Krön Dich selbst, sonst krönt Dich keiner - Bettina Hennig - E-Book

Krön Dich selbst, sonst krönt Dich keiner E-Book

Bettina Hennig

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Beschreibung

Hier kommt der erste Ratgeber für alle, in deren Herzen eine Prinzessin schlummert. Denn Bestseller-Autorin Bettina Hennig weiß: Wir sind alle ein bisschen Prinzessin. Ein rückschrittlicher Wunsch? Im Gegenteil: Prinzessin zu sein, ist das neue Rollenmodell moderner Frauen – es vereint Stolz, Selbstbestimmung und die Lust auf durchtanzte Nächte. Expertin Bettina Hennig zeigt, wie wir unser hoheitliches Ich in jeder Lebenssituation ausleben können. Dabei schöpft sie aus einem reichen Erfahrungsschatz aus Selbstversuchen, Adelsgeschichte und royaler Gegenwart. Die Autorin verrät, wie Prinzessinnen ihre Wohnung auch mit Ikea-Möbeln in ein Schloss verwandeln können, und erfährt von einem echten Titelhändler, wie man Prinzessin werden kann.

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Meiner Freundin Bettina gewidmet

Inhalt

Teil I: Traumberuf Prinzessin!

Sind wir nicht alle ein bisschen Prinzessin?

Warum wollen wir Prinzessinnen sein?

Testen Sie Ihr wahres Prinzessinnen-Ich!

Teil II: Das ist ja die Krönung!

Wann ist eine Prinzessin eine Prinzessin?

Prinzessin werden!

Zehn Prinzessinnenfilme

Teil III: Prinzessin kann jede!

Ab in die Prinzessinnenschule! oder: Warum auch Prinzessinnen lernen müssen, eine Prinzessin zu sein

Königin der Mode oder: Warum Prinzessinnen alles anziehen dürfen, was sie wollen

Jaaaaames!!! oder: Warum Prinzessinnen nie Ärger mit dem Personal haben

Der Majestätsplural oder: Warum Prinzessinnen immer königlich angesprochen werden

My Home is my Castle oder: Warum jedes Zuhause ein Schloss ist

Der Wau-Effekt oder: Warum Prinzessinnen die Sprache der Tiere sprechen

Tugenden oder: Wie Prinzessinnen sich überall beliebt machen

Die Prinzenrolle oder: Wie Prinzessinnen auch ihren Herzensprinzen adeln

Zehn Prinzessinnenromane

Auswertung

Anmerkungen

Literaturverweise und Literaturtipps

Danksagung

Teil I:

Traumberuf Prinzessin!

Sind wir nicht alle ein bisschen Prinzessin?

Als mir das erste Mal bewusst wurde, dass ich eine Prinzessin bin, war ich drei Jahre alt. Ich könnte auch vier Jahre alt gewesen sein, aber keineswegs fünf, denn das Ereignis, das mit dieser neuen Erkenntnis zusammenhing, hatte tiefgreifende Auswirkungen auf meine Karnevalskostümierung. Und mit fünf – das beweisen zahlreiche nun schon verblasste Fotografien – trug ich bereits Schleier und Krone.

Wir lebten zu jener Zeit im Zentrum von Frankfurt am Main. Vom Schlafzimmerfenster aus konnte man den Eschenheimer Turm sehen. Der Turm war, so viel wusste ich, sehr, sehr alt, und in ihm waren früher einmal viele böse Männer eingesperrt worden. Mich beeindruckte das steinerne Gesicht eines Mannes, der quasi aus der Fassade des Turmes auszubrechen drohte. Mehr noch: Es machte mir Angst. Wenn ich an der Seite meiner Mutter einzuschlafen versuchte, nährte dieses Gesicht meine Fantasie: Der böse Mann löste sich aus der Wand und kam zu uns herüber und mit ihm alle anderen, die noch im Turm versteckt waren.

Ich galt schon bald als schlechte Schläferin, und meine Mutter wie meine Oma Olga, die bei uns wohnte, versuchten mit allerlei Tricks, mich vor dem Einschlafen zu beruhigen. Sie gaben mir warme Milch mit Honig, sangen mit mir Lieder oder blätterten in Kinderbüchern. Ich kann mich noch genau an den Abend erinnern, als meine Oma mir das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse vorlas. Gespannt lauschte ich der Geschichte des Mädchens, das nachts durchgefroren an einem Schlosstor klopft und vorgibt, eine Prinzessin zu sein, die eine Unterkunft sucht. Ich zweifelte mit ihren Gastgebern, ob ihre Behauptung stimmte, und fieberte mit ihnen, ob der Trick, ihr eine Erbse unter zwanzig Matratzen zu legen, verraten würde, wer sie wirklich war. Und wie hingerissen war ich, dass dieser Trick tatsächlich funktionierte: Das arme Mädchen war wirklich eine Prinzessin. Und zur Belohnung durfte sie einen Prinzen heiraten.

Mit einem Mal hatte ich eine Eingebung: »Oma«, sagte ich, »jetzt weiß ich, warum ich nachts im Dunklen Angst habe.«

»Ja?«, fragte sie. »Warum denn?«

»Na, weil ich eine Prinzessin bin.«

Oma lachte. »Stimmt, meine Kleine, warum sind wir da nicht früher darauf gekommen? Natürlich bist du eine Prinzessin.«

Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und löschte das Licht.

In dieser Nacht schlief ich tief und fest. Ich fühlte mich wie auf zwanzig Matratzen – und ohne Erbse – gebettet und völlig behütet. Ich hatte eine Art magischen Schutzschild um mich, der böse Träume genauso abhielt wie die bösen Männer aus dem Eschenheimer Tor.

Am nächsten Morgen wollte ich alles über Prinzessinnen wissen.

