Lady Buddha - Mo Marlitt - E-Book + Hörbuch

Lady Buddha E-Book und Hörbuch

Mo Marlitt

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Beschreibung

Irgendetwas fehlt in Hannas Leben. Aber was? Während einer Auszeit in einem Seminarhaus, hofft sie, Antworten zu finden. Obwohl der Ort nicht hält, was er verspricht, bringt sie etwas dazu, zu bleiben: das Versprechen, Lady Buddha zu begegnen. Ein überraschender Aufbruch beginnt, den Hanna sich nicht hat träumen lassen. Und ehe sie sich versieht, steht sie plötzlich vor der Lady ... Mo Marlitt schickt ihre Protagonistin Hanna auf eine Reise zu sich selbst. Ihre einfühlsame Geschichte handelt von Sehnsucht und Erfüllung und ist für all jene, die das Gefühl haben, dass etwas in ihrem Leben fehlt.

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Seitenzahl: 96

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Zeit:1 Std. 49 min

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Beliebtheit




Mo Marlitt

Lady Buddha

Finde die Liebe in dir selbst

HERDER spektrum 6938

Originalausgabe 2017

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2017

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Umschlagmotive: © Shutterstock – Nattle, Roobcio, lightmood

E-Book-Konvertierung: le tex publishing services, Leipzig

ISBN (E-Book) 978-3-451-81126-5

ISBN (Print) 978-3-451-06938-3

Inhalt

Nur weg hier!

Das Schneckenmädchen

Geheime Erscheinung

Erste Erkenntnisse

Nächtlicher Besuch

Missverständnisse

Ordnung

Morgenstern

Abendstern

Seelenbaumel

Die Einladung

Lady Buddha

Es gibt ein sehnsuchtsvolles Gefühl nach Ruhe, Liebe und Leben in mir«, gestehe ich meiner Freundin Friederike. »Irgendwie und auf eine sehr spezielle Weise«, versuche ich zu erklären, »habe ich es nicht geschafft. Da fehlt ein Puzzlestein. Obwohl ich meinen Job zum Beispiel sehr mag. Aber ich habe es nicht geschafft. Ich bin in mir nicht zu Hause.«

Was das genau ist, dieses »geschafft« und was ich meine mit »Zuhause«, kann ich nicht in Worte fassen. Es ist ein Gefühl, das ich seit meiner Kindheit habe und das sich schmerzhaft meldet, wenn ich Menschen, wie Friederike treffe. Menschen, die auf eine ganz spezielle Weise satt und gesegnet sind. Friederike ist immer im Einklang mit sich. Sie ist beliebt, hat viele Freunde und eine warmherzige Familie. Natürlich hat sie auch schon tiefe Täler durchschritten. Auch ihr ist nicht alles in den Schoß gefallen. Aber sie hat eine Art Urvertrauen, das ihr hilft und sie unterstützt. Wie Friederike wäre ich auch gerne. Das ist kein Neid, sondern eher ein Verlangen.

Vielleicht ist es dieser Vergleich, der mich darauf bringt, dass eine Auszeit eine Wende ermöglichen würde. Raus aus dem Trott, hinein ins Behagen. Und nun stehe ich in diesem Zimmer.

»Hier kann ich unmöglich bleiben«, stößt es aus mir hervor. Diese Bude ist eine Absteige und die Funzel von einer Lampe leuchtet das Entsetzen dieses Raumes aus: Zusammengewürfelte Möbel, ein schlichtes Bett und schwere Vorhänge, die den Raum erdrücken. Ich atme tief durch und meine Augen suchen verzweifelt etwas, das ihnen gefallen könnte. An der Wand hängt ein Bilderrahmen mit einem Engelporträt darin. Doch der macht das Grauen hier auch nicht besser, im Gegenteil. Wenigstens bei der Eso-Deko hätten die sich ein bisschen ins Zeug legen können.

