Kuss der Todesfrucht - Agnes M. Holdborg - E-Book

Kuss der Todesfrucht E-Book

Agnes M. Holdborg

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Beschreibung

Morgen ist das Heute schon wieder gestern, oder? Was ist, wenn Traum, Wirklichkeit, Erinnerung und Zukunft nicht mehr ihre geordneten Wege gehen? Die Welt der Träume ist Manuela bekannt, flüchtet sie sich doch Nacht für Nacht dort hin. Doch die Schatten der Vergangenheit verfolgen sie überall, bis der geheimnisvolle Adol sie davon befreit. Er bringt sie in sein Reich, wo Zeit und Traum sich anders messen. Ihre Liebe scheint die verschiedenen Welten miteinander zu verbinden. Allerdings lauert Gefahr, die den Schrecken aus Manuelas früherem Leben zurückbringt. Es ist an der Zeit, dass sie sich dem stellt.

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Agnes M. Holdborg

Kuss der Todesfrucht

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Widmung und Dank

Feierabend

Zeitlos

Der Traum einer jeden Frau

Der Kuss der Todesfrucht

Dämonen der Nacht

Déjà-vu

Offenbarung

Überredungskünste

Nur ein Schluck Kaffee

Racheschwur

Vom Winde verweht

Überraschungsmomente

Unvorbereitet

Der Erhabene Berg

Höhen und Tiefen

Ein letzter Blick

Arbeit, Schweiß und warmer Stahl

Grauen

Sternenstaub

Eine Überraschung kommt selten allein

Zukunftsträume

Pläne

Himmelslichter

Sirina

Impressum neobooks

Widmung und Dank

Für dich!

Auch wenn du schon so viele, viele Jahre nicht mehr hier bist.

Du bist immer bei mir!

~~~

Mein Dank geht an Medusa, Sandra, Ursula und Jane, die mich beim Schreiben dieses Buches mit viel Geduld begleitet haben. Auch Lisabeth, Ramona und Rina danke ich, weil sie mich immer wieder in meinem Tun bestärkten.

~~~

Aus der Zeit wollt ihr einen Strom machen, an dessen Ufern ihr sitzt und zuschaut, wie er fließt. Doch das Zeitlose in euch ist sich der Zeitlosigkeit des Lebens bewusst. - Und weiß, dass Gestern nichts anderes ist, als die Erinnerung von Heute - und Morgen der Traum von Heute.

Khalil Gibran, Der Prophet

Feierabend

Wieder leuchteten die beiden großen Scheinwerfer in ihrem Rückspiegel auf. Außerdem vernahm sie deutlich eine Art schrammendes, schlurfendes Geräusch vorne links. Das kam ihr ja leider schon bekannt vor. Jedoch wackelte da jetzt nicht zusätzlich etwas?

Oh Gott, oh Gott! Ich hab‘s doch gewusst. Ich hätte das schon längst reparieren lassen sollen, verdammt!

Mit einer fahrigen Handbewegung beantwortete Manuela Kern die Lichthupe des LKW-Fahrers hinter sich und schaute genauer in den Spiegel. Jetzt könnte der Kerl aber wirklich mit diesen Sperenzchen aufhören, meinte sie. Schließlich war sie ja nicht blind und hatte seine Lichtspiele durchaus bemerkt.

Vorsichtshalber drosselte sie noch einmal die Geschwindigkeit, aus Furcht, der linke Vorderreifen des in die Jahre gekommenen klapprigen Golfs könnte eventuell den Geist aufgeben, und das, kurz bevor sie ihre Autobahnabfahrt erreicht hätte.

»Nein, nein, nein, komm schon, ja? Komm schon, das darf nicht passieren«, flüsterte sie fast wie ein Gebet vor sich hin. Dies war eine ihrer Methoden, mit denen sie seit geraumer Zeit versuchte, Lebenskrisen zu bewältigen. Sie sprach ihre Ziele regelmäßig leise aus.

Dann erhob sie allerdings die Stimme: »Mann, dieser Hornochse hinter mir macht es mir mit seinem Getue nicht gerade leichter! Hätte ich den doch bloß nicht überholt. Jetzt hängt der mir auf der Pelle. Ach, egal, aber der Reifen muss einfach durchhalten, wenigstens bis nach Hause oder besser noch bis zum Supermarkt. Ich brauche unbedingt Brot und Milch, hhm, und Käse.«

Wieder ein Lichtsignal! Manuela wunderte sich, dass der LKW sie nicht einfach wieder überholte. Schließlich fuhr sie mittlerweile auch für so einen ›Brummi‹ viel zu langsam.

»Jaja, meine Güte, ich fahr ja gleich ab, du Idiot«, murmelte sie ungehalten vor sich hin und winkte ihrem Hintermann mit erhobener Hand zu, während sie gleichzeitig per Rückspiegel versuchte, so etwas wie Blickkontakt zu ihm aufzunehmen. Er sollte endlich Ruhe geben. Sie wusste auch so, dass das Vorderrad ein wenig eierte.

Als sie kurz vor der Abfahrt erleichtert aufseufzte, weil die Autobahn fast hinter ihr lag und sie außerdem den Quälgeist endlich loswerden würde, stellte sie beim Blinkersetzen mit einem weiteren Blick zurück missmutig fest, dass ›Brummi‹ denselben Weg einschlug wie sie.

Mist! Wo will der denn hin?

Aufs Neue versuchte sie, Augenkontakt zu dem Fahrer aufzunehmen, konnte aber nur verschwommen wahrnehmen, wie der die Hand wie zum Gruße hob. Resigniert erwiderte Manuela den Gruß, nahm sich dann aber vor, ihn nicht weiter zu beachten. Schließlich hatte sie es nicht mehr weit bis zum Supermarkt. Spätestens dann fände die Verfolgungsjagd sicher ein Ende. Allerdings war sie fest davon überzeugt, der Fahrer hinter ihr müsste mit seinem LKW sowieso ganz woanders hin.

Doch weit gefehlt! Das riesige Gefährt folgte ihr auch jetzt noch überall hin: durch das schmale geschäftige Sträßchen ihrer kleinen Stadt. Es schlängelte sich geschickt an den rechts und links parkenden Autos vorbei, fuhr hinter ihr über drei Kreuzungen. In den nächsten zwei reichlich eng bemessenen Kreisverkehren konnte Manuela sogar deutlich erkennen, wie immens groß dieses Fahrzeug war.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengrube breit. So schlimm war das mit dem Reifen ja nun auch wieder nicht, oder? Eigentlich hatte sie schon gedacht, sich dieses Schlackern lediglich eingebildet zu haben. Außerdem fuhr sie doch extra schön langsam, und nach dem Einkauf wollte sie den Wagen direkt in die benachbarte Werkstatt geben.

Und überhaupt, was geht das eigentlich diesen Troll an?, fragte sie sich reichlich verärgert.

Ohne Rücksicht auf den lädierten Vorderreifen gab sie Gas und brauste, ganz entgegen ihrer sonstigen Art, mit überhöhter Geschwindigkeit auf den Parkplatz des Supermarktes. Hierhin könnte ihr der Kerl mit seinem Riesen-Vehikel nun wirklich nicht folgen, freute sie sich und beobachtete zufrieden, wie ›Brummi‹ am Parkplatz vorbei in Richtung Discounter rollte.

Ah, ging ihr ein Licht auf, der beliefert ›Aldi‹, ja dann! Zufälle gibt‘s, die gibt‘s gar nicht!

