Küssen - Hektor Haarkötter - E-Book

Küssen E-Book

Hektor Haarkötter

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Beschreibung

In seinem Streifzug durch Geschichte und Theorie des Küssens fragt Hektor Haarkötter: Was macht das Küssen eigentlich aus? Warum küsst man nicht überall auf der Welt, sondern nur in bestimmten Kulturen? Was verbindet Liebeskuss, Bruderkuss, Abschiedskuss, Filmkuss und den Gutenachtkuss? Haarkötters Antwort: Küssen ist ein Akt der Kommunikation. Das zeigt er u.a. am naturwissenschaftlichen Wissen über den Kuss, an seiner Geschichte von der Antike bis heute, am Kuss in Film, Literatur, Märchen und der Kunst, an Fragen wie: Ist Küssen privat? Was ist der Unterschied zwischen Sex und Küssen? Warum küsst man Gegenstände wie z.B. Ringe? Und was hat die Bussi-Bussi-Gesellschaft mit all dem zu tun? Küssen, das zeigt Haarkötter so augenzwinkernd wie informiert, ist eine ganz eigentümliche Art der Kommunikation. Und es könnte sein, dass ihre Zeit zu Ende geht. Doch wie sieht eine Welt aus, in der nicht mehr geküsst wird?

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Seitenzahl: 340

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Hektor Haarkötter

Küssen

Eine berührende Kommunikationsart

 

 

Über dieses Buch

 

 

Es gibt den Liebeskuss, den Bruderkuss, den Abschiedskuss, den Filmkuss, den Gutenachtkuss – doch was verbindet alle Arten des Küssens? Küssen ist ein Akt der Kommunikation, sagt Hektor Haarkötter. Ursprünglich küsste nicht die ganze Menschheit, und in vielen Teilen der Erde ist Küssen heute noch verpönt: Küssen ist das Geschenk der indoeuropäischen Kultur an die Welt. In seinem Buch zeichnet Haarkötter die Geschichte des Küssens nach, entwickelt eine kleine Theorie des Küssens und zeigt, warum dem Küssen heute der Untergang droht.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Hektor Haarkötter, geboren 1968, ist Professor für Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt politische Kommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er studierte u.a. Philosophie, Geschichte, Deutsche Philologie und Soziologie in Rom, Düsseldorf und Göttingen und arbeitete als Journalist und Fernsehregisseur. Für seine Arbeiten hat er zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen erhalten, u.a. den Columbus Filmpreis in Gold. Im S. FISCHER Verlag ist zuletzt erschienen »Notizzettel. Denken und Schreiben im 21. Jahrhundert« (2021).

Inhalt

[Motto]

01 Sendschreiben an die Leserin und den Leser

02 Über den elegischen Ton dieses Buchs über das Küssen.

03 Experiment: Du kannst dieses Buch küssen

04 Der natürliche Kuss.

05 Die Natur küsst nicht

06 Geschichte des Küssens. Ein antikes Drama…

07 … ein Renaissance-Intermezzo …

08 … und eine aufgeklärte Tragödie

09 Küssen als Kommunikation

10 Kommunikation mit dem Körper

11 Auf dem Seziertisch: Ein Kuss-ABC

12 Sind Küsse privat?

13 Privat hoch zwei

14 Küssen und Sex

15 Küsse verstehen

16 Freier Disku(r)s(s) unter Gleichen

17 Dürfen Philosophen küssen?

18 Goethes Gartenhaus und eine italienische Praline

19 Geschichte des Küssens: Romantische Gnadenfrist

20 Ein Gedicht wie ein Kuss

21 Ein Märchen aus uralten Zeiten

22 Eine Kommunikations-Art

23 Unter Brüdern

24 Gegenstände küssen

25 Knutschen auf der Kinoleinwand

26 Knutschen im Kinosaal

27 Lipstick Traces

28 Pop und Küssen

29 Die Bussi-Bussi-Gesellschaft

30 Der Abschied

Dank

Literatur

Sachregister

Namenregister

»Don’t talk just kiss«.

Right Said Fred

01Sendschreiben an die Leserin und den Leser

Sei geküsst, lieber Leser! Sei geküsst, liebe Leserin!

Zugegeben: Als Leserin oder als Leser wird man am Eingang eines Buches eher selten geküsst. Bücher dienen schließlich der Kommunikation, der Unterrichtung, der Bildung, vielleicht, wenn es gut läuft, der Unterhaltung. Wozu aber dient das Küssen? Warum küssen Du und ich? Teilt das Küssen womöglich auch etwas mit?

Das Küssen, wie es Dir in diesem Buch vorgestellt wird, ist das Idealmodell einer offenen Zweierbeziehung, ist körperlicher Austausch im Duett, ist eine berührende Kommunikationsart.

In diesem Buch über das Küssen nehme ich Dich, Leserin und Leser, mit auf die Reise durch ein Labyrinth. Indes kennt auch der Schöpfer dieses Labyrinths das Ziel noch nicht – und das sind ja die einzigen Labyrinthe, die den Namen verdienen! Bei labyrinthischen Lektüren hilft auch ein Ariadne-Faden nicht. Denn der Faden weist nur den Weg zurück, den man bereits gegangen ist. Der Faden führt zurück zum Eingang, während Du und ich nach vorne, ins Offene streben, den Ausgang suchen. Denn nur der gesuchte Ausgang ist die Lösung des Rätsels eines Labyrinths. Küssen, könnten Du und ich vielleicht sagen, ist der Ausgang der Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Einsamkeit, ist die Verwandlung von Singular zu Plural einzig durch Berührung. Handelt es sich überhaupt um einen Plural? Du und ich werden auf diese Frage zurückkommen. Du kannst den Faden aufnehmen und Dich einfach in dieses Labyrinth hineintrauen. Du kannst mal diesen, mal jenen Weg gehen, denn indem Du dieses Buch in die Hand genommen hast, ist es zu Deinem Labyrinth geworden. Küsse ereignen sich schließlich auch mal hier, mal da, sind selten planbar, manchmal unvorhersehbar, niemals kalkulierbar.

