Künstliche Intelligenz im Marketing - Andreas Wagener - E-Book

Künstliche Intelligenz im Marketing E-Book

Andreas Wagener

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Beschreibung

Hier erhalten Sie einen Überblick über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz im Marketing. Das Buch erklärt einfach und verständlich die dahinterliegende Technologie und ihre Wirkungsmechanismen. Dabei verfolgt es einen ganzheitlichen Ansatz, der alle marktorientierten Aktivitäten umfasst und den Kunden und die Kundin in den Mittelpunkt des Handelns stellt. Der Autor stellt die operativen Einsatzmöglichkeiten der Technologien anhand von zahlreichen Beispielen vor. Zudem skizziert er mögliche Perspektiven und weist auf Grenzen und Gefahren von KI hin. Die zweite stark erweiterte Auflage geht auch auf die enormen aktuellen Fortschritte ein, die es seit der ersten Auflage gegeben hat. Inhalte: - Eigenschaften und Aufgaben von Künstlicher Intelligenz - Machine Learning, Deep Learning und künstliche neuronale Netzwerke - Aufgaben von Künstlicher Intelligenz im Marketing - Automatisierung von Mediaplanung und Mediaeinkauf - Customer Relationship und Customer Experience Management - Perspektiven, Grenzen und Gefahren von KINeu in der 2. Auflage: - aktualisierte Fallbeispiele - Responsible und Explainible AI - CDR Corporate Digital Responsibility - Virtual Beings - KI und Virtual Reality

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[7]Inhaltsübersicht

Hinweis zum UrheberrechtImpressumAbbildungsverzeichnisVorwort zur 2. AuflageEinleitungTeil A: Künstliche Intelligenz und Marketing – die Grundlagen1 Was ist Künstliche Intelligenz?1.1 Eigenschaften und Aufgaben von Künstlicher Intelligenz1.1.1 KI – eine Annäherung1.1.2 Mustererkennung (Pattern Recognition)1.1.3 Ableitung von Prognosen und Mustervorhersagen 1.1.4 Darstellung von Wissen und Informationen1.1.5 Planung und Optimierung von Abläufen1.1.6 Verarbeitung von menschlicher Sprache (Natural Language Processing)1.1.7 Autonome Robotik und selbststeuernde Systeme1.1.8 Lernen und abgeleitete kognitive Fähigkeiten1.2 Angrenzende Felder, Überschneidungen und Grenzbereiche Künstlicher Intelligenz1.2.1 Big Data1.2.2 Data Mining 1.2.3 Predictive Analytics1.3 Machine Learning, Deep Learning und künstliche neuronale Netzwerke1.3.1 Die Grundlagen des maschinellen Lernens1.3.2 Künstliche neuronale Netzwerke und Deep Learning1.3.3 Evolutionäre Algorithmen: Die nächste Entwicklungsstufe?2 Künstliche Intelligenz im Marketing2.1 Zum Begriff des Marketings 2.2 Aufgaben von Künstlicher Intelligenz im Marketing2.2.1 Überblick2.2.2 Analysieren: Daten sammeln und strukturieren, Muster und Gesetzmäßigkeiten ableiten2.2.3 Automatisieren: eigenständig Aufgaben innerhalb eines definierten Handlungsrahmens erfüllen2.2.4 Autonom agieren: eigenständige Handlungsfähigkeit und autonome Prozesse etablieren2.3 Der Kundenzyklus im Marketing2.3.1 Analyse- und Planungsphase 2.3.2 Kundengewinnungsphase 2.3.3 Kundenbeziehungsphase2.3.4 TrennungsphaseTeil B: Operative Anwendungsformen von KI im Marketing1 Analyse- und Planungsphase 1.1 Beschaffung und Auswertung von Markt- und Umfeldinformationen 1.2 Customer Insights – Kundenbedürfnisse verstehen1.3 Produkt- und Sortiment-Insights2 Kundengewinnungsphase 2.1 Automatische Content-Generierung2.1.1 Die Relevanz von Inhalten im Marketing2.1.2 KI und die automatisierte Generierung von Inhalten2.2 Automatisierung von Mediaplanung und Mediaeinkauf 2.2.1 Grundlagen2.2.2 Das Ökosystem Programmatic Advertising2.2.3 Formen des Targetings 2.2.4 Mediaplanung, Programmatic Advertising und KI 2.2.5 Exkurs: Google und SEO 2.2.6 Exkurs: Google, Meta und Amazon in der Werbevermarktung3 Kundenbeziehungsphase3.1 Personalisierung in der Kundenkommunikation3.1.1 Grundlagen3.1.2 Angebotsvorschläge3.2 Lead Management und Closed Loop Automation3.3 Personalisierte und dynamisierte Preisbildung3.4 Das Management der Kundenbeziehung: Customer Relationship und Customer Experience Management3.4.1 Grundlagen3.4.2 Customer Journey Mapping und Customer-Touchpoint-Analyse3.4.3 Chatbots und Sprachassistenten im Management der Kundenbeziehung4 Trennungsphase4.1 Churn Management und Kundenrückgewinnung4.2 Trennung von ProblemkundenTeil C: Perspektiven, Strategien und Entwicklungsfelder von KI-Technologien1 Chancen, Herausforderungen und Grenzen Künstlicher Intelligenz1.1 Das Zusammenspiel von Mensch und KI1.2 Künstliche Intelligenz, Ethik und Verantwortung1.2.1 KI und ethische Fragen1.2.2 Responsible AI, Trustworthy AI und Explainable AI1.2.3 Das Rahmenwerk der Corporate Digital Responsibility 1.3 KI und der Wandel von Strukturen und Prozessen im Unternehmen2 Ausblick 1: Mit KI und Blockchain auf dem Weg in die Maschinengesellschaft?2.1 Kurze Einführung in Blockchain- und Distributed-Ledger-Verfahren2.2 KI und Blockchain: zwei Schlüsseltechnologien mit gemeinsamer Zukunft?3 Ausblick 2: KI im Metaverse und im Web33.1 Das Metaverse – Versuch einer Annäherung3.2 KI und das Metaverse 3.3 Vermischung von physischer und virtueller Realität: Virtuelle Lebewesen4 Fazit: Willkommen in der Matrix!?LiteraturverzeichnisStichwortverzeichnisDer Autor
[1]

Hinweis zum Urheberrecht:

Alle Inhalte dieses eBooks sind urheberrechtlich geschützt.

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Dafür vielen Dank!

Haufe Lexware GmbH & Co KG

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-648-16957-5

Bestell-Nr. 17016-0002

ePub:

ISBN 978-3-648-16958-2

Bestell-Nr. 17016-0101

ePDF:

ISBN 978-3-648-16959-9

Bestell-Nr. 17016-0151

Andreas Wagener

Künstliche Intelligenz im Marketing

2. Auflage, März 2023

© 2023 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © Tarun Dhiman, Unsplash

Produktmanagement: Kerstin Erlich

Lektorat: Peter Böke

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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Sollte dieses Buch bzw. das Online-Angebot Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte und die Verfügbarkeit keine Haftung. Wir machen uns diese Inhalte nicht zu eigen und verweisen lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung.