Die Erschöpfung mischt sich jetzt mit großer Enttäuschung. Schwerer Nebel legt sich über meine Seele und lähmt meinen Körper. Als wäre ich nicht sowieso schon am Rand meiner Kraft! Mehr als hundert Überstunden haben mich so weit gebracht, dass ich nichts mehr stemmen konnte. Jede To-do-Liste wurde zu einer Rucksackladung voller Steine. Und alle diese Steine kullern in diesem Augenblick auf den Boden und schreien mich an: Was hast du dir dabei gedacht, hierher zu fahren? An diesem Ort wirst du dich unmöglich erholen können.

Das Bett ist so schmal, als wäre es für eine Novizin aus dem 17. Jahrhundert gemacht. Ich bin größer, ich brauche Platz. Meine Müdigkeit will sich einkuscheln, streicheln lassen und was ich ganz besonders brauche, sind Antworten. Deswegen habe ich mich auf den Weg gemacht. Ich muss wissen, was ich tun kann, damit mein Leben nicht weiter zerfasert. Damit ich in innerer Harmonie lebe. Schon spüre ich erste Tränen über meine Wangen kullern. Dabei habe ich schon ganz lange nicht mehr geweint. Nicht mal aus Liebeskummer. »Ich bin ein tapferes Mädchen, ich bin eine Kämpferin. Ich schaff das!«, versuche ich die Felle zurückzufischen, die mir gerade emotional davonschwimmen.

Mit einem Seufzer lasse ich mich in den kleinen Sessel fallen. Er wackelt beängstigend. Schützend ziehe ich mein weiches Jäckchen enger um meinen Körper. Niemals werde ich es in diesen Sperrholzkleiderschrank legen! Das ist reinster Kaschmir aus Nepal. Dort wird er nur Fäden ziehen oder Motten stürzen sich mit zähnefletschender Gier auf ihn.

Auf dem Couchtisch liegt ein Werbeprospekt des Hauses. Worte wie »Sinnfindung«, »Tiefe Seelenerholung«, »Liebevolle Zuwendung« und »Ankommen!« stechen mir ins Auge. Genau das wünsche ich mir. Alle Falten, so habe ich gehofft, würde die Seelenerquickung glätten. Das Graue würde sich lösen und ich Yogitee mit einer Haltung trinken als wäre es Champagner. Ich werde mich wieder über mich freuen, wenn ich in den Spiegel blicke. Da es hier aber keinen Spiegel zu geben scheint, ist dieser Punkt vorerst sowieso hinfällig. Was ist das eigentlich für ein Beutel auf meinem Kopfkissen? Neugierig stehe ich auf, schnappe mir das karierte Säckchen und schnuppere daran. Der Duft von Blüten und Kräutern strömt mir entgegen – ich hasse Lavendel.

Müde lasse ich mich auf das Bett fallen, das Herz in meinem Brustkorb rast. Auch ihm ist es zu eng hier. »Halte nur diese Nacht durch, morgen reisen wir beide wieder ab!« Gerne würde ich jetzt mit Jochen reden. In Gedanken höre ich schon, wie er mich beruhigt. Aber das geht nicht, weil ich gerade dabei bin Jochen, den Laufpass zu geben. Ausgerechnet jetzt. Einsamkeit erfüllt mich. Genauso fühlte ich mich oft als Kind, wenn meine Eltern mich abends allein ließen, um tanzen zu gehen. »Schau Hanna, du bist doch schon so groß!« Bin ich nicht. Nicht damals und nicht heute. Tränen laufen an meinen Wangen hinunter und verschmieren sicherlich mein Make-up.