Der Philosoph Søren Kierkegaard forderte einst eine Untersuchung über das Küssen, die er dann selbst aber nicht lieferte. Beiträge zur Theorie des Kusses, allen zärtlich Liebenden gewidmet, wollte er diese Schrift nennen. Vielleicht hatte Kierkegaard auch Schwierigkeiten, diese Studie selbst zu schreiben, weil er das Thema unnötig einschränkte und forderte, »daß die Handelnden ein Mädchen und ein Mann sind«[1] – immerhin kennt das Kussiversum in seiner schon Jahrtausende währenden Geschichte die unterschiedlichsten Paarungen für den Austausch von Küssen. Und wo Mann und Frau es sind, die sich küssen, wird, gemäß Kierkegaard, dieses Küssen auch irgendwann schal, wenn die beiden in die Jahre gekommen sind:

»Das gilt etwa von dem ehelichen Hauskuß, mit dem die Eheleute, in Ermangelung einer Serviette, sich gegenseitig den Mund abwischen, indem man sagt: Wohl bekomm’s!«

Kierkegaard beklagt sich auch darüber, dass »über diese Sache noch keine Schrift« existiere. Hier allerdings hat der dänische Philosoph mangelhaft recherchiert: Tatsächlich kursiert ein breites Schrifttum über das Küssen von der Antike bis in unsere Tage. Allerdings, in Zeiten, in denen in der Wissenschaft vorrangig über Hochtemperatursupraleiter, die dynamische Erzeugung der Baryonenasymmetrie im Universum und die Frage, ob Schwanzverlust und anschließende Verstopfung die lokomotorische Leistung von männlichen und weiblichen Skorpionen verringert,[2] diskutiert wird, haben Themen wie das Küssen und andere Kommunikationsarten es in der allgemeinen Wahrnehmung oder den Empfehlungssystemen von Bibliotheken und digitalen Suchmaschinen recht schwer. Außerdem kannte Kierkegaard digitale Suchmaschinen noch gar nicht, was die Buchherstellung im 19. Jahrhundert deutlich erschwert haben muss.

Wer wissenschaftlich schreibt, steht immer auf den Schultern von Riesen. Das gilt auch für die Wissenschaft des Küssens. Die Geschichte des Küssens ließe sich gar nicht erzählen, wenn nicht zuvor schon Leute sie mitgeschrieben und aufgeschrieben hätten. Einige dieser Schriften werden Du und ich im Gange unserer eigenen Untersuchung auch näher kennenlernen. Und doch lohnt sich ein neuer, ein aktueller Blick auf das Phänomen des Küssens, weil es in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten massiv seine Bedeutung und seine Geltung in der Öffentlichkeit verändert hat. Diese Veränderung nachzuzeichnen und ihren mäandernden Wegen durch eine globale Kultur und Gesellschaft zu folgen, ist das Anliegen dieses Buches. Vielleicht ist dieses Buch selbst ein letzter Kuss, ein letzter Gruß für eine Kommunikationsart, die es heute schwer hat. Fühle Dich also ein letztes Mal geküsst, liebe Leserin und lieber Leser, und komme mit auf diesen Weg, der noch einmal den Zauber des Küssens beschwören soll.

02Über den elegischen Ton dieses Buchs über das Küssen.

Wenn dieses Buch über das Küssen womöglich in einem elegischen Ton gehalten ist, so hat dies auch damit zu tun, dass das Küssen wie alles Historische, also wie jeder Sachverhalt, der historisiert werden kann, ein Ende hat. Enden machen traurig, Abschiede sind herzzerreißend, fühlst Du es auch, fühlst Du den Blues? Denn an diesem Ende sind Du und ich angekommen. Nur vom Ende her können wir Rückschau auf das Phänomen halten, schon deswegen muss es also auch ein Ende haben. Prozesse, die noch andauern, sind ausgesprochen schwer unter die historische Lupe zu nehmen, schon allein deswegen, weil Du und ich aufgrund dieses Prozesshaften eben noch nicht wissen können, wie Entwicklungen ausgehen, welche Entwicklungslinien sich verschränken und verknoten, auseinanderlaufen oder abreißen. Wenn auf das Küssen Rückschau gehalten wird, bedeutet das schon aufgrund unserer Perspektive, dass das Ende nah, vielleicht schon da ist, Du und ich es vielleicht längst erlebt oder erlitten haben.

Immer wieder haben Menschen sich auch intellektuell mit dem Küssen auseinandergesetzt, in der Literatur vor allem (und in der Poesie zumal), in der Kunst, aber auch in der Rechtsprechung und in der Wissenschaft. Philematologie wird dieser Zweig der Wissenschaft nach dem altgriechischen Wort für den Kuss genannt. Obwohl, von einem »Zweig der Wissenschaft« kann eher nicht die Rede sein, eher von den äußersten Enden des Blattwerks, von einzelnen Ranken oder Trieben im entlegensten Geäst der Theoriebildung.

Diese Elegie über das Küssen entsteht in einer Zeit, die Lockdowns und Sozialbeschränkungen, Kontaktnachverfolgungen und Besuchsverbote hinter sich hat. Konferenzen sind seitdem nicht mehr persönliche Treffen, bei denen es in den Pausen Filterkaffee und eine bestimmte Art von Keksen (die »Konferenzkekse«) gibt, sondern Intermezzi am Bildschirm, mit denen Du und ich unsere sonstige Bildschirmarbeit unterbrechen und bei denen wir uns nur noch in kleinen Videokacheln sehen. Meetings sind seitdem keine Gelegenheit mehr, die Stille der Arbeit im Büro zu verlassen, um mal andere Menschen als Kolleginnen und Kollegen in personam wahrzunehmen, sondern eine neue Form des digital lifestyle, bei der wir die digitale Arbeit gar nicht mehr unterbrechen müssen. Um Kinofilme zu sehen, gehen Du und ich nicht mehr ins Kino, sondern aufs Sofa, um sie zu streamen. Schule ist kein Gebäude mehr, sondern ein nichtanaloger Zeitvertreib. Zweierbeziehungen werden per App hergestellt.

Wo bleibt da das Küssen? Eine nur allzu berechtigte, eine notwendige Frage.

Dass es mit dem Küssen ein Ende hat, wird all diejenigen mit ebenjenem elegischen Gefühl beschlagen, in dem der einen oder dem anderen auch der Ton dieses Buches gehalten scheint, die selbst noch warme, noch positive, noch traute Gefühle für das Küssen hegen, die noch Erinnerungen ihr Eigen nennen, in denen das Küssen einen Bruch mit dem tristen Alltag darstellen konnte, Bedeutungen konstituierte, die vermutlich mit keiner anderen menschlichen Handlung herzustellen und zu erfahren waren. Dieses Buch ist ein letzter Kuss, ein Kuss für den Leser und die Leserin, weil nicht mehr geküsst wird, wie einmal geküsst wurde, als mit Küssen noch Tiere sich in Prinzen und Prinzessinnen verwandeln konnten, Könige zu Göttern und Damen zu Diven erhoben, ja Tote mit ihm erweckt wurden. Diese Elegie, die Du und ich hier gemeinsam anstimmen werden, ist eine Art Biographie des Küssens: Es will die Geschichte des Küssens als Geschichte inGeschichten erzählen. Diese Geschichten kommen als freie Meditationen daher, das heißt als Versuche, Essays, Gedankensplitter, die sich gewisse Freiheiten nehmen. Dazu zählt vor allem die Freiheit, einmal in etwas grundsätzlicherer Weise übers Küssen, seine Entstehung, sein Herkommen, seine Bedeutung, seine gesellschaftliche Funktion, seine politischen, künstlerischen und ästhetischen Implikationen und schließlich sein Ende nachzudenken. Dieses Buch, diese Elegie, dieser Abgesang auf den Kuss, er ist selbstredend auch eine Hymne, ein Lobgesang, ein Liebeslied, und die Geschichte des Küssens – was soll sie anderes sein denn eine Liebesgeschichte? Was das Küssen nicht zuallerletzt zeigt, ist: Nicht nur allen Anfängen, auch vielen Enden wohnt ein Zauber inne.