[9]Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:Elemente und Dimensionen Künstlicher IntelligenzAbb. 2:Amazon: »Kunden die … kauften, kauften auch …«Abb. 3:Big Data: Die 4V – Volume, Variety, Velocity, VeracityAbb. 4:Maschinelles Lernen und seine Anwendungen in der PraxisAbb. 5:Künstliches neuronales Netzwerk: Input Layer, Hidden Layer, Output LayerAbb. 6:Erstellung künstlicher GesichterAbb. 7:Die Textaufforderung an Dall-E, »ein barockes Ölgemälde einer Frau mit VR-Brille und Mobiltelefon« zu erstellen – und deren ErgebnisAbb. 8:Maschinelles Lernen – ein ÜberblickAbb. 9:Der Marketing-Mix (4P): alle auf den Markt gerichteten AktivitätenAbb. 10:Die »3 A« des KI-MarketingsAbb. 11:Der Knowledge Graph von GoogleAbb. 12:Der Kundenzyklus im MarketingAbb. 13:KI im Marketing entlang der Phasen der KundenbearbeitungAbb. 14:KI im Marketing nach dem Marketing-Mix (4P)Abb. 15:Paid, Owned, Earned MediaAbb. 16:Auch künstlerische Inhalte mit ausgefallenen Inhalten lassen sich per Textanweisung durch ChatGPT3 automatisch erzeugenAbb. 17:ChatGPT-3verfasst auf Anforderung eine »Verkaufsbroschüre für ein digitales BügeleisenAbb. 18:Klassische Werbevermarktung vs. Programmatic AdvertisingAbb. 19:Das Programmatic-Advertising-ÖkosystemAbb. 20:Formen des TargetingsAbb. 21:Arten von ChatbotsAbb. 22:Die Moral Machine vom MITAbb. 23:Metaverse-Dimensionen: Das Metaverse als Entwicklungspfad – Handlungsfelder und -optionenAbb. 24:Virtual Beings, Digital Humans und Avatare

[11]Vorwort zur 2. Auflage

Die Entwicklung im Bereich der KI ist seit der erstmaligen Publikation dieses Buches im Jahr 2019 erheblich vorangeschritten. Standen die technischen Grundlagen, zumindest in der Theorie, damals bereits weitgehend fest, haben sich vor allem in der Anwendung der Technik viele Neuerungen ergeben. Für die hier vorliegende zweite Auflage wurde diesem fortschreitenden Reifeprozess von KI Rechnung getragen: Beispiele galt es zu aktualisieren, neue Trends aufzunehmen. Fortschritte waren in den letzten Jahren vor allem im Bereich der »maschinellen Kreativität« zu verzeichnen. Die Möglichkeiten der Generierung von Inhalten, visuell wie rein textlich, haben enorm zugenommen. Es wird damit zunehmend schwieriger, noch zwischen menschlicher und künstlicher maschineller Leistung zu unterscheiden.

Gleichzeitig festigen sich aber auch die Strukturen für den praktischen Einsatz der Technologie. Themenbereiche wie der verantwortungsvolle Umgang mit KI, Transparenz und Vertrauenswürdigkeit (Trustworthy AI, Responsible AI und Explanaible AI), verdienen inzwischen eine erhöhte Aufmerksamkeit, ebenso wie die Bemühungen, diese Prinzipien im Unternehmern zu institutionalisieren, etwa im Rahmen der CDR – Corporate Digital Responsibility.

Aber auch die Perspektiven bedürfen einer Neujustierung. Die Erweiterung von Chatbots und Sprachassistenten um visuelle Erscheinungsformen zu künstlichen, virtuellen Persönlichkeiten (Virtual Beings) beschreiben völlig neue mögliche Entwicklungspfade. An deren Ende könnte nicht zuletzt das viel beschworene Metaverse stehen, ein die physische und virtuelle Welt gleichermaßen umfassendes, übergreifendes Netz, in dem KI und Methoden des maschinellen Lernens eine entscheidende Rolle einnehmen dürften.

Die Berücksichtigung all dieser Aspekte führte zu einer deutlichen Erweiterung des ursprünglichen inhaltlichen Umfanges. Die Hoffnung besteht, dass mit dieser Neuauflage eine aktuelle Handreichung entstanden ist, die das – immer noch nicht ausgeschöpfte – Potenzial der Technologie auf leicht verständliche Weise veranschaulicht und erfassbar macht, ohne die Probleme, die fraglos auch mit KI verbunden sind, auszusparen.

Ich wünsche viel Spaß bei der Lektüre!

Andreas Wagener, im Februar 2023

[13]Einleitung

Vor einigen Jahren betrat ein Mann in der Nähe von Minneapolis/USA einen Supermarkt der Handelskette Target. Er war außer sich und beschwerte sich lauthals bei den Mitarbeitern vor Ort: Seine sechzehnjährige Tochter hatte zuvor E-Mails erhalten, in denen Umstandsmoden, Babynahrung und Babykleidung beworben wurden. Seine Erregung gipfelte in der erzürnten Zuspitzung, ob man es eigentlich darauf anlege, damit seine Tochter zu einer Schwangerschaft als Minderjährige zu ermutigen. Die auf diese Weise konfrontierten Supermarktangestellten entschuldigten sich ausgiebig und entgegneten konsterniert, man könne sich das auch nicht erklären, vermutlich handele es sich hierbei um einen – gewiss nur einmaligen – Fehler in der Marketingabteilung des Unternehmens. Auch der Leiter des Supermarktes reagierte entsetzt, als er von dieser Geschichte erfuhr, und beschloss umgehend, sich nochmals telefonisch bei dem Mann zu entschuldigen, um die Wogen nachhaltig zu glätten. Bevor er dazu jedoch mit einem ausführlich Verweis auf die eigentlich hohen Unternehmensstandards und dem Versprechen, dass sich derartiges garantiert nicht wiederholen würde, ansetzen konnte, wurde er von einem reichlich zerknirschten Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung jäh unterbrochen: »Nein«, entgegnete dieser, »um ehrlich zu sein: Ich bin es, der sich entschuldigen muss. Wir hatten gestern ein längeres Gespräch im Familienkreis. Offensichtlich gingen in meinem Haus einige Dinge vor sich, von denen ich selbst nichts wusste.« Mit anderen Worten also: Seine Tochter erwartete tatsächlich ein Kind.

Jenseits aller familiären Dramatik scheint bemerkenswert, dass dies gleichzeitig bedeutet, dass die Supermarktkette von der Schwangerschaft somit offenbar bereits vor der Familie »wusste« und folglich ein vermeintlich Außenstehender, ein Profit getriebenes Handelsunternehmen, von diesen sehr privaten Lebensumständen eine tiefergehende und frühere »Kenntnis« hatte und sich damit auf diese Weise mithin als »vertrauter« erwies als das direkte persönliche Umfeld. Aber – so stellt sich die Frage – wie ist das möglich?