Mit einem Kopfschütteln machte sie sich bereit für ihren kurzen Einkaufsabstecher.

~~~

Was war heute eigentlich mit ihr los? Sie hatte doch sonst alles relativ gut im Griff. Dementgegen fühlte sie sich heute irgendwie unwohl in ihrer Haut. Vielleicht lag es ja daran, dass die Sache mit dem Auto sie aus ihrem regelmäßigen Alltag herausgerissen hatte. Aber damit würde sie auch noch fertig, bestimmt!

Hätte sie doch nur einen Korb anstatt Einkaufswagen genommen oder sich wenigstens eine Liste gemacht, von wegen nur Brot, Milch und Käse! Wie fast jedes Mal türmten sich in dem Wagen zahlreiche Dinge, die sie in ihrer gedanklichen Einkaufsliste nicht aufgeführt hatte. Nun denn, sie brauchte das Zeug trotzdem: Das Fläschchen Wein für den heutigen Donnerstagabend, an dem sie besonders erholungsbedürftig war, weil sie an diesem Tag länger arbeitete als während der übrigen Woche. Außerdem musste sie diese Auto-Aufregung verdauen. Am besten mit einem duftenden Schaumbad bei Kerzenlicht. Und das Deo war fast alle, das jetzige Shampoo taugte nichts. Auch ein paar Chips vor dem Fernseher könnten nicht schaden. Ach ja, auf jeden Fall fehlten fürs morgige Frühstück noch so einige Sachen und und und.

Unschlüssig kaute sie auf der Unterlippe, weil sie sich vorgenommen hatte, mehr auf ihre Gesundheit zu achten, mit viel Grünzeug und Vitaminen. Aber so eine kleine Tiefkühlpizza, ohne Salami, nur mit Spinat? Ja, die würde sie sich heute dennoch gönnen.

Voller Vorfreude beugte sie sich über die Tiefkühltheke, als ein Schlag auf den Allerwertesten sie aus ihren kulinarischen Träumereien riss.

Mit der Pizza Spinaci in der Hand schnellte sie hoch und blickte geradewegs in zwei blitzend dunkelbraune Augen über einem bildschön geschwungenen, grinsenden Mund. Atemlos hielt sie inne. Eigentlich hatte sie beabsichtigt, dem unverschämten Kerl die Pizza um die Ohren zu hauen, doch sein freches, gleichzeitig charmantes Grinsen entwaffnete sie derart, dass sie sich die Pizza lediglich unter den Arm klemmte und mit der freien Hand ihren kurzen Jeansrock zurechtzupfte.

Trotzdem raunzte sie ihn an: »Mach das noch mal, und du spürst mein Knie dort, wo du es lieber nicht spüren willst!«

Er hob ergeben die Hände. »Entschuldigung, bei dem herrlichen Anblick konnte ich einfach nicht widerstehen.«

Sie besah ihn sich genauer. Der ist ja noch nicht einmal trocken hinter den Ohren, stellte sie amüsiert fest.

»Hör mal, Jüngelchen, ich könnte beinah deine Mama sein, also verzieh dich besser, bevor ich es mir anders überlege, du Flegel!«

Er strahlte weiter. »Tja, Sie haben sich ganz schön gut gehalten, Mami«, gab er schelmisch zurück. »Liege ich richtig, wenn ich davon ausgehe, dass Sie heute Abend leider nicht was trinken mit mir gehen möchten?«

Meine Güte! »Ne, Bubi, ganz bestimmt nicht, und wenn du nicht aufhörst, deinen Auserwählten auf den Po zu klopfen, wirst du wohl auch in der nächsten Zeit alleine bleiben.«

Das stimmte nicht, gestand sie sich ein, denn der Typ versprühte trotz seines unverschämten Benehmens einen derartigen Charme, der so mancher ihrer Geschlechtsgenossinnen die Knie weich werden ließ, jedenfalls den jüngeren – selbstverständlich!

»Nicht Bubi«, gab er lachend zu verstehen. »Ich heiße Juri.«

»Okay, Juri, wage es ja nicht, deine Hand noch einmal auf irgendein Körperteil von mir zu legen. Und nu mach hinne, weg, weg mit dir!«

Auf ihre scheuchende Handbewegung hin präsentierte er ihr einen albernen Diener, der seine strohblonden Haare vornüberfallen ließ, und gewährte ihr Durchlass.

Sein weiteres Lachen entlockte ihr ein Kichern. Da musste sie doch tatsächlich achtundzwanzig werden, um im Supermarkt von einem jugendlichen Schnösel, zugegeben einem sehr süßen Schnösel, betatscht zu werden. Das war ihr wirklich noch nie passiert, dachte sie, und stellte dabei verwundert fest, dass sie sich über diese Belästigung auch noch freute. Selbst der Gedanke daran, was geschehen wäre, wenn er etwas davon mitbekommen hätte, verleidete ihr die gute Laune nicht. Sie wollte sich nicht über diesen Vorfall ärgern. Schließlich war der Junge letztendlich ganz nett, obwohl sein Benehmen zu wünschen übrig ließ. Sie einfach auf den Po zu hauen, so etwas aber auch! Vielleicht lag es ja daran, dass sie einige Kilos verloren hatte, seit ...

Oh nein!, verbot sie sich still. Tabuzone! Nicht weiter drüber nachdenken und stattdessen Obst, Salat und Gemüse kaufen! Pizza, Chips und Wein vorher zurücklegen, los!

Mit einem tiefen Stoßseufzer gehorchte sie ihrem herrischen Über-Ich und schlug danach den Weg zur Kasse ein.

Och ne, muss denn um diese Zeit immer so viel los sein?, stöhnte sie innerlich, während sie sich ans Ende der Schlange stellte. Nachdem sie in ihrer Handtasche nach der Geldbörse gekramt hatte, warf sie unwirsch ihre lange dunkelbraune Lockenpracht auf den Rücken. Weil das Ganze noch einige Zeit dauern könnte, legte sie sich im Kopf ihre ›To-do-Liste‹ für nach dem Einkauf zurecht. Auch eine wichtige Methode, ihrem Leben die richtige Richtung zu geben. Oder vielmehr dem Versuch dazu, denn oft genug hielt sie sich letztlich doch nicht an die vorgegebene Reihenfolge. Leider stand auf dieser imaginären Liste als nächster Erledigungspunkt die Autowerkstatt.

Okay, aber vorher eben den Einkauf zu Hause ausladen und hochtragen, das muss noch drin sein.

Wieder wurde sie unsanft aus ihren Gedanken geholt. Sie wollte schon patzig werden, weil sie geschubst wurde, dachte sie doch, der junge Poklopfer-Adonis ließe sie immer noch nicht in Ruhe. Da wurde sie auch schon zum zweiten Mal behände von einer mindestens achtzig Jahre alten rüstigen Rentnerin zur Seite geschoben. »Machen Sie mal Platz, ich muss zur Kasse!«, schnauzte die Alte sie an.

»Tja, entschuldigen Sie, verehrte Dame, aber ich bin ja wohl vor Ihnen dran. Sie können sich doch nicht einfach so vorfudeln.«

»Vorfudeln?« Die Frau zeigte ihre tadellosen Porzellanzähne. »Hören Sie, das ist mal wieder typisch für die Deutschen«, gab sie schnippisch von sich. »Noch nie was vom Reißverschlusssystem gehört, was? Junge Dame, ich mache schon seit zwanzig Jahren immer die gleiche Runde in diesem Geschäft. Zum Schluss komme ich stets hier aus und fädle mich ordnungsgemäß ein.«

Sie ruckelte ohne Unterlass mit ihrem Einkaufswagen gegen den von Manuela. Die blies resigniert die Wangen auf. Kampf mit einer überalterten Matrone?, focht sie ihren eigenen innerlichen Kampf. Oder bedingungslose Kapitulation?

Nach einigem internen Hin und Her entschied sie sich für die Vernunft. »Aber natürlich«, säuselte sie zuckersüß, »das Reißverschlusssystem. Wie konnte ich nur so dumm sein?« und ließ die unfreundliche Greisin mit einer freundlichen Geste vor.

Schlecht gelaunt stellte Manuela später fest, dass sie wieder einmal keinen Einkaufsbeutel dabei hatte. Warum auch, wollte sie doch eigentlich nur drei Dinge besorgen? Mit zwei prallgefüllten Plastiktüten beladen verließ sie endlich den Supermarkt.

Puh, was für ein Tag!, dachte sie und verlagerte währenddessen das Gewicht der schweren Tüten, deren Henkel ihr bereits in die Hände schnitten, und das, obwohl sie doch einige Teile wieder zurück in die Regale geräumt hatte.

»Das ist schon ganz schön unverschämt«, wurde sie zum dritten Mal in kürzester Zeit aus ihren Gedanken gerissen.

»Wie bitte?« Sie konnte nicht verhindern, völlig verwirrt zu klingen ob der Frage - und ob der einnehmend stahlblauen Augen, die sie unter dichten dunkelblonden, zerzausten Haaren intensiv musterten.

»Na ja«, entgegnete der Mann mit schiefem Lächeln, »mit solchen Beinen vor mir herzufahren ist nun mal echt eine Unverschämtheit.«

Sie zog die Augenbrauen zusammen. Irgendwoher glaubte sie, den Mann zu kennen. Aber, woher nur?

»Da fahre ich Kilometer um Kilometer hinter Ihnen und Ihren verdammt hübschen Beinen her, und Sie erkennen mich nicht?«, klärte er sie auf.

Ihr klappte die Kinnlade herunter. Sie spähte an dem großen Mann vorbei. Da stand der ihr so bekannte Truck am Parkplatzrand, in seiner ganzen Pracht.

»Oh«, gab sie kleinlaut von sich. »Sie? Sie sind das? Aber ich dachte, mit der Lichthupe, da meinten Sie, ähm, mein Auto. Meinten Sie nicht mein Auto? Also, der Vorderreifen, hm, also, der ist nicht in Ordnung, äh ...«

Gott, war ihr das peinlich, keinen richtigen Satz zustande zu bringen. Bestimmt lief sie wieder einmal rot an. Wie sie das hasste!

»Ihr Auto ist kaputt?«, fragte er stirnrunzelnd und wirkte überrascht. »Davon habe ich gar nichts bemerkt. Entschuldigen Sie, ich hatte halt nur Augen für Ihre unglaublichen Beine. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«

»Beine?«, wiederholte sie tumb. »Helfen?« Sie schüttelte eilig den Kopf. »Nein, nein, Sie brauchen mir nicht zu helfen. Ich fahre gleich in die Werkstatt. Die liegt in der Nachbarschaft. Kein Problem. Vielen Dank, und, ähm, Tschüss.«

Sie wollte auf dem Absatz kehrtmachen, doch er hielt sie an der Schulter fest. »Ich hätte aber schon gern Ihren Namen und Ihre Telefonnummer, schöne Frau.«

Was? Was hat er gesagt? Himmel, der brachte sie vollends aus dem Tritt.

Zu allem Überfluss öffnete sich zu diesem Zeitpunkt auch noch die Glastür. Der Jungschnösel Juri kam aus dem Laden, gesellte sich zur Reißverschlussgreisin, die Manuela aufmerksam zu beobachten schien, und beide grienten sie unverschämt an.

Himmel, dachte sie erneut, was ist denn heute nur los?

Obwohl es ihr äußerst schwerfiel, versuchte sie, die beiden möglichst würdevoll mit Nichtachtung zu strafen, atmete kontrolliert aus, noch einmal tief ein, ehe sie sich wieder dem Mann zuwandte: »Hören Sie, Herr Brummifahrer, tut mir leid, wenn wir uns da missverstanden haben, aber erstens habe ich ganz normale Beine.« Dabei versuchte sie mit den Tüten die beiden Objekte seiner Begierde möglichst zu verbergen. »Und zweitens gebe ich Fremden gegenüber ganz sicher nicht meine persönlichen Daten preis, also wirklich!«

Er verzog keine Miene. Nicht hässlich, der Typ, schoss es ihr durch den Kopf, wobei sie inständig hoffte, nicht noch roter zu werden.

»Okay, Lady, das habe ich kapiert.« Die Stirn in Falten gelegt, fuhr er fort: »Schade, Ihre Zeichen während der Fahrt kamen mir eindeutig vor.«

Plötzlich überraschte er sie damit, sich über sie zu beugen. Er war groß, sehr groß. Sie musste mit ihren über eins fünfundsiebzig den Kopf in den Nacken legen, um ihn weiter ansehen zu können. Als er ihr so nahekam, kitzelte sein Haar in ihrem Gesicht. Doch sie sah nur seine Augen, spürte seinen Atem, nahm seinen Geruch nach Tabak, Moschus, Straße – und Mann wahr.

Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte sie ein magisches Knistern in der Luft. Ein alt vertrautes Gefühl, das sie aus ihrem Leben verbannt hatte und auch nun sofort abschüttelte, selbst wenn ihr die Knie weich wurden. Mit einem Mal fühlte sie etwas an ihrem Ausschnitt kratzen.

Himmelherrschaftszeiten! Steckt der mir da etwa was ins T-Shirt?

»Ich hatte schon vermutet, dass eine Klassefrau wie Sie wohl eher nicht für einen flüchtigen Straßenflirt zu haben ist, aber Ihre Beine ...« Er ließ den Satz unvollendet. »Ciao, schöne Lady. Ich bin jederzeit für Sie da.«

Er wandte sich ab, drehte sich aber noch einmal um. Schade, dachte sie, weil sie gerade dabei gewesen war, seine faszinierend maskuline Kehrseite zu bewundern.

»Ach«, fügte er noch hinzu, »viel Glück mit Ihrem Auto.«

Behände sprang er hinauf ins Führerhaus, startete den Diesel und fuhr davon, ohne einen weiteren Blick auf sie zu werfen.

»Jaja«, hörte Manuela die krächzende Stimme der alten Kassenstürmerin hinter sich, »die jungen Männer heutzutage sind auch nicht schlechter als die früher. Den würd ich mir an Ihrer Stelle nicht durch die Lappen gehen lassen, schließlich hat er Ihnen ja seine Telefonnummer dagelassen.«

Langsam drehte Manuela sich zu der Frau um. »Telefonnummer? Was reden Sie denn da?«

»Herrje, Kindchen, stellen Sie sich doch nicht dümmer an, als Sie‘s an der Kasse waren. Mein Gott, der hat Ihnen doch einen Zettel in den Ausschnitt gesteckt. Ich gehe jede Wette ein, dass darauf eine Telefonnummer steht. Sind Sie denn total plemplem?«

Als auch noch Jungadonis Juri seinen Senf dazugeben wollte, tauchte Manuela endlich aus ihrer Verwirrung auf und wies ihn mit einem gekonnten Blick kurzerhand in die Schranken.

»Alles klar!«, rief sie etwas zu laut aus und bedachte sowohl Jung als auch Alt ein weiteres Mal mit strafendem Blick. »Ich danke Ihnen beiden, dass Sie dieser außergewöhnlichen Show so aufmerksam beigewohnt haben. Nun möchte mich ganz herzlich verabschieden. Auf Nimmerwiedersehen!«

Sprach‘s und hastete zum Auto.

