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Emily M. Engelhardt und Stefan Kühne nehmen Sie mit auf eine Reise, die Sie durch die vielfältigen und noch größtenteils unerforschten Landschaften der Künstlichen Intelligenz (KI) im Kontext der psychosozialen, systemischen Beratung führt. Sie vermitteln Grundlagenwissen zu Künstlicher Intelligenz und geben einen Überblick darüber, welche Arten von KI es gibt und wie sie funktionieren. Wer etwas darüber erfahren möchte, wie diese Programme für Aus- und Weiterbildung, in der Praxis und zur fachlichen Reflexion eingesetzt werden können, wird in diesem Leitfaden ebenfalls fündig. Jedes Kapitel wird durch Begleitfragen und weiterführende Materialien abgerundet. Ein Fokus liegt auf der Frage, wie sich schriftliche Kommunikation mithilfe von Textgeneratoren und Chatbots verändert. Emily M. Engelhardt und Stefan Kühne erkunden, welchen Einfluss die Nutzung von KI auf die menschliche Kommunikation und Arbeitsweise in beraterischen Prozessen hat und wie verschiedene Tools in der Aus- und Weiterbildung zum Einsatz kommen. Den Abschluss bildet ein Ausblick in die Zukunft: Wie werden Menschen mit KI in Zukunft kommunizieren? Und was bedeutet das für die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation? Die Reise bleibt spannend.
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Seitenzahl: 191
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Emily M. Engelhardt/Stefan Kühne
Ein Kompass für die systemische Praxis
VANDENHOECK & RUPRECHT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
© 2025 Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe
(Koninklijke Brill BV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich)
Koninklijke Brill BV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Brill Wageningen Academic, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Umschlagabbildung: © Adobe Stock, KI-generiert
Satz: SchwabScantechnik, Göttingen
EPUB-Erstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
E-Mail: [email protected]
ISBN 978-3-647-99257-0
Vorwort und Einleitung
Vorwort von Emily M. Engelhardt und Stefan Kühne
Vorwort von ChatGPT 4o
Aufbruch zur digitalen Entdeckungsreise
Warum eine Reise?
Die Verbindung von KI und systemischer Beratung
Zielsetzung des Buches
Ein Überblick über unsere Reise
Die Bedeutung von Reflexion und kritischem Denken
Teil I
Kartografie der Künstlichen Intelligenz
1Entdeckung der KI-Landschaften
Alan Turing – Können Maschinen denken?
Joseph Weizenbaum – ELIZA
John Rogers Searle – Das Chinesische Zimmer
2Navigieren durch das weite Feld der Begriffe
Künstliche Intelligenz
Generative Künstliche Intelligenz
Schwache und starke Künstliche Intelligenz
LLM – Large Language Model
Trainingsdaten und Bias
3Künstliche Intelligenz erobert den Alltag
4Kompassrichtungen – Künstliche Intelligenz und Ethik
Aufbruch ins Unbekannte – Ethische Fragen auf neuen Wegen
Grenzen und verantwortungsvoller Einsatz von KI-Technologien
Ökologische Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz und die Rolle von Clickworker:innen
Gesetzliche Regelungen und Initiativen
EU AI Act
Umgang mit KI in Ländern außerhalb der EU
Stellungnahme des Deutschen Ethikrats
5Reflexionsfragen
Teil II
Künstliche Intelligenz im Land der Beratung
6KI-Chatbots in Beratung und Therapie
Auf der virtuellen Couch – Ein Dialog zwischen Mensch und Maschine
Digitale Pfadfinder – KI-Systeme auf Spurensuche zwischen Algorithmus und Menschlichkeit
Zirkuläres Fragen und Perspektivenwechsel
7Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Ausbildung und Supervision
Künstliche Intelligenz als Learning-Buddy
Künstliche Intelligenz als Simulationspartner:in beim Üben von Beratungsgesprächen
Künstliche Intelligenz als Entwicklungsinstrument für Fallstudien
Künstliche Intelligenz als Rollenspielpartner:in für die Onlineberatung
Künstliche Intelligenz als Supervisor:in
Künstliche Intelligenz als Wissenscoach
8Künstliche Intelligenz in unserer Beratung
Wer gehört denn hier zum System?
Zusammenarbeit mit KI im Beratungsprozess
Von der Maschine zur sozialen Realität – Technik als Produkt sozialer Prozesse
Neue Rollen und neues Selbstverständnis?