Datenspuren im Internet

Die Pointe dieser Geschichte skizziert recht anschaulich, welche Rahmenbedingungen im Marketing heute gelten und welche Möglichkeiten sich für Werbetreibende im digitalen Zeitalter daraus ergeben. Dabei geht es im Übrigen gar nicht so sehr um das genaue »Wissen«. Auch der Supermarkt im hier beschriebenen Beispiel hatte natürlich keine Gewissheit über die Schwangerschaft der 16-Jährigen. Oft genügt im Marketing ja bereits ein ungefähres »Ahnen«, das sich dann durch weitere Analysen zu einer steigenden Gewissheit ausbauen lässt. Im Mittelpunkt stehen dabei stets Daten und ihre zielgerichtete Sammlung und Aufbereitung: Wenn wir uns informieren, um unsere Kaufentscheidungen vorzubereiten, hinterlassen wir Spuren. Im Internet werden unsere Schritte und die Inhalte, die wir dabei konsumieren, protokolliert. Es wird [14]erfasst, wofür wir uns interessieren, um daraus abzuleiten, welche Produkte für uns in Frage kommen könnten. Die Sammlung und Verarbeitung solcher Informationen findet flächendeckend statt – zum Beispiel über unser Smartphone, auch um zu ermitteln, wo sich der jeweilige Benutzer gerade befindet, und sogar, wenn wir offline sind, etwa dann, wenn wir Kunden- oder Rabattkarten benutzen. Auf dieser Grundlage bemühen sich Unternehmen, uns möglichst individualisierte, maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten, die uns idealerweise genau dann erreichen, wenn unsere Konsumbereitschaft für exakt dieses Produkt am größten ist.

Eben dies ist auch in dem hier skizzierten Fall geschehen. Vielleicht haben die Systeme des Supermarktes registriert, dass sich der Teenager einen Schwangerschaftstest gekauft hatte – womit sich allein daraus schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine tatsächliche Schwangerschaft ableiten lässt. Wenn diese Informationen durch weitere »identifizierende« Daten angereichert werden – etwa wenn es gelingt, ein entsprechendes Mediennutzungsverhalten damit zu verknüpfen, beispielsweise das Lesen eines mit dem Thema korrespondierenden Online-Artikels – so ist es möglich, die Trefferquote damit weiter zu erhöhen. Denkbar wäre aber auch, dass die Informationsbasis zwar nicht derartige, eher offenkundige Zusammenhänge beschreibt, stattdessen jedoch ein bestimmtes Muster bei vergleichbaren Käuferprofilen belegen kann. Jeder, der schon einmal die E-Commerce-Plattform von Amazon besucht hat, kennt das Angebotsmantra des Onlinehändlers: »Kunden, die das gekauft haben, kauften auch …«. Nicht nur unser eigenes Verhalten lässt sich also zur Beurteilung unserer Kaufbereitschaft heranziehen. Auch aus den Daten vorhergehender Käufer lassen sich Profile erstellen, die als Identifizierungskriterium genutzt werden können. Sofern wir mit diesen – auch unter Umständen auf den ersten Blick vermeintlich nicht relevant erscheinende – Ähnlichkeiten aufweisen, könnte dies ein Beleg für ähnliche Konsummotive und -motivationen sein.

Die skizzierte Geschichte ereignete sich bereits im Jahr 2012 – nach Maßstäben der digitalen Entwicklung also bereits vor einer Ewigkeit. In der Zwischenzeit hat sich viel getan. Die Fütterung von entsprechenden Algorithmen – programmierten Entscheidungsmechanismen – mit Big Data oder Smart Data ist im Marketing eine schon lange erprobte Vorgehensweise. Die automatisierte Klassifizierung und Profilierung auf der Grundlage von Informationen wird heute vielfach eingesetzt – nicht nur in der Werbung und im Verkauf –, oft ohne dass wir dies überhaupt bemerken. Die Grundlage all dessen ist die umfassende Sammlung und Auswertung von Daten.

Daten als Treibmittel und Grundlage für die Künstliche Intelligenz

Mit Intelligenz hat dies zunächst noch nichts zu tun. Daten bilden allerdings gleichfalls die Grundlage und das Treibmittel für Künstliche Intelligenz (KI). KI »lernt« durch die intensive Versorgung mit Daten, »intelligent« wird sie durch die eigenständige Anwendung und Weiterentwicklung des Erlernten. Die Differenzierung zwischen pro[15]grammierten und menschlich vorgegebenen Entscheidungsalgorithmen einerseits und KI andererseits ist oft schwierig. Genau an dieser Stelle lässt sich aber womöglich der größte Unterschied festmachen: Die Intelligenz eines Systems bemisst sich in der Autonomie von menschlichem Einfluss. Je eigenständiger ein System agiert, um so zutreffender ist das Attribut der Intelligenz.

Nichtsdestotrotz sind für den Einsatz von KI im Marketing dieselben Wirkungszusammenhänge wie in dem beschriebenen Beispiel maßgebend.

Auch KI beruht auf der Erkennung von Mustern und der Vorhersage von Ereignissen sowie der Berechnung und Abwägung von entsprechenden Wahrscheinlichkeiten. Wenngleich dort für die Identifizierung einer Schwangeren als potenzieller Kundin für Babynahrung vermutlich herkömmliche, vorab durch den Menschen definierte Entscheidungsbäume, also statistische Algorithmen, zur Anwendung kamen, so zeigt dies doch die Parallelen mit dem Einsatz von KI im Marketing auf. Auch hier geht es um die Klassifizierung von Informationen und den Rückschluss aus diesen Datenstrukturen auf spezifische Erkenntnisse. Der Unterschied besteht lediglich in der Permanenz und in der Art und Weise, wie die Daten kontrolliert zugeführt, beziehungsweise im Detail verarbeitet werden.

Marketing, Vertrieb und Werbung, haben sich durch die Digitalisierung und vor allem seit dem Aufkommen des Internets Anfang der 1990er Jahre bereits grundlegend verändert. Vermutlich handelt es sich beim Marketing auch um denjenigen operativen Bereich der Ökonomie, der am weitgehendsten durch die digitale Transformation geprägt wurde. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und künstlichen neuronalen Netzwerken führt zu einer weiteren Beschleunigung dieser Entwicklung. Die Potenziale, die durch den technologischen Fortschritt aufgedeckt werden, sind immens und immer noch schwer ihrer Bedeutung nach erschöpfend zu erfassen.

Was Ihnen dieses Buch bietet

Im Folgenden soll versucht werden, einen Überblick über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz im Marketing zu geben, die dahinterliegende Technologie und ihre Wirkungsmechanismen zu erklären sowie ihre Umsetzung anhand von zahlreichen Beispielen zu beschreiben. »Marketing« wird dabei nicht bloß als Synonym für »Werbung« begriffen, sondern als ganzheitlicher unternehmerischer Ansatz, der alle marktorientierten Aktivitäten umfasst und nach heutiger weitverbreiteter Lesart den Kunden dabei in den Mittelpunkt des Handelns stellt.

In Teil A werden die Grundlagen zum Verständnis von KI und des Marketingprozesses beschrieben. Teil B stellt die operativen Einsatzmöglichkeiten der Technologien auch anhand von zahlreichen Beispielen vor. Teil C, der sich mit den Perspektiven, Grenzen und Gefahren von KI beschäftigt, schließt den Band ab.

