Kundenzentrierte Unternehmensführung - Stefan Lubritz - E-Book

Kundenzentrierte Unternehmensführung E-Book

Stefan Lubritz

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Beschreibung

Kundenzentrierte Unternehmensführung greift eine erst vor wenigen Jahren entstandene Konzeption auf, welche das heute nahezu allgegenwärtige Customer Relationship Management bedeutend erweitert. Nicht nur die Gestaltung der Kundenbeziehungen oder die Fokussierung auf Kundenwert, sondern vielmehr die vollständig auf den Kunden ausgerichtete strategische Unternehmensplanung und deren Umsetzung in operatives Marketing stellen die Erfolgsfaktoren dar. Bewährte Werkzeuge müssen hierzu angepasst, neue Werkzeuge müssen implementiert werden. Dazu zeigt dieses Lehr- bzw. Studienbuch die Konzepte einer kundenzentrierten Unternehmensführung auf und konkretisiert sie als Schlüsselprozesse in Marketing, Kundendienst und Vertrieb. Dabei werden die Paradigmen des CRM aufgenommen und mit Bezügen zur traditionellen Marketinglehre ausgestattet.

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Kundenzentrierte Unternehmensführungherausgegeben von Stefan Lubritz

Stefan Lubritz

Kundenzentrierte Unternehmensführung

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-025070-3

E-Book-Formate:

pdf:     ISBN 978-3-17-025071-0

epub:  ISBN 978-3-17-025072-7

mobi:  ISBN 978-3-17-025073-4

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Vorwort

 

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

schon lange wachsen die Zweifel an der universellen Gültigkeit traditioneller Marketingkonzepte. Die Summe aller Marketingerfahrungen und -kompetenzen wächst täglich – und doch scheitern regelmäßig Produkte, Kampagnen und Unternehmen als Ganzes. Besonders deutlich wird das in Märkten, in denen Sättingstendenzen und endende Technologiezyklen das Geschehen bestimmen: Nur diejenigen Anbieter, die anere erfolgreich verdrängen oder neue Anwendernutzen glaubhaft vermitteln können, setzen sich durch.

Der maßgebliche Anwendernutzen resultiert jedoch in zunehmendem Maße nicht aus den elementaren funktionalen Produkteigenschaften, sondern immer mehr aus dem Kundenerlebnis. Diese »Customer Experience« ist mehrdimensional und geht weit über das Kauf- und Konsumerlebnis hinaus und bindet die Beziehung zur Anbieterseite mit ein. Sie wird damit vielfach kaufentscheidend – und für die Anbieterseite bedeutet dies, die Kundenerlebnisse eindrücklich und nachhaltig zu gestalten.

Aus der Perspektive des Anbieters wird also im »Nutzenbündel« (in traditioneller Marketingterminologie »Angebot« genannt) die Kundenbeziehung zum zentralen und verbindenden Gestaltungselement. Der Bedeutungszuwachs des »Customer Relationship Management« zeigt auf, dass der Erfolgsbeitrag in der Wirtschaftspraxis erkannt wurde. Um diesen Beitrag dauerhaft sicherzustellen und weitere Wettbewerbsvorteile zu erzielen, gilt es nun, das Unternehmen insgesamt auf die Kundenbeziehung auszurichten. Hierin liegt die Kernaufgabe eines »kundenzentrierten Unternehmens«. Kundenzentrierung greift also die Kundenbeziehung auf, nutzt die darüber gewonnenen Daten und Zugänge und stellt sicher, dass diese unternehmensintern optimal eingesetzt werden.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die instrumentelle Ebene des Marketings obsolet wird – Preise und Konditionen, Kommunikationswege und -botschaften u. v. a. erfordert auch weiterhin konzeptionelle und umsetzungsgerichtete Stärke. Auch viele analytische und strategiebildende Instrumente sind dabei weiterhin von Bedeutung. Dieses Buch soll also die Brücke schlagen und den Weg in Richtung Kundenzentrierung aufzeigen – unter Einbezug bekannter Instrumente, aber vor allem durch neue Perspektiven.

Dass der Verlag Kohlhammer nicht nur dieses Buch veröffentlicht, sondern diesem Themengebiet eine ganze Schriftenreihe widmet, deren Herausgeberschaft ich übernehmen darf, freut mich natürlich besonders. Insofern gilt mein Dank allen Mitautoren, die sich im Rahmen dieser Schriftenreihe mit eigenen Publikationen engagieren. Für die Unterstützung bei der redaktionellen Bearbeitung danke ich Herrn Nils Frerichs, BA, und Herrn Michael Müller, M.A. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle Herrn Dr. Uwe Fliegauf, der als Verlagsleiter das Konzept von Anfang an unterstützt und zugleich als Lektor große Nachsicht mit einem säumigen Autor hatte.

Ich wünsche Ihnen, meinen sehr geehrten Leserinnen und Lesern, viele neue Anregungen und vor allem die Freude an den gewonnenen Erkenntnissen und ihren Umsetzungen. Auch freue ich mich auf Ihre Vorschläge und Rückmeldungen zu diesem Thema.

 

Worms und Heidelberg, September 2018

Stefan Lubritz

Idee und Konzept der Schriftenreihe »Kundenzentrierte Unternehmensführung«

 

 

 

Die Markt- und Kundenorientierung – eine elementare Zielgröße und zugleich das Mantra des Marketings der 1980er und 1990er Jahre – unterliegt einem schleichenden Entwertungsprozess. Dies wird bereits bei einem oberflächlichen Blick auf die Schwerpunkte der aktuellen Marketingforschung deutlich und bestätigt sich in vielen Berichten aus der Wirtschaftspraxis: Schnell wird erkennbar, dass zunächst die Implementierung neuer Technologien, die das Internet eröffnet oder fördert, wesentlich das aktuelle Geschehen bestimmt. Zum anderen steht immer mehr die Bestimmung und Erreichung einer segmentspezifischen Einzigartigkeit der Marktstellung im Mittelpunkt, über die bekanntlich die Kunden (und auch die Nicht-Kunden) entscheiden.