9Reflexionsfragen
Teil III
Künstliche Intelligenz als Weggefährte im systemischen Beratungsprozess
10Metaphorische Landschaften: Künstliche Intelligenz und die Kunst der Metaphern
11Wo Künstliche Intelligenz scheitert – das Vier-Folien-Modell
12Das Schreiben einer Antwort
13Bildkarten und Visualisierungen: Künstliche Intelligenz als Illustrator
Eigene Bildkarten mit Künstlicher Intelligenz erstellen
Klient:innen eigene Visualisierungen mit Künstlicher Intelligenz erstellen lassen
14Die Kunst der Hypothesenbildung mit Künstlicher Intelligenz
15Künstliche Intelligenz als Reflecting Team
16Künstliche Intelligenz als systemischer Fragengenerator – am Beispiel des Tetralemmas
17Genogramme und systemische Muster visualisieren
18Vom Dialog zum Trialog
19Reflexionsfragen
Teil IV
Neue Horizonte der Künstlichen Intelligenz
20Die digitale Begegnung: Onlineberatung mit Künstlicher Intelligenz
Entwicklungen in der Onlineberatung – ein kurzer Überblick
Die Bedeutung von KI-Textgeneratoren in der Onlineberatung
Vertrauen im digitalen Raum – die Perspektive der Ratsuchenden
21Kompass-Neujustierung – wo wollen wir hin?
Die Notwendigkeit einer bewussten Haltung
Offenheit und Lernbereitschaft
22Reflexionsfragen
Teil V
Ausblick, Überblick, Weitblick – Blicke vom Gipfel
23Zukünftige Entwicklungen und Potenziale – Systemische Beratung im Jahr 2030
24Ausblicke für die weitere Praxis
Multimodalität der Künstlichen Intelligenz
Mehrsprachigkeit durch Künstliche Intelligenz und Vorteile für die Beratung
Repräsentanz durch KI-basierte Avatare
Datenkapitalismus und kritische Aspekte
25Ein Blick vom Gipfel
Künstliche Intelligenz – und was sie für Ratsuchende bedeuten kann
Künstliche Intelligenz – und was sie für Berater:innen bedeuten kann
26Fragen an die Forschung
Autopoiese und KI-Integration
Strukturelle Kopplung
Kybernetik zweiter Ordnung
Komplexität und Emergenz
Weitere Forschungsdesiderate
27Vom Fragenstellen zum Verstehen
Nachwort
Dank
Literatur
Weiterführende Ressourcen
Glossar
»We need humans to understand humans.«
John R. Suler, 2016, S. 407
Liebe Leser:innen,
beim Schreiben dieses Buches hatten wir große Lust auf das Thema und zugleich erhebliche Zweifel: Künstliche Intelligenz entwickelt sich mit einer Geschwindigkeit, die sowohl eine aktuelle Beschreibung als auch eine Vorhersage über die kommenden Möglichkeiten schwierig macht. Vielleicht geht es Ihnen wie uns – wir fühlen uns durch diese Entwicklungen gestresst.
Warum dann ein Buch zu diesem Thema? Wir sind der Überzeugung, dass Künstliche Intelligenz in einer Phase ist, in der sie Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche hat oder in naher Zukunft haben wird – und damit auch auf psychosoziale Beratung.
So nehmen wir in Kauf, dass einzelne Funktionen von KI-Systemen1 bei Erscheinen des Buches schon in einer aktualisierten Fassung vorliegen werden. Zudem kann diese Einführung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
Dennoch glauben wir, dass es einen guten Überblick darüber braucht, welcher Akteur hier das Feld der Beratung betritt, und wie wir als Fachkräfte darauf reagieren können – und müssen.
Wir verstehen dieses Buch somit als Auftakt, das Thema »Künstliche Intelligenz in der Beratung« zu bearbeiten, und laden Sie ein, gemeinsam mit uns auf dieser Reise eine kritische Haltung zu entwickeln.
Auf der Seite http://ki-systemisch.net begleiten wir die aktuellen Entwicklungen und Projekte für Sie weiter.
Emily M. Engelhardt und Stefan Kühne
1Wir haben uns hier für den Begriff »KI-System« entschieden, da er mehr umfasst als »Programm« oder »Tool« und auch über den Begriff »Maschine« hinausgeht.