03Experiment: Du kannst dieses Buch küssen

Vielleicht hast Du es auch schon geküsst. Vielleicht ist dieses Buch, das Du gerade in Händen hältst, nicht nur ein Buch über das Küssen, vielleicht ist es auch ein Buch zum Küssen. Versuche es doch einmal! Schließe jetzt die Buchdeckel, zwischen denen das Geschriebene steht, das Du gerade liest, und führe dieses Buch zart, wenn nicht gar zärtlich an Deine Lippen. Du kannst beispielsweise einen Finger an der Stelle belassen, an der Du diese, zugegeben: etwas ungewöhnliche Aufforderung gerade liest. Nach dem Kuss kehrst Du bitte hierher zurück. Ich warte so lange und möchte mich anschließend mit Dir über diesen Kuss austauschen.

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Nun? Wie war es?

So ungewöhnlich, wie Dir jetzt dieser Gedanke oder dieser Kuss, wenn Du ihn wirklich ausgeführt hast, vorkommen könnte, ist er freilich nicht. Menschen küssen Gegenstände, und Bücher zählen nicht zu den am seltensten geküssten Artefakten.

Stellen wir uns vor, dass Du gerade in der Straßenbahn sitzt, während Du dieses Buch liest. Zwischen Poststraße und Bahnhofstraße hat der Autor Dich gerade aufgefordert, das Buch zu schließen und es zu küssen. Du hast es getan, in aller Öffentlichkeit. Die neben Dir Sitzenden und die um Dich herum Stehenden haben Dich dabei beobachtet. Was mögen die Leute, die Dich beim Küssen beobachtet haben, über Dich gedacht haben? Welche Informationen entnehmen sie dem etwas ungewöhnlichen Umstand, dass Du in ihrem Beisein ein Buch geküsst hast? Vermutlich werden die Mitreisenden denken, dass Dir dieses Buch besonders gut gefällt, dass es ein besonders wichtiges Buch ist, dass Du Dich zu ihm hingewandt fühlst, dass Du ihm positive, ja, wer weiß: zärtliche Gefühle entgegenbringst. Der Kuss mithin, den Du diesem Buch gegeben hast, ist ein Zeichen, ist ein Kommunikant, hat anderen und, wer weiß, gar Dir selbst etwas mitzuteilen, ist interpretierbar, hat Implikationen, steht im gesellschaftlichen Raum und konstituiert, wie jeder Kommunikant, eine singuläre gesellschaftliche Situation.

Aber ausgerechnet ein Buch küssen?

Ja. Wenn Du und ich schon Gegenstände küssen und nicht uns oder andere Menschen, dann gehört das Buch zu den in der Geschichte am häufigsten geküssten Objekten. Brian Cummings hat eine Studie vorgelegt, in der er das Küssen von Büchern von der Antike bis in unsere Tage untersucht hat. Bis ins 19. Jahrhundert war es beispielsweise in England vor Gericht üblich, einen Eidesschwur durch das Küssen der Bibel zu bekräftigen, und das, obwohl eine solche Kusspraxis im protestantischen England eigentlich als Aberglauben abgetan wurde.[1]

Du und ich können und müssen überlegen, wo und was noch überall in der Öffentlichkeit geküsst wird, ob Küssen überhaupt etwas Öffentliches oder etwas Privates ist, ob das Küssen etwas Natürliches, gar Biologisches ist, was das Küssen wem mitteilt, wer und was alles aus welchen Gründen geküsst wird, welche Regeln dabei herrschen, wer diese Regeln aufstellt und wer überhaupt beim Küssen beteiligt ist. Und am Ende, zu guter Letzt, das vielleicht gar nicht gut ist, muss gefragt werden, wie das Küssen enden konnte, warum es seine Bedeutung verloren hat und ob es ein Hintertürchen gibt, um das Küssen vielleicht, irgendwo, irgendwann, wieder hereinzulassen, in ein neues Labyrinth, durch das zukünftige Generationen von Küsserinnen und Küssern gehen und in dem sie sich verlieren können.

04Der natürliche Kuss.

Zunächst müssen Du und ich klären, was das Küssen nicht ist. Viel kognitiver und wissenschaftlicher Aufwand ist betrieben worden, um zu zeigen, dass das Küssen ein natürliches, ein der Gattung Homo sapiens quasi biologisch eingraviertes, ein angeborenes und damit unvermeidbares Phänomen sei. Viele Beiträge über das Küssen können es darum auch nicht unterlassen aufzuzählen, dass beim Küssen 34 Gesichtsmuskeln und 112 Nacken- und Halsmuskeln beteiligt seien, dass der Mensch durchschnittlich von 70 Lebensjahren mehr als 76 Tage mit Küssen verbringe oder dass beim Küssen 0,7 g Fett, 9 mg Wasser, 0,45 mg Salz, Hunderte Bakterien und Millionen Viren ausgetauscht würden. Weil solche Daten naturwissenschaftlich aussehen, wird der Eindruck vermittelt, das Küssen selbst müsse ein natürliches, ein biologisches Faktum sein. Man könnte das einen naturalistischen Fehlschluss nennen. Auch dass das Küssen mittels Körperteilen ausgeübt wird, mag ein Anlass für diesen Fehlschluss sein (denn um einen solchen handelt es sich zweifelsohne), es für etwas Kreatürliches, einen physiologischen, einen medizinischen oder gar schlicht einen physikalischen Sachverhalt zu halten. Nichts weniger als das ist das Küssen. Um die Gründe, warum es zu diesem Fehlschluss kam, zu verstehen, müssen Du und ich uns die Argumente ansehen, die für diese Interpretation des Küssens ins Feld geführt wurden.

Vorgegeben hat den Ton der Debatte kein Geringerer als der Erfinder der Psychoanalyse, der Wiener Arzt und Schriftsteller Sigmund Freud. Im Jahr 1905 veröffentlichte Freud seine Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, die wohl nicht zu Unrecht zu seinen Hauptwerken gerechnet wurden und die ihn und seine Theorie, die Psychoanalyse, weit hinaus über jene Fachkreise, die Freud zu Lebzeiten eher geflissentlich ignorierten, bekanntgemacht haben.