~~~

»Gas geben!«, schrie der Mechaniker gegen das Aufheulen des Motors an.

Manuela verstand einfach nicht, warum der Mann sich unbedingt den Motor anhören wollte, wo doch das Vorderrad nicht in Ordnung war. Dennoch tat sie, was er ihr so ›freundlich‹ zubrüllte.

»Gut, der Motor ist schon mal soweit okay, aber jetzt machen wir mal 'ne kleine Spitztour.«

Ehe sie sich versah, schmiss er sich mit seinen ölverschmierten Klamotten in ihren zugegebenermaßen auch nicht gerade sauberen Altgolf.

»Woll‘n doch mal sehen, was mit der Kiste los ist. Also, dann mal los, junge Frau. Fahr‘n Sie mal so ‘n Stückchen rum, und ich guck und hör mir das Ganze mal an.«

Verärgert zog sie die Brauen hoch. Sie hatte gehofft, ihren Wagen fein säuberlich in eine der Parkbuchten neben der Werkstatt abstellen und das Auto danach - samt Schlüssel und Papieren, inklusive Schilderung des Problems – dalassen zu dürfen, um sich danach endlich ihrem heimischen Abendprogramm widmen zu können. Ein verlockender Gedanke, auch wenn dieser letztlich keine Pizza, Chips und keinen Wein mehr beinhaltete. Doch nun saß ein völlig verdreckter grober Kerl neben ihr und faselte ständig was von »mal Gas geben, mal in die Kurve gehen, mal Autogeräusche deuten«. Was für ein Tag!

»So geht das nicht!«, schimpfte er. »Halten Sie mal an! Ich fahre mal!«

»Sie? Wieso wollen Sie mein Auto fahren?«, protestierte Manuela lauthals. Allmählich verlangte ihr dieser Tag zu viel ab.

»Soll ich die Karre denn nun auf Vordermann bringen, oder nicht?«

»Blöde Frage, klar sollen Sie!«

»Herzchen, dann tun Sie jetzt mal, was ich Ihnen sage. Da vorne ist ein Parkplatz. Halten Sie an!«

Sie tat es. Warum auch nicht?, überlegte sie. Heute läuft doch sowieso alles anders oder schief. Sie bereute ihre Entscheidung just in der Sekunde, als er sich hinters Steuer klemmte und Gas gab. Augenblicklich war ihr klar, dass nun ihr letztes Stündlein schlagen würde. Überdies würde die Aufmerksamkeit sämtlicher Starenkästen des Ortes einzig diesem Kerl, ihr und ihrem Auto gelten, was ihr zu guter Letzt auch noch fürchterliche Fotos einbrächte.

Gerade, als sich ihr Magen zum dritten Male hob, sich gen Umkehrrichtung drehte und sie überlegte, wie es wohl wäre, wenn das bisherige Leben in einzelnen Bildern an ihrem geistigen Auge vorbeizöge, schrie dieser verrückte Mechaniker: »Haben Sie das gehört? Da schlurft nicht nur was, da knackt auch was! Das ist nicht der Reifen, Süße, das ist die Radaufhängung, die ist hin!«

Er war vergnügt - sie am Boden zerstört.

Radaufhängung? Was heißt das? Vielleicht Achse?

Das hörte sich nach verdammt hohen Kosten an. Dabei hatte sie erst gestern eine super schöne, zudem sündhaft teure Handtasche entdeckt.

»Tja, ich empfehle Ihnen da mal eine neue Kiste. Mit Tickel-Tackel-Schuhen oder 'ner schicken Handtasche können Sie jedenfalls nicht fahren, Süße.«

Gott, kann dieser ungehobelte Klotz etwa auch meine Gedanken lesen, so wie ...? Stopp! Den letzten Gedanken unbedingt streichen!

Insgeheim stimmte sie dem Mann zu, wenn auch widerwillig. Trotzdem, es müsste eine andere Lösung für das Problem geben.

Dankbar, dem Kamikaze-Fahrer entkommen zu sein, stieg sie an der Werkstatt mit wackligen Beinen aus.

»Hey«, meinte der Mechaniker in versöhnlichem Ton, wobei er ihr den Autoschlüssel reichte, »es wäre wirklich vernünftiger, wenn Sie sich mal ein neues Auto zulegen würden. Das ist nämlich nicht das einzige Manko, was diese olle Karre hier aufweist. Es lohnt sich einfach nicht, dafür noch Geld zu investieren, echt.«

Sein Lächeln schien aufrichtig zu sein. Erst jetzt bemerkte Manuela sowohl die Zahnlücke und angegrauten Haare als auch seine eher väterliche Art. Der Mann war sicher schon ein Stück über fünfzig und könnte ihr Vater sein. Warum hatte sie das nicht gleich bemerkt?

Na ja, fiel ihr wieder ein, ein väterlicher Typ sagt wohl kaum ›Süße‹ zu seiner Kundin.

Sie unterdrückte ihren aufkeimenden Ärger. »Ach verflixt, ich hänge an dem alten Teil. Ist denn da gar nichts zu machen? Was würde es denn kosten?«

»Na ja, 'nen Tausender wären Sie mindestens los, wenn Sie das alles richten lassen. Er muss ja auch bald zum TÜV. Also – roundabout – tausendfünfhundert, weniger ist nicht, Süße, eher mehr.«

Schon wieder ›Süße‹! Ihre Geduld zersprang wie sprödes Glas.