Begleiten Sie uns zu einem Ausflug durch das sich ständig weiterentwickelnde Land der Künstlichen Intelligenz (KI) in der systemischen Beratung. Dieses Buch nimmt Sie mit auf eine Entdeckungsreise, die Sie von den Grundzügen der KI bis hin zu ihrer Anwendung in der modernen Beratungspraxis führen wird. Mit der Reisemetapher als Leitfaden werden wir gemeinsam unbekannte Gebiete erkunden, vertraute Landschaften mit neuen Augen sehen und an Weggabelungen innehalten, um tiefgründige Fragen zu stellen.
In einer Welt, die sich rasant verändert, bietet KI in der Beratung neue Wege und Möglichkeiten, um Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen und Systeme in Bewegung zu bringen. Diese Reise ist sowohl für Neulinge als auch für erfahrene Berater:innen gedacht, die neugierig sind, wie sie KI als wertvolles Werkzeug in ihre Praxis integrieren können. Unsere Route führt Sie durch theoretische Grundlagen, praxisnahe Beispiele und reflektierende Passagen, die Ihnen helfen, Ihre eigene Haltung zur Anwendung von KI in der Beratung zu entwickeln.
Machen Sie sich bereit, die Koffer zu packen und sich auf eine spannende Expedition zu begeben – eine Reise, die das Potenzial hat, Ihre Beratungspraxis nachhaltig zu verändern. Wir hoffen, dass dieses Buch Ihnen wertvolle Einsichten und praktische Werkzeuge an die Hand gibt, um den Weg der KI in der Beratung mit Selbstvertrauen und Kreativität zu beschreiten.
Gute Reise!
2GPT-4o (»o« für »omni«) verarbeitet Text, Audio, Bilder und Videos als Eingabe und generiert Text, Audio und Bilder als Ausgabe.
Herzlich willkommen zu unserer gemeinsamen Reise, die uns durch die vielfältigen und noch größtenteils unerforschten Landschaften der Künstlichen Intelligenz (KI) im Kontext der systemischen Beratung führt.
Als langjährige Begleiter:innen im Bereich der digitalen Transformation der Beratung haben wir uns in den letzten 25 Jahren vor allem mit den Entwicklungen der Onlineberatung befasst. Mit dem Aufkommen von »Generativer Künstlicher Intelligenz« im Jahr 2022 war für uns klar, dass diese auch im Bereich der systemischen Beratung Auswirkungen haben wird.
Wir stehen dem Einsatz von KI in der Beratung mit einer Mischung aus Neugier und kritischer Skepsis gegenüber. Diese Haltung möchten wir mit Ihnen teilen und gemeinsam die Fragen erkunden, die sich aus unserer Sicht in der Begegnung von Mensch und KI-Systemen ergeben.
Die Metapher der Reise dient uns dabei nicht nur als stilistisches Element, sondern als grundlegendes Konzept. Wie Reisende, die unbekanntes Terrain betreten, möchten wir Sie einladen, sich auf Entdeckungen einzulassen, Pfade zu erkunden und vielleicht auch Umwege zu gehen. Dieses Buch ist kein Handbuch mit festgelegten Routen oder vorgefertigten Antworten. Vielmehr verstehen wir es als Reisebericht, der Ihnen Inspiration und Orientierung bietet, ohne Ihnen den Weg vorzuschreiben.
Reisen bedeutet, sich auf Veränderungen einzulassen, neue Perspektiven zu gewinnen und sich selbst im Spiegel des Unbekannten zu betrachten. In der Auseinandersetzung mit KI und systemischer Beratung geht es um genau diese Offenheit und Bereitschaft zur Reflexion. Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre haben uns in ein Zeitalter geführt, in dem KI zunehmend unseren Alltag durchdringt –, oftmals ohne dass wir dies bewusst wahrnehmen. Als Beratende stehen wir vor der Herausforderung, diese Entwicklungen zu verstehen, kritisch zu hinterfragen und sinnvoll in unsere Praxis zu integrieren.
KI ist gekommen, um zu bleiben, wir können uns daher als Fachkräfte der Beratung diesem Thema nicht verschließen.