In einem Akt letzter Kraftanstrengung schleudere ich das Kräutersäckchen an die Wand. Das Zimmer verwandelt sich auch dadurch nicht in eine Suite. Wenn die Batterien leer sind, dann braucht man eine Umgebung die glücklich macht und nährt. Genau das hatte ich mir erhofft. Ausspannen, mit Lady Buddha meditieren und mir ein paar weise Sätze für die Zukunft einpacken lassen. Denn Lady Buddha ist der Grund, warum ich hier bin. Die geheimnisvolle Heilige, die Menschen so berührt, dass sie danach anders in den Spiegel blicken. Von ihrem Namen hatte ich gelesen und ihn dann bei irgendeinem Gespräch – ich glaube im Zug – nochmal aufgeschnappt. Etwas hatte mich bei dem Wort Lady Buddha berührt, ja sogar beruhigt. Wie eine Quelle war mir der Name erschienen und die Vorstellung, dass es einen Ort und eine Heilige geben könne, die mich annimmt, runterbringt, der ich mich anvertrauen kann und die mich aus meinem gehetzten, verworrenen Leben führt, all das hatte wie ein Magnet auf mich gewirkt und mich angezogen. Kann Heilung möglich sein und ich meinen Lebenstraum vielleicht finden? Würde ich den Rhythmus entdecken, der für mich bestimmt war? Welcher Traum, welcher Takt das sein könnte, vermag ich nicht zu benennen. Genügt es denn nicht, dass man um Erkenntnis und Hilfe bittet? Muss man am Ende auch noch sagen, was genau man eigentlich will? Am besten, die Lady entlässt mich mit den Worten: »Für dich wird es rote Rosen regnen!« Auch wenn das platt ist, wäre es als Botschaft toll.

»Das wäre doch gelacht«, spreche ich mir Mut zu und erinnere mich an mein Versprechen, diese eine Nacht zu bleiben. Ich will sie wenigstens gesehen haben. Vielleicht ist es möglich, eine Art Essenz von ihr zu bekommen, wenn schon nicht die volle Dröhnung. Außerdem möchte ich eine kleine Lady-Buddha-Figur kaufen, als Souvenir.

»Wenigstens ist es sauber«, sehe ich mich um und lasse meinen Zeigefinger prüfend über den Rand des Nachttischchens wandern. Mutter sagt das immer, wenn sich ein Hotel als Fünf-Sterne-Tempel pries, aber eigentlich nur zwei verdient hätte. In meinem Miniatur-Badezimmer drehe ich den Wasserhahn auf, um mir die Hände vom Staub und Schweiß der Reise zu befreien, aber der Wasserstrahl bleibt auch nach einigem Warten kalt. Energisch drehe ich den Hahn wieder zu.

»Ich werde mich beschweren!«, erkläre ich schimpfend der Katze, die auf dem Weg zur Rezeption neben mir herläuft.

»Ach, die Badsituation musst du erst mal ignorieren«, kommentiert die Dame am Empfang meinen Zornesausbruch.

»Was soll das heißen?«, hake ich energisch nach. Dieses Mädel wird mich noch kennenlernen! Ich bin hier Gast!

»Im Moment ist es leider so. Aber wir sind schon dabei, den Mangel zu beheben. Das Warmwasser läuft gerade mal besser, mal schlechter, aber irgendwann wird auch das repariert sein. Denk dir einfach es wäre warm.« Sie lacht breit und unbekümmert.

»Soll das Buddhismus sein?«, lege ich böse nach. Dieser passive Widerstand macht mich zunehmend aggressiv und ist völlig deplatziert, wir sind hier weder in Tibet, noch befinde ich mich in einem thailändischen Waldkloster.

»Entschuldigung bitte, ich bin hier Kunde und außerdem wüsste ich gerne, wieso Sie mich duzen!«

»Nehmen Sie doch bitte da drüben kurz Platz«, schaltet sie sofort um, wirkt aber irgendwie noch immer unberührt. »Viola, unsere Hausleiterin, kommt gleich und möchte Ihnen gerne noch ein paar Fragen stellen.«

»Was soll das? Muss ich erst ein Quiz absolvieren, um etwas mehr Licht und warmes Wasser zu bekommen?« Selbst auf dem Nullpunkt bin ich durchsetzungsfähig. «Ich erwarte von Ihnen …«, beharre ich weiter auf mein Recht, als eine junge Frau um die Ecke biegt und direkt auf mich zukommt. Sie sieht genauso aus, wie ich hier abreisen möchte: Glücklich, entspannt, vollkommen zufrieden. Na warte, denke ich und straffe meinen Rücken.