»So, jetzt hören Sie mir mal zu, Herr, ähm ...« Sie versuchte, das verdreckte Namensschildchen auf seiner Blaumannbrust zu entziffern, musste sich dann ein Kichern verkneifen. »... Herr Müller! Erstens: Ich heiße Frau Kern, nicht Süße! Zweitens: Ich bin durchaus in der Lage, das Geld für mein Auto lockerzumachen – mit oder ohne Handtasche – süßer Herr Müller. Tja, und drittens: Ich vertraue ich Ihnen nicht, weshalb ich mal eine weitere Meinung einholen werde. Guten Abend!«

Damit ließ sie den Mechaniker stehen, stieg ein und fuhr schnurstracks in ... Oh nein, nicht in Richtung meiner Wohnung! Noch kannte der Typ einzig ihren Nachnamen und wusste auch nur, dass sie irgendwo hier in der Nähe wohnte. Sie würde ihm nicht zeigen, dass ›in der Nähe‹ direkt nebenan war. Schließlich wusste man ja nie! Da wäre sie besser vorsichtig.

Himmel, Arsch und Zwirn, was für ein beschissener Feierabend ist das denn?

~~~

Aah, ist das eine Wohltat! Gott, wie ich das liebe!

Mit einem wohligen Schnurren ließ sie sich vom weichen Schaum streicheln und versenkte ihre Locken in das duftende Badewasser. Dieses Vergnügen für die Sinne hatte sie sich redlich verdient, fand sie. Die heimelige Atmosphäre, die sie in ihr kleines Bad gezaubert hatte, konnte sie auch mit geschlossenen Augen genießen.

Bei der Besichtigung der Zwei-Zimmer-Wohnung vor vier Monaten hatte sie ein tristes weißgefliestes Badezimmer mit kleinem Fensterchen vorgefunden und deswegen fast abgelehnt, weil sie durch das viele Weiß zu sehr daran erinnert worden war, wie ... Stopp! Aber dann war ihr eingefallen, dass sie jetzt – im Gegensatz zu früher – freie Hand besaß: Sie durfte die erste eigene Wohnung ihres Lebens nach Herzenslust selber einrichten und gestalten, ganz nach ihrem persönlichen Geschmack!

So war zuallererst dieses Bad von ihr mit wenigen Dingen in eine feminine Wohlfühloase verwandelt worden. Dazu hatte es nicht viel gebraucht, nur ein paar farbige Akzente und Accessoires. Besonders die Farbwahl hatte ihr großen Spaß bereitet: Pink, Rosa, Rot, Orange – früher undenkbar! – setzten sich nun fröhlich von dem glänzenden Weiß ab. Herrlich, befand sie und schmunzelte glücklich.

Früher, da ... Manuelas Mundwinkel verzogen sich nach unten. Verärgert schlug sie die Augen wieder auf, fokussierte eines der vielen Duftteelichte, die sie auf dem Wannenrand und Toilettendeckel sowie der Fensterbank in bunten Gläsern – natürlich in passenden Farben – aufgestellt hatte und ein geheimnisvoll freundliches Licht verströmten. Das half ihr, den anstrengenden Tag, ihre Vergangenheit, zudem die tief in ihr festsitzende Traurigkeit zu verdrängen.

Der Tag war aber nicht nur anstrengend und doof, musste sie sich eingestehen, dafür war er einfach zu besonders.

Er hatte völlig unspektakulär begonnen: Alles lief glatt. Die Klamotten, das Make-Up, ja, sogar die Frisur saßen. Die Arbeit machte Spaß.

›Nicht schlecht‹ hatte Manuelas Chef ihre ausführlichen Schreiben samt zwanzigseitigem Bericht an die Hauptstelle genannt. ›Nicht schlecht‹ aus seinem Munde bedeutete ein fettes Lob. Noch dazu hatte er ihr eine Tätigkeit mit Führungsoption in Aussicht gestellt, was auch eine bessere Bezahlung bedeutete. Dabei war sie insgeheim mit der Höhe des monatlichen Gehaltes mehr als zufrieden, jetzt, wo es ihr ganz allein gehörte und sie ...

Sie verdrehte die Augen, weil sie sich erneut auf gefährlichem Tabu-Terrain befand, und begann deshalb damit, ihr Gesicht mit Peelingcreme zu bearbeiten. Währenddessen richtete sie ihre Gedanken zielorientiert aus. Das bedeutete, positive Bilanz zu ziehen. Eine ihrer weiteren Methoden, sich der schwierigen Lebenssituation anzunehmen.

Sie war heute gleich zweimal angebaggert worden. Zweimal! Gut, der eine zählte in ihren Augen nicht. Der fiel unter die Kategorie ›jugendlicher Übermut‹. Aber der andere – der war schon ein besonderes Kaliber. Obwohl sie dessen Telefonnummer sofort zerknüllt und in den Papierkorb geworfen hatte, lag der Zettel nun fein säuberlich geglättet auf ihrem Schreibsekretär im Wohnzimmer. Niemand könnte ihr verbieten, diesen durchaus interessanten, äußerst gut aussehenden Mann vielleicht doch anzurufen. Früher, ja ...

»Grrrr«, knurrte sie und tauchte ganz mit dem Kopf unter Wasser, um weitere Tabus daraus zu vertreiben. Dann machte sie sich daran, ihre Beine samt anderer wichtiger Stellen zu rasieren, um damit das Schönheitsprogramm zu komplettieren. Sie zelebrierte es wie ein Ritual. Jede Regelmäßigkeit war wichtig für sie und für ihr seelisches Gleichgewicht.

Deshalb hatten sie diese ganzen unvorhersehbaren Ereignisse auch ein kleines bisschen aus der Bahn geworfen, gestand sie sich ein. Aber das hatte sie nun alles gut hinter sich gebracht, womit sie diese abschweifenden Gedanken endgültig ad acta legte. Stattdessen sinnierte sie darüber nach, wie sie in der Autofrage vorgehen wollte. Neben positivem Bilanzziehen hatte sie sich nämlich auch antrainiert, Probleme offen anzugehen.

Eigentlich hatte sie in der Autowerkstatt rein emotional reagiert, als es hieß, dass der alte Golf eher nicht mehr zu retten wäre. Wie die Wohnung war auch dieses Auto ihr erster wirklich eigener Besitz. Da durfte man ja wohl mal sentimental werden! Allerdings glaubte sie, dass selbst tausendfünfhundert Euro nicht mehr als trockenes Stroh waren, um das Loch im Eimer zu stopfen. Wahrscheinlich lief der ›Golf-Eimer‹ bald wieder Leck, und sie müsste Geld für neues Stroh ausgeben.

Bei der Metapher lächelte sie, ließ die sie doch gedanklich zu ihren Vater treiben, der diesen Vergleich allzu gern benutzt hatte. Noch dazu war er in der Lage gewesen, sich das Lied ›Ein Loch ist im Eimer‹ als Endlosschleife anzuhören und sich jedes Mal aufs Neue darüber zu amüsieren.

Es gab halt Erinnerungen, die sie gerne zuließ, auch wenn ihre Eltern schon lange tot waren und sie als Einzelkind, zudem ohne echte Freunde ihr Leben allein bewältigen musste.

Seufzend stieg sie aus der Badewanne, um sich nach dem Abtrocknen sorgfältig bis in die Zehenspitzen mit Bodylotion einzucremen.

Okay, zurück zum Problem, dachte sie. Und weil sie in den letzten drei Jahren genügend Geld auf die hohe Kante gelegt hatte, entschied sie sich für den Kauf eines neuen Autos. Gleich morgen würde sie sich als Erstes bei ihren männlichen Kollegen schlaumachen. Schließlich hatte sie sich nie groß für Autos interessiert. Da wären deren Ratschläge bestimmt hilfreich. Und übermorgen, am Samstag, da hätte sie ausreichend Zeit, um sich einen neuen Wagen anzuschaffen. Einen niegelnagelneuen oder fast neuen – einen Jahreswagen. Ja, irgend so etwas sollte es sein.

Zufrieden mit ihren Plänen band sie sich das trocken geföhnte Haar zusammen. Die eingehende Betrachtung im Spiegel nach dem Zähneputzen brachte keine neuen Erkenntnisse über Falten. Gott sei Dank! Sie betupfte die Partie um ihre großen hellgrünen Augen mit einem speziellen Gel und bedachte das restliche Gesicht, samt dem etwas spitzen Kinn und der Stupsnase, mit einer Creme für die Nacht. Danach schlüpfte sie in ihren Kuschelschlafanzug und machte es sich im Bett mit Ingwertee und Fernsehen gemütlich.

Wieder hatte sie einen Tag zu Ende gebracht. Das erfüllte sie mit Stolz, denn sie wurde immer erfolgreicher darin. Trotz vieler Jahre der Erniedrigung und trotz des verlorenen Glücks hatte sie einen aufregenden Tag sehr gut über die Runden gebracht.

Jetzt galt es, sich der Nacht zu stellen.

Zeitlos

Bumbum, bumbum – Er kommt dich holen!

Bumbum, bumbum – Schleicht sich an auf leisen Sohlen.

Bumbum, bumbum – Er will dich beißen!

Bumbum, bumbum – Wird dich bald in Stücke reißen.

Bumbum, bumbum – Spür seinen Atem!

Bumbum, bumbum – Sollst in deinem Blute waten.

Sein Fell so warm! Sein Blick so kalt!

Er kommt dich holen, und zwar bald!

Bumbum, bumbum – Bumbum, bumbum – Bumbum, bumbum ...

Nein! Hilf mir!

Sie spürt die scharfen Krallen, hört das leise Grollen, riecht seinen Hunger, seine Lust – und weiß, Flucht ist sinnlos.

Ein Baum! Hoffnung!

Ihre Krallen schlagen in den Stamm. Nur noch ein Stück! – Doch da schnappt er zu, bringt sie erbarmungslos zu Fall ... lässt sie stürzen ... immer tiefer ... und tiefer ...

Bumbum, bumbum – Bumbum, bumbum – Bumbum, bumbum ...

Waren es ihre Herzschläge, die sie endlich erlösten und ins Hier und Jetzt zurückbeförderten, oder das monotone Ticken des alten Weckers? Manuela wusste instinktiv, es war ihr Herz. Sein heftiges Klopfen – Bumbum – hatte sie zurückgeholt, zurück in ihre Welt, wo ihr nichts passieren würde. Hoffentlich!

Um vier in der Früh tappte sie ins Bad, um sich den dünnen Schweißfilm von der Haut zu schrubben.

Nichts sollte sie an die Nacht erinnern! Nichts durfte davon an ihr haften bleiben!

Fast hätte er mich gehabt, durchfuhr es sie. Für einen Augenblick lehnte sie die Stirn an das kühle Glas der Duschkabine, bevor sie abrupt das Wasser andrehte. Aber er kriegt mich nicht!, tröstete sie sich.