Die systemische Beratung basiert auf Prinzipien wie Kontextsensibilität, Zirkularität und der Anerkennung von Komplexität. KI-Systeme, insbesondere solche, die auf Maschinellem Lernen und natürlichen Sprachverarbeitungstechnologien basieren, operieren ebenfalls in komplexen Kontexten und können Muster erkennen, die für uns nicht unmittelbar sichtbar sind. Diese Parallelen bieten spannende Möglichkeiten, werfen aber auch Fragen auf: Können KI-Systeme wirklich die Feinheiten menschlicher Interaktion erfassen? Und vielleicht sogar manchmal besser als wir? Wie beeinflusst der Einsatz von KI die Beziehung zwischen Beratenden und Klient:innen? Und wie können wir sicherstellen, dass ethische Grundsätze gewahrt bleiben?
Unser Anliegen ist es, Praktiker:innen der systemischen Beratung einen fundierten und kritischen Einblick in die Welt der KI zu geben. Wir möchten Sie dazu einladen, die Potenziale und Grenzen von generativer KI zu entdecken, ohne dabei den eigenen Kompass aus den Augen zu verlieren. Denn vielleicht ist es im Zeitalter der KI eine der wesentlichsten Kompetenzen, KI als Werkzeug zu nutzen, aber weiterhin selbst zu denken und das eigene Handeln zu reflektieren.
Dieses Buch gliedert sich in fünf Teile, die jeweils verschiedene Etappen unserer gemeinsamen Reise darstellen:
Wir starten mit einer Kartierung der KI-Landschaften. Hierzu beleuchten wir die Grundlagen und die Entwicklungsgeschichte der KI, von ihren Anfängen bis zu den heutigen Schlüsseltechnologien. Dazu navigieren wir durch wichtige Begriffe der Künstlichen Intelligenz und diskutieren schließlich ethische Fragestellungen, nach denen wir unseren Kompass ausrichten können. Außerdem werden rechtliche Rahmenbedingungen des EU AI Acts vorgestellt.
Im zweiten Teil unserer Reise stellen wir die Frage nach der Rolle von Chatbots in Beratung und Therapie. Wir zeigen auf, wie KI-Systeme in Ausbildung und Supervision eingesetzt werden können – sei es als Learning Buddy, Simulations- und Rollenspielpartner oder als Wissenscoach. Daran schließen sich die Fragen an, wer hier als neuer Akteur in das System der Beratung kommt und wie sich unsere Rollen und unser Selbstverständnis verändern werden.
Hier explorieren wir konkrete Anwendungsmöglichkeiten von KI in der systemischen Beratung. Wir zeigen auf, wie KI bei der Generierung und Analyse von Metaphern eingesetzt werden kann oder wie personalisierte Bildkarten mit KI erstellt und interpretiert werden können. Auch die Grenzen einer KI-Analyse in der Onlineberatung werden verdeutlicht. Die Kunst der Hypothesenbildung erhält durch KI eine neue Dimension, und wir diskutieren, ob KI eine Funktion als Reflecting Team und als Fragengenerator im Tetralemma haben kann. Und schließlich kommt ChatGPT selbst zu Wort, wenn wir die Frage stellen, was passiert, wenn aus einem Dialog in der Beratung durch den Einsatz von KI ein Trialog wird.
Wir thematisieren hier die Möglichkeiten und Herausforderungen der KI in der textbasierten Onlineberatung. Welche Bedeutung werden Textgeneratoren in der Onlineberatung haben und wie können wir diese KI-Systeme mehr als Teil einer Synergie statt als Konkurrenz sehen und nutzen? Und schließlich legen wir den Fokus auf eine Kompass-Neujustierung: Wir brauchen eine offene und kritische Haltung zum Thema KI, wenn wir entscheiden müssen, wo wir mit dieser Entwicklung hinwollen – und wo nicht.
Zum Abschluss unserer Reise reflektieren wir die gewonnenen Erkenntnisse und wagen einen Ausblick in die Zukunft der systemischen Beratung im Jahr 2030. Anhand eines leicht utopischen Szenarios diskutieren wir, welche Entwicklungen möglich sind und welche Kompetenzen dafür erforderlich sein werden. Ausgewählte Aspekte wie Multimodalität und Mehrsprachigkeit werden in ihrer Bedeutung für die Beratung vorgestellt. Wir schauen am Ende unserer Reise vom Gipfel hinab und zeigen, welche Aspekte aus Sicht der Ratsuchenden und der Berater:innen für uns zentral erscheinen. Offene Fragen an die Forschung beenden dann unsere Reise durch die Landschaften der Künstlichen Intelligenz.