In den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie erscheint der Kuss nun als »Abweichung in Bezug auf das Sexualziel«. Freud unterscheidet zwischen Sexualobjekt und Sexualziel. Das Sexualobjekt ist die Person, »von welcher die geschlechtliche Anziehung ausgeht«, während das Sexualziel die Handlung heißt, »nach welcher der Trieb drängt«.[1] Das Küssen zählt für Freud zu den Perversionen. Der gesellschaftliche Normalzustand der Sexualität war zu Freuds Zeiten (und nicht nur da) der heterosexuelle penetrierende Geschlechtsverkehr. Mit dieser angeblichen Normalität des Sexuallebens hat Sigmund Freud gründlich aufgeräumt, und das hat vermutlich nicht weniges zu dem großen Erfolg seines Buches beigetragen. Freud stellt nämlich recht unumwunden fest, dass viele, ja, wer weiß: alle Menschen zu solchen Abirrungen in Bezug aufs Sexualobjekt oder das Sexualziel fähig sind: »[V]iele sind abnorm im Sexualleben, die in allen anderen Punkten dem Durchschnitt entsprechen«, da die Sexualität als »schwacher Punkt« der Kulturentwicklung anzusehen sei.[2] Einige dieser Perversionen haben zudem ihren Ursprung in der frühen Kindheit, so Freud, in der der Mensch noch »polymorph pervers« ist, also zu »allen möglichen Überschreitungen« geneigt ist und eine gewisse Beliebigkeit in Bezug auf Lustobjekte und Sexualziele an den Tag legt.[3] Spätestens mit dieser Feststellung wurden Freuds Drei Abhandlungen skandalfähig, denn der Kindheit, die bis dahin als Zeit der Unschuld angesehen wurde, eine eigene Sexualität zuzusprechen, war in einer Ära, in der Sexualität grundsätzlich mit Schuld konnotiert wurde, einigermaßen unerhört. Freud trieb das Skandalon aber noch weiter, in dem er dieses polymorph Perverse allen Menschen attestierte, die also in Bezug auf Objektwahl und Ziel ihres sexuellen Verlangens deutlich anarchischer und promiskuitiver waren, als es die herrschende Sexualmoral offiziell vorsah. So stellt er fest, dass zwar als »normales Sexualziel« die »Vereinigung der Genitalien in dem als Begattung bezeichneten Akte« zur »Lösung der sexuellen Spannung und zum zeitweiligen Erlöschen des Sexualtriebes« gelte. Doch selbst bei diesem »normalsten Sexualvorgang« träten bereits bei Dir und mir jene »Abirrungen« auf, die als Perversionen angesehen würden.[4] Dazu zählt Freud alle Formen von »Betasten« und »Beschauen« des Sexualobjekts, die einerseits selbst mit Lust verbunden seien, andererseits die Erregung steigern würden. Eine spezielle Form der Berührung hebt Freud dabei gesondert hervor, nämlich das Küssen. Seine Beschreibung dieses romantischen Vorgangs kommt dabei einigermaßen unromantisch daher:

»Eine bestimmte dieser Berührungen, die der beiderseitigen Lippenschleimhaut, hat ferner als Kuß bei vielen Völkern (die höchstzivilisierten darunter) einen hohen sexuellen Wert erhalten, obwohl die dabei in Betracht kommenden Körperteile nicht dem Geschlechtsapparat angehören, sondern den Eingang zum Verdauungskanal bilden.«

Dass das Küssen eine berührende Annäherung an den Eingang des Verdauungskanals darstellt, ist eine einigermaßen nüchterne Feststellung. Genau diese führt Freud aber einerseits vorwärts zur Psychopathologie, andererseits zurück in die menschliche Entwicklung in der Kindheit und die aufkeimende frühkindliche Sexualität. Bei den Psychoneurotikern sieht Freud »alle Neigungen zu den anatomischen Überschreitungen im Unbewußten und als Symptombildner«, unter ihnen »mit besonderer Häufigkeit und Intensität diejenigen, welche für Mund- und Afterschleimhaut die Rolle von Genitalien in Anspruch nehmen«.[5] Körperteile und Organe, die zum Ziel des Sexualtriebs werden, nennt Freud »erogene Zonen«. Was die Sexualität in der kindlichen Entwicklung angeht, mutmaßt Freud, dass sie deswegen so lange unentdeckt blieb, weil Du und ich selbst eine eigentümliche Amnesie in Bezug auf unsere früheste Lebensphase hätten. Da wir uns nicht an unser kleinkindliches Leben und unsere damaligen Lüste und Vergnügen erinnern könnten, würden wir ihr Vorhandensein insgesamt ausblenden. Dabei beginne Sexualität in der frühesten Kindheit, in einer Lebensphase, die Freud bezeichnenderweise die »orale Phase« nennt. Zu den frühesten Äußerungen infantiler Sexualität zählt Freud das »Ludeln«, »Lutschen« oder »Wonnesaugen«, das eben gerade nicht der Nahrungsaufnahme dient, sondern allein dem Lustgewinn:

»Das Ludeln oder Lutschen, das schon beim Säugling auftritt und bis in die Jahre der Reife fortgesetzt werden oder sich durchs ganze Leben erhalten kann, besteht in einer rhythmisch wiederholten saugenden Berührung mit dem Munde (den Lippen), wobei der Zweck der Nahrungsaufnahme ausgeschlossen ist«.[6]

Dabei werde ein Teil der Lippe selbst oder die Zunge oder eine beliebige andere erreichbare Hautstelle als Lustobjekt hergenommen, an dem gelullt, gelutscht oder gesaugt wird. Dieses »Wonnesaugen« könne entweder zum Einschlafen führen oder – welch Gegensatz! – »zu einer motorischen Reaktion in einer Art von Orgasmus«. Dieses wonnige Lutschen hat sich natürlich für Freud aus der ersten und lebenswichtigen Tätigkeit des Kindes, dem Saugen an der Mutterbrust, entwickelt. Das Stillen und die damit verbundene Lust wird zum Initialritus in der Entwicklung der Lippen zur erogenen Zone. Nahrungsaufnahme und Erotik lassen sich in dieser frühesten Phase des Kindes noch gar nicht trennen, oder in den Worten Freuds: »Anfangs war wohl die Befriedigung der erogenen Zone mit der Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses vergesellschaftet.« Erst später macht sich dann die Sexualbetätigung von der zur Lebenserhaltung dienenden Funktion selbständig:

»Wer ein Kind gesättigt von der Brust zurücksinken sieht, mit geröteten Wangen und seligem Lächeln in Schlaf verfallen, der wird sich sagen müssen, daß dieses Bild auch für den Ausdruck der sexuellen Befriedigung im späteren Leben maßgebend bleibt.«[7]

Das Bedürfnis nach Wiederholung einer solchen Befriedigung, die zu einem so wohligen Gesichtsausdruck führt, trennt sich schließlich von der Nahrungszufuhr. Das Kind bedient sich einer eigenen Hautstelle, die es zur erogenen Zone kürt. Allerdings nimmt es schnell die Unvollkommenheit dieser autoerotischen Praxis wahr und macht sich auf die Suche nach einer besseren und befriedigenderen Partie. So entwickelt sich laut Freud aus dem Saugen und Stillen bei Erwachsenen das Küssen:

»Die Minderwertigkeit dieser zweiten Stelle wird es später mit dazu veranlassen, die gleichartigen Teile, die Lippen, einer anderen Person zu suchen (›Schade, daß ich mich nicht küssen kann‹, möchte man ihm unterlegen.).«[8]

Da nicht alle Kinder lutschen oder saugen, muss Freud davon ausgehen, dass es Menschen gibt, bei denen »die erogene Bedeutung der Lippenzone konstitutionell verstärkt ist«. Solche Leute werden seiner Ansicht nach als Erwachsene zu »Kußfeinschmeckern«, wenn sie nicht gar zu »perversen Küssen neigen oder als Männer ein kräftiges Motiv zum Trinken und Rauchen« entwickeln.

