Lean-Exzellenz im OP Management - Alfred Angerer - E-Book

Lean-Exzellenz im OP Management E-Book

Alfred Angerer

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Beschreibung

Der OP-Bereich ist als Herzstück des Leistungsportfolios von zentraler Bedeutung für die Behandlungsqualität wie auch die wirtschaftlichen Ergebnisse des Krankenhauses. So steht auch der OP im Zentrum der Aufmerksamkeit bei der kontinuierlichen Optimierung von Prozessen und Abläufen. Dieses Buch ist eine praxisorientierte Anleitung für die Prozessoptimierung mit der Lean Management-Methode im OP-Bereich - mit dem Ziel beste Qualität für den Patienten und reibungslose Abläufe zu kombinieren. Gute Prozesse sind nicht nur die Voraussetzung für ökonomische Effizienz, sondern auch die Basis für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit. Das Buch bündelt und vermittelt anwendungsorientiert das Wissen von Praktikern und Akademikern verschiedener Organisationen. Dabei steht nicht die radikale Veränderung des OPs nach dem Big-Bang-Ansatz im Mittelpunkt. Vielmehr sollen die Veränderungen Schritt für Schritt Eingang in den OP finden. Das Buch behandelt die wichtigsten Elemente einer solchen OP-Transformation: 1. Einführung in die Lean-Philosophie 2. Projektplan zur Schaffung einer Lean-Organisation und -Kultur 3. Ausführliches Wissenskompendium mit Konzepten und Werkzeugen 4. Fallbeispiele aus der Praxis Die zahlreichen Abbildungen sowie die Arbeitsformulare im Anhang erleichtern die Umsetzung in die Praxis. Das Buch richtet sich sowohl an Mitarbeitende mit einem betriebswirtschaftlichen als auch mit einem medizinischen Hintergrund, die das Arbeiten in ihrem OP besser gestalten wollen.

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Seitenzahl: 199

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A. Angerer | T. Brand | I. Gurnhofer

O. Mattmann | I. Juchler | R. Martens

Lean-Exzellenz im OP-Management

Effektive und effiziente Prozesse im OP

unter Mitarbeit von

M. Banz | S. Berger | V. Freund | E. Hollenstein I. Kobler | L. Meierhof | M. MoeniusR. Slipac | O. Tschudi | S. Ultsch

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Die Autorinnen und Autoren

Prof. Dr. oec. HSG Alfred Angerer

Zürcher Hochschule für

Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

School of Management and Law

Gertrudstrasse 15

8401 Winterthur

Schweiz

Tim Brand, MSc

Universität Duisburg-Essen

Deutsches Forschungszentrum für

Gesundheitsökonomik

Berliner Platz 6–8

45127 Essen

Deutschland

Ines Gurnhofer

Chapfstrasse 37

8126 Zumikon

Schweiz

Dr. scient. med. Oliver Mattmann

Leancom GmbH

Baarerstrasse 94

6300 Zug

Schweiz

Isabelle Juchler

Zimmer GmbH

Sulzerallee 8

8404 Winterthur

Schweiz

Rutger Martens

Zimmer Biomet EMEA

Toermalijnring 600

3316 LC Dordrecht

Niederlande

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Unterbaumstraße 4

10117 Berlin

www.mwv-berlin.de

ISBN 978-3-95466-572-3 (eBook: ePub)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2020

Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Im vorliegenden Werk wird zur allgemeinen Bezeichnung von Personen nur die männliche Form verwendet, gemeint sind immer alle Geschlechter, sofern nicht gesondert angegeben. Sofern Beitragende in ihren Texten gendergerechte Formulierungen nutzen, übernehmen wir diese in den entsprechenden Beiträgen oder Werken.

Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Daher kann der Verlag für Angaben zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen (zum Beispiel Dosierungsanweisungen oder Applikationsformen) keine Gewähr übernehmen. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.