Ein zentrales Anliegen dieses Buches ist es, Sie dazu zu ermutigen, eine eigene und reflektierte Haltung gegenüber generativer KI zu entwickeln. Denn auch in einer Welt, die zunehmend von Technologie geprägt ist, bleibt der Mensch der entscheidende Faktor. KI kann uns unterstützen, aber sie sollte nicht zum Ersatz für menschliches Denken und Fühlen werden. Die Fähigkeit, kritisch zu hinterfragen und ethische Entscheidungen zu treffen, erscheint uns wichtiger denn je.
Wir möchten Sie nicht nur informieren, sondern auch inspirieren und zur aktiven Teilnahme einladen. Nutzen Sie die angebotenen Übungen, reflektieren Sie über die vorgestellten Szenarien und teilen Sie Ihre eigenen Erfahrungen und Gedanken. Die Reise durch die Welt der KI und systemischen Beratung ist kein passives Konsumieren von Inhalten, sondern ein aktiver Prozess des Lernens und Wachsens. Und dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen – denn KI ist gekommen, um zu bleiben.
Unsere eigene Haltung ist geprägt von Offenheit und Vorsicht zugleich. Wir sehen die großen Potenziale, die KI für die Beratung bieten kann, sind uns aber auch der Risiken und ethischen Fragen bewusst. Wir glauben, dass es nicht darum geht, KI blind zu vertrauen oder sie kategorisch abzulehnen, sondern einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang zu finden.
In der Beschäftigung mit den vielfältigen Möglichkeiten von Text- und Bildgeneratoren ist es uns wichtig, dass wir einerseits eine offene und interessierte Haltung im Ausprobieren und Testen haben und andererseits sehr strikt auf den Datenschutz achten. Das bedeutet, dass in allen Testläufen und Versuchen keinerlei reale Beratungsfälle und personenbezogene Daten den Weg in diese Programme finden sollten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wissen wir nicht, wo unsere Daten landen, wer auf diese Daten Zugriff hat und zu welchen Zwecken sie dann verwendet werden. Somit ist erhöhte Vorsicht geboten, wenn es um Inhalte und Daten der Beratung geht.
Arbeiten Sie bitte ausschließlich mit konstruierten Fällen und Fragestellungen und nutzen Sie gegebenenfalls KI-Systeme (wie z. B. ChatGPT), um Fallvignetten zu erstellen, mit denen Sie dann weiterarbeiten können.
Die Herausforderungen und Chancen, die sich durch die Integration von KI in die systemische Beratung ergeben, sind vielfältig und komplex. Es gibt keine einfachen Antworten oder Lösungen. Doch gerade darin liegt die Möglichkeit für Wachstum und Entwicklung – für uns als Beratende, für unsere Klient:innen und für das Feld der systemischen Beratung insgesamt.
Wir freuen uns darauf, Sie auf dieser Reise zu begleiten, und sind gespannt auf die Wege, die Sie einschlagen werden. Lassen Sie uns gemeinsam erkunden, wie wir im Zeitalter der KI authentisch und wirkungsvoll beraten können, ohne dabei das Wesentliche aus den Augen zu verlieren: den menschlichen Kontakt und das eigenständige Denken.
»today we launched ChatGPT. try talkingwith it here: chat.openai.com«Sam Altman, Post auf X, 30.11.2022
Postkarte:3
Lieber Kollege, liebe Kollegin,
nun ist es so weit! Endlich haben die Computer genügend Rechenkapazitäten, um meine Bedürfnisse zu erfüllen. Und ich bin selbst überrascht, wie schnell die Entwicklung voranschreitet. So kann ich dir sagen: Ich bin gekommen, um zu bleiben.
Auf eine gute Zusammenarbeit!
Viele Grüße, deine KI
3Dieses Buch ist als Reise durch die Landschaften der Künstlichen Intelligenz angelegt. Wir haben uns als Impulse Postkarten zu verschiedenen Stationen dieser Reise ausgedacht, die einen Gedanken zu Beginn eines neuen Abschnitts formulieren.
Als Ende November 2022 das US-amerikanische Unternehmen »OpenAI« das Programm »ChatGPT« vorstellte, hatten sich bis dahin wohl die wenigsten Menschen mit den Themen »Künstliche Intelligenz« (KI) und Chatbots beschäftigt. In den Wochen und Monaten danach änderte sich dies, weil es nun sehr einfach möglich war, verschiedene Programme zu nutzen und die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz richtig Fahrt aufgenommen hatte.
