension war gemütlich und Christian hatte es tatsächlich geschafft, sein Smartphone zur Seite zu legen und gänzlich auf Geschäftliches zu verzichten.

Als er sein Handy vorgestern auf dem Nachttisch hatte liegenlassen, fand sie die Bilder. Sie zeigten Christian mit der Frau in einem Café in Friedrichstadt. Die SMS mit ihr warfen sie völlig aus der Bahn. Sie wollte ihn damit konfrontieren, unterließ es aber dann. Unter Umständen würde sich die Gelegenheit dazu während einer der Wanderungen auf der Insel ergeben.

Dies war ein Vorsatz geblieben. Sie fügte sich in die trügerische Idylle der nordfriesischen Landschaft.

Der Wirt des Krogs brachte die zwei Tee und den Whisky, die Christian bestellt hatte.

Das heiße Getränk und der Alkohol verschafften ihnen kurzzeitig die erhoffte Wärme.

„Ich denke, ich werde meine geplante Wanderung durch das Watt zur Hallig Hooge heute Nachmittag in Angriff nehmen. Dann könnte ich die letzte Fähre zurück nehmen. Heute Abend bin ich wieder da und du kannst dir einen erholsamen Urlaubstag gönnen.“

Sarah stimmte zu. Wie immer. Keine Diskussion. Sie war das gewohnt, seit vielen Ehejahren. Als sie zurück in ihrer Pension waren, packte Christian ein paar Kekse und eine Flasche Wasser in seinen Rucksack. Er steckte sich noch den Gezeitenkalender, der auf der Garderobe lag, in die Jackentasche und verabschiedete sich kurz von Sarah.

Sarah war zu einem ausgedehnten Strandspaziergang aufgebrochen. Als sie die Nachmittagssonne genoss und in Richtung der Hallig Hooge blickte, kämpfte Christian in der Ferne bereits gegen den volllaufenden Priel an.

Am nächsten Morgen klopfte es gegen acht Uhr an ihre Zimmertür. Der Ortspolizist hatte ihr eine schlimme Nachricht zu überbringen.

„Heute Morgen bei Niedrigwasser haben wir Ihren Mann ertrunken im Watt aufgefunden. Tut mir sehr leid, Frau Sieversen!“

Sarah war sich noch unschlüssig, ob sie sofort die Heimfahrt antreten oder die Gelegenheit nutzen sollte, vor Ort persönlich bei der Kurverwaltung vorbeizuschauen. Sie wollte fragen, ob die Druckerei Sieversen im kommenden Jahr wieder den Tidenkalender drucken dürfe.

Das im Salzwasser völlig aufgelöste Exemplar ihres Mannes, welches sie kurz vor ihrer Abreise nach Pellworm eigens ausgedruckt hatte, hatte sie zusammen mit anderen Gegenständen von der Polizei erhalten und augenblicklich entsorgt.

Sunniva

Der Mann parkte den Wagen vor dem Gebäude der Stadtverwaltung. Er genoss den Blick über das Inlet mit dem Namen Romet, das eine Art Lagune darstellte vor dem Strand von Selje in der Provinz Sogn og Fjordane, jetzt Vestland. Er blickte zur Stadtkirche, der Selje Kyrkje, auf der anderen Seite der Bucht. Mit ihrem hellen Holz thronte sie über der Reihe der Bootshäuser, die sie von der Wasserseite her zu beschützen schienen.

Asbjørn Solberg war am Ziel seiner Reise angekommen, von der er sagen würde, dass er sie unbedingt habe unternehmen müssen. Innere Widerstände hatten ihn bisher davon abgehalten. Auch hatte er das Gefühl, zu einer solchen Reise gehöre Mut. Etwas, das nicht unbedingt zu seinen Eigenschaften gehörte.

Jetzt im Spätsommer brauchte er zwar ohnehin mal wieder eine Auszeit mit ein wenig Ruhe und Luftveränderung, wenn man ihn aber nach dem eigentlichen Beweggrund der Fahrt gefragt hätte, wäre die Umschreibung ‚Reise in die eigene Vergangenheit‘ die passende gewesen. Mit dem Ort Selje verband er keinerlei Jugenderinnerungen, wohl aber mit einer Frau, von der er wusste, dass sie vor einiger Zeit hierhin an die Westküste gezogen war. Oft hatte er sich gefragt, ob es eine gute Idee sei, sich auf’s Geratewohl auf die Suche nach der Frau zu machen, die ihm in einem bestimmten Zeitabschnitt seines Lebens viel bedeutet hatte.

Vom Parkplatz fuhr er weiter zu dem kleinen Hotel, das er gebucht hatte. Von dort wollte er ausgedehnte Spaziergänge unternehmen, natürlich auch mit Ausflügen in die Kultur wie auf die Insel Selja mit den Ruinen des Klosters Selje. Und dann würde sich herausstellen, ob seine detektivischen Suchbewegungen zu einem Erfolg führen würden.