[17]Teil A: Künstliche Intelligenz und Marketing – die Grundlagen

[19]1 Was ist Künstliche Intelligenz?

1.1Eigenschaften und Aufgaben von Künstlicher Intelligenz

1.1.1 KI – eine Annäherung

Sucht man heute nach einer einheitlichen, allumfassenden Definition für »Künstliche Intelligenz«, tut man sich in aller Regel schwer. An Versuchen zur Begriffsbestimmung mangelt es kaum. Aber wer sich intensiver mit der Thematik befasst, merkt schnell, dass es problematisch ist, den Reigen an Bereichen, Funktionen, Leistungen und Attributen, die hiermit verbunden zu sein scheinen, unter einen Hut zu bringen. Das liegt einerseits daran, dass die rasante Entwicklung insbesondere der letzten Jahre auf diesem Gebiet kaum eine Konsolidierung des Wissensstandes zulässt. Zum anderen sind wir uns noch nicht mal einig, was eigentlich überhaupt genau »Intelligenz« ist. Auf den Menschen bezogen verstehen wir darunter zwar allgemein in etwa die Fähigkeit, abstrakt und vernünftig zu denken, Zusammenhänge zu erkennen und Probleme zu lösen sowie daraus zweckgerichtetes Handeln abzuleiten. Allerdings ist unklar, welche Attribute und Eigenschaften uns zu diesen Leistungen befähigen und im Detail darunter zu erfassen sind. Zudem ist umstritten, ob und wie sich Intelligenz empirisch korrekt messen lässt.1 Vor nicht allzu langer Zeit galt Intelligenz noch als angeboren und damit unveränderbar über die Lebenszeit hinweg. Heute wird oft auch nachdrücklich die Meinung vertreten, dass sich sehr wohl ebenso in späteren Lebensabschnitten die Intelligenz verändern kann und zwar durchaus in beide Richtungen, nach unten wie nach oben, abhängig vom Lebenswandel und der Bereitschaft, geistige Herausforderungen anzunehmen.

Während also die Deutungshoheit auf diesem Feld seit Jahrzehnten hart umkämpft ist, diskutieren wir heute parallel bereits über verschiedenste künstliche Formen von Intelligenz, ohne dass deren Kerngehalt abschließend geklärt zu sein scheint. Was daraus resultiert, ist ein definitorischer Flickenteppich, der nicht selten für Verwirrung und viele Unklarheiten sorgt.

Zum Begriff der Künstlichen Intelligenz

Grundsätzlich kann man KI als den Versuch beschreiben, klassische menschliche kognitive Funktionen sowie darauf basierende Entscheidungsstrukturen auf maschinelle und computerisierte Systeme zu übertragen.

[20]Schwache und starke KI

Unterschieden wird dabei oft zwischen »schwacher« und »starker« KI.2 Der Begriff der »schwachen KI« (auch englisch Applied Artificial Intelligence (AAI), also »angewandte KI«) bezieht sich meist auf die mechanisierte Abwicklung einzelner Problemlösungen und Anwendungsbereiche durch »intelligente« Systeme, mit einem beschränkten Grad an Eigenständigkeit in der Entscheidungsfindung und bei der Ausführung von daraus abgeleiteten Handlungen. Er beschreibt auf diese Weise eher ein »Nachahmen« von Intelligenz und schließt dabei in der Regel die meisten der bekannten KI-Applikationen, wie etwa Bild- und Texterkennung oder die Sprachfunktionen von Amazons Alexa oder Apples Siri mit ein.

»Starke KI« (auch englisch Artificial General Intelligence (AGI), also »künstliche allgemeine Intelligenz«) umfasst hingegen die Vision einer tatsächlichen Nachbildung menschlicher Denkweisen und entsprechender Abstraktionsfähigkeiten sowie möglicherweise sogar die Entwicklung eines eigenen »Bewusstseins« – letztlich also die Vorstellung, KI könne perspektivisch die menschlichen Fähigkeiten vollständig nachbilden und eines Tages sogar übertreffen. Damit eng verbunden ist der vieldiskutierte Themenkomplex der Singularität, womit der Zeitpunkt umschrieben wird, an dem KI in Form von Softwaresystemen, Maschinen oder Robotern den Menschen hinsichtlich seiner geistigen Leistungsfähigkeit eingeholt hat (vgl. Teil C 1.2 und 4).

Die Diskussion um KI allgemein und insbesondere hinsichtlich der damit verbundenen Risiken und Chancen wird oft sehr emotional geführt. Auch innerhalb der »akademischen Standesgrenzen« besteht keineswegs immer Einigkeit, ab wann ein technisches System nun tatsächlich als »intelligent« zählen darf. Vielleicht macht es daher Sinn, sich über eine Beschreibung der Aufgaben und Erscheinungsformen von KI zu nähern.

Aufgaben und Erscheinungsformen von Künstlicher Intelligenz

Im Einzelnen lassen sich folgende Aufgabenbereiche und Erscheinungsformen von Künstlicher Intelligenz erfassen, die in den nächsten Abschnitten näher betrachtet werden sollen:

Mustererkennung (Pattern Recognition)Prognosen und MustervorhersagenDarstellung von Wissen und InformationenPlanung und Optimierung von AbläufenVerarbeitung von menschlicher Sprache (Natural Language Processing)autonome Robotik und selbststeuernde SystemeLernen und abgeleitete kognitive Fähigkeiten
[21]

Abb. 1: Elemente und Dimensionen Künstlicher Intelligenz (Quelle: Andreas Wagener, 2023, CC BY-SA 4.0)

1.1.2 Mustererkennung (Pattern Recognition)

Die Erkennung von Mustern und Gleichmäßigkeiten in Datenstrukturen verkörpert ein wichtiges Grundprinzip von KI. Dabei werden aus großen Datenmengen statistische Häufungen analysiert und gruppiert, um Rückschlüsse auf allgemeingültige Zusammenhänge zu ermöglichen. Die Mustererkennung bildet damit auch die Grundlage für die Prognosefähigkeiten intelligenter Systeme und Predictive Analytics sowie für das maschinelle Lernen.

Spam-Mails identifizieren

Zu den Anwendungsgebieten zählt etwa die Identifizierung von Spam-Mails. Diese weisen im Vergleich zu E-Mails, die nicht als Spam klassifiziert werden, typische Besonderheiten und entsprechende Ähnlichkeiten auf, beispielsweise typische Schlüsselwörter im Text oder in der Betreffzeile (»Viagra«, …), bestimmte, bereits zuvor negativ aufgefallene Absender oder einfach entsprechende Spam-Markierungen anderer Adressaten. Von einem derartig trainierten System können diese dann automatisiert in den Junk-Ordner des E-Mail-Clients sortiert werden, ohne dass der unfreiwillige Empfänger diese zuvor zu Gesicht bekommt.

Einen wichtigen Beitrag zum digitalen Marketing leistet auch das Erkennen von Verhaltensmustern beim Surfen im Internet. Entsprechen die Inhalte der angesteuerten Webseiten oder das Klickverhalten einer einzelnen Person jenen einer größeren Ver[22]gleichsgruppe, kann dies als Indiz für eine weiterreichende Ähnlichkeit interpretiert werden. Dies wiederum ist relevant für das Targeting (vgl. Teil B 2.2.3), der zielgenauen Zuspielung von spezifischer Werbung.