Produkt-/Projektmanagement: Susann Weber, Charlyn Maaß, Berlin

Lektorat: Monika Laut-Zimmermann, Berlin

Layout & Satz: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH

Illustrationen: Anja Ruh, animarco

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Zuschriften und Kritik an:

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]

Danksagung

Dieses Buch wäre ohne die wertvolle Unterstützung zahlreicher Personen nicht möglich gewesen. Das zugrundeliegende Praxisprojekt ist im Rahmen des durch die Kommission für Technologie und Innovation (Innosuisse) geförderten Forschungsprojekts «Lean-Exzellenz im OP-Management» am Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) entstanden. Als Praxispartner haben Leancom, Zimmer Biomet sowie die Schulthess Klinik mitgewirkt. An dieser Stelle möchten wir allen beteiligten Praxispartnern für ihre fundierten Beiträge danken. Die Innosuisse ermöglichte durch ihren finanziellen Beitrag, die Forschung im Bereich Lean im Spital voranzutreiben. Ein besonderer Dank gilt all den weiteren Autoren, die ihre Expertise im Rahmen von Wissensdokumenten und Fallstudien weitergegeben und somit dieses Buch sehr bereichert haben. Und schlussendlich ein herzliches Dankeschön an Sarah Schmelzer, Laura Meierhof, Johanna Stahl und allen anderen Mitarbeitenden des WIGs für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung dieses Buches.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

1Einleitung

1.1Über das BuchAlfred Angerer und Tim Brand

1.2Einführung in die Lean-PhilosophieOliver Mattmann und Alfred Angerer

1.2.1Herkunft und Ziel

1.2.2Zentrales Prinzip: Eliminierung von Verschwendung

1.2.3Lean-Umsetzung: Vorgehensweise und Barrieren

2Die Grundschritte der OP-Optimierung

2.1Die Lean-OP-VisionOliver Mattmann und Alfred Angerer

2.1.1Flussorientierung der OP-Abläufe

2.1.2Radikale Flussorientierung auch im Kernprozess

2.2Bildung einer Lean Six Sigma StrukturRutger Martens und Oliver Mattmann

2.3Planung des VeränderungsprojektsIsabelle Juchler und Oliver Mattmann

2.3.1Phase 1: Vorbereitung (3–5 Monate)

2.3.2Phase 2: Analyse (2 Monate)

2.3.3Phase 3: Konzeption (1 Monat)

2.3.4Phase 4: Implementierung (6–9 Monate)

2.3.5Phase 5: Kontinuierliche Verbesserung (fortlaufend)

2.4Priorisierung mit Kaizen-WorkshopsOliver Mattmann und Alfred Angerer

2.4.1Kaizen als alternatives Vorgehen

2.4.2Umsetzung in den OP-Alltag

2.4.3Ergebnis des Vorgehens

2.5Veränderungen steuern mit KennzahlenRutger Martens und Alfred Angerer

2.5.1Arten der KPIs

2.5.2Praxisbeispiele

3Die Werkzeuge und Konzepte

3.1Kenntnisse und Einstellung

3.1.1Dedizierte OperationsräumeSabine Ultsch und Tim Brand

3.1.2Operating Value SystemOliver Mattmann und Isabelle Juchler

3.1.3PatientenflussoptimierungLaura Meierhof und Alfred Angerer

3.1.4ChecklistenTim Brand und Alfred Angerer

3.1.5FallverfolgungIsabelle Juchler und Alfred Angerer

3.1.6FCOTS First Case On-Time Starts-MessungIsabelle Juchler und Tim Brand

3.1.7Kaizen-WorkshopLaura Meierhof und Oliver Mattmann

3.1.8Parallele VerarbeitungMoritz Moenius und Tim Brand

3.1.9Saalbenutzung-OptimierungInes Gurnhofer und Oliver Mattmann

3.2Management und Organisation

3.2.1Anlauf- und Auslauf-ModellOliver Mattmann und Isabelle Juchler

3.2.2Befähigungskonzept in einem interdisziplinären KontextOliver Mattmann und Alfred Angerer