Neue Technologien erleichtern das Sammeln und Interpretieren von Kunden- und Interessenteninformationen sowie die Beziehungspflege und -gestaltung durch neue und meist interaktive Kanäle. Aber wie können relevante Inhalte entstehen? Eine »Unique Selling Proposition« oder wenigstens eine »Unique Marketing Proposition« in oftmals gesättigten oder gar schrumpfenden Märkten ist immer schwieriger zu erreichen.

Hier setzt das Konzept der Kundenzentrierung an, in dem sich diese beiden Herausforderungen im Marketing mit dem Ziel verbinden, die Erwartungen anspruchsvoller und zunehmend internetaffiner Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Eine bloße »Orientierung« an Kundenwünschen ist für die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolgs längst nicht mehr ausreichend.

In Anlehnung an den jüngst in den USA geprägten Begriff der »Customer Centricity« hat diese Schriftenreihe die »Kundenzentrierte Unternehmensführung« zum Gegenstand. Kundenzentrierung stellt also die Erwartungen und Prioritäten von Kunden und Interessenten in das Zentrum aller Unternehmensbereiche. Angestrebt wird dabei eine kontinuierliche, konsistente und weitgehend individualisierte Interaktion. Daraus ergibt sich, dass Unternehmen nicht mehr nur ihr Marketing, sondern sämtliche Ziele, Strategien, Prozesse, Strukturen und Verhalten vollständig auf gegenwärtige und zukünftige Kunden ausrichten müssen. Kundenzentrierte Unternehmensführung umfasst damit sowohl die strategische Ausrichtung des Unternehmens an Markt- und Kundenerwartungen als auch eine instrumentelle Perspektive.

Dabei sollen sämtliche marktgerichteten Maßnahmen als Prozesse verstanden werden, an deren End- oder Wendepunkt gegenwärtige und potentielle Kunden stehen. Wie im B2B-Marketing stehen dabei auch zunehmend im B2C-Marketing nicht große Kundensegmente im Mittelpunkt, sondern die Individualität kleiner Segmente, die mit Unterstützung innovativer IT-Lösungen auch als »Segments of One« identifiziert und gezielt angesprochen werden können.

Diese aus der Begriffswelt des »Customer Relationship Management« bereits bekannten Konzepte sind aber vielfach operativ ausgeprägt und weisen oftmals nur geringe Bezüge zur Unternehmensführung auf. Es ist das Anliegen der Schriftenreihe, diesen Bezug zu vertiefen und in einer Weise zusammenzuführen, die

•  (zukünftigen) Entscheidungsträgern die Konzepte einer kundenzentrierten Unternehmensfühung aufzeigt und mit entsprechenden Instrumenten versorgt,

•  Praktiker in Marketing, Kundendienst und Vertrieb in die prozessuale Perspektive einführt und »Best Practices« für optimierte kundengerichtete Prozesse aufzeigt,

•  Studierende in die Paradigmen des CRM einführt ohne den Bezug zur traditionellen, weithin verbreiteten Marketinglehre zu verlieren,

•  Dozenten in die Lage versetzt, die o. g. Konzepte in der Lehre zu vertreten.

Die Schriftenreihe soll einem Bezugsrahmen folgen, welches das Themengebiet in die Bausteine »Grundlagen«, »Strategie«, »Konzepte und Realisierung« sowie »Analytik« teilt. Der Schwerpunkt liegt dabei weniger in einer theoriegeleiteten Diskussion, sondern in der Darstellung neuerer, aber auch bewährter Ansätze sowie ihrer Implementierung und Anwendung.

Diese Bausteine werden zugleich als die Kernelemente eines »kundenzentrierten Unternehmens« verstanden. Die einzelnen Bände dieser Reihe betrachten nicht nur einzelne der o.g. Bausteine, sondern behandeln auch methodische oder branchenspezifische Aspekte der Kundenzentrierung. Angesichts der dynamischen Entwicklung ist noch gar nicht absehbar, welche weiteren Entwicklungsrichtungen die Unternehmensführung nimmt. Das hält die Arbeit der Autoren interessant und spannend. Nicht zuletzt hoffe ich, dass sich dies auf Sie als Leser überträgt.

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

Vorwort

Idee und Konzept der Schriftenreihe »Kundenzentrierte Unternehmensführung«

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1 Rahmenbedingungen der Kundenzentrierung