Meine Oma erzählte mir, dass Prinzessinnen die Töchter von Königinnen und Königen seien, dass sie in Schlössern wohnten, viel tanzten und immer schöne Kleidung trügen. Sie erzählte auch, dass sie Prinzen heirateten und dann selbst Mütter von Prinzessinnen würden. Meine Oma las mir Die kleineMeerjungfrau vor, das Märchen von Schneewittchen und das vom armen Aschenputtel, was mich besonders beeindruckte, denn es bewies, dass man nicht in einem Schloss geboren sein musste, um eine Prinzessin zu sein – sondern dass man einfach aufgrund seines guten Charakters dazu auserwählt sein konnte. So wie ich.

Aber mein neues Dasein als Prinzessin hatte auch Schattenseiten. Meine Oma machte mir klar, dass Prinzessinnen immer so gerade saßen, dass sie ein Buch auf ihrem Kopf balancieren konnten, und dass sie die Gabel immer zum Mund führten und nie den Mund zur Gabel. Und dass sie niemals die Kartoffeln mit der Soße zermatschten oder Erbsen mit der Gabel durch den Raum katapultierten. Heute weiß ich: Es war ein schnöder Erziehungstrick, aber ich folgte ihm damals, ohne zu murren. Auch eine Prinzessin musste lernen, eine Prinzessin zu sein – so viel hatte ich verstanden. Zum Ausgleich konnte ich mich bei unseren Ausflugszielen durchsetzen. Als mir meine Mutter erzählte, dass es auch heute noch Schlösser gab und eines sogar mit der Straßenbahn zu erreichen war, quengelte ich so lange herum, bis wir statt in den Frankfurter Zoo nach Bad Homburg fuhren. Dort stand ein Schloss, das ein großer König aus Berlin als Sommerresidenz benutzt hatte, und weil dieser König nicht nur ein König, sondern sogar ein Kaiser war, was viel mehr bedeutete, als nur König zu sein, stellte ich mir das Schloss besonders groß und prachtvoll vor. Natürlich war es groß, alles wäre in meinen Augen groß gewesen – denn ich war ja noch sehr klein. Erst später wurde mir klar, dass es noch viel größere Schlösser gab, sehr viel größere.

Mit freudiger Erwartung stieg ich die weiße Marmortreppe hinauf. Oben angekommen hielt ich den Atem an: Ich staunte über die hohen Decken und Marmorsäulen, die Möbel, Teppiche, Tapeten und Stoffe, die vielen Türen und Stühle. Überall war Gold und Silber zu sehen – ich wusste, dass das alles sehr kostbar war, schon deswegen, weil ich nichts anfassen durfte. Stattdessen schlitterte ich mit meinen Filzpantoffeln durch die Flure und versteckte mich hinter einer bunten Stellwand. Es war ein großes Vergnügen. Nur eine Sache machte mir zu schaffen: Die Porträts der Prinzessinnen, die wir auf den Ölgemälden sahen. Sie waren hässlich und hatten alle Glupschaugen! Das Einzige, was mir an den Ölgemälden gefiel, waren die Kleider – auch ich wollte so ein prächtiges Stück tragen. Deshalb tauschte ich beim nächsten Karneval mein Rotkäppchenkostüm gegen ein Prinzessinnengewand aus, wobei das Wort »Gewand« etwas übertrieben erscheint. Denn statt eines hermelinverbrämten Purpurumhanges trug ich nur eine Kinderversion aus bügelfreiem Polyacryl, statt Geschmeide aus Gold eine Krone aus Blech. Alle freuten sich über meine niedliche Verkleidung und machten Fotos. Aber für mich war es der Ausdruck meiner wahren Bestimmung. Deshalb reagierte auch ich mit einem Tobsuchtsanfall, als ich die Sachen wieder ausziehen musste. Ich wollte sie jeden Tag tragen. Wir einigten uns schließlich darauf, dass ich sie vor dem Einschlafen anziehen darf. Oma und Mama wollten schließlich, dass ich gut schlief. Und das tat ich dann auch.

Dieses lieb gewonnene Ritual fand jedoch ein Ende, als ich in die Schule und anschließend auf ein Internat mit reformpädagogischem Ansatz kam. Auch wenn man dort auf unsere kindlichen Bedürfnisse große Rücksicht nahm, gab es inmitten von Holzspielzeug aus Ingelheimer Ökobetrieben keinen Platz für meine royalen Bedürfnisse. Statt Krone trug ich nun einen schweinsledernen Schulranzen, und meine persönliche Selbstverwirklichung als Prinzessin musste zurückstehen. Nur manches Mal, wenn ich exotische Jugendromane von indischen oder persischen Königstöchtern las, flackerte wieder ein Gefühl für mein altes Selbst auf: Da wandelte ich im Geiste mit meinen Prinzessinnenschwestern in prunkvollen Kleidern durch ebenso prunkvolle Paläste und lauschte dem Plätschern des Springbrunnens …

Auch Jahre später, als es nicht mehr nur ums Lesen und Schreiben ging, sondern ums Diskutieren, konnte ich meine königlichen Bedürfnisse nur heimlich entfalten: Tagsüber tranken wir im Jugendzentrum Schwarztee mit Mangogeschmack und malten Plakate gegen die Startbahn West. Während die anderen Hermann Hesse lasen, griff ich zur Frau im Spiegel. Ich verfolgte das tragische Leben von Gracia Patricia, die schillernde Ehe von Gloria von Thurn und Taxis und natürlich das erste Kennenlernen von Prinz Charles und Lady Diana.

Überhaupt, Prinz Charles und Lady Diana: Die Hochzeit am 29. Juli 1981 war das Highlight meiner frühen Adelsfaszination. Ich sah sie allein. Mit Tee und Taschentüchern saß ich vor unserem Schwarz-Weiß-Fernseher und weinte Rotz und Wasser, als Diana sich vor lauter Aufregung bei den Namen ihres Bräutigams verhaspelte: »Philip – Charles – Arthur – George …« Ich hielt den Atem an. So eine Blamage, und das vor einem Millionenpublikum! Es war ein schlechtes Omen. Aber ich hielt zu Diana! Diese tapfere junge Frau würde es schaffen – so, wie die Prinzessinnen in den Märchen es immer geschafft hatten. Zum Schluss würde sie über alle triumphieren. Tatsächlich machte ihr Augenaufschlag alles wett. Die Presse jubelte am nächsten Tag über diesen entzückenden Fehler. Alles war verziehen. Eine Prinzessin darf das eben.