3.2.3Kennzahlen im OPVerena Freund und Tim Brand

3.2.4OP-Planung und -SteuerungMonika Banz und Sina Berger

3.3Prozesse und Infrastruktur

3.3.1FehlerüberprüfungSabine Ultsch und Tim Brand

3.3.2Integrierter OPInes Gurnhofer und Isabelle Juchler

3.3.3PatientensicherheitInes Gurnhofer und Oliver Mattmann

3.3.4InteraktionsanalyseTim Brand und Isabelle Juchler

3.3.5Mitarbeitenden-InterviewsIsabelle Juchler und Oliver Mattmann

3.3.6Set OptimierungInes Gurnhofer und Isabelle Juchler

3.3.7Spaghetti-DiagrammEva Hollenstein, Tim Brand und Isabell Juchler

3.3.8Wertstrom-DiagrammIsabelle Juchler und Alfred Angerer

4Praxis-Fallstudien

4.1Optimierung des OP-Bereichs am Beispiel des Kantonsspitals WinterthurLaura Meierhof und Alfred Angerer

4.2Procedure Cards in ChurIrene Kobler, Alfred Angerer, Oliver Tschudi und Robert Slipac

Anhang

Die Autorinnen und Autoren

Sachwortverzeichnis

1Einleitung

1.1Über das Buch

Alfred Angerer und Tim Brand

Im Kontext von Prozessoptimierungen stellt der OP-Bereich eine besondere Herausforderung dar. Der OP ist eine eigene „Produktionsstätte“ innerhalb eines Spitals und unterscheidet sich durch eigene Spielregeln und Prozesse vom Rest der Organisation, wie zum Beispiel den Bettenstationen. Bei Optimierungen sind sowohl bauliche als auch technische Voraussetzungen und ein deutlich höherer Anspruch an Hygiene und Sicherheit der Patienten zu berücksichtigen. Auch die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams stellt eine Besonderheit dar. Die Teams zeichnen sich durch hochspezialisierte Fähigkeiten und koordinierte Handlungen in unvorhersehbaren Situationen aus. Häufig wechselnde Teamzusammensetzungen erfordern ein hohes Mass an Flexibilität.

In den letzten Jahren hat sich die Lean-Philosophie zu dem führenden Ansatz zur Optimierung von Spitälern entwickelt. Zahlreiche Fallstudien zeigen das grosse Potenzial einer Lean-Einführung: Arbeitsabläufe werden standardisiert und qualitativ höher erbracht, die Mitarbeitendenzufriedenheit steigt und die Behandlung wird besser an den Patienten ausgerichtet. Unsere Ausgangsthese war, dass man die etablierten Lean-Konzepte und -Methoden nicht einfach unreflektiert auf den OP übertragen sollte. Aufgrund der Besonderheiten des OP-Bereichs ist eine Analyse und ggf. eine Anpassung der bestehenden Inhalte oder sogar eine Neuentwicklung notwendig.

Dieses Buch ist aus den Ergebnissen des von der Innosuisse geförderten Projektes „Lean-Exzellenz im OP Management“ entstanden, welches zwischen 2018 und 2019 durch das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Kooperation mit Zimmer Biomet, Leancom und der Schulthess Klinik Zürich durchgeführt wurde. Im Rahmen dieses Projektes wurde das vorhandene Wissen zum Thema OP-Optimierung zusammengetragen, Verbesserungsansätze und -werkzeuge entwickelt und in der Praxis getestet.

Als praxisorientierte Zusammenfassung von Lean-Methoden für den OP-Bereich richtet sich dieses Buch an OP-Manager, OP-Personal und allgemeine Entscheidungsträger im Spital. Das Buch gibt eine Wegleitung zur Optimierung der OP-Prozesse mit Lean und Lean-verwandten Methoden. Dabei werden sowohl die einzelnen Konzepte und Werkzeuge, aber auch die Planung und Umsetzung eines solchen Optimierungsvorgehens beschrieben.

Es sei darauf hingewiesen, dass aus Gründen der Lesbarkeit im Buch die männliche Geschlechtsform gewählt wurde, nichtsdestoweniger beziehen sich die Inhalte auf Angehörige beider Geschlechter.

Buchaufbau

Für alle, die sich noch nicht mit der Lean-Thematik beschäftigt haben, beginnt dieses Buch mit einer kurzen Einführung in die Lean-Philosophie (s. Kap. 1.2). Die Hauptkapitel des Buches sind nicht als eine durchgehende Narration zu verstehen, sondern wie bei einem Nachschlagewerk thematisch in drei Blöcke aufgeteilt: Transformationspfad, Wissenskompendium, Fallstudien.