1.1 Der strategische Kontext für Kundenzentrierung

1.2 Markt und Wettbewerb

1.3 Verhalten und Erwartungen

1.4 Unternehmensinterne Triebkräfte und Gestaltungsebenen

1.5 Technologiedynamik

1.6 Rechtliche Aspekte

2 Grundlagen der Kundenzentrierung

2.1 Begriffe

2.2 Ziele

2.3 Grundkonzepte des Beziehungsmanagements

2.3.1 Kundennähe, -zufriedenheit, -bindung

2.3.2 Lebenszyklus-Konzepte

2.3.3 Beziehungsmarketing

2.3.4 Customer Experience und Customer Experience Management

3 Unternehmensanalyse und Strategische Planung

3.1 Überblick

3.2 Unternehmensanalyse

3.2.1 Analyse des Produktlebenszyklus

3.2.2 Erfahrungskurvenkonzept

3.2.3 Stärken-Schwächen-Analyse

3.3 Umfeldanalyse

3.4 Analyse der Branchenstruktur

3.5 Wettbewerberanalyse

3.6 Analyse und Prognose der Marktstrukturen

3.7 Identifikation der Kundenattraktivität

3.8 Integration der Kundenzentrierung in das strategische Marketing

3.8.1 Definition und Implementierung der »Value Offer«

3.8.2 Nutzen- und wertorientierte Angebotsgestaltung

3.8.3 Kundenwert

4 Kundenprozessmanagement

4.1 Zentrale Kundenprozesse

4.1.1 Interessentenmanagement

4.1.2 Neukundenmanagement

4.1.3 Kundenbindungsmanagement

4.1.4 Beschwerdemanagement

4.1.5 Kündigungsprävention

4.1.6 Rückgewinnungsmanagement

4.1.7 Risikomanagement in der Kundenbeziehung

4.2 Multichannel-Management

4.2.1 Wege zum Kunden

4.2.2 Integriertes Channel-Management und Customer Touchpoints

5 Die organisationale Transformation zum kundenzentrierten Unternehmen

5.1 Gestaltungsanforderungen im Veränderungsprozess

5.2 Prozessmanagement zur Überwindung funktionaler Barrieren

5.3 Vorgehensmodelle für die Gestaltung des Veränderungsprozesses

6 Technologien für das kundenzentrierte Unternehmen

6.1 Grundlagen und Überblick

6.2 Technologische Aspekte

6.3 Analytische Aspekte

6.4 Funktionale Aspekte

6.5 CRM-Softwarelösungen und zukünftige Entwicklungen

6.6 Soziale Medien

6.7 Implementierung und Betrieb

7 Controlling und Wirkungsmessung der Kundenzentrierung

7.1 Vorbemerkung und Grundlagen

7.2 Steuerung der Kundenzentrierung über eine Balanced Scorecard

7.3 Operative Steuerung der Kundenzentrierung durch Kennzahlen

Der Autor

Glossar

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

 

 

 

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BSC

Balanced Score Card

B2B

Business-to-Business

B2C

Business-to-Consumer

CAD

Computer-Aided Design

CAS

Computer-Aided-Selling-Systeme

CRM

Customer Relationship Management

eCRM

Electronic Customer Relationship Management

CE

Customer Equity

CEM

Customer Experience Management

CIC

Customer Interaction Center

CLV

Customer Lifecycle Value

CX

Customer Experience

ERP

Enterprise Resource Planning

FBML

Facebook Markup Language

HTML

Hyper Text Markup Language

ISS

Interactive-Selling-Systeme

KPI

Key Performance Indicator(s)

KW

Kundenwert

OLAP

Online Analytical Processing

POS

Point-of-Sale

ROI

Return on Investment

ROS

Return on Sales

RSS

Rich Site Summary

RW

Referenzwert

SCM

Supply Chain Management

SFA

Sales-Force-Automation-Systeme

TW

Transaktionswert

xRM

Any Relationship Management

Einleitung

 

 

 

Kundengewinnung und -bindung wird traditionell als Aufgabe von Marketing und Vertrieb angesehen. Je nach Organisationsprinzip und Unternehmenskultur umfasst dies auch die Produktentwicklung, das Qualitätsmanagement, den technischen und kaufmännischen Kundendienst und vielleicht noch die produktionsnahen Prozesse, falls das Unternehmen kundenindividuell produziert. Angesichts der vielfältigen Erwartungen und Optionen der Kunden ist es aber erforderlich, das gesamte Unternehmen auf die Kunden auszurichten.

Kundenzentrierung – angelehnt an den englischen Begriff der »Customer Centricity« – geht über die oben skizzierte Begriffswelt hinaus. Es ist regelmäßige, systematische Erfassung und Analyse der Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden sowie deren Umsetzung in sämtliche betriebliche Funktionen, Produkte, Dienstleistungen und interaktive Prozesse. Ziel dabei ist es, durch eine ganzheitliche Gestaltung der Wertschöpfung langfristig stabile und wirtschaftlich sinnvolle Beziehungen zu Kunden aufzubauen. Kundenzentrierte Unternehmensführung umfasst – in Anlehnung an gängige Marketingkonzeptionen – sowohl die strategische Ausrichtung des Unternehmens an Markt- und Kundenerwartungen als auch eine instrumentelle Perspektive.

Der Kohlhammer Verlag hat diesem Thema eine eigene Schriftenreihe gewidmet, in der neben klassischen CRM-Perzeptionen auch neuere und branchenspezifische Perspektiven einer ganzheitlichen Kundenorientierung eröffnet werden sollen. Die funktionale – und damit meist auch nach innen gerichtete – Sicht auf kundengerichtete Aktivitäten soll hier jedoch überwunden werden durch eine übergreifende, prozessuale Perspektive. Dabei sollen sämtliche marktgerichteten Maßnahmen als Prozesse verstanden werden, an deren End- oder Wendepunkt gegenwärtige und potentielle Kunden stehen. Wie im B2B-Marketing stehen dabei auch im B2C-Marketing nicht große Kundensegmente (häufig auch als »Potenzial« noch weiter abstrahiert) im Mittelpunkt, sondern die Individualität kleiner Segmente, die mit Unterstützung innovativer IT-Lösungen auch als »Segments of one« identifiziert und gezielt angesprochen werden können.