Als das frisch vermählte Paar in einer Kutsche durch die jubelnde Menge vor der St.-Pauls-Kathedrale fuhr, war ich schon nicht mehr ansprechbar. Die Tränen liefen mir in Strömen herunter. Ich weiß gar nicht genau, was mich daran so zum Heulen gebracht hatte. Das Märchen vom armen Mädchen, das plötzlich zur Prinzessin wird? Es war doch ein Happy End, genau so, wie ich es mir für ein Prinzessinnenleben vorstellte! Warum nur musste ich so weinen? Freudentränen, sagen Psychologen, fließen, wenn man sich der Entbehrung und Anstrengung bewusst wird, die hinter einem liegen. Das ist bei Klausuren so oder Bundesjugendspielen oder auch Prüfungen. Aber bei Adelshochzeiten? Bei einer fremden Frau? Auch wenn es jetzt nicht irgendeine fremde Frau war – sondern Diana, die ich aus den Klatschheften kannte, als wäre sie meine Schwester. Aber vielleicht war es auch Erleichterung darüber, dass Prinz Charles, über dessen ewigen Junggesellenstatus überall heftig spekuliert worden war, sich endlich für die Ehe entschieden hatte – und dann noch für so ein wunderbares Wesen wie sie.

Ich hätte so gern mit jemandem über dieses Erlebnis gesprochen, aber mit wem? Meine Anti-Atomkraft-Freunde schieden aus. Ich kam erst spät drauf, dass die Lösung so nah und in meiner Familie lag. Es war meine Oma Helene (die Oma väterlicherseits; Oma Olga ist die Mutter meiner Mama), die sich genauso sehr für Prinzessinnen erwärmen konnte wie ich, und wenn ich es mir recht überlege, hat sie mir diese Obsession vielleicht sogar vererbt – denn sie kannte sich verdammt gut aus, wie ich schon bald feststellen sollte.

Kurz nach der Diana-Hochzeit saßen Oma Helene und ich gemeinsam also auf dem Sofa. Gleich nach dem ersten Stichwort steuerte sie unmittelbar auf dieses Thema zu. Sie war noch in der Kaiserzeit geboren worden, und in unserer Familie hielt sich die Legende, dass sie als Mädchen einmal Kaiserin Auguste Viktoria bei einer Parade einen Blumenstrauß überreicht hatte. Die Geschichte variierte, mal war der Schauplatz Berlin, mal Hamburg, und das machte die Erzählung angreifbar. Bei Familienfesten wurde durchaus darüber spekuliert, ob die Geschichte erfunden und meine Oma vielleicht schon gaga war. Aber ich glaubte sie sofort. Es war zu schön, es musste einfach wahr sein.

»Wie gefiel dir Dianas Kleid?«, fragte Oma Helene.

»Es sah aus wie ein Sahnetörtchen«, sagte ich, und dann abmildernd: »Aber ein sehr leckeres Sahnetörtchen.«

Meine Oma überhörte meinen Unterton.

»Ach, aber es war doch soooo schön«, sagte sie und trank einen Schluck Tee, ihre Lippen glänzten feucht. Dann holte sie Luft und redete und redete und redete. Mit ihr durchlebte ich die ganze Hochzeit noch einmal. Sie sprach fast wie eine Livekommentatorin – und bei Prinzessin Dianas Versprecher stockte uns auch in dieser sehr speziellen, nämlich von Omas Eindrücken und Gefühlen gefärbten Rückschau noch einmal der Atem.

»Ob das gut geht mit den beiden?«, fragte ich.

»Ach! Sie ist doch so ein entzückendes Ding. Was soll denn da schiefgehen? Charles kann so froh sein, so ein hübsches Mädchen gefunden zu haben«, sagte meine Oma.

Ich weiß nicht, warum und wie ich darauf kam, jedenfalls fühlte ich mich durch ihre Hinwendung zu allem Royalen so sicher, dass ich ihr erzählte, dass ich früher immer davon ausgegangen war, ich wäre auch eine Prinzessin. Als Beweis zeigte ich ihr die Fotos von mir, auf denen ich eine Krone trug.

Oma Helene lachte, als ich mein Prinzessinnen-Ich offenbarte, und sagte: »Aber du bist doch auch eine Prinzessin!«

»Das sagt Oma Olga auch immer«, sagte ich. »Aber das stimmt doch gar nicht! Also keine echte.«

»Doch! Das stimmt«, sagte Oma Helene. Ihr Ton wurde ernster. »Wir stammen von einem polnischen Magnatengeschlecht ab.«

»Bitte?«

Plötzlich saß ich so gerade da wie auf einem Thron und lauschte ihr, wie ich als kleines Mädchen den Märchen meiner anderen Oma gelauscht hatte: Sie erzählte mir, dass mein Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-urgroßvater väterlicherseits adlig gewesen war und sich am Kościuszko-Aufstand gegen Katharina die Große beteiligt hatte und fliehen musste, nachdem dieser niedergeschlagen worden war. Im ostpreußischen Memel hatte er dann Asyl gefunden und war nie wieder auf sein Gut in Posen zurückgekehrt.

»Und hat er in Memel eine Prinzessin geheiratet?«, fragte ich. Mir schwebte schon meine kilometerlange Ahnenreihe vor Augen.

»Nein.«

Enttäuscht blies ich meinen Pony hoch.

Es stellte sich heraus, dass mein siebenfacher Magnatenurgroßvater eher niedriger, wenn nicht sogar Bauernadel war und sich überhaupt nur als Edelmann bezeichnen durfte, weil er Verwaltungsdienste für eine wirklich große Fürstenfamilie übernommen hatte. Diese hatte ihn, selbst durch Glücksspiel und Mätressenwirtschaft ruiniert, statt mit Geld mit einem Titel entlohnt. Kurz: Ludwig von Sadowski, so hieß mein Vorfahr, war arm und unbedeutend. Seine Existenz ist nicht im Gotha – dem Handbuch, in dem alle Stammbäume des Adels aufgeführt sind (dazu später viel mehr) – verzeichnet, und ich habe Zweifel, dass Posener Kirchenarchive seinen Namen führen. Das blaue Blut unserer Familie floss also schon in den 1790er-Jahren sehr, sehr dünn und war über Generationen hinweg im Grunde genommen komplett verwässert worden.