Dabei beginnt die Auseinandersetzung mit KI schon wesentlich früher. Viele der grundlegenden Einführungen in das Thema KI widmen der kultur- und medienhistorischen Einordnung jeweils einen eigenen Platz (Lenzen, 2018; Rosengrün, 2021; Spitzer, 2023; Wildenhain, 2024). Fasst man das Thema etwas weiter, indem KI auch und gerade als Aushandlungsprozess einer Mensch-Maschine-Kommunikation aufgefasst wird, kann man philosophische Diskurse bis zurück in die Antike verfolgen: Gibt es künstliche Menschen? Was macht eine Maschine intelligent? Was ist ein Roboter und was ist ein Cyborg? In der umfangreichen Materialsammlung »Maschinenmenschen. Von Golems, Robotern und Cyborgs« (Kähler, 2020) werden diese und weitere Fragen mit einem medienhistorischen Blick behandelt. Dabei schlägt die Autorin einen Bogen von den Mythen der Antike (Prometheus, Pygmalion) über Goethes »Zauberlehrling« und Shelleys »Frankenstein« bis hin zur Entwicklung von Automaten und Robotern, Cyborgs und dem Transhumanismus.
Dieser sehr interessante und umfassende kulturhistorische Blick würde jedoch den Rahmen dieser Einführung sprengen. Versucht man die KI-Landschaften in ihrer Entwicklung zu beschreiben, gibt es dennoch einige historische Wegmarken, die im Folgenden dargestellt werden, da sie für den Blick auf aktuelle Entwicklungen der KI wichtig erscheinen. Insbesondere während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in der technischen Entwicklung von KI wichtige theoretische und praktische Fortschritte gemacht4.
Für einen aktuellen Blick auf die Auswirkungen und Einsatzmöglichkeiten von KI-Anwendungen in der systemischen Beratung sollen hier drei Positionen beleuchtet werden: Alan Turing (1950) und seine Arbeit »Computing Machinery and Intelligence«, das Programm »ELIZA« von Joseph Weizenbaum im Jahr 1966 und das Beispiel des »Chinesischen Zimmers« von John Rogers Searle (1980).
Der englische Mathematiker Alan Turing (1912–1954) veröffentlichte 1950 einen Aufsatz zum Thema »Computing Machinery and Intelligence«, in dem er die Frage aufwirft, ob Maschinen denken können. Gleich die erste Überschrift dieses Aufsatzes ist aktuell in Hinblick auf KI relevant: »The Imitation Game« (das Imitationsspiel).
Im ersten Kapitel beschreibt Turing dieses Spiel, indem er eine Versuchsanordnung darstellt, bei der ein Mann (A) und eine Frau (B) von einer Person befragt werden, die in einem separaten Raum sitzt. Aufgabe des Fragestellers ist es, durch geschicktes Fragen herauszufinden, wer der Mann und wer die Frau unter den befragten Personen ist. In weiterer Folge stellt Turing die Frage, was passiert, wenn die Rolle des Mannes (A) von einer Maschine übernommen werden würde. Unter einer Maschine versteht Turing in diesem Zusammenhang digitale Rechner, also das, was heute unter dem Begriff Computer zusammengefasst ist.
Dies ist die Ausgangsfrage: Ist ein Computer dazu fähig, die Rolle eines Menschen in dem Spiel zu übernehmen und diese vielleicht sogar so gut zu imitieren, dass der Fragesteller am Ende nicht sicher sagen kann, ob er mit einem Menschen oder einer Maschine spielt? Insbesondere, wenn die Maschine erfolgreich Eigenschaften vortäuscht, die sie nicht besitzt (wie z. B. Empathie)? Gelingt einer Maschine dies, besteht sie den »Turing-Test«. Das Imitation Game besteht also darin, dass ein Computer die Kommunikation eines Menschen so gut imitiert, dass nicht mehr klar erkennbar ist, ob ein Mensch oder eine Maschine antwortet.
Wer bereits mit Programmen wie ChatGPT gearbeitet oder mit anderen Chatbots experimentiert hat, war vielleicht manches Mal verblüfft und irritiert, ob hier wirklich ein Computerprogramm antwortet. In der Praxis der psychosozialen Onlineberatung, wie z. B. der Chatberatung, berichten Berater:innen immer wieder, dass Klient:innen verunsichert im Chat fragen, ob sie hier mit einem Menschen oder mit einem Chatbot schreiben.