Diese Konzepte, die auch in der Begriffswelt des »Customer Relationship Management« bereits bekannt sind, bleiben vielfach in einer operativen Dimension verhaftet und weisen oftmals nur geringe Bezüge zur Unternehmensführung auf. Es ist das Anliegen dieses Bandes und der damit verbundenen Schriftenreihe »Kundenzentrierte Unternehmensführung« diesen Bezug zu vertiefen und in einer Weise zu integrieren, die

•  Entscheidungsträgern die Konzepte einer kundenzentrierten Unternehmensführung aufzeigt und diese mit entsprechenden Instrumenten versorgt,

•  Praktiker in Marketing, Kundendienst und Vertrieb in die prozessuale Perspektive einführt und »best practices« für optimierte kundengerichtete Prozesse aufzeigt,

•  Studierende in die Paradigmen des CRM einführt ohne den Bezug zur traditionellen, weithin verbreiteten Marketinglehre zu verlieren,

•  Dozenten in die Lage versetzt, diese Konzepte in der Lehre zu vertreten.

Der hier vorliegende Auftaktband führt in die Konzeption der »Customer Centricity« ein und verknüpft diese mit gängigen Methoden und Paradigmen. Dabei wird aufgezeigt, wie diese in ein durchgängiges Unternehmensführungskonzept eingebunden werden können. Dabei kommen auch Fragen der Implementierung (Change Management und Technologie) sowie Betriebs- und Steuerungsaspekte nicht zu kurz.

1          Rahmenbedingungen der Kundenzentrierung

 

 

1.1       Der strategische Kontext für Kundenzentrierung

Wirtschaftliches Handeln ist heute mehr denn je in ein komplexes System eingebettet, das durch das Internet nicht nur um neue Kanäle für Beschaffung oder Absatz ergänzt wird. Viel bedeutender ist das verfügbare Informationsangebot über neue strategische Optionen der Unternehmensführung in allen funktionalen Bereichen. Mit der damit verbundenen möglichen Ausweitung der Unternehmensaktivitäten, so in neue Geographien oder in neue Geschäftsfelder und Nischen, ist aber auch die Notwendigkeit verbunden, das Informationsangebot zu nutzen und sinnvoll und damit handlungsorientiert auszuwerten. Vielfältige Informationen sind nötig, um Zusammenhänge zu verstehen und Trends einzuordnen, wobei sich die Strukturen in rasantem Tempo verändern. Stichworte wie Personalisierung des Angebotes und der Kommunikation, Kundenintegration oder Industrie 4.0 sollen nur einen Hinweis auf die Faktoren des Veränderungsprozesses geben, denen sich das Marketing in der Zukunft nicht entziehen kann. Vor diesem Hintergrund ist es insbesondere auch für kleinere und mittlere Unternehmen von entscheidender Bedeutung, das Bewusstsein für aktuelle und zukünftige Herausforderungen einer kundenorientierten Unternehmensführung zu schärfen, denn hier liegen die Chancen zur Differenzierung gegenüber Großunternehmen, die Erfolge primär über Skaleneffekte in großvolumigen Geschäftsmodelle sichern müssen. Die Veränderung der Rahmenbedingungen ist längst im Gang. Umso erstaunlicher ist es, dass zahlreiche Unternehmen darauf nach wie vor nicht konsequent reagieren.

Folgende Trends weisen darauf hin, dass Strategien der Kundenorientierung in der Praxis immer mehr zu einem Erfolgsfaktor für Unternehmen werden:

•  Viele Märkte sind gesättigt, Produkte und Dienstleistungen werden zunehmend austauschbar. Als Folge nimmt der Innovationsdruck ständig zu; immer neue Produkte gelangen in immer kürzeren Abständen auf den Markt. Ein Innovationsvorsprung verschafft nur kurzfristig einen Wettbewerbsvorteil, da neue Produkte und Dienstleistungen immer schneller nachgeahmt werden. Nicht nur die Qualität, sondern vor allem auch der Komfort und der Service machen den Unterschied aus.

•  Die Kunden werden immer kritischer: Sie wollen besser über Produkte informiert werden als nur über Werbebotschaften. Die Kunden erwarten, dass ein Unternehmen schnell und gezielt auf ihre individuellen Bedürfnisse eingeht – auch jenen nach Produkt- und Unternehmensinformationen. Die Glaubwürdigkeit von Produkten und Marken steht an erster Stelle. Sie muss in der individuellen Kundenansprache glaubhaft vermittelt werden. »Dafür stehen wir« darf keine Floskel sein, sondern muss für den Kunden erlebbar sein. Entsprechende Qualitätsmerkmale und Imagefaktoren werden stärker in den Mittelpunkt rücken.

•  Kunden streben nach Erlebnissen. Nur ein geringer Teil des Konsums wird aufgrund essentieller physiologischer Bedürfnisse (Hunger, Durst, Kälte) getätigt. Unternehmen müssen deshalb jeden einzelnen Kunden auch emotional ansprechen und ihn in seiner persönlichen Welt abholen. Hierbei hat das sog. » Storytelling« in der letzten Zeit erheblich an Bedeutung gewonnen (Titzmann 2013, S. 113). Storytelling bettet ein Angebot in eine Geschichte ein, die Kunden als ein angenehmes, wünschbares Erlebnis empfinden, in dessen Kontext Kauf und Konsum einen Sinn ergeben und sich in den individuellen Lebensstil als sinnvolle Ergänzung einpassen.

•  Ferner sind Kunden über Preisgestaltung erheblich besser informiert (siehe Beispiel zu zum niederschwelligen Zugang zu Preisvergleichen via Smartphone-Apps) und bekommen dadurch fast immer den für sie »besten« Preis. Der niedrige Preis allein ist jedoch längst kein erfolgversprechendes Verkaufsargument mehr.