1.1.3 Ableitung von Prognosen und Mustervorhersagen

Eng verwoben mit der Erkennung von Mustern ist die Ableitung von Voraussagungen und Prognosen. Ist es gelungen, maßgebliche übereinstimmende Eigenschaften von zwei Objekten oder Personen zu identifizieren, so lässt dies weitere Rückschlüsse auf Entwicklungen und auch zukünftige Verhaltensweisen zu. Im Prinzip kann man diese Zusammenhänge wie einen Dreisatz erklären: »Wenn A sich auf die gegebene Art und Weise verhält und gleichzeitig B wie A ist, dann wird sich auch B entsprechend wie A verhalten.« Das bekannteste Beispiel hierfür ist sicherlich der schon eingangs erwähnte Amazon-Algorithmus »Kunden, die das gekauft haben, haben auch gekauft …«.

Produktempfehlung für Einbrecher

In der Praxis kann dies bisweilen zu erstaunlichen Erkenntnissen führen: Berühmt ist etwa die Produktempfehlung des Onlinehändlers für Interessenten eines Glasrundschneiders. Krimi-Enthusiasten sollte dieses Produkt als hilfreiches Utensil für Einbrecher bekannt sein, lassen sich damit doch, dank Vakuumpfropfen und Zirkelklinge, kreisrunde Löcher in Fensterschreiben schneiden, und zwar geräuschlos und ohne spitze Scherben dabei zu verursachen. Kunden, die dieses Produkt erworben haben, hatten sich auch für die blickdichte und bis auf zwei Augenschlitze das Gesicht komplett verhüllende Sturmhaube, Marke »Balaclava« interessiert. Man kann wohl getrost davon ausgehen, dass die Heranziehung dieser Daten im Rahmen der Aufklärung einer Einbruchsserie – was natürlich mit deutschem Recht aus gutem Grunde nicht vereinbar wäre – wertvolle Hinweise zu den Tätern liefern dürfte.

Entsprechend gehört zu den bereits länger erprobten Anwendungen auf diesem Gebiet das sogenannte Predictive Policing, mit dem die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Straftaten kalkuliert werden soll, um »vorab« entsprechende Gegenmaßnahmen zu deren Eindämmung oder Verhinderung einzuleiten. Entsprechende Kooperationen zwischen verschiedenen Polizeibehörden, etwa in New York, Memphis oder Chicago, sowie einschlägiger Anbieter, zu denen neben IBM auch das inzwischen hierzulande tätige, vom radikal-liberalen Investor Peter Thiel gegründete Unternehmen Palantir und selbst der Handelsriese Amazon gehören, sollen von durchschlagendem Erfolg gekrönt sein – zumindest nach übereinstimmender Angabe der Beteiligten (vgl. Teil C 1.2).

[23]

Abb. 2:Amazon: »Kunden die … kauften, kauften auch …« (Screenshot, Quelle: Amazon, 2016)

Vorausschauende Wartung von Industriemaschinen

Auf ähnlichen Funktionszusammenhängen beruht auch eine Anwendung aus dem zivilen Umfeld, die Predictive Maintenance, eine »vorausschauende Wartung« insbesondere von Industriemaschinen, deren optimaler Zeitpunkt auf Grundlage von bestimmten Messwerten vorhergesagt wird. Sensoren erheben Daten an den Maschinen, etwa im Rahmen von Schwingungsanalysen, um untypische Vibrationsausschläge zu erfassen, sowie in deren Umgebung, um Veränderungen von Luftfeuchtigkeit oder Temperatur zu identifizieren. In der Summe und durch das komplexe Zusammenspiel der einzelnen Faktoren lässt sich somit eine statistische Prognose hinsichtlich möglicher Verschleißzeitpunkte erstellen. Diese können dann dazu genutzt werden, den optimalen Wartungstermin anzusetzen – nicht zu spät, so dass eine aufwendige Reparatur vermieden wird, aber auch nicht zu früh, um die Wartungsintervalle ideal auszuschöpfen und so ebenfalls auf lange Sicht Kosten einzusparen.3

[24]Predictive Maintenance in der Notfallversorgung

Vergleichbare Ansätze gab es auch bereits in der medizinischen Notfallversorgung. Als kritisch für die erfolgreiche Behandlung nach einem Herzinfarkt gilt ein umgehendes ärztliches Eingreifen und Behandeln. Diesem Umstand versuchte man mit der vorauseilenden Entsendung von Krankenwagen in Stadtbezirken, in denen ein erhöhtes Herzinfarktrisiko prognostiziert wurde, zu entsprechen.

1.1.4 Darstellung von Wissen und Informationen

Zu den Aufgaben ebenso wie zu den Bestandteilen und Voraussetzungen von KI gehört des Weiteren die Repräsentation von Wissen bzw. die Verarbeitung in sogenannten Wissens- und Expertensystemen.

Um Wissen zu nutzen, muss es entsprechend aufbereitet werden. Klassischerweise geschieht dies etwa in Form von Katalogen und Glossaren, um durch diese Form der Strukturierung den Zugang zu erleichtern. Dort, wo KI Wissen schafft, gilt es ebenfalls, eine geeignete Form der Darstellung zu finden, die dieses nutzbar macht. Eine entsprechende Ausgabeform stellen Expertensysteme dar, worunter man in der Regel Computerprogramme versteht, die den Menschen bei der Lösung komplexer Probleme unterstützen, etwa indem diese auf Grundlage der hinterlegten und verarbeiteten Informationen konkrete Handlungsempfehlungen ermöglichen oder eigenständig ableiten. Ein typisches Beispiel hierfür wären Diagnosesysteme in der Medizin, die auf Basis der Bildanalyse aus der Magnetresonanztomografie Tumore erkennen und womöglich dafür angemessene Therapieformen empfehlen.

Umgekehrt gilt es aber auch, Informationen so aufzubereiten, dass sie von KI-Systemen verarbeitet werden können. Insbesondere müssen oft die kausalen Zusammenhänge des menschlichen Wissens für das System beschrieben werden. Regelzusammenhänge wie »Wenn A, dann B«, die womöglich ein Mensch allgemein als offensichtlich begreift, sind für eine Maschine meist erst zu definieren (»regelbasierte Systeme«). Derartige logische Schlüsse könnte eine KI bei entsprechender Fallzahl zwar auch nach intensivem »Training« unter Umständen selbst ziehen (»fallbasierte Systeme«). Allerdings sprechen neben Effizienzgründen beispielsweise auch Qualitätsanforderungen für eine Kombination von beiden Ansätzen.