»Ach schön, da bist du ja. Ich bin Viola«, lächelt sie und scheint völlig zu übersehen, dass ich gleich platze. »Ich habe nur ein paar Fragen. Wir wollen unsere Gäste gerne besser kennenlernen.«

»Ich möchte über mein Zimmer reden!«, ballere ich zurück. Und überhaupt, wieso sagen alle hier

»Du« zu mir?

»Aber ja. Doch zuerst setzen

wir uns. Möchtest du gerne Tee?«

Ich verneine, weil mir ein Glas Rotwein lieber wäre. Früher hätte ich mir in diesem Moment auch sofort eine Zigarette angezündet. Jetzt muss ich den Quatsch ohne Nikotin über mich ergehen lassen, weil ich dummerweise nicht mehr rauche. Obwohl das sicher eine wunderbare Form des Protestes wäre. An diesem heiligen Ort sind Fleisch, Alkohol und Nikotin sicher verboten.

»Darf ich mir Notizen machen?« Wie eine Schülerin klappt Viola ein kleines Notizbuch auf, in dem eine Reihe Fragen stehen. Unter jedem Satz ist Platz für eine Antwort. Na gut, wenn es uns weiterbringt, denke ich. Die Fragen die Viola mir dann aber stellt, hauen mich aus der Bahn. Wie ich mich in meinem Leben sehe. Ob ich meine Lebensaufgabe kenne, vertraut bin mit meinen Sehnsüchten und Wünschen? Ob ich Freude spüre, wenn ich mir selbst begegne. In welchen Momenten ich mit mir selbst in Kontakt trete.

»Zum Beispiel jetzt«, schießt es aus mir heraus. »Mein Selbst regt sich darüber auf, dass mein Zimmer so dunkel ist. Das Bad ist ein Desaster und meine Beschwerden stoßen bei Ihrer Mitarbeiterin auf taube Ohren.«

»Nein, das meine ich nicht. Du sprichst doch gar nicht mit dir, sondern schimpfst mit anderen. Hast du denn viele Freunde?«

Viola blickt zu mir auf. Ihr Gesicht schwebt über dem Radiergummi, der das Ende ihres Bleistifts bildet. Ihr Blick ist ganz ruhig, als ob ich nichts gesagt hätte.

»Nicht direkt«, antworte ich diplomatisch.

Viola legte den Kopf schief.

»Ich habe eine gute Freundin und einige nette Kolleginnen.«

»Findest du Erfüllung im Leben?«, fragt sie während sie meine Antwort notiert.

»Im nächsten Jahr werde ich ein globales Team führen«, berichte ich von meinem nächsten Ziel und fühle, wie mein vertrauter Stolz sich meldet. Ich, die kleine Hanna, die mal mit der Mittleren Reife anfing, habe mich hochgeackert und jetzt arbeite ich in einem multinationalen Konzern und werde bald weltweit agieren. Yes! Strike! Ich habe es geschafft!

»Ich meine so etwas wie dein persönliches Lebensziel, nicht wo du beruflich hin willst.«

Sie schaut mich an und zieht eine Augenbraue dabei hoch. Ich mag das nicht, denke ich, und meine Augen heften sich an ihrer Braue fest. Dabei ist es nicht ihre Mimik, die mich stört, sondern ihre Frage hat einen wunden Punkt getroffen. Ja, das gab es mal, das Nachdenken, wohin ich mit meinem Leben will. Etwas in mir will in dieser Erinnerungskiste wühlen, aber ich bin zu verärgert, als dass ich diesem Impuls vor anderen nachgeben will.