Der Aufbau von Kundenloyalität wird zunehmend schwieriger. Langfristige Produkt- und Markentreue wird zukünftig immer mehr die Ausnahme als die Regel sein. Kundenseitige Loyalität werden sich die Unternehmen zukünftig immer härter erarbeiten müssen. Dennoch macht es – wie wir im Folgenden zeigen werden – auch weiterhin Sinn, in Kundenloyalität zu investieren. Unternehmen, die Kundenloyalität ernst nehmen, werden ihre Kunden wie das Unternehmenskapital behandeln. Denn es wird sich langfristig auszahlen: Wir wissen heute, dass loyale Kunden höhere Preise akzeptieren und insgesamt weniger preissensitiv reagieren, dass sie weniger Kosten verursachen, weil sie weniger Beratung in Anspruch nehmen. Und dass sie mehr kaufen, weil sie mit dem Angebot vertraut sind. Der loyale Kunde wird somit mehr und mehr zum Vermögen des Unternehmens – und dieses Vermögen muss gemanagt werden. Vor dem Hintergrund veränderter Konsummentalitäten wird das Management von Kundenbeziehungen immer wichtiger.

Die Kosten für die Akquisition von Neukunden sind jedoch z. T. erheblich gestiegen. Zwar sinken vielfach die » Tausenderkontaktpreise«, aber durch die Vielzahl der Kanäle und das zunehmend hybrider werdende Kanalnutzungsverhalten steigen zugleich die Streuverluste erheblich an. Somit wächst der Wert des einzelnen Kunden adäquat mit der Dauer der Geschäftsbeziehung. Es lohnt sich also für Unternehmen immer noch, in die Kundenbindung zu investieren.

Kundengewinnung und -bindung wird traditionell als Aufgabe von Marketing und Vertrieb angesehen. Je nach Organisationsprinzip und Unternehmenskultur umfasst dies auch die Produktentwicklung, das Qualitätsmanagement, den technischen und kaufmännischen Kundendienst und vielleicht noch die produktionsnahen Prozesse, falls das Unternehmen kundenindividuell produziert. Angesichts der vielfältigen Erwartungen und Optionen der Kunden ist es aber erforderlich, das gesamte Unternehmen auf die Kunden auszurichten.

Kundenzentrierung ist daher als die regelmäßige, systematische Erfassung und Analyse der Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden sowie deren Umsetzung in sämtliche betriebliche Funktionen, Produkte, Dienstleistungen und interaktive Prozesse zu verstehen.

Ziel dabei ist es, durch eine ganzheitliche Gestaltung der Wertschöpfung langfristig stabile und wirtschaftlich sinnvolle Beziehungen zu Kunden aufzubauen. In der Praxis ist Kundenzentrierung daher auf zwei Ebenen ausgerichtet:

1.            Die Unternehmensebene

Kundenzentrierung liegt vor, wenn im Unternehmen umfassende Informationen über die vorhandenen Kunden vorliegen, systematisch ausgewertet und im Hinblick auf ihre Relevanz und Verwertbarkeit in allen Unternehmensbereichen geprüft werden:

•  Was wissen wir über unsere Kunden?

•  Welche Informationen werden erfasst?

•  Wie können diese Informationen allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden?

•  Wie können Kunden und ihre Anliegen unmittelbar in die Leistungserstellung integriert werden (z. B. durch einen Kundenbeirat oder durch freiwillige Mitwirkung des Kunden im Wertschöpfungsprozess)?

•  Wie können die aus den Kundeninformationen gewonnenen Erkenntnisse in Produkt- und Dienstleistungslösungen umgesetzt werden?

2.            Die Kundenebene

Kundenzentrierung aus Sicht der Kunden beschreibt das Ausmaß, in dem Produkt- und Servicequalität realisiert wird sowie das Verhalten im direkten Kundenkontakt:

•  Welche Qualität haben unsere Produkte?

•  Wie hoch ist unsere Dienstleistungsqualität?

•  Wie stark ist unsere Flexibilität bei der Leistungserbringung?

•  Sind unsere Verkäufer qualifiziert genug?

•  Wie flexibel, zuverlässig und freundlich sind unsere Mitarbeiter, wenn es um Beratung, Verkauf oder die Bearbeitung von Beschwerden geht?

•  Sind wir offen für Anregungen seitens der Kunden?

•  Wie ist das Verhalten der Mitarbeiter ohne Kundenkontakt gegenüber Kunden?

Wenngleich sich sicherlich viele Unternehmen diese Fragen schon lange stellen und zugleich auch stellenweise in ihre Prozesse und Strukturen einwirken lassen, ist dennoch unverkennbar, dass deren umfassende Berücksichtigung eine fundamentale Veränderung befördert: nämlich die Öffnung des gesamten Unternehmens zu Kunden hin und nicht lediglich die » Customer Facing«-Funktionen wie Vertrieb und Kundendienst.

Von der Produkt- zur Kundenzentrierung bedeutet zunächst einmal die grundsätzliche Entscheidung, den Kunden als Adressaten von Produkten oder Dienstleistungen in alle Unternehmensprozesse einzubinden. Ist diese Entscheidung gefallen, beginnt eine spiralförmige Entwicklung, an deren Ende im Idealfall eine langfristige Beziehung zum Kunden entsteht – ganz im Sinne einer Kundenbindung (Brandt/Schneider 2001, S. 238). Die Vorgehensweise im Vertriebsbereich hat sich seit einigen Jahren branchenübergreifend erheblich verändert. Bisher herrschte eher eine produktorientierte Absatzausrichtung vor, die durch klassische Instrumente des Transaktionsmarketings unterstützt wurde. Mittlerweile lässt sich eine starke Tendenz zu einer mehr auf den Kunden ausgerichteten Unternehmenspolitik erkennen. Der Kunde rückt in den Mittelpunkt des Verkaufsprozesses (vgl. Hippner/Wilde, 2002, S. 5).