In Kapitel 2 wird eine Lean-OP Vision und der dahinführende Transformationsweg vorgestellt. Einerseits soll als Zielvision der erwünschte OP der Zukunft skizziert werden – welche Prozesse und Strukturen wollen wir erschaffen? Andererseits soll ein modellhafter Projektplan skizziert werden, wie die Transformation heutiger OPs zu diesem OP aussehen kann. Dabei wurde nicht der Big Bang-Ansatz gewählt, welcher eine Organisation durch eine radikale Neugestaltung und einen sehr hohen Ressourceneinsatz in kurzer Zeit auf den Kopf stellt, da die heutigen Organisationen für einen solchen Ansatz in der Regel nicht bereit sind. Stattdessen wird eine sequenzielle Optimierung in der Projektlogik beschrieben. Die übergreifende Logik ist angelehnt an das Lean Six Sigma Vorgehen, bei dem aus einem Pilotprojekt Leistungsdefizite ermittelt und in zahlreichen Unterprojekten nach und nach beseitigt werden.

Kapitel 3 des Buches ist als Wissenskompendium gestaltet. Hier wurde das zentrale Wissen rund um das Thema Lean im OP gesammelt und in Form von Wissensdokumenten aufbereitet. Das Kapitel stellt zahlreiche Lean-Konzepte und -Werkzeuge aus den verschiedensten OP-Bereichen vor. Strukturiert werden die Beiträge nach dem KE.MO.PI.-Prinzip, den drei Haupthebeln einer Transformation. KE steht für Kenntnisse und Einstellung und umfasst sämtliche Themen, die im Zusammenhang mit Prozesskompetenz sowie Einstellung und Wandel von Bedeutung sind. MO, Management und Organisation, befasst sich mit den Bereichen Führung sowie Controlling und Kennzahlen. Der Themenblock PI, Prozesse und Infrastruktur, beinhaltet Werkzeuge und Konzepte zu Fragenstellungen bezüglich Kommunikation, Patienten sowie Logistik (s. Abb. 1).

Abb. 1Das KE.MO.PI.-Prinzip

Schlussendlich wird in Kapitel 4 eine kleine Fallstudiensammlung präsentiert. Anhand zweier Erfolgsgeschichten aus der Praxis wird die Umsetzung im Alltag aufgezeigt. Damit kann plastisch nachvollzogen werden, wie die zahlreichen theoretischen Ansätze im operativen Alltag wertstiftend verwendet werden können.

1.2Einführung in die Lean-Philosophie

Oliver Mattmann und Alfred Angerer

Da sich bereits nicht alle Leser mit der Lean-Thematik auseinandergesetzt haben, soll in diesem Abschnitt eine Wissensgrundlage geschaffen werden. Eine Einführung in die wichtigsten Prinzipien rund um das Thema Lean wird gegeben. Die Herkunft der Philosophie wird erklärt, wichtige Begriffe definiert sowie die grundlegenden Prinzipien aufgezeigt. Für eine vertiefte, allgemeine Behandlung des Themas Lean Healthcare sei hier auf das Wissenskompendium LHT-BOK (Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge. Angerer, 2018) verwiesen.

1.2.1Herkunft und Ziel

Die Lean-Philosophie (Womack u. Jones 2003) wird unter dem Namen Lean Healthcare als ein Ansatz zur Behebung vieler, aktueller Probleme im Gesundheitssystem gesehen. Die Methode Lean Management hat ihren Ursprung im Toyota Produktionssystem (TPS). Der Begründer des TPS, Taichii Ohno, hat seit 1950 mit seinem Team analysiert, wie die Schaffung von Wertschöpfung systematisch erhöht werden kann (Merguerian et al. 2015) und wie eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung in einer Organisation aussehen kann. In den letzten Jahrzehnten hat Lean Management einen Siegeszug durch zahlreiche Unternehmen verschiedenster Branchen erlebt (Aherne 2007).

Mit Lean Management wird die stetige Reduktion und Vermeidung von Verschwendung (Muda) angestrebt. Im Gegenzug wird die Wertschöpfung maximiert. Als wertschöpfende Tätigkeiten werden alle Aktivitäten beschrieben, die für den Kunden beziehungsweise Patienten einen Wert darstellen und wofür er bereit wäre, zu bezahlen (Hussain et al. 2015). Das im Deutschen verwendete Wort Verschwendung ist eine leicht missglückte Übersetzung aus dem amerikanischen Wort „Waste“, das wiederum aus dem Japanischen Wort „Muda“ stammt. Die japanische Expertin Furukawa-Caspary (2016) übersetzt Muda mit „etwas für die Katze tun“ – sprich, eine unnütze Tätigkeit.