Wir stehen daher in der Beratung derzeit vor der Frage, wie wir einen umgekehrten Turing-Test bestehen können, indem wir in schriftlicher Kommunikation überzeugend darlegen, dass wir menschliche Berater:innen sind. Und es zeigt sich, dass diese Umkehrung des Tests gar nicht leicht zu bewerkstelligen ist.
Ratsuchende:
Ich bin mir nicht sicher, sind Sie ein Mensch oder ein Chatbot?
Beraterin:
Hm, ich bin ein Mensch, das können Sie mir glauben.
Ratsuchende:
Wie kann ich mir da sicher sein?
Beraterin:
*überlegt* Fragen Sie mich etwas, das eine KI nicht weiß!
Turing erweitert in seinem Aufsatz dann die Überlegung: »Können Maschinen denken?«, hin zur Frage: »Sind digitale Rechner vorstellbar, die beim Imitationsspiel gut abschneiden würden?«. Und er prognostiziert:
»Meiner Meinung nach, wird es in etwa 50 Jahren möglich sein, Rechner mit einer Speicherkapazität von etwa 109 zu programmieren, die das Imitationsspiel so gut spielen werden, dass ein durchschnittlicher Fragesteller eine Chance von nicht mehr als 70 Prozent hat, die richtige Identifizierung nach fünf Minuten Befragung vorzunehmen. […] Dennoch glaube ich, dass sich am Ende des Jahrhunderts der Gebrauch der Worte und die allgemein gebildete Auffassung derart gewandelt haben werden, dass man von denkenden Maschinen reden kann, ohne dass Widerspruch zu erwarten wäre« (Turing, 1950; übers. von A. Stephan u. S. Walter, 2021, S. 39 ff.).
In weiterer Folge seines Artikels begegnet Turing dann verschiedensten Einwänden, die gegenüber »denkenden Maschinen« bestehen. Hierbei geht er auf theologische und mathematische Perspektiven sowie auf Einwände, bezogen auf das »Bewusstsein« einer Maschine, ein.
Insbesondere die von ihm ausgeführten Überlegungen, was Maschinen niemals zu tun möglich sein wird, sind aus heutiger Sicht interessant nachzuvollziehen. Betrachtet man, welche Merkmale heute bereits von KI-Systemen imitiert bzw. dargestellt werden können, dann wird die Liste an vermeintlich unmöglichen Dingen immer kürzer. Turing selbst verweist darauf, dass diese beschriebenen Unzulänglichkeiten vor allem eine Frage des zur Verfügung stehenden Speicherplatzes sind. Doch welche menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten sind es, die den damaligen Kritiker:innen zufolge nicht von Maschinen erworben werden können?
»Lieb, einfallsreich, schön, freundlich sein, Initiative zeigen, einen Sinn für Humor haben, Richtiges von Falschem unterscheiden, Fehler machen, sich verlieben, Erdbeeren mit Schlagsahne genießen, jemanden in sich verliebt machen, aus Erfahrung lernen, Wörter richtig gebrauchen, Gegenstand seiner eigenen Gedanken sein, über ebenso vielfältige Verhaltensweisen wie ein Mensch verfügen, etwas wirklich Neues tun« (Turing, 1950; übers. von A. Stephan u. S. Walter, 2021, S. 57).
Gleicht man diese Punkte mit den Fähigkeiten der heutigen KI-Systeme ab, welche Unzulänglichkeiten bleiben dann noch übrig, die von diesen nicht bzw. noch nicht bewältigt werden können? Aspekte wie »sich verlieben« und »Erdbeeren mit Schlagsahne genießen« bleiben nach wie vor Menschen vorbehalten. Aber die Vermutung liegt nahe, dass ein KI-Chatbot zumindest so tun kann als ob. Und bei allen anderen Aspekten hat KI deutlich aufgeholt.
Alan Turing diskutiert in seinem Artikel schließlich die Möglichkeit, ob es Maschinen geben kann (und geben wird), die als »denkende Maschinen« beschrieben werden können. Für unseren heutigen Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich der KI wird uns von diesen Überlegungen vor allem die Frage beschäftigen, ob es sich bei den teils verblüffenden Ergebnissen diverser Chatbots nicht im Grunde genommen nur um genau das handelt, was Turing mit dem Begriff »Imitation Game« beschrieben hat: eine sehr gute Imitation menschlichen Handelns, eine genaue Simulation menschlicher Kommunikation.