1.2       Markt und Wettbewerb

Die Marktabgrenzung ist ein Werkzeug des Strategischen Marketings zur Festlegung des für ein Unternehmen relevanten Marktes. Mittels Marktabgrenzung wird der Markt nach räumlichen, zeitlichen und sachlichen Kriterien selektiert, sodass ein Unternehmen die Absatzpolitik seiner Produkte auf den festgelegten Markt ausrichten kann.

•  In der räumlichen Abgrenzung wird der für den Absatz relevante geographische Bereich festgelegt. Dies kann z. B. regional, überregional, national, international oder global sein. Aber auch eine Kombination aus mehreren regionalen Bereichen ist denkbar.

•  In der zeitlichen Abgrenzung des Markts betrachtet man alle Anbieter und Nachfrager, die im gleichen zeitlichen Intervall an einem Leistungsaustausch interessiert sind. Eine zeitliche Abgrenzung kann z. B. wochenweise oder saisonal geschehen.

•  Das dritte Kriterium zur Abgrenzung eines Markts ist die sachliche Marktabgrenzung. Diese ist im Gegenteil zur zeitlichen und räumlichen Abgrenzung schwerer festzulegen, da keine eindeutigen bzw. klar messbaren Eingrenzungskriterien existieren. In der sachlichen Abgrenzung unterscheidet man wiederum zwischen der angebots- und der nachfragebezogenen Abgrenzung. Die Wahl des jeweiligen Abgrenzungsweges wird je nach Zweck der Analyse getroffen. Bei der angebotsbezogenen Abgrenzung werden alle Anbieter zu einem Markt zusammengefasst, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die eine physisch-technische Ähnlichkeit zum eigenen Produkt bieten. Unter physisch-technischer Ähnlichkeit sind Attribute wie Material, Qualität und funktionale Ähnlichkeit zusammengefasst. Die nachfragebezogene Abgrenzung zielt auf die Wahrnehmung der Kunden ab und nutzt die Bedürfnisbefriedigung als Faktor zur Marktabgrenzung. So werden alle Anbieter zu einem Markt zusammengefasst, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die dieselben Bedürfnisse befriedigen. Für die Abgrenzung entscheidende Fragen sind etwa: Was wird warum gekauft? Von wem und aus welchen Gründen wird es gekauft?

Mit diesem, auch Bedarfsmarktkonzept genannten Vorgehen der Marktbestimmung können die Dynamik des Wirtschaftsgeschehens und der Wertewandel der Kunden am besten berücksichtigt werden. So konkurriert etwa die Deutsche Bahn im Personenfernverkehr nicht nur mit Luftverkehrsgesellschaften oder Autovermietungen, sondern neuerdings auch mit Fernbuslinien, Car Sharing-Anbietern und nicht zuletzt mit den Mitfahrzentralen und ganz aktuell mit Apps, die entsprechende Vermittlungsdienstleistungen anbieten. Gerade letztere sind auch Ausdruck der sog. Sharing Economy, in der ein fundamentaler Wertewandel zum Ausdruck kommt. So wird nicht mehr der Besitz oder das Eigentum von Gütern als Wert angesehen, sondern ganz im Gegenteil dazu der Verzicht bzw. die Option des temporären Zugriffs.

Neben dem Erfordernis der Neudefinition des Angebots, das sich an den veränderten Kundenbedürfnissen ausrichten muss, stellt sich zudem das Erfordernis nach der Neubetrachtung der Wettbewerbersituation. Nicht nur die bekannten Mitbewerber müssen regelmäßig analysiert werden, sondern auch neue Anbieter, die gemäß dem Bedarfsmarktkonzept auch Nischenanbieter sein können. Die Reichweite, die das Internet grundsätzlich allen Anbietern bereitstellt, schafft auch für sehr stark spezialisierte Anbieter die Möglichkeit, Skaleneffekte zu erzielen, da sie überall auf der Welt als Anbieter auftreten und Kunden gewinnen können. Hierfür hat sich der Begriff des »Long Tail« eingebürgert (vgl. Anderson, 2009, S. 24)

Für Angebote, die Bedürfnisse am oberen Ende der Maslowschen Bedürfnispyramide darstellen (also z. B. der Selbstverwirklichung dienen), kann das Bedarfsmarktkonzept noch weiter ausgeweitet werden. Dann konkurrieren Anbieter in einer neuartigen Wettbewerbssituation miteinander, die nur schwerlich planbar ist. Wenn beispielsweise die Selbstverwirklichung in der individuellen Wahrnehmung durch einen Erlebnisurlaub erzielt werden kann oder durch die selbst durchgeführte Renovierung der eigenen vier Wände, entsteht eine Wettbewerbssituation zwischen Reiseveranstalter und Baumarktkette.

1.3       Verhalten und Erwartungen

Vor dem Hintergrund dieser ungewöhnlichen Konkurrenzsituation wird deutlich, dass konventionelle Marketingkonzepte an ihre Grenzen stoßen. Was sind also die Anforderungen an Marketingkonzepte, die in kundenzentrierten Unternehmen die Grundlage für die Gestaltung der Wertschöpfungsprozesse bilden und wie können diese hergeleitet werden?