Opinion Mining – Analyse von Kundenmeinungen

Im Opinion Mining wird etwa versucht, die Einstellung von Konsumenten zu bewerten, wenn diese sich öffentlich im Netz, beispielsweise in den sozialen Medien äußern. Es ist relativ einfach, eine Erwähnung eines Produktes zu ermitteln. Ob sich jedoch eine Person positiv oder negativ dazu äußert, lässt sich hingegen deutlich schwerer bestimmen. Zwar könnte man spezifische Kennwörter definieren, die auf eine Ten[25]denz oder Präferenz hinweisen – etwa »Schrott« oder »Top« im jeweiligen Kontext. Jedoch erweist sich ein solches, vorab definiertes Vorgehen in der Praxis oft als nicht zufriedenstellend. Die Sinnhaftigkeit oder eigentliche Bedeutung bestimmter Worte und Wortfolgen ergibt sich oft nur aus einem kontextuellen Verständnis, das sich dem Menschen in der Regel ohne Probleme erschließt, eine Maschine oder ein Computersystem jedoch vor große Herausforderungen stellt. Der Erfolg dieser Wissensverarbeitung beruht damit maßgeblich auf der intelligenten Kombination der durch den Menschen gesetzten qualitativen Regel mit der dann darauf fallweise trainierten Maschinenlogik (vgl. Teil B 1.2).

1.1.5 Planung und Optimierung von Abläufen

Der Bereich der Planung und Optimierung umfasst die Definition von Handlungsabfolgen und deren automatisierte Durchführung durch intelligente Systeme auf Basis der zuvor ermittelten Prämissen. KI-Anwendungen müssen in der Lage sein, Ziele zu setzen und den Weg zu beschreiben und nachzuverfolgen, der notwendig ist, diese zu erreichen. Dabei sollten sich unter Umständen verändernde Umweltbedingungen miteinbezogen und der Pfad der Zielerreichung darauf entsprechend erfolgswirksam angepasst werden.

Ein »emergentes« Planungs- und Steuerungsverhalten ist notwendig, wenn multiple Einflüsse unter Zeitdruck verarbeitet werden müssen, welche »Planung« zu einem sehr kurzfristigen Unterfangen machen, insbesondere in der Abstimmung mit Menschen oder anderen künstlichen Intelligenzen. Dies ist etwa relevant bei der Koordinierung von selbststeuernden Systemen, wie zum Beispiel autonomen Drohnenschwärmen oder selbstfahrenden Autos.

Autonome Steuerung von Marketingprozessen

Autonome Planung und Optimierung kennt man bereits aus der Marketing-Automation und dem sogenannten Closed-Loop-Marketing (vgl. Teil B 3.2). Hier geht es darum, die Marketingprozesse unabhängig vom menschlichen operativen Einfluss zu steuern. Im E-Mail-Marketing zum Beispiel ist es möglich, einen »geschlossenen Kreis« zu definieren, der sämtliche Aktionen und Handlungsoptionen zusammenführt. So kann vorab definiert werden, welche Betreuung spezifischen Kundengruppen zukommt und wie auf die jeweiligen Verhaltensweisen mit entsprechenden Werbemaßnahmen und Ansprachen reagiert werden soll. Automatisiert erhalten dann »Nicht-Öffner« von E-Mails dieselbe Nachricht zu einem späteren Zeitpunkt erneut. »Öffnern«, die ein beworbenes Produkt gekauft haben, wird im Nachgang ein Zusatzprodukt angeboten, während diejenigen, die das Produkt zwar angesehen aber nicht erworben haben, Werbung für eine adäquatere Variante zugesendet bekommen …

[26]Natürlich kann man solche Aufgaben auch an eine KI übertragen, die je nach Ausprägung ihres Autonomiegrades agiert, Prognosen und Conversion-Wahrscheinlichkeiten erstellt und anhand von identifizierten Verhaltensmustern diesen Kommunikationsaufwand automatisch koordiniert und projektiert. Im Detail geht es dabei um die autonome Steuerung von Prozessen, die Terminierung von Aktionen sowie das Monitoring und die automatische Reaktion auf dynamische Entwicklungen.

Anwendungsgebiete im Real-Time-Marketing

Ein emergentes Steuerungsverhalten ist im Real-Time-Marketing gefragt, wo diese Prozesse tatsächlich in wenigen Millisekunden, in Echtzeit ablaufen. Es bedarf dabei eines Systems, das nicht nur seine Umgebung beurteilen und Vorhersagen treffen kann, sondern diese auch permanent bewertet und darauf basierend seine Einschätzungen ständig anpasst. Derartige Adaptionen findet man zum Beispiel im Programmatic Advertising und im Real-Time-Bidding-Verfahren für die auktionsmäßige Vermarktung digitaler Werbemittel (vgl. Teil B 2.2.4).

1.1.6 Verarbeitung von menschlicher Sprache (Natural Language Processing)

Die Fähigkeit einer Maschine, mit uns auf Augenhöhe zu kommunizieren, gehört ebenfalls zu den Merkmalen, die wir gemeinhin mit dem Vorhandensein von Intelligenz verbinden. Auch hier lässt sich womöglich eine allgemeine volkstümliche Vorprägung durch Science-Fiction nicht leugnen. Vielen mögen als Erstes dabei artifizielle Protagonisten wie der sprechende, um seine Abschaltung durch den Menschen besorgte Computer HAL9000 aus Stanley Kubricks »2001 – Odyssee im Weltraum« in den Sinn kommen.

Tatsächlich gehört die Verarbeitung von Sprache zu den wichtigen Indikatoren und Funktionen von KI, denn die Autonomie eines intelligenten Systems hängt ja gerade davon ab, dass eben nicht ein Mensch einen Steuerknüppel in der Hand hält oder komplette Abläufe »vorprogrammiert«. Stattdessen sollten KIs in der Lage sein, menschliche Anweisungen fallweise so zu decodieren und zu interpretieren, dass sie diese eigenständig ausführen können.

Das setzt voraus, dass Maschine und Mensch einen gemeinsamen »kommunikativen Nenner« finden. Während man einerseits traditionell versuchte, dies über Maschinen- und Programmiersprachen als Zwischenschritt der Interaktion zu lösen, bemüht man sich parallel auch seit geraumer Zeit, den kommunikativen Schwerpunkt weiter in Richtung Mensch zu verlagern und die natürliche Sprache als Standard für den Informationsaustausch zu etablieren.

[27]Zweifellos setzt eine echte mehrseitige Kommunikation, ein Dialog zwischen zwei »Gesprächspartnern«, eine tiefergreifende Kompetenz voraus. Natural Language Processing, im Deutschen manchmal auch mit dem verwandten Begriff der Computerlinguistik umschrieben4, verkörpert somit einen wichtigen Bestandteil von KI. Auch hier bilden die Mustererkennung und darauf aufbauendes maschinelles Lernen eine große Rolle. Das gilt sowohl für die Erkennung und Analyse von Sprache, also für den Input, als auch für den Output, die natürliche Sprachausgabe und das eigenständige Kommunizieren.