Doch was von Oma Helenes Erzählung blieb, war die Vorstellung, dass ich in Wahrheit dazugehörte – wenn auch nur ein klitzekleines bisschen. Ich äußerte meine Bedenken, aber Oma Helene beruhigte mich: »Eine Prinzessin ist eine Prinzessin. Da kann sie gar nichts gegen tun. Und, dass du eine bist, sieht man doch sofort.«

Als Anhängerin der Homöopathie merkte ich schon bald, welche Wirkung diese hoch potenzierte Dosis Prinzessinnen-Erbe entfalten kann – es steigerte sich zu einer substanziellen Gewissheit. Ich nahm die Prinzessinnen-Studien meiner Kindheit wieder auf und las alles, was ich über Adel finden konnte. Ich besuchte Bibliotheken und lieh mir Biografien über gekrönte Häupter aus, und wenn meine Schulkameraden sich im Jugendzentrum oder zu Demos trafen, floh ich in die Welt der Aristokratie. Ich fieberte mit Johanna von Spanien, die von ihrem Sohn für verrückt erklärt und über fünfzig Jahre lang eingekerkert worden war. Ich verschlang Stefan Zweigs Romanbiografien Maria Stuart und Marie Antoinette. Ich litt mit Katharina, als sie noch nicht »die Große« war. Ich weinte beim Schicksal der schönen Wilhelmine Encke, die aufgrund ihrer bürgerlichen Herkunft ihre Lebensliebe Friedrich Wilhelm von Preußen, den späteren FW II., nicht heiraten durfte – obwohl doch auch sie im Herzen edelmütig und schön war wie alle anderen Prinzessinnen auch. (Schnief.) Ich fieberte mit Wilhelmine von Preußen, später Markgräfin von Bayreuth, heulte mit Katharina von Aragon, Anne Boleyn, Jane Seymour und allen anderen Frauen Heinrichs VIII. von England, staunte über Eleonore von Aquitanien und bewunderte das politische Geschick von Elisabeth I. von England – sie ist bis heute mein Liebling. Spätestens seit ich weiß, dass Bettina eine Kurzform von Elisabeth ist, fühle ich mich mit ihr seelenverwandt. Ist mir egal, ob das berechtigt ist. So wie Kanzlerin Merkel ein Porträt von Katharina der Großen auf ihrem Schreibtisch stehen hat, steht dort bei mir eins von Elisabeth I., und natürlich sah ich mir die zahlreichen Verfilmungen ihres Lebens an. Die mit Cate Blanchett in der Hauptrolle mag ich übrigens am liebsten. Kurz: Ich saugte alles, was ich über Prinzessinnen erfahren konnte, auf – ich wollte meinen Schwestern einfach nah sein.

Aber ich beschränkte mich nicht nur auf Lektüre und das Ansehen von Filmen. Ich besuchte Schlösser, viele Schlösser, alle Schlösser, in deren Nähe ich jemals war. Genau genommen hat ein Ort für mich keinerlei Reiz, wenn es dort kein Schloss zu besichtigen gibt. Besonders angetan haben es mir die kleinen Anlagen, die mit einer großen, gar tragischen Geschichte aufwarten können. Wie das Schloss zu Ahlden etwa, in dem die Prinzessin Sophie Dorothee, de jure Königin von England, dreißig Jahre lang eingesperrt worden war, weil sie angeblich den König betrogen hatte und deshalb wegen Landesverrat verurteilt worden war. Intrigen, Lügen, Betrug, Machtspiele und Leidenschaft. Ach, was für eine Geschichte! Und das Schönste an ihr: Sie ist wahr! Durchlebt und durchlitten von einer echten Prinzessin.

Je mehr ich las, je mehr Schlösser ich besuchte, desto mehr war ich fasziniert. Ich glaube, es war folgerichtig, dass ich meine beiden Romane – Luise. Königin aus Liebeund Friederike. Prinzessin der Herzen – zwei Prinzessinnen und den Machtkämpfen widmete, denen sie als Neuankömmlinge am strengen preußischen Hofe ausgesetzt waren. Und natürlich habe ich ihnen ein Happy End geschrieben. So viel Prinzessinnen-Solidarität muss sein. Auch meinen Beruf als Klatschjournalistin sehe ich jetzt in einem völlig anderen Licht. Denn Überstunden à la royal wurden für mich völlig normal.

Was mir dabei auffiel? Ich war längst nicht mehr allein. Ich hätte es eigentlich schon nach der Diana-Hochzeit wissen können, die mit 750 Millionen Zuschauern einer globalen Kollektivhysterie glich, aber in meiner Schulzeit mit meinen Latzhosen-Freundinnen war die Zeit für royale Offenbarungen noch nicht reif gewesen. Nun aber zeigte sich, dass fast alle Freundinnen für Prinzessinnen schwärmten, Klatschmagazine lasen und Adelshochzeiten anschauten. Es gab niemanden, der nicht das Sternzeichen von Diana (Krebs) und Camilla (auch Krebs) kannte und darüber zu philosophieren wusste, warum es bei der einen mit Prinz Charles (Skorpion) geklappt hatte und bei der anderen nicht, obwohl ja Krebse und Skorpione ideal zusammenpassen. Allgemeiner Tenor: Es liegt am Aszendenten. Wir führten kenntnisreiche Gespräche über die Hochzeitskleider der hochadeligen Damen (mein Favorit: das Wolfgang-Joop-Kleid von Sophie von Isenburg, nun Prinzessin von Preußen) und darüber, welche Prinzessin wir am liebsten mochten (ich: Stéphanie von Monaco, am liebsten vorm eigenen Wohnwagen, bügelnd). Wir wussten, wer mit wem verwandt war, mit wem befreundet, wer wie viele Kinder hatte und wie sie sich entwickelten, und spannender, wer mit welchen Obsessionen oder Krankheiten kämpfte – Victoria leidet unter Legasthenie, Mary shoppt zu viel – und wer untreu war. Nie wieder musste ich eine Adelshochzeit allein ansehen.