Müde nahm sie ihren weiteren Morgenrhythmus auf, der sie für den kommenden Tag aufbauen und stärken sollte: Cremen, Föhnen, Schminken, Anziehen.

»Fast fünf Stunden«, überlegte sie laut, während sie die blank schimmernde Küche betrat. In ihrer Stimme schwang Zufriedenheit. Sie hatte die Nacht überstanden, darüber hinaus fast fünf Stunden Schlaf gefunden.

Die Kaffeemaschine brodelte und zischte, bevor sie ihr herrlich duftendes Gebräu ausspuckte. Mit der Tasse in der Hand stellte Manuela sich auf ihrem winzigen Balkon dem Sonnenaufgang entgegen. Dabei versuchte sie, sich einzig auf den blutroten Feuerball zu konzentrieren, der einem goldschimmernden Schleierdunst entstieg.

»Auf den neuen Tag, Manuela. Du schaffst das.« Dieses Mantra flüsterte sie nun schon seit mehr als vier Monaten jedem Tagesanbruch zu. Niemand kannte es. Niemand wusste es. So sollte es auch bleiben.

Seufzend kehrte sie in die Küche zurück, wo sie das Radio anstellte, um den Sechs-Uhr-Nachrichten zu lauschen:

»Guten Morgen, liebe Zuhörer, es ist Samstag, der ...« Die restliche Ansage ging in dem Rauschen unter, das sich explosionsartig in Manuelas Hirn ausbreitete. Rauschen, Schwindel, schlagartig einsetzende rasende Kopfschmerzen übernahmen das Regiment, machten es ihr unmöglich, einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen.

»Samstag?«, rief sie aus. »Wieso Samstag? Heute ist Freitag, verdammt nochmal, Freitag, Freitag, Freitag!«

Der Schwindel wurde stärker, ließ sie taumeln, sodass sie sich am rettenden Esstisch festhalten, dann hastig auf einem Küchenstuhl Platz nehmen musste. Trotz des Dröhnens im Kopf versuchte sie verzweifelt, Klarheit darin zu schaffen.

Ruhig, Manuela, ganz ruhig! Denk nach!

Wie sie es geübt hatte, atmete sie wiederholt konzentriert ein und aus, bis tatsächlich etwas Ruhe einkehrte. Erst jetzt überlegte sie weiter: Gestern war Donnerstag, ganz sicher!

Sie hatte gestern noch mit ihrem Chef besprochen, was heute – am Freitag! – an Geschäftsberichten und Vertragsvereinbarungen anstünde. Sie waren sich einig gewesen, dass es ein gemütlicher Wochenabschluss werden würde, ohne Stress und Überstunden. Verflucht, heute konnte nicht Samstag sein, niemals! Denn das würde ja bedeuten, dass ... Die Ellenbogen auf dem Tisch aufgestützt, fuhr sie sich mit den Händen durch die sorgfältig gestylte Frisur und über das Make-Up.

Der nächtliche Traum kam ihr in den Sinn. Der Traum, den sie schon so lange nicht mehr geträumt hatte und der nun keinerlei andere Rückschlüsse zuließ: Er hatte sie gefunden und ihr Zeitgefüge damit wieder einmal durcheinandergebracht.

Nicht nur ihr Zeitgefüge, gestand sie sich seufzend ein. Alles, einfach alles, was sie sich in den letzten vier Monaten so sorgsam erarbeitet hatte, war in diesem Augenblick hinfällig geworden. Dabei hatte sie gerade gestern Abend das gute Gefühl genossen, auf dem richtigen Wege zu sein, ihre Erinnerungen kontrollieren zu können, Tabuzonen zu umschiffen.

Alles für die Katz!

Nun gestattete sie ihren Gedanken freien Lauf, wusste sie doch, dass er gleich kommen würde, um sie zurückzuholen. Sie unterdrückte einen weiteren Seufzer, stellte sich stattdessen der Erinnerung:

... Nie hatte sie so gezittert, nein, geschlottert vor Angst und Entsetzen.

Aber warum eigentlich? Jetzt gab es doch gar keinen Grund mehr für Angst – Angst vor Schmerzen und Qual.

Er war tot. Lag da am Boden, mausetot! Erstochen mit dem Küchenmesser, das er gegen sie gerichtet hatte, mit dem er sie hatte niedermetzeln wollen, nach fünf Jahren Ehe!

Oh Gott, er ist tot!

Ihr Blick glitt von seiner blutüberströmten Gestalt zu ihren Händen. Mit einem gellenden Schrei ließ sie das Messer fallen, rannte ins Bad und erbrach sich dort auf dem schneeweißen Fliesenboden.

Duschen, kam es ihr in den Sinn, ich muss mich duschen.

Nichts sollte sie daran erinnern! Nichts durfte davon an ihr haften bleiben!

Sie stellte sich samt Kleider unter den siedend heißen Wasserstrahl, ohne die Zeit wahrzunehmen.

Die Zeit schien ausgelöscht. All die Jahre des Ehemartyriums. Die Erniedrigungen, zerstörten Träume, Blutergüsse samt gebrochenen Rippen. Alles getarnt unter langärmligen Shirts, hinter immerwährendem, aufgesetztem Lächeln und dem Bilderbuchpaar, das sie beide nach außen hin abgegeben hatten. Alles verging, verschwamm, und es wurde dunkel ...

Bumbum, bumbum – Er kommt dich holen!

Bumbum, bumbum – Schleicht sich an auf leisen Sohlen.

Bumbum, bumbum – Er will dich beißen!

Bumbum, bumbum – Wird dich bald in Stücke reißen.

Bumbum, bumbum – Spür seinen Atem!

Bumbum, bumbum – Sollst in deinem Blute waten.

Sein Fell so warm! Sein Blick so kalt!

Er kommt dich holen, und zwar bald!

Bumbum, bumbum – Bumbum, bumbum – Bumbum, bumbum ...

Nein! Hilf mir! ...

Als sie schweißgebadet hochschreckte, hielten sie zwei starke Arme. Eine angenehme dunkle Stimme redete sanft auf sie ein. Trotz der beruhigenden Worte zuckte sie heftig zusammen. Sie wusste nicht, was geschehen war, wo sie sich befand, wer da sprach. Außerdem konnte sie nichts sehen. Es war stockfinster.

»Psst, bleibe ganz ruhig. Dir passiert nichts. Du bist in Sicherheit. Alles wird gut.«

»Aber, er kommt, er ist da, er holt mich«, flüsterte sie völlig verwirrt, wusste sie doch nicht, wer da kommen sollte, sie zu holen. Nur das ständige Zittern war ihr vertraut.

»Du hattest einen bösen Traum, Manuela. Kein Wunder, nach all den schrecklichen Jahren. Jetzt kann er dir nichts mehr antun, glaube mir.«

Sosehr sie auch versuchte, ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, die Finsternis blieb undurchdringlich. Dementgegen spürte sie deutlich seine feste glatte Haut. Sie lag in den Armen eines fremden Mannes, stellte sie fest, und zwar so, wie Gott sie erschaffen hatte – und er scheinbar auch.

Abrupt machte sie sich los, um sich aufzurichten. Er hinderte sie nicht daran.

»Wo bin ich? Was ist passiert?«

Alle Erinnerungen an Frederick, an ihren Ehemann, kehrten mit Übermacht zu ihr zurück. Wie er da in seinem roten Blut auf dem blendend weißen Boden der Dreißig-Quadratmeter-Küche lag, mit weit aufgerissenen, leblosen Augen. Die Übelkeit setzte wieder ein.

Das darf nicht wahr sein!

Erneut legte sich ein warmer muskulöser Arm behutsam um ihre Schulter. »Nicht, Manuela, tu dir das nicht an.«

Wonach riecht dieser Mann?, fragte sie sich, und warum dachte sie ausgerechnet jetzt darüber nach, wo es doch erheblich Dringenderes gab, worüber sie sich ihren Kopf zerbrechen sollte? Erde? Riecht er nach frischer Erde? Und da ist noch etwas: Rosen? Nein, es war kein schwerer süßer Duft. Sie erahnte zwar Blumen, aber nur einen Hauch von Blumensüße wie eine Sommerbrise. Ihr kam das Bild einer Wiese voller wildem Mohn und vereinzelten Kornblumen in den Sinn.

Wie kann ein Mann nach Erde und gleichzeitig so sauber und frisch nach einer Sommerwiese riechen?

Sie schüttelte sich, und endlich setzte ihr Verstand wieder ein. »Gibt es denn hier kein Licht?«

»Oh, natürlich, entschuldige.«

Manuela spürte einen Lufthauch. Im gleichen Moment loderten mehrere Fackeln auf, an den Wänden der – Höhle? Jedenfalls wirkte der Raum so, mit den aus Fels gehauenen Wänden, an denen in regelmäßigen Abständen Fackeln in glänzenden goldfarbenen Halterungen brannten, damit den großen Raum in ein ihr unbekanntes, dennoch wohliges Licht tauchten. Die Halterungen waren wie Blumen geformt, sahen aus wie die Blüten und Kapseln des wilden Mohns. Das alles irritierte sie zusehends. Diese Fackeln. Dieses Licht. Dieser Duft. Dieser Mann. Das Bett, auf dem sie saß, strahlte nun hell wie Mondschein.

»Verdammt nochmal, wo bin ich hier?« Bestürzt sah sie an sich hinunter und bedeckte beschämt ihre entblößte Brust.

Die große gebräunte Hand, die ihr eine dunkle Felldecke reichte, wirkte mit den feingliedrigen langen Fingen perfekt.

Kann eine Hand perfekt aussehen? Was ist nur mit mir los? Das muss ein Traum sein, ein wirklich absurder Traum.Nur, warum fühlt sich dann alles so echt an?

Während sie sich zudeckte, ließ sie den Blick langsam an seinem Arm hochgleiten, vorbei an wohlgeformten Muskelbergen, über eine breite Schulter, zu einem starken Hals mit ausgeprägtem Adamsapfel, bis hin zu seinem Gesicht, einem Antlitz, das ihr den Atem stocken ließ:

Augen – zwei leuchtenden Türkisen gleich – blickten zwar ernst, strahlten aber auch eine enorme Ruhe, Wärme und Kraft aus. Über einem energischen Kinn mit männlichem Grübchen in der Mitte lächelte sie ein Mund an, so fest und voll, als wäre er nur zum Küssen erschaffen worden. Hohe Wangenknochen unterstrichen markante Züge. Das blonde Haar fiel ihm bis auf die Schultern.

In Manuelas Augen war Frederick einer der attraktivsten Männer dieser Erde, aber dieses Exemplar hier erschien ihr überirdisch.

»Wer bist du?«, flüsterte sie. »Bitte, sag mir, was passiert ist, und wie ich ...«, sie schaute wieder beschämt an sich hinab, »... so in deine Arme komme.«

»Ich bin Adol. Du hast mich gerufen, Manuela.«