Bereits an den einleitenden Ausführungen ist deutlich geworden, dass erfolgreiche Kundenbeziehungen dauerhaft sind und im Regelfall auf detaillierten Kenntnissen über Kunden und ihre Bedürfnisse und Präferenzen beruhen. Dauerhafte Kundenbeziehungen setzen beiderseitige Zufriedenheit mit den im Rahmen des Austauschs erbrachten Leistungen und mit den Austauschprozessen als solchen voraus. Listet man die tradierten Vorgehensweisen des produktorientierten Transaktionsmarketings auf, das auf die Unternehmensleistungen und deren möglichst kurzfristige und möglichst häufige Durchführung eines Verkaufs (einer Transaktion) fokussiert ist, erkennt man sofort, dass dies einer Kundenzentrierung nicht entspricht. Stellt man dieser Vorgehensweise eine kundenorientierte und beziehungsgeprägte Marketingkonzeption gegenüber werden die Anforderungen an eine kundenzentrierte Unternehmensführung deutlich. Abbildung 1.1 verdeutlicht die maßgeblichen Unterschiede.

Abb. 1.1: Transaktions- versus Beziehungsmarketing (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hippner/Wilde, 2003, S. 5)

DimensionTransaktionsmarketingBeziehungsmarketing

Transaktionsmarketing wird auch als klassisches oder traditionelles Marketing bezeichnet. Es beinhaltet Konzepte und Methoden ausschließlich auf Basis der Transaktionsorientierung. Das Produkt eines Unternehmens steht im Mittelpunkt und es werden die Instrumente des operativen Marketings, also ein Marketingmix aus Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebspolitik eingesetzt, die auf nicht näher konkretisierte Kunden mittels einer unpersönlichen Kundenansprache abzielen. Diese vier P´s führen zudem zur Isolierung von Marketingaktivitäten, wie beispielsweise die Erfüllung von Kundenbedürfnissen. Zudem weist diese Instrumentenstrukturierung eine mangelhafte Trennschärfe sowie eine mangelhafte Integration von Qualitäts- und Beschwerdemanagement auf (vgl. Arentzen/Winter, 2013, S. 2203).

Das Beziehungsmarketing, für das sich auch im deutschen Sprachgebrauch der Begriff »Relationship Marketing« gefestigt hat, und das sich an der Vertiefung der Kundenbeziehung orientiert, fokussiert unmittelbar auf den Kunden. Es wird das Ziel verfolgt, durch erhöhte Kundenzufriedenheit die Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmen positiv auszubauen und damit eine anhaltende und stabile Kundenbindung zu gewährleisten.

Um dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden, müssen Unternehmen ihre Prozesse entsprechend kundenorientiert ausrichten und bedürfnisgerechte Servicedienstleistungen anbieten (vgl. Wilde et al., 2005, S. 11). Beziehungsmarketing umfasst folgende Merkmale:

•  Anspruchsgruppenorientierung: Grundsätzlich kann sich Beziehungsmarketing auf unterschiedliche Anspruchsgruppen beziehen. Dennoch stellen Kunden die zentrale Anspruchsgruppe dar. Es existieren zwei Ausgestaltungsformen: Während Beziehungsmarketing im engeren Sinne ausschließlich Kundenbeziehungen betrifft, meint Beziehungsmarketing im weiteren Sinne die Beziehungen des Unternehmens zu allen Anspruchsgruppen (Stakeholdern).

•  Entscheidungsorientierung: Die Orientierung an Entscheidungen kann als Managementansatz betrachtet werden. Hiermit ist die Festlegung von Maßnahmen, die einer Steuerung von Beziehungen dienen, und die Umsetzung der Maßnahmen zur Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle gemeint.

•  Zeitraumorientierung: Das Merkmal der Zeitraumorientierung beschreibt den dynamischen Charakter des Kundenbeziehungsmanagements. Es können Konzepte, wie z. B. der Kundenbeziehungslebenszyklus, zu Grunde gelegt werden. Das beziehungsorientierte Marketing beschäftigt sich nicht nur mit der Initiierung von Beziehungen, sondern darüber hinaus mit ihrer Stabilisierung, Intensivierung, Wiederaufnahme (nach Kündigung) oder sogar Entbindung vom Unternehmen.

•  Nutzenorientierung: Die Orientierung am Nutzen einer Beziehung zeigt, dass der Nutzen für beide Beziehungspartner im Vordergrund steht. Der Nutzen spiegelt sich für Kunden in der Erfüllung der Bedürfnisse durch das Unternehmen (Value-to-the-Customer) und für das Unternehmen u. a. im erzielten Gewinn (Value-from-the-Customer) wider (vgl. Bruhn, 2016, S. 14 ff.).

Die Fokussierung auf eine am Kundennutzen orientierte Unternehmensführung ist in großen Unternehmen und Konzernen verstärkt seit den 1990er Jahren zu beobachten. Diese stellt nach einer Orientierung an der Produktion in der Mitte des letzten Jahrhunderts, der Marktorientierung in den 1970er Jahren und der Ausrichtung an den Wettbewerbern in den 1980er Jahren den aktuellen Trend dar. Diese Entwicklung steht mit der wiederentdeckten Hinwendung zur Beziehungsorientierung im Einklang wie in Abbildung 1.2 ersichtlich ist.

Allerdings ist Kundenorientierung kein neues Phänomen. Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts stand eine intensive Kundenbeziehung im Mittelpunkt. Damals waren es jedoch eher Klein(st)unternehmer, die eine enge Beziehung zu ihren Kunden pflegten. Neue Marketinginstrumente, insbesondere die massenhafte Kommunikation, die industrielle Serienfertigung und die Filialisierung des Einzelhandels, führten zu einem standardisierten und eher unpersönlichen Verhältnis zwischen Unternehmen

Abb. 1.2: Evolution der Markt- und Kundenorientierung (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bruhn, 2009, S. 36)

und Kunden. Neuere Methoden, wie die Marktsegmentierung, das Nischen- und Mikromarketing, stellen letztlich Bemühungen dar, diesen Verlust wieder auszugleichen.