Maschinelle Verarbeitung von menschlicher Sprache

Menschliche Sprache wird entweder akustisch, in Schallwellen, oder schriftlich, also in Buchstabenverkettungen, übermittelt. Zur Interpretation durchläuft der übermittelte Sprachinput einen schrittweisen Interpretationsprozess: Schallinformation gilt es zunächst in Textform umzuwandeln. Dies ist Ausgangspunkt der weiteren Zerlegung in Sätze und einzelne Wörter, worauf dann eine grammatikalische Analyse erfolgt und die zu den Wortverwendungen passenden Grundformen (wie im Lexikon: die Grundform zu »geht« ist »gehen«) sowie die Syntax bzw. Funktionsweisen der Wörter – als Prädikat, Objekt, Artikel etc. – ermittelt werden. Auf dieser Grundlage könnte dann die semantische Analyse erfolgen, also die Interpretation der inhaltlichen Bedeutung. Schließlich gilt es noch, die Beziehungen zwischen einzelnen Sätzen zu erkennen (zum Beispiel der Zusammenhang von Frage und entsprechender Antwort oder Argumentation und abgeleiteter Folgerung). Insbesondere die letzten beiden Schritte setzen ein intensives Training und entsprechend weitreichende qualitative Fähigkeiten zur Mustererkennung des KI-Systems voraus.

Schwierigkeiten ergeben sich naturgemäß vor allem bei der Erkennung der Bedeutung. Das beginnt bereits bei der Umwandlung von Akustik in Textform: Je nach Groß- und Kleinschreibung (»Er verweigerte Speise und Trank« oder »Er verweigerte Speise und trank«) und auch Betonung (»Er ist ein vielversprechender Politiker« oder »Er ist ein viel versprechender Politiker«) können ähnlich strukturierte Sätze sehr unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Bedeutungen haben. Doch auch sprachlich korrekt übermittelte Zeichenketten bergen Spielraum für Interpretation. So lässt »Der Steuermann beobachtete den Kapitän mit dem Fernrohr« in seiner rein textlichen Form Interpretationen zu, wer von beiden das Fernrohr nun tatsächlich in den Händen hält. Auch um rhetorische Fragen und Scheinfragen (zum Beispiel: »Kann ich zahlen, bitte?« erwartet keine Antwort mit »Ja« oder »Nein«) zu erkennen, bedarf es eines höheren semantischen Verständnisses, das nur schwer technisch und allgemeingültig zu vermitteln ist. Ferner zählt zur semantischen Kompetenz auch, sprachliche Über- und Unterkategorien zu erkennen und zuordnen zu können. Zu einem intelligenten Text- [28]und Sprachverständnis gehört es schließlich auch, diese Beziehungen herzustellen und zu verstehen, dass zum Beispiel ein Rabe ein Vogel ist und Vögel zu den Lebewesen zählen.

Die Anwendung von Natural Language Processing erstreckt sich auf ein breites Feld. Am augenfälligsten sind vermutlich Sprachassistenten wie Amazons Alexa, Apples Siri oder Google Home, die auf menschliche akustische Aktivierung reagieren, einfache Aufgaben wie Informationssuchen übernehmen, aber auch beispielsweise im E-Commerce für die Entgegennahme und Weiterverarbeitung von Bestellungen zum Einsatz kommen und dabei in menschlich klingender, »natürlicher« Sprache kommunizieren (vgl. Teil B 3.4.3). Schon als legendär zu bezeichnen ist auch die Präsentation von Google Duplex im Jahr 2018, bei der demonstriert wurde, wie ein digitaler Sprachassistent (weitgehend) eigenständig telefonisch einen Friseurtermin vereinbarte, ohne als solcher vom menschlichen Gesprächspartner erkannt zu werden. Neben einer sehr natürlich wirkenden Stimme sorgten auch eingestreute, typische menschliche Verzögerungslaute (wie »mhm«, »ähm«) für eine hohe »humane« Authentizität.5 Inzwischen bietet Google, in ausgewählten Betrieben, die sich dafür freischalten lassen können, auch Restaurantreservierungen über Duplex an.6 Dazu fragt der Google Assistant nach der Anzahl der Gäste und der gewünschten Uhrzeit und nimmt auch Ausweichtermine entgegen, für den Fall, dass kein Tisch zu den genannten Bedingungen verfügbar ist. Auf dieser Grundlage ruft Google Duplex eigenständig das Restaurant an, gibt sich dabei zu Beginn des Telefonats als Bot zu erkennen und klärt dann die Details innerhalb des vorgegebenen Rahmens. Anschließend wird das Ergebnis an den Nutzer zurückgemeldet.7

Einsatz von Chatbots in der Kundenkommunikation

Die Nutzung in der Praxis auf ähnlichem Terrain bietet der Rückgriff auf Chatbots bei der automatisierten Kundenkommunikation (vgl. Teil B 3.4.3). Dabei wird der Dialog mit einem menschlichen Mitarbeiter simuliert, als Alternative zur herkömmlichen Kontaktmöglichkeit über Kontaktformular oder E-Mail. Auch hier spielt Spracherkennung und -analyse eine wichtige Rolle, allerdings derzeit oft noch auf sehr formalisierte und somit eingeschränkte Art und Weise, die es fraglich erscheinen lässt, ob man hier wirklich von einer künstlichen »Intelligenz« sprechen kann.

Andere computerlinguistische Anwendungsfälle erfolgen mehr im Hintergrund, sind deswegen aber keinesfalls weniger anspruchsvoll: angefangen bei automatisierten Übersetzungen, dem eigenständigen Verfassen von computergenerierten Texten [29](»Robo-Journalismus«) (vgl. Teil B 2.1.2) und natürlich der Indizierung und Relevanzbestimmung von Inhalten im Rahmen der Suchmaschinenaktivitäten (vgl. Teil B 2.2.5).

1.1.7 Autonome Robotik und selbststeuernde Systeme

Eine intensive Nutzung erfährt KI im Bereich der Robotik und in der Automation und Selbststeuerung von Systemen. Es bestehen tiefgreifende Wechselbeziehungen zwischen diesen beiden Segmenten. Um Autonomie zu gewährleisten, ist das Training wiederkehrender Situationen, auch in abgeänderten Umweltbedingungen, notwendig. Methoden der visuellen Identifizierung wie auch der Spracherkennung und entsprechendes maschinelles Lernen spielen dabei eine große Rolle.

Humanoide Roboter

Roboter werden teilweise auch definiert als »menschliche Substitute«, da ihre Aufgaben vor allem auch in der Replikation menschlicher Handlungen liegen. Auch wenn Roboter natürlich alle möglichen Formen haben können, bleibt uns doch deren, dem Menschen nachempfundene Erscheinungsform am ehesten im Bewusstsein. Gewissermaßen könnte man davon sprechen, dass, sofern KI eine technologische Abbildung des menschlichen Geistes darstellt, dasselbe analog für humanoide Roboter und den menschlichen Körper gilt. Wohl in keinem anderen Bereich der KI scheint die allgemeine Wahrnehmung so stark von einschlägiger Science-Fiction-Kultur geprägt wie hier. Selbst der Begriff des Roboters hat in der fantastischen Literatur seinen Ursprung (bei Karel Čapek in seinem Schauspiel »R.U.R.«). Die Möglichkeit, dass Roboter eines Tages in der Lage sind, menschliches Verhalten zu adaptieren und menschenähnliche Regungen zu äußern oder nachzuahmen, wird bis heute immer wieder auf breiter Basis diskutiert.