So einflussreich Freuds Abhandlungen auch waren, richtig überzeugend ist speziell seine Kusstheorie nicht. Die etwas monotone Zurückführung des Küssens auf die frühkindliche Nahrungsaufnahme erscheint zwar als nicht völlig abwegig, erklärt aber viele Phänomene, die Du und ich mit dem Küssen verbinden, nicht hinlänglich. Die Engführung des Küssens auf eine Verirrung mit Blick auf das Sexualziel verkennt darüber hinaus all die vielen Arten des Küssens, die ganz offensichtlich nicht erotischer Natur sind. Auffällig ist, wie stark Freud das Küssen (und alle anderen »Perversionen«) auf ein biologisches Verhalten trimmt. Auch wenn Freuds Beweggrund für seine Untersuchungen zum Sexualleben und zum Küssen darin lag, ins Seelenleben der Menschen vorzudringen, so waren doch letztlich für ihn alle Regungen des psychischen Apparats bedingt durch biologische oder geradewegs durch chemische Prozesse. Er nennt dies »hereditär fixiert«, also einen Teil des phylogenetischen oder stammesgeschichtlichen Erbes.[9] Auch das Küssen als sexuelle und infantile Perversion ist damit nach Freud nichts weiter als eine Reaktion auf physiologische Stimuli. Sigmund Freud steckt damit wissenschaftshistorisch noch knietief im mechanistischen 19. Jahrhundert und bereitet das wissenschaftliche Paradigma vor, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen wissenschaftlichen Disziplinen, vor allem den Lebenswissenschaften, Dominanz gewinnen wird, nämlich den Behaviorismus, der, plakativ ausgedrückt, komplexe Zusammenhänge auf ein simples Reiz-Reaktionsschema zurückführt.

Besonders stark wird die Rückführung des Küssens auf biologisch prädisponiertes Verhalten des Menschen dann, wenn es über Artgrenzen hinaus nachweisbar ist, sprich: wenn auch Tiere küssen würden. Sigmund Freud hat sich hier in seiner Sexualtheorie noch Zurückhaltung auferlegt und betont im Vorwort der dritten Auflage seiner Drei Abhandlungen die »vorsätzliche Unabhängigkeit von der biologischen Forschung als Charakter dieser meiner Arbeit«. Spätere Forscherinnen und Forscher waren da nicht mehr ganz so zurückhaltend. Irenäus Eibl-Eibesfeldt zählt Mund-zu-Mund-Interaktionen zwischen Tieren zu dem, was er in fast schon poetisch-lautmalerischer Manier als »Schnauzenzärtlichkeit« bezeichnet und zu den »bandstiftenden Riten« im Tierreich zählt. Um seine Beweisführung besonders schlagend erscheinen zu lassen, listet Eibl-Eibesfeldt gleich eine beeindruckend lange Liste von Beispielen aus dem Tierreich auf, die mit Schnauzen, Schnäbeln und Mäulern allerhand interessante Interaktionen vollführen:

»Das Zärtlichkeitsfüttern wurde sehr oft zu reinen Gesten ritualisiert. So tauschen Gimpel beim ›Schnabelflirt‹ kein Futter mehr aus. Sie schnäbeln bloß. Als freundliche Geste kann das ritualisierte Füttern selbst den Abbau des Brutpflegefütterns überdauern. Der Kuckuck füttert sein Weibchen, obgleich er gar keine Jungen betreut. Bei den ebenfalls brutparasitischen Breitschwanzparadieswitwen füttert das Männchen vor dem Weibchen ritualisiert in die Luft. […] Wölfe und Haushunde beschwichtigen einen Artgenossen, indem sie mit der Schnauze futterbettelnd gegen den Mundwinkel des Partners stoßen und lecken, was dieser duldet. Bei einer Reihe von Raubtieren entwickelte sich aus solchen Vorstufen ein zärtliches Schnauzenreiben. Seelöwenweibchen begrüßen ihre Jungen mit Schnauzenreiben. Man beobachtete diese Art der Begrüßung ferne zwischen Männchen und Weibchen.«[10]

Das Küssen und »kußähnliche Verhaltensweisen« stellten laut Eibl-Eibesfeldt, analog zu Sigmund Freuds Theorie, »Rückgriffe auf kindliches Verhalten« dar, es sei »ritualisiertes Brustsuchen«. Insbesondere der Lippen- und Zungenkuss habe sich, so Eibl-Eibesfeldt, aus Fütterungshandlungen entwickelt. Mund-zu-Mund-Fütterungen zwischen Mutter und Kleinkind konstatiert der Verhaltensbiologe in sehr unterschiedlichen Kulturen, sie seien in so entlegenen Weltregionen wie Papua-Neuguinea, Schleswig-Holstein oder dem Schwarzwald dokumentiert.[11] Hinweise, dass es Kulturen und Regionen gebe, in denen das Küssen ganz und gar unüblich sei, tut der Anthropologe mit dem Hinweis ab, dass in vielen Naturvölker alles Erotische mit einem Tabu belegt sei und deswegen nur nicht darüber gesprochen würde. Außerdem könne es natürlich sein, dass das Küssen sehr wohl eine angeborene Regung sei, diese aber aus kulturellen Gründen in bestimmten Völkern unterdrückt würde.

Noch einen Schritt weiter geht Desmond Morris, der den Menschen in einem gleichnamigen Bestseller der 1970er Jahre als »nackten Affen« sieht, der stammesgeschichtlich sehr viel stärker von seinem biologischen Erbe determiniert sei, als seinerzeit angenommen. Gerade was Erotik und Sexualität angeht, sehe sich der Mensch in einer reichlich konfusen Situation:

»Als Primate wird er in die eine Richtung gezerrt, als Raubtier in die andere, und als Angehöriger einer hochkompliziert zivilisierten Gemeinschaft in eine dritte.«[12]

Das Küssen ist für Morris eindeutig Teil des Sexualverhaltens des »nackten Affen« und zählt für ihn zu den »Handlungen vor der Begattung«. Nach dem einleitenden Stadium mit einer »Entfaltung optischen und akustischen Gehabes« komme es zu »einfachen körperlichen Berührungen«, die sich ständig verstärken: »Auf Berührungen von Hand zu Hand und von Arm zu Arm folgen solche zwischen Mund und Gesicht und von Mund zu Mund.«[13] In der nun folgenden Phase sondern sich die zwei Sexualpartner von den übrigen Angehörigen ab und gehen in eine »horizontale Körperhaltung« über: »Auf ein Liegen Seite an Seite von weniger hoher Intensität folgen immer wieder Berührungen hoher Intensität von Gesicht zu Gesicht.« Dies könne Minuten, aber auch Stunden andauern. Die Kleidung werde nach und nach abgelegt, der Berührungsreiz von Haut zu Haut steigere sich maximal:

»Der Kontakt Mund zu Mund erreicht während dieser Phase höchste Frequenz und größte Dauer; der von den Lippen ausgeübte Druck variiert zwischen sanfter Zartheit und äußerster Heftigkeit. Während der Reaktionen höherer Intensität öffnen sich die Lippen, und die Zunge wird in den Mund des Partners eingeführt, aktive Bewegungen der Zunge sollen die dafür empfindliche Schleimhaut der Mundhöhle reizen.«[14]

Außer zum Küssen, Lecken und Saugen würde der Mund während dieser Prozedur auch zu Beißhandlungen unterschiedlicher Stärke verwendet. Einziger Sinn des gesamten Rituals ist es, den Menschen »in physiologisch ausreichende Bereitschaft zur anschließenden Begattung« zu versetzen.[15] Entsprechend lässt das Küssen nach, sobald der eigentliche Sexualakt beginnt: »Mit dem Fortgang der Begattung gekoppelt ist eine Tendenz zur Verringerung der Berührungen mit Mund und Hand, zumindest hinsichtlich ihrer Zartheit und ihres Gesamtumfangs« – Roma locuta, causa finita?

Für Morris ist eine wesentliche Folge der sexuellen Erregung, dass ein dramatischer Wechsel in der Verteilung des Blutes von den tieferen Regionen des Körpers hin zu den näher der Oberfläche gelegenen eintrete. Der ganze Körper fühle sich wärmer an, er »glüht vor Liebe«.[16] Zu einem deutlichen Blutandrang komme es insbesondere in verschiedenen schwellfähigen Organen. Eine solche Blutüberfüllung lasse sich vor allem an Lippen, Nase, Ohrläppchen, Brustwarzen und Genitalien beider Geschlechter wahrnehmen, bei Frauen wölbten sich außerdem die Brüste.

Auch wenn einiges im Sexualverhalten des Menschen dem anderer Primaten ähnelt, konstatiert Morris doch einen wesentlichen Unterschied, und der liegt darin, dass der »nackte Affe« Mensch eine sehr viel intensivere sexuelle Aktivität an den Tag lege als alle Deine und meine nächsten Verwandten. Ihnen, den anderen Primaten, fehle sowohl die verlängerte Phase der Werbung um einen Partner als auch eine verlängerte Paarbildung, wie sie für Menschen typisch ist. Morris schließt daraus, dass der Sexualakt nicht dem Zeugen von Nachwuchs gilt, sondern in erster Linie die Paarbindung dadurch vertiefen soll, dass sie den Partnern wechselseitig Lust verschaffe. Der aufrechte Gang und das jägerische Leben, das Dir und mir zu unserer nackten Haut und zu sensiblen Händen verholfen habe, biete auch einen größeren Spielraum für sexuell erregende Berührungen von Körper zu Körper. Außerdem würden so reich innervierte Organe wie Lippen, Ohrläppchen, Brustwarzen, Brüste und Genitalien hochsensibel für erotische Berührungsreize. Die Ohrläppchen sollen sich sogar eigens zu diesem Zweck entwickelt haben. Innerhalb der Primatengruppe verfügt der Mensch über die »am höchsten entwickelte und am feinsten differenzierte Gesichtsmuskulatur«.[17] Vor allem aber mit den nach außen gewölbten Lippen steht die menschliche Art laut Morris einzig da. Auch Schimpansen können etwa die Lippen nach außen wölben wie zu einem übertriebenen Schmollmund und damit beispielsweise ein Begrüßungssignal geben. Danach werden die Lippen aber wieder eingezogen, und der Affe hat wieder sein »dünnlippiges« Aussehen. Nur beim Menschen werden die Lippen sowohl zur Begrüßung als auch beim sexuellen Vorspiel eingesetzt. Morris schlussfolgert:

»Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung war es vermutlich ›bequemer‹, die sensible Schleimhaut ständig ausgestülpt zu halten – besondere Muskelkontraktionen in der Mundregion waren nun während der verlängerten Berührung von Mund zu Mund nicht mehr nötig.«[18]

Die deutlich umrissene, charakteristische Gestalt dieser ausgestellten Lippenschleimhaut geht nicht unmerklich in die Gesichtshaut über, sondern bildet eine scharfe Kontur, womit die Lippen laut Morris zu wichtigen optischen Signalen werden. Zusammen mit der erwähnten Rötung und Schwellung bei erotischer Reizung konnte dieser Signalcharakter offenbar vervollkommnet werden. Die dauerhafte Ausstülpung der Lippen sorgt dabei für ihren ebenso dauerhaft erotischen Charakter:

»Im übrigen sind ja unsere Lippen auch in Ruhelage, also dann, wenn wir nicht sexuell erregt sind, röter als die übrige Gesichtshaut; damit wirken sie einfach durch ihr Dasein und auch ohne das Anzeigen von physiologischen Änderungen als Werbesignal, als Plakat, das anzeigt: Hier befindet sich eine für sexuelle Berührungsreize empfindliche Zone.«[19]

Das Plakative am körperlichen Äußeren des Menschen geht für Morris aber noch weiter: Vor der Entwicklung des aufrechten Gangs hätten die Vorläufer des Menschen sich auch optisch bei der Sexualwerbung auf ganz andere Körperpartien kaprizieren müssen und hätten sich in einem Stadium befunden, bei dem der Sexualakt noch nicht vis-à-vis, sondern wie bei den meisten Wirbeltieren a tergo stattgefunden habe und »bei dem das Weib sich als Sexualsignal für den Mann hinter ihm eines Paares fleischig halbkugeliger Hinterbacken (die übrigens bei den Primaten sonst nicht vorkommen) sowie eines Paares hochroter Labien (Schamlippen) bediente«. Erst mit der Aufrichtung im Gang habe sich die Konzentration auf die Vorderseite des Körpers verlagert, die darum in erotischer Hinsicht aufgehübscht werden musste. Es habe darum eine innerartliche Mimikry stattgefunden, bei der neue andere Körperpartien die alten ursprünglichen Reize verströmen mussten:

»Die halbkugelig vorgewölbten Brüste sind sicherlich Kopien der fleischigen Hinterbacken, die scharf begrenzten roten Lippen des Mundes solche der roten Labien. […] Die Frauen tragen Duplikate von Hinterbacken und Labien in Form von Brüsten und Mund.«[20]

Alle Sexualsignale erscheinen nun an der Vorderseite des Körpers, und das begünstigt eine neue »Grundstellung« im Sexualakt, nämlich die Frontalstellung Gesicht an Gesicht und Mund an Mund. Auch wenn jede Stellung im Liebesspiel ihre Vorzüge hat, da sie die sexuelle Befriedigung und damit die Paarbindung steigert, so ist doch das persönliche Kennen des Sexualpartners bei Arten mit enger Paarbindung von besonders großer Wichtigkeit:

»[D]as Vis-à-vis bedeutet, daß die ankommenden Signale und die Reaktionen auf sie innig verknüpft werden mit den Signalen, an denen die Persönlichkeit des Partners erkannt wird: Frontaler Sex Gesicht zu Gesicht ist ›personifizierter Sex.«[21]

Morris’ Hypothese von der Mimikry der Geschlechtsorgane durch die Lippen hat erhebliche Konsequenzen für eine Theorie des Küssens: Wenn die Lippen als Schamlippen fungieren, dann gibt es gar keinen Unterschied mehr zwischen Küssen und Sex. Der Geschlechtsakt ist definitiv eine biologische und anthropologische Konstante. Das Küssen müsste es dann logischerweise ebenfalls sein.