»Ich habe niemanden gerufen. Ich habe ... Ich ...« Sie brach ab, denn ein heftiger Schauder überlief ihren Rücken bei der Erinnerung an das Blut und das Messer – und besonders an Frederick. Doch sie fasste sich, um es erneut zu versuchen. »Ich stand unter der Dusche. Dann wurde alles dunkel. Ich habe nicht gerufen.«

»Oh doch, du hast sogar geschrien. Du hast beinahe fünf Jahre deiner Zeit in fast jeder Nacht geschrien, bis ich deine Schreie erhört habe, erhören musste.«

Nun sah sie wieder zu ihm auf. Seine leuchtenden Augen zogen sie magisch an, gaben ihr keine Chance zum Rückzug.

Trotzdem versuchte sie sich in Gegenwehr. »Ich habe nicht geschrien. Außerdem ist das kein Grund, mich aus meinem Haus, noch dazu nackt in dein Bett zu holen.«

»Ein paar deiner Wunden hatten sich böse entzündet und dich heftig fiebern lassen. Obendrein haben deine Albträume dich gejagt, Nacht für Nacht. Ich habe Verschiedenes ausprobiert, aber meine körperliche Nähe war nun einmal das Einzige, was dich letztendlich beruhigt hat.«

»Du hast also nicht ...? Ähm, ich meine ...« Schlagartig traf sie eine Erkenntnis. »Moment mal! Nacht für Nacht? Wie lange bin ich denn schon hier?«

»In deiner Zeitrechnung?«

»Was soll denn diese blöde Frage? Gibt es auch eine andere?« Allmählich beschlich Manuela ein äußerst ungutes Gefühl, eines, welches über das bereits bestehende ungute Gefühl weit hinausging.

»Du befindest dich jetzt, in diesem Augenblick, seit fünf Tagen, sechs Stunden und dreizehn Minuten bei mir. Die Sekunden ...«

»Schon gut«, unterbrach sie ihn. »Ich brauche keine Sekundenangabe.« Ich brauche einen doppelten ›Ramazotti‹ mit Eis und Zitrone – und einen Hammer, um ihn mir auf den Kopf zu hauen, überlegte sie. Werd endlich wach, Manuela, du träumst dir da gerade einen furchtbaren Mist zusammen!

»Den Ramazotti könnte ich dir besorgen, aber das mit dem Hammer ginge nun wirklich zu weit, wo ich mir mit deiner Genesung so viel Mühe gegeben habe.«

Scheiße! Das kann doch nicht angehen, oder?

»Dieses Wort ist selbst in meiner Welt ein Wort, das von einer Dame wie dir nicht benutzt werden sollte.«

»Wie bitte? Das wird mir gerade ein bisschen zu viel, Adol, oder wer auch immer du bist. Willst du allen Ernstes andeuten, dass ich tatsächlich splitternackt bei dir im Bett sitze – und das seit sage und schreibe mehr als fünf Tagen? Und als kleines i-Tüpfelchen soll ich auch noch glauben, dass du meine Gedanken liest?«

Sie war laut geworden. Zudem krallte sie ihre Fingernägel in die eigenen Unterarme, um so festzustellen, ob sie wach war oder träumte. Der Schmerz, der sie daraufhin durchfuhr, war bestimmt ein Phantomschmerz, versuchte sie, sich selbst einzureden.

Mannomann, so etwas Verrücktes habe ich noch nie geträumt.

Viele Jahre lang hatte sie sich vor Fredericks grausamen Attacken in eine Traumwelt geflüchtet. Doch war er ihr jedes Mal auch dorthin gefolgt, als wilder Tiger, der sie reißen wollte. Sie, die schwarze Leopardin, war stets ein wenig schneller und behänder als er gewesen. Trotzdem bekam er sie schlussendlich immer zu fassen und dann: Nein! Hilf mir!

»Genau, Manuela, du hast mich immer und immer wieder gerufen, bis ich mich dir nicht mehr entziehen konnte. Niemals hat ein Mensch es geschafft, dass ich ihn erhöre, bis auf dich.«

»Du lieber Gott, wo bin ich da nur reingeraten?« Manuela raufte sich die Haare.

Seine Stimme veränderte sich zu einem tiefen Grollen. »Sprich nicht von ihm! Nicht in meiner Gegenwart, hörst du?« Die Fackeln loderten wild auf. Erneut zuckte sie erschrocken zusammen. Die altgewohnte Angst erfasste sie mit eisigem Griff. Doch im nächsten Moment sprach er wieder sanft: »Entschuldige bitte, aber er ist nicht gut auf mich zu sprechen und ich nicht auf ihn.«

»Wer bist du, Adol?« Zu gerne hätte sie das Zittern aus ihrer Stimme verbannt, klang sie doch ähnlich ihrem jahrelangen elenden Betteln und Winseln, wenn sie Frederick anflehte, ihr nichts anzutun.

»Frederick ist tot, Manuela. Du brauchst keine Angst mehr vor ihm zu haben. Und du warst niemals elend. Er hatte dich in der Hand, aber gebrochen hat er dich nicht. Das hätte ich auch nie zugelassen.«

Sie wollte und konnte derzeit nicht darüber nachdenken, dass dieser Adol sie offenbar schon länger ins Visier genommen zu haben schien. Es kam ihr auf einmal wichtig vor, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Irgendwo müsste man ja anfangen!

»Wer bist du, Adol?«, stellte sie ihm deshalb noch einmal dieselbe Frage.

»Ich bin dein Traumbegleiter, dein Zeitgeist.«

»Ist das so etwas wie ein Traum- oder Schlafgott? Mein Go... ähm, meine Güte. Ich habe darüber gelesen: über Morpheus, dem Gott des Traumes, und Hypnos und andere. Die Namen weiß ich nicht mehr. Das ist aber doch einfach nur griechischer Mythos, sonst nichts. Morpheus konnte sich in jede x-beliebige Form verwandeln und in Träumen erscheinen.« Sie betrachtete das Bett, auf dem sie saß. »Sein Bett soll aus Elfenbein gebaut sein und in einer dunklen Höhle stehen. Sein Symbol ist die Kapsel des Opium-Schlafmohnes.« Manuela sah ihn staunend an. »Du bist ein Oneiroi?«

»Du kennst dich recht gut aus in griechischer Mythologie«, stellte er fest, und sie stellte fest, dass er ihr keine Antwort gegeben hatte.

»Nein, ich kenne mich nicht richtig aus. Ich habe mich nur früher einmal ein bisschen dafür interessiert, früher, bevor ... Ach, egal! Du hast meine Frage nicht beantwortet. Bist du ein Oneiroi?«

»Wie wir beide schon gesagt haben: Das ist nur Mythos, Manuela – Mythologie, Sage, Legende, Märchen. Ich bin kein Oneiroi in dem Sinne, wie du sie aus der griechischen Mythologie kennst, weil es solche Wesen gar nicht gibt. Was jedoch nicht bedeutet, dass es gar keine Wesen gibt, die nicht deiner Welt entspringen und deshalb anders sind. Die alten Griechen sind der Wahrheit durchaus nahegekommen.«

Es wird Zeit, dass ich endlich aufwache, überlegte sie. Das geht mir alles viel zu weit.

Bei dem Gedanken an ihr Zuhause legte sich allerdings die Angst schon wieder bleiern über sie. Sie spürte, dass Adol diese Angst von ihr nahm, so, als würde er ihr einen schweren Mantel abstreifen. Überhaupt fühlte sie sich ungewohnt wohl in seiner Nähe, ohne Furcht, voller Selbstwert. Ein gutes Gefühl, wie sie fand, aber nicht von Dauer. Je früher sie sich der Wahrheit stellte, desto besser. Sie sollte sich endgültig von Frederick befreien. Nur, wie?

»Frederick ist tot, Manuela, und das weißt du auch. Er hat dich wie von Sinnen geschlagen, getreten, gewürgt und mit einem Messer bedroht. Letzteres hatte er bis dato noch nie getan. Er hätte dich getötet, wenn du das Messer nicht zu fassen bekommen hättest. Es war Notwehr. Du musstest dich schützen.«

»Mein Gott, ab...« Adol unterbrach sie mit einem wütenden Zischen, doch ließ sie sich diesmal nicht davon beirren. »Aber wenn ich schon fünf Tage hier bin, wie soll ich mich denn da verteidigen? Man wird glauben, dass ich ihn ermordet habe und dann davongelaufen bin.«

»Nein, das wird man nicht. Wenn es so weit ist, wirst du zur rechten Zeit zurückkehren und alles wird geklärt. Allerdings wirst du dieses furchtbar große Architektenhaus nicht halten können. Dein Mann war völlig überschuldet. Na ja, es gehörte ohnehin nur ihm allein. Dir hat er nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gegönnt.«

»Woher weiß du das alles?« Resigniert ließ sie die Schultern sacken. »Ach, egal, dich gibt es ja sowieso nicht. Gleich tauche ich in meiner eigenen Misere wieder auf, und alles geht weiter wie bisher.«

Ein heftiger Donnerschlag ließ sie aufschreien. Die Fackeln glichen nun Flammenwerfern. Mit einem Ruck brachte er sie unter sich, nahm ihre Arme und zog sie hoch. Ganz dicht senkte er den Kopf über sie, sodass ihr sein blondes Haar ins Gesicht fiel. Er zog die dichten Brauen zusammen und musterte sie. Goldene Sprenkel tanzten in der türkisblauen Iris seiner Augen. Dann spürte sie seine Lippen auf den ihren – glühend heiß! Gnadenlos nahm er Besitz von ihrem Mund, verschaffte sich Zutritt mit seiner starken Zunge, zwang sie dazu, sich ihm zu ergeben. Aber es war kein Gefühl der Erniedrigung, wie sie es von Frederick kannte, wenn sie sich ihm hatte unterwerfen müssen, um Schlimmerem zu entgehen. Dies war eine süße Kapitulation. Alles zog sich in ihr zusammen, wollte gleichzeitig explodieren.

Mit einem Mal wich er zurück. Sie wollte schon protestieren, biss sich aber verlegen auf die Unterlippe.

»Entschuldige«, presste er hervor.

»Oh, schon gut.« Schon gut? Zu einer schlagfertigeren Erwiderung war sie nicht fähig. Stattdessen fuhr sie sich gedankenverloren mit der Zunge über die Lippen, um seinem Kuss nachzuspüren.

»Ob du mir in diesem Augenblick glaubst oder nicht, tut erst mal nichts zur Sache, Manuela«, gab er nun kühl von sich. Von seiner Heißblütigkeit war nichts mehr zu spüren. »Du wirst erst in deine Welt und Zeit zurückkehren, wenn ich es für richtig erachte. Solange kannst du dich damit befassen, mich für nicht existent zu halten oder mich zu akzeptieren!«