Vielfältige Einsatzgebiete von Robotern

Die Nutzung von Robotern in der ökonomischen Praxis ist weitgefächert. Neben klassischen Einsätzen in der industriellen Fertigung gehören dazu auch Einsätze in für den Menschen gefährlichen oder sogar lebensbedrohlichen Situationen, zum Beispiel bei der Bomben- und Minenentschärfung oder als Tauchroboter im Tiefseeeinsatz.

Treiber in diesem Kontext ist vermehrt die militärische Anwendung, sei es beim Lastentransport in unwägbarem Gelände, hier zählt zu den führenden Anbietern die vormals zu Google gehörende Firma Boston Dynamics, welche vorzugsweise die Bewegungsabläufe von Lebewesen auf die Robotik adaptiert, oder gleichfalls perspektivisch im Kampfeinsatz, was zunehmend auch ethische Fragen aufwirft (vgl. Teil C 1.2). Aber auch im zivilen Einsatz, beispielsweise als »mit-anpackende« Arbeitskraft im Lager (»Atlas«) oder im Haushalt bei der Erledigung von Aufgaben des täglichen Lebens, als Saug- oder Rasenmähroboter und selbst für das Einräumen der Spülmaschi[30]ne (wie der SpotMini von Boston Dynamics) haben sich eigenständige Roboter bereits als sinnvolle Helfer erwiesen. Derartige Maschinensysteme werden teilweise auch als »manipulative Intelligenz« bezeichnet, da sie auf eine intelligente Weise körperliche Arbeitshandlungen übernehmen und damit den Menschen von diesen entlasten.

Das Zusammenspiel mit KI beginnt dann, wenn diese außerhalb festgesetzter Regelwerke agieren, also auf autonomen Entscheidungen basierende Tätigkeiten verrichten. Die erwähnten Lastenroboter finden ihren Weg selbsttätig, sie bewegen sich in einem unvorhersehbaren Umfeld mit sich laufend ändernden Rahmenbedingungen. Eine Programmierung für jede Eventualität ist hier nicht möglich. Folglich müssen Entscheidungen fortwährend von der Maschine selbst getroffen werden.

Autonome Ortsbestimmung von Robotern

Dies markiert auch die Schnittstellen mit anderen selbststeuernden Systemen wie etwa selbstfahrenden Fahrzeugen Drohnen oder sogar Schiffen. Autonomes Fahren beruht auf der Lösung des sogenannten SLAM-Problems (englische Abkürzung für Simultaneous Localization and Mapping), der Herausforderung für ein System, zeitgleich eine Karte seiner direkten Umgebung zu erstellen und die eigene räumliche Lage und Position dabei zu bestimmen. Damit handelt es sich hierbei gewissermaßen um eine Henne-Ei-Problem, da ja zunächst weder Karte noch Position bekannt sind und diese gleichzeitig abzuschätzen sind. Die entsprechende Lösung soll über den Rückgriff auf verschiedene Algorithmen und Verfahren der Zustandsschätzung in dynamischen Prozessen erfolgen, etwa die sogenannte Monte-Carlo-Methode oder den (erweiterten) Kalman-Filter. Gefüttert werden diese durch extern erhobene Daten, wozu verschiedenste Sensortechniken Verwendung finden: etwa LIDAR (englisch Light Detection And Ranging),8 eine auf Laserstrahlen basierte Methode der optischen Abstandsmessung, das auch bei der Ortsbestimmung von Smartphones zum Einsatz kommende satellitengestützte Navigationssystem GPS (englisch Global Positioning System) oder Computer Stereo Vision, bei der zwei Kameras analog zu den menschlichen Augen in einem bestimmten Abstand platziert werden, um den Effekt des räumlichen Sehens maschinell zu erzeugen.

Einsatzgebiet autonomes Fahren

Bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge kommen in der Regel neuronale Netzwerke und Deep Learning (vgl. Teil A 1.3.2) zum Einsatz, um die Vielzahl der notwendigen Informationen, gesammelt etwa auch unter lebensechten Bedingungen im Straßenverkehr, verarbeiten zu können.

Strenggenommen handelt es sich beim autonomen Fahren um eine Weiterentwicklung des automatisierten Fahrens, welches in den 50er-Jahren des letzten Jahrhun[31]derts mit der Erfindung des Tempomats seinen Ursprung hat. »Echtes« autonomes Fahren ist immer noch Gegenstand der Forschung, die meisten derzeit in der Praxis eingesetzten Systeme haben nach wie vor den Status als Assistenzfunktion im automatisierten Fahren, was bedeutet, dass diese zwar weitgehend eigenständig die Steuerung des Fahrzeugs übernehmen können, aber der Mensch immer noch die Rolle der letzten Kontrollinstanz innehaben muss, auch um die Verantwortung im Straßenverkehr abzubilden. Schließlich gab es schon eine Reihe von Unfällen selbststeuernder Autos, teilweise auch mit daraus resultierenden Todesfällen.

Damit wird ein Problem identifiziert, das die technischen Herausforderungen bei der Entwicklung von KI auf den Punkt bringt und das auch als das Moravec Paradoxon bezeichnet wird: Der österreichisch-kanadische KI- und Robotik-Forscher Hans Peter Moravec schrieb 1988 in seinem Buch »Mind Children«:

»Es ist vergleichsweise einfach, Computer Intelligenztests auf Erwachsenenniveau absolvieren oder Dame spielen zu lassen, gleichzeitig ist es schwierig oder sogar unmöglich, ihnen die Fähigkeiten eines Einjährigen zu vermitteln, wenn es um Wahrnehmung und Mobilität geht.«

Betrachtete man in den Anfangszeiten der KI-Forschung noch die Simulation typischer intellektueller Fähigkeiten durch eine Maschine als größte Herausforderung, so hat sich diese Wahrnehmung inzwischen geändert. Vielmehr sind es einfache motorische und sensorische Fähigkeiten, die uns Menschen selbst als allzu simpel erscheinen, auch weil sie meist unbewusst ablaufen, die aber gleichfalls bei der künstlichen Reproduktion die größten Schwierigkeiten bereiten. Zurückgeführt wird dieses Phänomen darauf, dass körperliche Geschicklichkeit, im Gegensatz zur Fähigkeit, Dame spielen zu können, seit jeher Gegenstand der natürlichen, evolutionären Selektion war.

1.1.8 Lernen und abgeleitete kognitive Fähigkeiten

Wie eingangs schon beschrieben, existiert keine eindeutige, allgemeingültige Definition von KI. Die bereits betrachteten Erscheinungsformen und Aufgabenbereiche werden zwar regelmäßig als wichtige Bestandteile oder Indikatoren für das Vorhandensein von (künstlicher) Intelligenz in technischen Systemen gesehen. Es ist jedoch, wie schon ausgeführt, umstritten, ob diese bereits als hinreichende Merkmale zur Identifizierung von Intelligenz zu betrachten sind.

Lernfähigkeit als zentrales Intelligenzkriterium

Eine grundsätzliche Einigkeit scheint jedoch beim Lernen zu bestehen. Die Fähigkeit zu Lernen haben wir bisher immer mit Intelligenz verknüpft, nur intelligenten Lebewesen billigen wir diese Kompetenz zu: Ein Mensch erweitert im wörtlichen Sinne sei[32]