Mit dem Aufkommen von leistungsfähigen Softwarelösungen gegen Ende der 1990er Jahre ist das Marketing in die Phase des elektronisch gestützten Kundenbeziehungsmanagements (eCRM) eingetreten, welches durch die Unterstützung moderner Informationstechnologie die Pflege der persönlichen Kundenbeziehung begleitet (vgl. Bruhn, 2009, S. 36 ff.).

Der vorläufige Abschluss dieser Entwicklung ist in der intensiven Nutzung sozialer Medien und ihrer Integration in das Multikanalmanagement zu sehen. Damit treten soziale Medien neben die traditionellen Kanäle und prägen die unternehmerische Kommunikation in zweierlei Hinsicht intensiv:

1.  Von der uni- zur multilateralen Kommunikation: Waren Unternehmen traditionell daran interessiert, möglichst breite Kontaktflächen zu schaffen, ergab sich daraus zwingend, dass die Rückflüsse von Informationen über separate Kanäle (in der Regel Instrumente der Marktforschung) erfolgen mussten. Soziale, meist zugleich elektronische Kanäle schaffen nicht nur eine Bidirektionalität des Austausches – etwa zwischen dem Anbieter und einzelnen Kunden oder Interessenten. Vielmehr entstehen damit Plattformen, auf denen sich Kunden und Interessenten untereinander austauschen. Dem Informationsgewinn für Unternehmen steht dabei die Herausforderung gegenüber, diesen Austausch moderieren und in seinem Sinne lenken zu müssen. Als Beispiel können Foren genannt werden, die Kunden und Interessenten in sozialen Medien (z. B. Facebook) schaffen, um sich über Produkte und Dienstleistungen eines oder mehrerer Hersteller auszutauschen.

2.  Neben der Nutzerautonomie sozialer Medien bewirkt deren Vielzahl, dass sich Unternehmen – gewollt oder ungewollt – in einer Multichannel-Kommunikationssituation befinden. Die aktive Orchestrierung aller zur Verfügung stehenden Kanäle wird als Omni-Channel-Marketing bezeichnet. (Verhoef/Kannan/Inman, 2015 S. 177). Das Omni-Channel-Marketing (»All-Kanal-Vertrieb«) bezeichnet das synergetische Planen, Steuern und Kontrollieren der zahlreichen verfügbaren Vertriebskanäle und Kundenkontaktpunkte (»Customer Touchpoints«), um das Kundenerlebnis und den Unternehmenserfolg über die verschiedenen Vertriebskanäle und Prozessschritte hinweg zu optimieren.

Damit eng verbunden ist das sog. » Customer Journey Management«, bei dem alle Kanäle so eingesetzt und verknüpft werden, dass die Kundenerwartungen (z. B. die Möglichkeit der Nutzung eines Kanals wie E-Mail) und die Unternehmensinteressen (z. B. kostengünstige Bearbeitung eines Anliegens wie Produkt- und Angebotskonfiguration durch den Kunden selbst) in Einklang gebracht werden.

Die zentralen Treiber dieser Entwicklung zur Beziehungsorientierung sind in drei Bereichen zu finden:

•  Wandel der Märkte,

•  technologische Entwicklung

•  Kosten der Neukundengewinnung.

Der Wandel von Märkten bzw. die Verschiebung der Anbieter- zur Nachfragerdominanz findet ihren Ursprung in der allgemeinen Angleichung der Produkte sowie der Wettbewerber. Folglich bedarf es einer Abwehrstrategie gegen mögliche Konkurrenten, damit diesen der Zugang zum Kunden verwehrt bleibt. Die technologische Entwicklung bezogen auf die Kommunikation, Produktion, Logistik etc. stellt den zweiten Treiber dar. Hierfür ist im Grunde erst durch das Internet die Basis vorhanden, so dass eine individualisierte Produktion mit » Mass Customization« möglich ist. Der letzte Bereich erstreckt sich auf die Betrachtung der Kostenseite. Die Erkenntnis der zu großen Kosten der Neukundengewinnung führt ebenfalls zum Versuch, eine langfristige Kundenbindung aufzubauen. Dabei werden die anfänglichen Kosten einer Akquisition als anfängliche Investition mit einem anschließenden kontinuierlichen Rückfluss betrachtet.

Beziehungsmarketing stellt allerdings nicht den alleinigen Königsweg dar. Vielmehr ist es nur dann sinnvoll, wenn sowohl Anbieter als auch Kunden einen relationalen Austauschprozess präferieren und auch dazu in der Lage sind. Sollten beide Parteien einen episodenhaften Austauschprozess bevorzugen, so ist das Transaktionsmarketing weiterhin vorzuziehen (vgl. Plinke, 1997, S. 1).

1.4       Unternehmensinterne Triebkräfte und Gestaltungsebenen

Neben den oben geschilderten Marktkräften sind natürlich auch die unternehmerisch induzierten Motive und Triebkräfte zu betrachten, die die Kundenzentrierung befördern. Auch wenn viele unternehmerische Maßnahmen und Strategien reaktiv sind – auch wenn sie im Vorgriff auf Marktentwicklungen getätigt sind – können sie gesondert von den externen Effekten betrachtet werden.

Die Kundenzentrierung stellt besondere Anforderungen an die betriebliche Organisationsstruktur sowie die Unternehmenskultur und betrifft damit sowohl die Führungsebene als auch die einzelnen Mitarbeiter des Unternehmens. Diese innerbetrieblichen Gestaltungsebenen sind zugleich auch als Voraussetzungen zu verstehen, um eine erfolgreiche Umsetzung der Kundenorientierung realisieren und die damit verbundenen Ziele erreichen zu können.

Ein »gelebtes« Kundenbeziehungsmanagement