Mir wurde klar, dass ich nicht die Einzige mit einer Prinzessinnengeschichte war. Es gab viele Geschichten. Geschichten von Identifikation, Schwärmereien, überschwänglicher Faszination, ähm, tja, Reliquienverehrung und sogar – ja, ja! – Reinkarnation. Denn die Prinzessinnen-Faszination meiner Freundinnen erstreckte sich nicht nur auf real existierende Personen, sondern auch auf längst verstorbene Persönlichkeiten. Sie richtete sich auf Märchenprinzessinnen, den Merchandisingkosmos des Disneykonzerns oder irgendwelche TV-Serien. Hauptsache Prinzessin. Nach und nach vertrauten sich mir meine Freundinnen an und glücklicherweise haben sie mir erlaubt, ihre Geschichten aufzuschreiben, nachdem ich versprochen hatte, ihre Namen zu ändern.

Meine Freundin Anne-Kathrin etwa rühmt sich, im Besitz einer ledernen Reiseliege zu sein, die einst Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, später Königin von Hannover, gehörte – ihr Ururgroßonkel, sagt sie, habe sie einst geschenkt bekommen, er war einer ihrer Kammerherren gewesen.

Meine Freundin Uschka sammelt Gedenktassen von Jubiläen und Hochzeiten gekrönter Häupter. Ihr Prunkstück ist die Hochzeitstasse von Charles und Camilla mit dem falschen Datum, nämlich der 8. April 2005. Prinzessinnen im Herzen erinnern sich: Die Hochzeit wurde um einen Tag verschoben, weil Prinz Charles stattdessen dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. die letzte Ehre erweisen musste.

Meine Freundin Luna ist rothaarig und sie lässt nichts auf Arielle, die Meerjungfrau, kommen. »Sie wollte raus aus dem Meer, ich wollte auch raus aus meinem piefigen Vorort. Sie hat mir gezeigt, dass es geht.«

Und wenn wir schon bei Disney sind: Bettina I. – so nenne ich sie, weil es in meinem Umfeld viele Bettinas gibt – ließ ihre Tochter nach der Disneyprinzessin Belle taufen, kauft ihr nun aber alles von Prinzessin Lillifee. Eine andere Freundin, keine Bettina, sondern eine Katja, nennt ihre jüngst geborene Tochter Khaleesi – nach Game of Thrones.

Bettina II. hält es auch mit adligen TV-Ikonen: Wenn sie zu Weihnachten ihr versilbertes Besteck putzt, fühlt sie sich so ganz Downton Abbey – womit sie nur sagen will: Ich bin halt so wahnsinnig Prinzessin!

Meine Sannyasin-Freundin Ma Swamini, bürgerlich Petra, gestand mir mal zu meiner Überraschung – denn sie ist schon sehr Hippie –, dass sie auf einem Trip zum Osho-Ashram in Poona extra einen mehrtägigen Umweg in den Bundesstaat Utta Pradesh in Kauf genommen habe, nur um das berühmte Foto von Prinzessin Diana vor dem Taj Mahal nachzustellen. Und Evelyn, die Mutter einer geschätzten Kollegin, erzählte einmal, dass sie den berühmten roten Schäfchen-Pullover von Diana gleich mehrfach nachgestrickt habe. Die Anleitung dazu kursiert immer noch im Netz. Sie wurde über 100.000-mal abgerufen.

Aber es geht auch ohne Diana: Charlotte, die fließend Russisch spricht, hat mich einmal darauf aufmerksam gemacht, dass es im Netz nur so wimmelt von russischen Damen, die fest davon überzeugt sind, keine Geringere als Großfürstin Anastasia, die jüngste Tochter des letzten Zaren, zu sein.

Überhaupt führen Prinzessinnen-Inkarnationen die Liste der Rückführungserlebnisse unangefochten an. Oder haben Sie schon einmal von jemandem gehört, der in einem Vorleben einmal Magd, Hure oder Bettlerin war? Prinzessin sein ist das Minimum.

Doch was sagen uns solche übersinnlichen Anwandlungen? Was sagen uns die ganzen Geschichten überhaupt? Dass wir alle ein bisschen einen in der Krone haben? Oh, nein. Es zeigt, dass wir dazugehören. Denn: Sind wir nicht alle ein bisschen Prinzessin? Die Antwort liegt nahe: Wenn wir alles über Prinzessinnen lesen, ihr Leben verfolgen, ihre Fotografien rahmen, ihren Stil nacheifern und sogar via Rückführung in ihre Seele wandern, dann vergewissern wir uns nur selbst, wer wir in Wahrheit sind – Prinzessinnen. Wir suchen Bestätigung für ein Leben, das wir bislang nur inkognito führen. Wir wollen Gleichgesinnte treffen, in deren illustrer Gesellschaft wir endlich die sein können, die wir immer waren – eine Prinzessin. Es ist nichts weiter als die Vorbereitung auf das große Outing. Ja, wir sind alle Prinzessinnen! Prinzessinnen im Herzen! Sie, ich, wir – allesamt.

Doch warum zögern wir, den Weg einzuschlagen, den uns unsere wahre Bestimmung vorgibt? Vielleicht, weil wir unsicher sind. Konnten unsere historischen Prinzessinnenschwestern durch Erziehung in ihr Ich hineinwachsen, müssen wir die Regeln einer royalen Lebensführung erst lernen. Ohne Kenntnis der Etikette aber sind wir in Fragen der aristokratischen l’art de vivre ziemlich aufgeschmissen.