Vom Hotel öffnete sich der Blick über Selje und die Bucht. Sein Zimmer war eher klein und spartanisch eingerichtet, strahlte aber eine wohnliche, ja warme Atmosphäre aus. Asbjørn packte aus und legte sorgfältig die beiden Bücher auf das Nachtschränkchen, die er mitgenommen hatte. Es handelte sich um einen Kulturführer für Westnorwegen mit einem Artikel über das Kloster Selje und einer Monografie über die Heilige Sunniva, die Schutzheilige von Bergen und Westnorwegen, die in Selje gelebt und im Dom von Bergen ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Doch eher eine Kulturreise statt einer in die eigene Vergangenheit? Er war eigentlich nicht der Vergangenheitsmensch, ihm war nur bei seinem letzten Umzug eine Schatulle mit Fotos aus seiner Kindheit und Jugend in die Hände gelangt. Fotos von ihm und der Person, auf deren Spuren er sich nun begeben hatte. Nachbarskinder waren sie gewesen, schier unzertrennlich, obwohl sie einander mehrmals aus den Augen verloren hatten infolge von Wechseln des Wohnortes der Eltern, später wegen unterschiedlicher Ausbildungs- und Studienorte. Seit dem Fund der Schatulle ging ihm Mette Helgemo nicht mehr aus dem Kopf. Nachdem ihm ein Freund erzählt hatte, er habe ihren Namen vor Monaten in Zusammenhang mit einem Artikel über das Westkap in der Bergens Tidende gelesen, nahm Asbjørn Solberg ihre Spur auf. Er hatte sich den Artikel aus der Bergens Tidende besorgt und bestimmt zehnmal gelesen. Über die Frau aus seiner Vergangenheit wurde im Rahmen einer Bürgerinitiative berichtet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, sich für eine umweltschonende Politik in der Region Westkap stark zu machen. Mette Helgemo war so etwas wie die Sprecherin der Organisation gewesen.

Ihr Mädchenname hatte also Bestand. Asbjørn hatte Mette seinerzeit spontan und unüberlegt einmal gefragt, ob sie sich vorstellen könne, mit ihm zusammenzubleiben. Sie hatte gelacht und er das Thema von diesem Moment an nicht mehr angesprochen.

Nun also hatte er sich in Richtung Westkap aufgemacht, um seinen Urlaub dafür zu nutzen, Mette aufzuspüren und wiederzusehen. Ein abenteuerliches Unterfangen. Die Provinz Vestland war groß und durch die zahllosen Inseln zu wenig kompakt für eine Personensuche. Die Nadel im Heuhaufen. Aber er hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt.

Als Erstes unternahm er einen Spaziergang durch den Ort. Vom Hotel, welches ein wenig auf einer Anhöhe lag, gelangte er zum Hafen. Er brauchte nicht lange zu suchen, bis er sie fand: Sunniva. Aus weißem Stein hatte der Künstler die Statue gefertigt, die auf einem kleinen Platz vor den Landungsstegen stand. Spontan fiel Asbjørn das Wort ‚souverän‘ ein: Sunniva stand aufrecht und im Wind schien ihr wallendes Haar nach hinten zu schweben. Ihr Blick, der stolz dem Meer zugewandt war, schien in Richtung der Insel Selja mit dem gleichnamigen Kloster gerichtet zu sein. Die Ruinen des vermutlich ältesten Klosters in Norwegen standen auch ganz oben auf Asbjørns Ausflugsplan. Er würde sich gleich über die Abfahrten des Klosterbåten erkundigen.

Am Abend fasste er den Entschluss, nach dem Essen irgendwo noch etwas zu trinken. Es war ein noch milder Abend, als er später einen Spaziergang am Strand unternahm. Die Feuchtigkeit des Herbstes machte sich in Gestalt von Nebelschwaden bemerkbar, die über die Sandfläche waberten. Es war dunkel geworden. Lichter der Boote auf dem Romet rahmten die Szenerie ein. Vereinzelt begegneten ihm Menschen auf dem Weg nach Hause, eine Gruppe Jugendlicher alberte lautstark herum. Vor ihm in Richtung Kirche ging eine Gestalt, die Asbjørn nur schemenhaft erkennen konnte. Sie war langsamer unterwegs als er, sodass er sie bald einholen würde. Sie musste ihn bemerkt haben, denn sie wandt sich um und schaute ihn erschrocken an. Dann beschleunigte sie ihre Schritte. Mette? Wie Mette damals hatte sich die Frau ihr rötliches Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Wie besessen war er schon von seiner Idee, dass er eine fremde Frau, die in Selje abends allein am Strand entlanggeht, für seine Jugendliebe hält? Es war aber nicht nur die Art, wie sie ihr Haar trug; die Art und Weise, wie sie sich bewegte, erinnerte Asbjørn an Mette. Sollte er sie ansprechen? An ihrer Stimme würde er sie erkennen. Glaubte er. Nach so vielen Jahren?

Da die Frau vor ihm immer schneller lief, verwarf er schnell diese Idee. In seinem Kopf befand sich anscheinend eine Art Gedankenwirrwarr, Gedanken an Mette.

Er machte sich auf den Weg zu seinem Hotel.

Am nächsten Morgen setzte er sich im Frühstücksraum an einen Tisch, der ihm den Blick über den Strand bis zur Selje kyrkje ermöglichte.

Um 11 Uhr würde er das Klosterbåten nehmen, das ihn in fünfzehn Minuten auf die Insel Selja übersetzen würde.

Er ging hinunter zum Hafen und stellte sich in die Reihe der wartenden Ausflügler, die das Kloster Selje besichtigen wollten. Das Wetter war gut und Asbjørn beschloss, sich nicht der Führung anzuschließen, sondern die Umgebung der Klosterruine auf eigene Faust vorzunehmen. Die MS Selja legte ab, ein modernes, komfortables Ausflugsboot für kleinere Gruppen. Asbjørn stand an Deck und genoss den frischen Fahrtwind. Wie schön müsste es sein, wenn in diesem Moment Mette neben ihm stünde mit ihrem langen Haar. Oder Sunniva.

Am Anleger pilgerten die Passagiere zum Kloster, welches genau vor ihnen lag. Eine Dame bot den Ausflüglern eine Führung zum Kloster und zur Sunniva-Legende an. Asbjørn jedoch trennte sich von der Gruppe und ging voraus. Er umrundete zunächst die Ruine und entschloss sich