~~~

Als er sie Wochen später in ihre Welt entließ, und zwar bis auf die Sekunde in die richtige Zeit, fand sie Frederick in seinem Blut. Sie stellte sich der Polizei, ihrem neuen Leben – und Adol, der sie seitdem nicht mehr losließ. In ihrer Zeitrechnung mehr als drei Jahre lang!

Der Traum einer jeden Frau

Noch bevor die Erinnerungen verblassten und sie die Stirn vom Küchentisch heben konnte, stand Adol vor ihr. Die Daumen in die Schlaufen seiner verwaschenen Jeans geschoben, baute er sich vor ihr auf, den Kopf mit tadelndem Blick schiefgelegt.

»Wieso hast du das getan, Manuela?«

Sie wusste, er meinte die Frage bitterernst. Nicht, weil er ihren vollen Namen aussprach. Das tat er immer. Er benutzte niemals Koseworte, wie Liebling oder Schatz, oder Abkürzungen, wie Ela oder Manu. Das war nicht seine Art, und das störte sie auch nicht.

Sie störte sich daran, dass er nicht verstand, was in ihr vorging, obwohl er beinah jeden ihrer Gedanken las. Dass sie so nicht hatte weitermachen können und wollen, erkannte er einfach nicht. Sie war aus einem mehr als fünfjährigen Horrorszenario – mit Frederick – geradewegs in seinen Armen gelandet, ohne einmal durchatmen zu können. Danach hatte sie drei Jahre lang bei, mit, neben Adol gelebt, das Verlangen nach Eigenständigkeit aber nicht unterdrücken können. Sie hatte endlich auf eigenen Füßen stehen, ihr Leben selbst bestimmen und gestalten wollen.

»Das hättest du doch alles haben können, Manuela, ohne dich von mir fortzuschleichen.«

»Ich hab mich nicht fortgeschlichen«, widersprach sie vehement. »Ich ...«

»Hast du nicht?«, höhnte er dazwischen. »Wie willst du es denn sonst nennen? Sira hat mir zwar nichts verraten, aber ich weiß, dass sie dir dabei geholfen hat, dich aus meiner Welt und Zeitlinie fortzustehlen. Ich brauchte tatsächlich ein wenig, um dich aufzustöbern, nach meiner Zeit drei unendlich lange Tage. Ohne deinen Traum letzte Nacht hätte ich es nicht so schnell geschafft. Aber egal, wie lange ich auch gesucht hätte, du glaubst doch nicht im Ernst, ich hätte dich entkommen lassen?«

Entnervt rieb Manuela sich die Stirn, wusste sie doch, dass Adol keineswegs klar war, wie sehr seine Worte denen Fredericks ähnelten. Ihm jetzt in die Augen zu sehen, fiel ihr schwer, denn selbst nach drei Jahren versetzte sein atemberaubender Anblick ihr nach wie vor einen süßen Stich und ließ sie schwanken. Sie war ihm verfallen, mit Haut und Haar, hoffnungslos.

Und schon erzählte ihr Mund ganz andere Dinge, als ihr Hirn ihm aufgetragen hatte: »Adol, ich liebe dich – wirklich. Wie oft habe ich dir das schon gesagt?« Im Gegensatz zu dir!, dachte sie bitter. »Aber ich gehöre nicht zu dir. Ich bleibe für immer ein Fremdkörper. Es wurde mit der Zeit immer schwerer für mich, dieses Doppelleben zu führen. Eines mit dir und eines hier in meiner Welt. In beiden Welten besaß ich nichts Eigenes. Etwas, das ganz allein mir gehört. In beiden Welten war ich ein Nichts.« Sie deutete auf die Küchenmöbel. »Deshalb habe ich mir das hier aufgebaut. Es gefällt mir.«

»Es gefällt dir?« Seine eisige Stimme erwärmte sich, allerdings sehr langsam. »Es gefällt dir, mich zu verlassen? Noch dazu hast du die Stirn, mir zu sagen, dass du dich bei mir wie ein Nichts fühlst, das vor mir flüchten muss? Weißt du denn nicht, wie viel du mir bedeutest?«

In ihren Augen brannten Tränen, doch Manuela drängte sie mit aller Macht zurück. Himmel, wie hatte sie ihn all die Zeit vermisst! Was hatte sie nicht alles versucht, um ihre Sehnsucht nach ihm zu verbannen, nur, um sich ein kleines bisschen eigenes ›Echtglück‹ zu verschaffen.

Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung zog er sie vom Stuhl in seine Arme, wohl wissend, dass sie sich ihm nicht entziehen würde, es nicht könnte.

»Ich liebe dich doch auch, Manuela! Du bist mein echtes Glück! Für dich gebe ich meine Welt auf und bleibe bei dir, wenn es dir so wichtig ist. Nur, tu das nie wieder, hörst du? Nie wieder!«

Seine Worte und sein Kuss ließen sie schmelzen. Er füllte ihre Sinne an mit seinem Duft. Das Brennen auf ihren Lippen breitete sich im ganzen Körper aus wie ein alles verzehrender Flächenbrand. Ehe sie sich versah, spürte sie, nach einem kurzen Wirbeln im Kopf, das seidig glatte Laken seines Elfenbeinbettes unter ihrem nackten Rücken. Seine Hände nahmen sie in Besitz, eroberten ihre Haut mit einer überwältigenden Zartheit, die ihre zurückgehaltenen Tränen löste.