Dieses Buch zeigt nun, wie es geht. Es ersetzt jede Oberhofmeisterin und jede ihrer Damen. Es ist das erste Buch für alle Prinzessinnen im Herzen, wie ich uns fortan nennen werde, für Prinzessinnen aus eigener Hand und von eigenen Gnaden. Es offenbart das Geheimnis, in jeder Situation ein königliches Leben zu führen, ganz gleich, in welchen Verhältnissen man wirklich lebt. Es zeigt Haltung und Stil und auch, wie eine Selfmade-Prinzessin in ihrer Etagenwohnung mit zarter Hand Hof hält. Es gibt preis, welche physiotherapeutischen Übungen helfen, wenn wieder einmal die Krone drückt, wie eine Prinzessin im Herzen den perfekten Hofknicks absolviert und wo sie ohne Mühe einen Zeremonienmeister, eine Vorleserin und den Rest ihres Hofstaates findet. Es verrät, wie wir Hofhund und Titel führen, wie wir Visitenkarten und Balkonkästen gestalten (frei nach dem Motto: Jedem sein eigenes Versailles!), wie wir Freundschaften und Figur pflegen, und es lässt uns auch dann nicht im Stich, wenn wir Prinzessinnen im Herzen nur angeschlagenes Ikea-Geschirr besitzen, um unsere Gäste zu bewirten. Es enthüllt die ganze Kunst, eine Prinzessin zu sein, und das, wann immer wir wollen. Und es ist geschrieben von einer Prinzessin, die keine Lust mehr hatte auf eine Undercover-Identität und nun allen ihren Prinzessinnenschwestern zuruft:

Krönen wir uns selbst, sonst krönt uns keiner!

Warum wollen wir Prinzessinnen sein?

Bevor wir Prinzessinnen im Herzen uns der Vervollkommnung unseres Prinzessinnenwesens widmen können, sollten wir uns erst einmal bewusst machen, warum wir so lange ein Inkognito wählen mussten. Es gibt tatsächlich zwei Daten der jüngeren Zeitgeschichte, die großen Einfluss auf unsere Prinzessinnen-Ambitionen genommen haben und uns letztlich dazu verdammt haben, ein Leben im Untergrund zu leben:

1.) Der 14. August 1919, ein sonniger Tag

2.) Irgendein Tag im Jahr 1981

Nennen wir diese Tage »Wendepunkte eines Prinzessinnenlebens« oder »Tage, an denen wir aufhörten zu träumen«. Ich möchte vorwegschicken, dass diese Daten nicht grundsätzlich schlecht zu bewerten sind. Im Gegenteil: Gerade der erste Tag ist ein großer Tag im Hinblick auf Menschenrechte, Demokratie und Gleichberechtigung. Nur eben, was den – vor der Kulisse dieses bedeutenden Ereignisses als klein zu bewertenden – Wunsch betrifft, eine Prinzessin zu sein, ist es ein düsterer Tag.

Doch was geschah am 14. August 1919?

An diesem Tag trat die Weimarer Reichsverfassung in Kraft. Laut Artikel 109 Abs. 3 waren nun alle Menschen vor dem Gesetz gleich, alle Privilegien oder Nachteile der Geburt und des Standes wurden aufgehoben. Das heißt, der Adel wurde abgeschafft. Die Krone bleibt seitdem im Tresor. Titel waren nun lediglich Teil des Namens und ein Königskind nicht mehr wert als das Kind einer Arbeiterin – in der Theorie.

Eine gute Nachricht für die Demokratie, aber eine schlechte Nachricht für unseren – den Majestätsplural weite ich großzügig auf die Generationen unserer Groß-, Urgroß- und Ururgroßmütter aus – beherzten Griff nach einer (imaginären) Krone. Denn wo es keinen Adel gibt, da gibt es auch keine Prinzessinnen, und wo es keine Prinzessinnen gibt, können wir uns nicht oder nur heimlich unseren Wünschen nach einem Prinzessinnen-Dasein hingeben. Wir gelten als rückwärtsgewandt und revisionistisch, als undankbar im Glanze parlamentarischer Errungenschaften und grundsätzlich als verdächtig. Ein neuer Zeitgeist erfordert eben andere Ideale.

Aber was bedeutet schon Realpolitik gegen jahrhundertealte Sehnsüchte? Durch sämtliche Epochen der Geschichte hindurch galt es als total normal, sich einen gesellschaftlichen Aufstieg in den Adel zu wünschen. Männer nahmen so einiges auf sich, um zum Ritter geschlagen oder als Prinz anerkannt zu werden – und was Männer für diese Ehre zu tun bereit sind, kann man heute noch immer ziemlich gut im Kölner Karneval beobachten, wo sich gestandene Mittelständler in hautengen Strumpfhosen lächerlich machen. Männer in Spandex – das lief schon bei den Glamrock-Stars der Siebziger schief. Und Frauen wollten eben Prinzessin sein. Prinzessin zu sein, bedeutete Reichtum, eine warme Unterkunft, schöne Kleidung, gutes Essen. Rauschende Feste, soziales und politisches Gewicht, eine schlanke Taille. Kein Gesetz kann uns diese Träume nehmen. Denn unsere Träume sind glanzvoller als die schönste bürgerliche Moral. Und in ihnen fließt deutlich mehr Champagner!