Aus ganz anderer Warte hat der französische Philosoph und Soziologe Edgar Morin zwischen das Küssen und den Geschlechtsverkehr ein Gleichheitszeichen gesetzt. Für ihn ist im Kinofilm der Kuss eindeutig »der filmische Ersatz der von den Zensoren verbotenen körperlichen Vereinigung«.[22] Morin folgt hierin Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die im berühmten »Kulturindustrie«-Kapitel der Dialektik der Aufklärung für das Hollywoodkino festhielten: »Gerade weil er nie passieren darf, dreht sich alles um den Koitus.«[23]

Ohne Adorno und Horkheimer oder auch Edgar Morin eine allzu große Verbindung zur katholischen Kirche unterstellen zu wollen (alle drei waren jüdische Gelehrte), hat die katholische Morallehre nicht weniges zu dieser Ansicht einer engen Verbindung von Küssen und Sex beigetragen. Besondere Kussregeln wurden von den Kirchenlehrern gerade auch deswegen aufgestellt, weil sie das Küssen nicht ohne das Geschlechtliche und damit in ihrer kruden Weltanschauung Sündige denken konnten. Dass die Moraltheologen in ihren Kussregelwerken eine durchaus, sagen wir: intime Sachkenntnis der Materie an den Tag legten, gehört zu den Bigotterien, die vermutlich nur diejenigen nachvollziehen können, denen der religiöse Sinn noch nicht völlig abhandengekommen ist. Küsse seien Todsünden, wenn sie auf »ungewöhnliche« Körperteile wie zum Beispiel die Brüste appliziert würden, zumal bei Personen des anderen Geschlechts. Zu Tode sündig sei das Küssen auch, wenn man die Zunge in den Mund des oder der anderen stecke, wenn die Küsse zu lange dauerten oder gar, horribile dictu, wiederholt würden. Ebenfalls als Todsünde galten Küsse auf »ehrbare oder nicht allzu unehrbare« Körperteile, zum Beispiel die Arme, wenn sie aus geschlechtlichem Affekt geschähen. Eine lässliche Sünde sei das Küssen, wenn es im Scherz oder beim Spiel sich ereigne, doch sei vor solchen Spielen ausdrücklich zu warnen. Erlaubt seien eigentlich nur das Küssen, das die konventionelle Höflichkeit gebiete, etwa bei der Begrüßung der Schwiegermutter (!) oder sonstiger Verwandter oder bei Monarchenzusammenkünften. Küssen geht nach Meinung christlicher Dogmatiker auch dann gerade so in Ordnung, wenn sie um der heimatlichen Sitten willen erfolgte oder als Zeichen des Wohlwollens geschähe.[24] Gläubige Christen sind ja wie Schafe, vor allem die weiblichen, und genau wie Tiere muss man sie »abrichten«, damit sie die kirchlichen Moralvorstellungen rund um das Küssen vollkommen internalisieren, meinte jedenfalls Josef Leute in seinem Werk Das Sexualproblem und die katholische Kirche von 1908:

»Da der Kuß in praxi zumeist auf sexuelle Motionen sich gründet, wird er also in der Regel unter schwerer Sünde zu verbieten sein. Die katholischen Mädchen sind auch in der Tat so abgerichtet, daß sie unaufgefordert in der Beichte erzählen, wenn sie geküßt worden sind.«[25]

Auch säkularer gesinnte Dichterinnen und Denker sahen eine naturgegebene Verschmelzung von Küssen und dem Geschlechtsakt, so dass das eine mit einer biologischen Zwangsläufigkeit in das andere übergehen müsse. Ferdinand Fellner Ritter von Feldegg schrieb in seinen sexualästhetischen Essays, die er unter dem Titel Die Schönheit im Geschlechtsleben 1913 veröffentlichte:

»Der Kuß ist nichts anderes als ein sozusagen sexualästhetischer Wechsel auf ein späteres Guthaben, das vom Wechselbesitzer, wenn die Zeit kommt, eingefordert und vom Aussteller meist auch beglichen wird.«[26]

Feldegg konnte sich mit dieser beinahe ökonomistischen Interpretation des Küssens, das in einem festen Wechselkursverhältnis zum Geschlechtsverkehr steht, auf uralte Traditionen berufen, die bis in die Antike zurückreichen. Schon der römische Dichter Ovid räsonnierte in seiner Liebeskunst:

»Wer erst Küsse sich nahm, und nun das übrige nicht nimmt,

Der hat verdient, daß er auch, was ihm gegeben, verliert.

Wieviel fehlte denn noch nach dem Kuß zur Fülle der Wünsche?

Ha! Das nenn’ ich nicht Scham! Tölpische Blödigkeit ist’s.«[27]

Kein Wunder also, dass beim Wiener Mediziner Oskar Franz Scheuer das Küssen als »ein Glied in der Reihe der Vorlustakte« bezeichnet und zu den »Präliminarien der Begattung« gezählt wird. Er sieht das Küssen als kreatürliche Fortsetzung und Weiterentwicklung der »Liebesspiele, Präludien, Liebkosungen und Eroberungskämpfe« der Tierwelt, und das schon deswegen, weil bei allen Tieren (also auch dem Homo sapiens) »ein hoher Erregungszustand des Nervensystems zur Begattung nötig« sei.[28]

Die Amalgamierung von Küssen und Geschlechtsverkehr kann so weit gehen, dass das Küssen den Sex vollständig substituiert oder bereits als sein finaler Vollzug angesehen wird. Das mag auch von einem alten Vorurteil herrühren, das in voraufgeklärten Zeiten mit dem Kuss sogleich die Unschuld geraubt sah. So wurde, wie Oskar Franz Scheuer weiters berichtet, bei Mädchen und jungen Frauen der Irrglaube genährt, dass »die ganze physische Seite der Liebe im Kusse auf den Mund enthalten« sei.[29] Ganz fremd kann Dir und mir dieses Denken auch heute nicht erscheinen, wenn wir uns daran erinnern, dass wir lang und breit auch die Übertragbarkeit des Aids-Virus durch das Küssen diskutiert haben. Die Vorstellung einer angeblich sexuellen Funktion des Küssens findet sich länder- und kulturübergreifend. Ein kalabrisches Sprichwort besagte: Donna basata, donna spusata – geküsste Frau, verheiratete Frau. Das Rechtssystem kennt schon seit dem 17. Jahrhundert Streitfälle und gelehrte Auseinandersetzungen darüber, ob etwa ein »ehrliches Mädchen, nach einem ihr von einer Mannsperson geraubten oder freywillig gegebenen Kusse noch den Jungfernkranz tragen« dürfe oder ob, wenn ein »verheurathetes Frauenzimmer einen Dritten unverweigerlich und mit Geschmack küsst, ein Verdacht des Ehebruches gefolgert werden« könne.[30] Die Rechtspositionen zu der Frage, ob und von wem eine Frau sich nach deutsch-römischem Recht küssen lassen dürfe, füllten Bände, so etwa die juristische Untersuchung Von dem Rechte des Frauenzimmers gegen eine Mannsperson, die es wider seinen Willen küsset.[31]