Die Art, wie er noch während der Reise zu ihm seine und ihre Kleidung aufgelöst hatte, der leise Druck seiner Finger, seine Zähne auf ihren hochaufgerichteten Nippeln, die gehauchten Küsse auf ihren Brauen, seine Zunge in ihrem Bauchnabel, sein heißer Atem an ihrem Ohr. – Wieder einmal konnte sie sich seinem Tempo nicht entziehen, war schon verloren, bevor er sich mit ihr vereinigte.

Was nun folgte, glich animalischer Kraft, ausgedrückt in wilden Gebärden, kraftvollen Stößen und den finalen Schreien aller beider.

»Oh Gott, Adol, ich liebe dich so sehr!«

Als Reaktion darauf senkte sich sein schwerer Körper, bebend vor Lachen, auf den ihren. »Wann hörst du endlich auf, ihn in meiner Gegenwart zu erwähnen? Noch dazu, wenn ich in dir bin.«

Sie wusste, er würde sie dafür bestrafen, und zwar direkt, und er begann sofort damit. Zischend sog sie die Luft ein, als er sich bewegte und neue Glut in ihr entfachte.

Dieser Liebesakt würde, gemessen in menschlicher Zeit, sicherlich einige Tage andauern.

~~~

Er hatte sie tatsächlich in ihre kleine Wohnung zurückgebracht, in ihre Welt und ihre Zeit.

So hatte sie doch noch am Freitag mit ihrem Chef und den Kollegen über ein neues Auto diskutieren können. Und weil sie ihr einhellig einen bestimmten Händler empfohlen hatten, kaufte sie dort bereits am Samstag einen Jahreswagen. Wieder einen Golf, ein dunkelrotes Cabrio mit schwarzem Verdeck, genug PS, um den gesamten Ort unsicher zu machen, und in ihren Augen einfach nur schick.

Bei all diesem Tun hatte Adol sie nicht begleitet, obwohl er ständig vorgab, in ihrer Welt leben zu wollen. Er meinte, er bräuchte zunächst etwas Zeit zur Eingewöhnung. Ungerecht, wie sie fand, denn ihr hatte er eine solche Eingewöhnungszeit niemals zugestanden. Ganz im Gegenteil! Sie hatte zuvor drei Jahre mit Adol verbracht – menschliche und zusätzliche in seiner Zeitlinie – immer mit neuen umwerfenden Eindrücken und Erlebnissen, doch auch immer wieder schockierend und beängstigend.

Es war nicht einfach, mit einem Mann wie Adol zusammenzuleben. In einigen Punkten hingegen war sie sich vollkommen sicher: Es war aufregend und ereignisreich. Im Nachhinein lächelte sie über ihren kläglichen Versuch, ihm zu entfliehen.

Am Ende jedenfalls hatte Adol sich dazu durchgerungen, Manuela in ihre menschliche Welt zu folgen. Ihm gefiel die ›kleine Höhle‹, wie er ihre Wohnung gerne nannte. Für die ausgiebigen Liebesspiele brachte er sie allerdings stets in sein eigenes Reich, was ihr, im Hinblick auf die Ohren der Nachbarn, sehr entgegenkam.

Obwohl er sich zu ihr als Freund bekannte, ergaben sich ab und an ein paar Probleme: So war er dem jungen Juri fast an die Gurgel gegangen, als sie ihm zufällig im Supermarkt begegnet waren. Nur, weil der Junge ihr vor einiger Zeit einmal einen frechen Klaps auf den Po gegeben hatte. Nicht, dass sie so einen Klaps für in Ordnung hielt, aber sie hatte Juri ja seinerzeit in seine Schranken gewiesen und fand, dass das genügen sollte. Nur mit Mühe und Not hatte Manuela ihren Liebsten davon abhalten können, Juri etwas anzutun.

Es war eindeutig ein Nachteil, dass dieser Traumbegleiter sie nicht nur im Traum begleitete, überlegte sie. Selbst den LKW-Fahrer hatte er bedroht. Sie hatte Adol doch tatsächlich dabei ertappt, wie er noch die zerrissenen, zerknüllten Überreste des Zettels mit der Telefonnummer in der Hand hielt. Nachdem er den Hörer ihres Retrotelefons aufgelegt hatte, ließ er das Papier mit siegessicherer Miene in Flammen aufgehen.

In solchen Situationen war Manuela versucht, es zu bedauern, dass Adol sich für sie und ihr Leben entschieden hatte, doch war sie schlichtweg zu glücklich dafür.

Seine rasende Eifersucht empfand sie allerdings als bedrückend, gar beängstigend, auch wenn sie ihr ein wenig schmeichelte. Niemals wieder wollte sie sich in die Ecke drängen lassen, wie ein verschrecktes Mäuschen, dem nichts anderes übrig bliebe, als sich ständig im Sinne des bedrohlichen Katers zu verhalten, um nicht gefressen zu werden.

Ein Grollen erfüllte das Wohnzimmer. »Das sollst du doch auch gar nicht! Du bist kein verschrecktes Mäuschen und ich ganz bestimmt kein bedrohlicher Kater!«, schimpfte Adol.

»Nein, okay, aber du tust es trotzdem!«, gab sie in gleichem Ton zurück. »Du übervorteilst mich mit deinen Mächten. Ich hab dem nichts entgegenzusetzen. Wie soll ich dir beweisen, dass du mir vertrauen kannst?«

»Ich vertraue dir doch.« Nun klang er ehrlich erstaunt.

Sie stieß ein Lachen mit eindeutig sarkastischem Einschlag aus. »Alles was recht ist, aber du hast mir niemals vertraut, heute nicht und auch damals in deiner Welt nicht. Denk an Tamarell.«

»Tamarell gehört zu Sira.«

»Sicher tut er das, aber scheinbar ist das für dich kein Grund, nicht trotzdem eifersüchtig zu sein und mir zu misstrauen.«

Er sog tief die Luft ein. Seine Augen blitzten, und sein wunderschöner Mund verzog sich zu dem gleichen sarkastischen Lächeln wie ihrem. »Ich hab nicht dir misstraut, sondern ihm«, stellte er spitzbübisch fest.

Sie schüttelte den Kopf ob seiner ständigen Wortverdreherei und Haarspalterei. »Wie dem auch sei, du bist und bleibst ein eifersüchtiger Traumgott mit äußerst cholerischem Temperament und solltest lernen, dich zu zügeln. Außerdem habe ich überhaupt keine Möglichkeit, dich zu überprüfen. Dir soll ich also einfach so vertrauen? Wer weiß, was du alles anstellst, wenn wir nicht zusammen sind?«

Pfeilschnell stand er vor ihr. Daran könnte sie sich nie gewöhnen, das war ihr schon lange klar. Sein Finger unter ihrem Kinn zwang sie sanft, ihn anzusehen. »Ist das dein Ernst?«

Sie schluckte und nickte gleichzeitig, nötigte auch ihre Gedanken, seine Frage zu bejahen. Lange musterte er sie. Seine Augen durchbohrten sie wie Röntgenstrahlen. Dann ließ er sie mit einem Mal los.

»Da hilft nur eins!«, rief er aus. »Wir werden heiraten. Mein Ring an deinem Finger dürfte deine und meine Zweifel endgültig beilegen.« Sichtlich zufrieden mit sich verschränkte er die Arme vor seiner breiten Brust.

Der Streit schien vorprogrammiert, obwohl es ihr zuwider war. Doch zu viel war nun einmal zu viel! Er hatte ihren Traum, den Traum einer jeden Frau, gründlich versaut, fand sie. Das war in ihren Augen kein Heiratsantrag, sondern ein Marschbefehl!

»Hhm, das hast du also mal soeben entschieden, was?« Die Hände in die Hüften gestemmt schaute sie ihn böse an.

»Und es ist eine gute Entscheidung«, behauptete er trocken.

Sie wollte gerade zu einer heftigen Widerrede ansetzen, als aus heiterem Himmel ein lauter Schlag den Parkettboden ihrer Wohnung erschütterte und Tamarell mit loderndem Blick vor ihnen stand.

»Sie haben Sira!«, rief er nur, woraufhin der ihr vertraute Wirbel sie umgab, wenn Adol sie mit sich nahm.

Während dieses Wirbelns schossen Manuela eine Millionen Geistesblitze durch den Kopf, so schien es ihr jedenfalls, und keiner davon war Adols missglücktem Heiratsantrag gewidmet. Darüber könnten sie sich später streiten. Jetzt durchfuhr sie bittere Angst um Sira. Die Frage, ob sie, Manuela, vielleicht Schuld an allem sein könnte, quälte sie. Sie hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen. Warum nur hatte sie Sira ausgenutzt und sich auf diese Weise helfen lassen? Warum hatte sie sich nach drei Jahren des äußerst glücklichen und erfüllenden Zusammenseins mit Adol immer noch derart ausgegrenzt gefühlt?

War es seine Ungeduld? Nein, beantwortete sie sich diese Frage entschieden selbst.

Eventuell hatte Adol nicht gerade einfühlsam gehandelt, als er sie nach den schaurigen Ereignissen um Frederick einfach in seiner Welt zurückhielt, oder doch?

... Adol machte ihr in vielen Gesprächen deutlich, dass es seine Sorge um sie war, die ihn zu dieser Entscheidung bewogen hatte. Zudem versicherte er ihr, dass sie in ihre Zeit, in die Sekunde ihres Lebens zurückkehren würde, wenn sie soweit wäre, um eben dieses Leben in die Hand zu nehmen und ihre Angelegenheiten zu klären. Er würde sie dabei unterstützen, dessen war sie sich gewiss. …