Doch das Schicksal hat unserem Prinzessinnen-Ehrgeiz einen zweiten Dämpfer verpasst. Es ist der zweite »Wendepunkt eines Prinzessinnenlebens« oder zweite »Tag, an dem wir aufhörten zu träumen«, wobei der Tag gar nicht mehr genau zu bestimmen ist. Wir wissen nur: Es ist ein Tag im Jahr 1981. An diesem wurde die Streitschrift Der Cinderella-Komplex von Colette Dowling erstmals veröffentlicht. In dem internationalen Bestseller schreibt die Psychologin über die heimliche »Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit« (so der Untertitel des Buches), sie stützt ihre These durch Fallbeispiele aus ihrer New Yorker Praxis: Immer wieder hat Dowling beobachtet, dass selbst ihre emanzipierte, gut ausgebildete, im Job erfolgreiche Klientel (New Yorker H(arvard)-Bomben, die in Pionierarbeit die gläsernen Decken zu den Vorstandsetagen gesprengt haben) an ihren eigenen (beruflichen) Fähigkeiten zweifeln und unbewusst den Wunsch hegen, versorgt und beschützt zu werden. Als Sinnbild für die weibliche Angst vor dem eigenen Erfolg wählt Colette Dowling das Märchen von Cinderella – die amerikanische Variante des Grimm-Märchens vom Aschenputtel, bekannt geworden durch die Walt-Disney-Adaption von 1950. So, wie Aschenputtel durch einen Prinzen aus ihrem traurigen Dasein gerettet werden will, wollten es auch die Frauen, sagt Colette Dowling. Sie forderte Frauen weltweit auf, sich ihrem Unbewussten zu stellen, was nicht immer so einfach ist – denn seit Sigmund Freud wissen wir ja, was so ein Unbewusstes alles anstellen kann.

Zugegeben: Dowlings Buch war ein großer Schritt in Richtung Emanzipation, aber es verdammte uns Prinzessinnen im Herzen auch weiterhin zu einem Leben inkognito. Denn dank Dowling wurde Cinderella zum Prototyp einer Prinzessin und eine Prinzessin zum Prototyp einer unfeministischen Haltung, ein Prototyp, der weibliche Stereotype förderte und Wünsche nach Eigenständigkeit behinderte: Die Prinzessin als Anti-Feministin, Anti-Schwarzer, Anti-Aufschrei. Das Sinnbild für Ergebenheit in feminine Klischees von Abhängigkeit, Passivität und den Wunsch, lieber schön als schlau zu sein – auf dass der Prinz auf dem Schimmel angeritten komme! Prinzessinnen gelten als die Deserteurinnen im Kampf um die hoch dotierten Posten. Als Verräterinnen und Verbündete des Patriarchats. Und natürlich tragen alle Pink, und Pink stinkt nun mal.

Das Ungerechte an Dowlings Ausführungen ist: Dowling hat Aschenputtel völlig verkannt. Ausgerechnet Aschenputtel! Denn es gibt sich keineswegs mit dem Schicksal zufrieden, das ihre Stiefmutter und beiden Stiefschwestern ihr zugedacht haben. Es lehnt sich auf, sucht sich Helfer (ich verweise hier unbedingt auf das Kapitel: »Der Wau-Effekt«), trickst ihre Stiefmutter aus und angelt sich den Prinzen – weil sie es kann. Von wegen Heimchen am Herd! Aschenputtel weiß genau, was sie will, und sie weiß auch, wie sie es sich holt. Ihre Stiefschwestern hingegen verstümmeln sich, hacken sich für den Prinzen sogar die Zehe und die Ferse ab. Eigentlich müsste Dowlings Buch Der Stiefschwestern-von-Cinderella-Komplex heißen. Aber ich sehe ein, das ist ein wenig sperrig.

Dennoch: Die Lust, Prinzessin zu sein, können uns Prinzessinnen im Herzen weder Dowling noch ein Gesetz nehmen. Eben, weil etwas ganz anderes dahintersteckt als Regression, Revisionismus und berittene Retterprinzen! Lassen wir doch einfach mal unsere Prinzessinnenschwestern selbst zu Wort kommen und hören uns an, was genau sie sich unter einer Prinzessinnen-Existenz vorstellen. Vielleicht kommen wir der Sache näher.

1.)Anne, eine hochgewachsene, hanseatische Blondine, PR-Referentin, verheiratet, zweifache Mutter, sagt: »Ich möchte gern diese selbstverständliche Art von Beachtung bekommen, für die man sich nicht anstrengen muss.« Jede hat diese Beachtung verdient.

2.)Jule, Lisa und Cathy, Studentinnen des Bibliothekarswesens im zweiten Semester sind sich einig: »Prinzessin sein ist toll! Wir könnten endlos feiern und hätten immer das Passende anzuziehen.« Ein verständlicher Wunsch, wenn man jung ist und die Hälfte des BAföGs für überteuerte Großstadtmieten draufgeht.

3.)Mechthild, die seit ihrem 14. Lebensjahr voll im Berufsleben steht und nun mit fast 55 Jahren an ihre körperlichen Grenzen gerät, sagt: »Ich habe fast vierzig Jahre lang jeden Tag gearbeitet. Ich hatte weder ein Sabbatical noch eine Auszeit. Ich möchte eine Prinzessin sein, weil ich mir ein sorgloses Leben wünsche. Ein Prinzessinnenleben ist das einer sorgenfreien, hübschen, beliebten, unbeschwerten Frau. Etwas, was ich in keiner Phase meines Lebens gekannt habe.« Wer kann es ihr verdenken, dass sie wenigstens in ihren Gedanken ein solches Leben führen will?

4.)Sophia, ehemalige DJane und derzeit erfolgreiche Kochbuchautorin – und, wie sie betont, Feministin – sagt: »Noch lieber wäre ich Königin, nicht, weil ich herrschsüchtig bin, sondern weil ich Lust habe, auf einem Thron zu sitzen und Dinge zu verändern.« Prinzessin sein als Karriere-Vorstufe – sehr guter Punkt!

5.)Rike, alleinerziehende Mutter, Halbtagsjob als Sekretärin, in dem sie aufgrund der Unfähigkeit ihres Chefs oft Überstunden schrubben muss, kommt zwischen Telefonaten und Geschäftsbriefen schnell zur Sache: »Ich will Personal.« Männer in ihrer Situation hätten längst Verstärkung eingestellt, warum ist dieser Gedanke bei einer Frau nicht genauso berechtigt?

6.)Charlotte, Kaufhaus-Substitutin, die viel reist und sich in der verbleibenden Zeit als engagierte Betriebsrätin für die Belegschaft aufreibt, wenn wieder einmal eine Kündigungswelle droht, sagt: »Ich will Prinzessin sein, denn ich will endlich auch einmal verwöhnt werden. Ich wünsche mir, dass sich auch mal die Welt um mich dreht. Und ich möchte schöne Sachen haben.« Charlotte, unbedingt. Du hast es dir verdient.