05Die Natur küsst nicht

Die Beweisführung gegen die Annahme des Küssens als biologisches Faktum ist weniger weitschweifig und liegt doch auf der Hand. Wäre das Küssen, wie es Johannes Paul Chavanne in seiner theologischen Doktorarbeit über den »Friedenskuss« in der Kirche schreibt, eine »anthropologische Urkomponente«,[1] also ein angeborenes Verhalten, so müsste überall da, wo Menschen sind, auch geküsst werden. Essen und Trinken etwa sind solche anthropologische Konstanten, die sich entsprechend auf der ganzen Welt finden. Auch der Geschlechtsverkehr (der zu sehr viel mehr dient als nur der Fortpflanzung) findet sich überall dort, wo sich Menschen finden – irgendwie auch logisch, da es ohne Geschlechtsverkehr nicht überall Menschen gäbe.

Beim Küssen ist die aber nicht der Fall. Dein und mein Urteil muss lauten: Küssen ist keine solche anthropologische Konstante, nichts Angeborenes oder Natürliches. Kronzeuge in dieser Verhandlung ist immerhin Charles Darwin, der Begründer der Evolutionsbiologie, der schon deswegen eigentlich ins Lager einer kreatürlichen oder naturalistischen Interpretation des Küssens zählen müsste. 1872 veröffentlicht der britische Forscher sein Buch Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei den Menschen und den Tieren. Das Thema der Gemütsausdrücke scheint für diesen bedeutenden Forscher recht speziell. Immerhin hat er mit seiner Abstammungslehre und der Theorie der natürlichen Zuchtwahl eine wissenschaftliche Revolution ausgelöst, die Evolutionstheorie ist heute das einheitliche Paradigma der Lebenswissenschaften. Bei genauerer Betrachtung fügt sich die Ausdrucks-Schrift aber in die Reihe seiner anderen beiden Großwerke, Über die Entstehung der Arten sowie Die Abstammung des Menschen, passgenau ein. Mit der Untersuchung der mimischen und gestischen Ausdrucksmöglichkeiten von Mensch und Tier geht Darwin nämlich auf das Problem des Zusammenhangs der Arten ein. Wenn Tiere auf Freude, Angst, Kummer, Zorn oder auch Zärtlichkeit und Liebe ähnlich reagieren wie Menschen, dann wird die Verwandtschaft der Arten und die Abstimmung des Menschen von tierischen Vorgängern viel plausibler. Die Äußerung unserer Gefühle ist dann auch nicht kulturabhängig, sondern natürlich und hat ererbte biologische Voraussetzungen. Darwin ist damit en passant auch zum Erfinder der Verhaltensbiologie geworden, denn er schöpft seine Schlussfolgerungen aus den empirischen Beobachtungen, die er auf seinen Reisen, an seinen eigenen Kindern oder Mitmenschen gemacht oder sich von Zoowärtern hat erzählen lassen. Das Ausdrucks-Buch hat darüber hinaus Mediengeschichte geschrieben, es ist nämlich das erste wissenschaftliche Werk, das mit Foto-Illustrationen aufwartete.

Für eine Universalität der Ausdrucksformen findet der Naturforscher seine These der biologischen Bedingtheit bestätigt. Das gilt aber ausdrücklich nicht für das Küssen: »Wir Europäer sind an das Küssen als ein Zeichen der Zuneigung so gewöhnt, daß man es für der Menschheit angeboren halten könnte. Dies ist indessen nicht der Fall.« Auf seinen weiten Reisen machte er nämlich die Beobachtung, dass in vielen anderen Ländern und Kulturen das Küssen völlig unbekannt war oder sogar als ausgesprochen unschicklich galt, so »bei den Neuseeländern, den Eingeborenen von Tahiti, den Papua, den Australiern, den Somali von Afrika und den Eskimos«.[2] Was Darwin gerade noch als angeborenes oder biologisch bedingtes Verhalten und damit als anthropologische Konstante durchgehen lässt, ist die Tatsache, »mit einer geliebten Person in Berührung zu kommen«.

Solche Berührungen beschreibt der Sozialanthropologe Bronislaw Malinowski in seinem Buch mit dem heute so vermutlich nicht mehr vergebenen Titel Das sexuelle Leben von Wilden. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs war der Pole mit österreichischem Pass zufällig gerade in Australien und konnte wegen des Krieges nicht in seine Heimat zurückkehren. Er nutzte das, in dem er die zu Papua-Neuguinea gehörigen Trobriand-Inseln für ausgiebige Feldstudien besuchte und das Leben der dortigen Ureinwohner studierte. Unter anderem schildert er ein Ritual, das in der indigenen Sprache kamali genannt wird und das ein erotisches Kratzen darstellt, »das die erotische Annäherung symbolisiert, wie es bei uns das Küssen tut«.[3] Bei gegenseitiger erotischer Anziehung sei es den Mädchen auf den Trobriand-Inseln erlaubt, »ihrem Liebhaber beträchtlichen körperlichen Schmerz zuzufügen, indem sie ihn kratzt, beißt, prügelt oder gar mit einem scharfen Gegenstand verwundet«. Es sei ein Zeichen von Männlichkeit, »richtig aufgeschlitzt zu werden«. Als erotisches Spiel ist diese Praxis sicherlich ernst zu nehmen (vor allem von den betroffenen jungen Männern), aber Du und ich würden, anders als Malinowski, diese Gewaltanwendung sicherlich nicht als Küssen bezeichnen. Ähnliches gilt für die Inuit im Polarkreis, die sich zur Begrüßung die Nasen reiben: Auch wenn das häufig als »Eskimokuss« bezeichnet wird, ist es nichts weniger als das – vom heute als diskriminierend angesehenen Namen ganz zu schweigen. Denn sonst könnte bald jede paarweise Körperberührung, also auch etwa das Händeschütteln, als Küssen bezeichnet werden, was den Begriff offensichtlich überstrapazieren würde.

In jüngster Zeit konnte die Darwin’sche Annahme von der Kulturrelativität des Küssens von Anthropologen der University of Nevada um William R. Jankowiak empirisch bestätigt werden. In einem Inter-Kulturen-Vergleich, bei dem 168 verschiedene Ethnien und Kulturen in neun kulturellen Kontinentalregionen verglichen wurden, kamen die Forscherinnen und Forscher aus