7.)Renate, Grundschullehrerin, Mutter, engagiert im Chor der örtlichen Kirchengemeinde, sagt: »Prinzessinnen sind schön. Und jede Frau möchte sich doch schön fühlen. So, wie sie ist. Ich sehe, dass selbst meine Schülerinnen große Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl haben und dass einige schon die ersten Diäten ausprobieren. Prinzessin sein aber heißt: Genau so richtig zu sein, wie man ist.« Und so sollte sich jede Frau fühlen.

8.)Anette, Hausfrau, Mutter, wohnhaft in einer Kleinstadt im Speckgürtel von Frankfurt, die Kinder sind aus dem Haus, sagt: »Ich tanze gern. Und als Prinzessin könnte ich mich wieder jung fühlen und die ganze Nacht durchtanzen. Mein Mann ist ein Tanzmuffel. Wäre er ein Prinz, dann müsste er.« Anette, dürfen wir bitten?

Wir sehen: Das Cinderella-Klischee hat ausgedient, es lebe die neue Prinzessin. Der Wunsch, eine Prinzessin sein zu wollen, ist kein Verrat an Gleichberechtigung und Frauenbewegung, es ist das neue Rollenmodell, das alle schillernden Facetten eines gelungenen Lebensentwurfs in sich vereint: Er steht für Selbstsicherheit und Stolz, Machtansprüche und Karrierewünsche, Würde, Präsenz und Zuspruch, inneren und äußeren Reichtum – denn was ist falsch dran, über eigenes Geld zu verfügen, über viel Geld? –, für Lust auf Freiheit, Selbstbestimmung, Unterhaltung, Partnerschaft und Sex, durchtanzte Nächte und Lebenslust, und für den Wunsch, genau so akzeptiert, respektiert und geliebt zu werden, wie man ist – einfach rundherum königlich!

Und wer könnte uns besser verdeutlichen, was es mit dem neuen Prinzessinnen-Rollenmodell auf sich hat, als die unvergleichliche, anbetungswürdige, über jeglichen antifeministischen Verdacht erhabene Harvard-Absolventin und promovierte Neurobiologin Dr. Amy Farrah Fowler aus der Sitcom Big Bang Theory? Sie wird übrigens von der ebenfalls in Neurobiologie promovierten, unvergleichlichen, anbetungswürdigen, über jeden antifeministischen Verdacht erhabenen Mayim Bialik gespielt.

In der zwölften Folge der fünften Staffel kommt es zu folgendem Szenario: Dr. Dr. Sheldon Lee Cooper hat Nachbarin Penny Hofstadter gebeten, seine Kollegin Amy in Pennys Wohnung zu locken, wo er auf sie wartet. Denn Amy würde niemals in seine Wohnung kommen, sie ist stinksauer auf ihn: Sheldon hat eine patzige Bemerkung über ihr neues Forschungsprojekt gemacht. Inzwischen ist er in sich gegangen und will sich bei Amy entschuldigen. Als Penny ihr die Tür öffnet, und Amy Sheldon wider Erwarten dort sieht, macht sie sofort klar:

»Ich will nicht mit ihm reden.«

Aber Sheldon gibt nicht auf. Er geht auf sie zu und sagt: »Ich möchte mich entschuldigen. Deine Leistung war beeindruckend, und ich bin stolz auf dich.«

Beide schweigen sich an. Dann reißt Penny Sheldon eine Tüte aus der Hand und reicht sie Amy.

»Schau, das hat er dir gekauft.«

Amy kräuselt die Stirn, als sie in die Tüte sieht. »Schmuck? Du hast mir Schmuck gekauft. Sheldon, du bist wirklich der …« Doch noch bevor sie Sheldon beschimpft, erkennt sie, was er ihr geschenkt hat. »Eine Tiara!«, ruft sie. »Es ist eine Tiara. Eine Tiara!« Sie rennt auf Penny zu, reicht ihr die Tiara und schreit: »Krön mich, krön mich, krön mich!«

Penny macht es und sagt: »Du siehst schön aus.«

Und was antwortet Amy (Scheißcordrock, Scheißfrisur, Scheißpullover in, ähm, ich darf es nicht unerwähnt lassen, Scheißbraun)?

»Natürlich tue ich das! Ich bin eine Prinzessin, und ich trage eine Tiara.«

Das lassen wir Prinzessinnen im Herzen jetzt einfach mal so auf uns wirken.

Testen Sie Ihr wahres Prinzessinnen-Ich!

Welche Prinzessin steckt in Ihnen? Was für eine Frage, mögen Sie denken. Ich bin ja noch keine Prinzessin und führe ein ganz normales Leben, und zwischen Überstunden und Müll runterbringen ist mein Leben so weit von dem einer Prinzessin entfernt wie die Venus vom Mars. Aber da muss ich Ihnen widersprechen! In jeder Frau steckt eine Prinzessin – eine Prinzessin im Herzen. Ich räume ein: Vielleicht mag Ihr persönliches Prinzessinnen-Ich durch einen aufreibenden Alltag verschüttet sein, aber ich wette, dass Sie viele Charakterzüge und Interessen aufweisen, die absolut königlich sind. Und meist finden sich genau diese Eigenschaften in einer Prinzessin wieder, die man besonders gern mag. Ich glaube nämlich, dass, wer eine Lieblingsprinzessin hat, diese nur hat, weil sie ein persönliches Ideal verkörpert, und weil diese Lieblingsprinzessin Dinge macht, die man selbst gern machen möchte, oder für Dinge steht, für die man selbst gern stehen möchte. Sie ist sozusagen das eigene Ich in Vollkommenheit.

Ich habe mal testweise bei meinen Freundinnen herumgefragt, und das Ergebnis war wirklich erstaunlich.

Meine Kollegin Sandra zum Beispiel liebt Máxima. Ich finde das nicht besonders überraschend, denn wo immer Sandra sich aufhält, verbreitet sie – so wie ihr Vorbild – gute Laune. Man sieht sie nur lachend.