1.2.2Zentrales Prinzip: Eliminierung von Verschwendung

Das Toyota Produktionssystem hat früh bereits grundsätzliche Verschwendungsarten entdeckt und kategorisiert. Mit dem Streben nach dem perfekten Wertschöpfungssystem haben sich sieben Verschwendungsarten definiert (Jimmerson et al. 2005), die auch im Gesundheitswesen vorhanden sind (Jackson 2013). In moderner Literatur wird häufig noch eine achte Verschwendung genannt, die den Mitarbeitenden in den Vordergrund rückt (Hollenstein u. Angerer 2018). Die 7 + 1 Verschwendungsarten sind:

1. Überproduktion (Überbehandlung)

2. Fehler und Korrekturen

3. Lagerbestände

4. Wartezeiten

5. Laufwege/Bewegung

6. Transport

7. Verarbeitung (Überbearbeitung; falsche/ungeeignete Arbeitsprozesse)

8. Nicht genutztes Mitarbeitendenpotenzial

Verschiedene Werkzeuge und Hilfsmittel helfen, die Verschwendungen strukturiert und sehr praxisorientiert zu reduzieren. Das ist essenziell, denn traditionelle Ansätze zur Erhöhung der Produktivität haben als Nachteil häufig eine Arbeitsverdichtung. Wenn beispielsweise ein Mitarbeitender aufgefordert wird, mehr Patienten pro Tag zu behandeln (bei gleichbleibender Qualität), bedeutet das Überstunden. Wenn stattdessen Verschwendung aus dem bisherigen Prozess herausgenommen wird, kann die frei gewordene Zeit für die zusätzlichen Patienten genutzt werden – Überstunden sind nicht erforderlich (s. Abb. 2).

Abb. 2Veranschaulichung der Erhöhung der Wertschöpfung

Damit wird auch veranschaulicht, was Lean nicht ist und was häufig falsch interpretiert wird. Lean hat sehr wenig mit „schlank“ zu tun. Das Wort „schlank“ assoziiert umgehend, dass die gleiche Leistung mit weniger Mitarbeitenden zu erfolgen hat und dadurch rationalisiert werden kann. Lean Management ist jedoch kein kurzfristiges Rationalisierungsprogramm. Es ist vor allem auch eine Denkhaltung, bei der kontinuierlich verbessert wird und ein grosser Respekt gegenüber den Mitarbeitenden vorhanden ist. Wer nur kurzfristig optimiert und anschliessend Mitarbeitende entlässt, wird langfristig nie erfolgreich mit diesem Ansatz werden.

1.2.3Lean-Umsetzung: Vorgehensweise und Barrieren

Lean Management und deren Anwendung besteht nicht darin, die einzelnen Methoden zu kopieren, sondern die richtigen Methoden auszuwählen und für den eigenen Betrieb anwendbar zu machen (Dart 2011). Es müssen die Führungs- und Wertschöpfungssysteme neu gedacht werden. Diese Systeme sollen den Mitarbeitenden im Rahmen der Verbesserungen eine Hilfe und Unterstützung sein, damit sie sich orientierten können. In diesen neuen Wertschöpfungssystemen müssen die Grundlagen, Methoden, Ansätze und Rahmenbedingungen definiert werden. Das Ziel ist es, eine einheitliche Stossrichtung in den Verbesserungen zu erhalten (Haas et al. 2006).

In den letzten Jahren gab es viele erfolgreich gestartete Lean-Transformationen und viele Betriebe sind weiterhin auf dem Weg, sich kontinuierlich zu verbessern. Jedoch sind einige Betriebe nach einem enthusiastischen Start kläglich gescheitert. Nach den ersten Leuchtturmprojekten und Ausbildungsphasen verebbt die Motivation. Folgende fünf Punkte greifen Aspekte des Scheiterns auf und liefern Empfehlungen, die helfen sollen, die Lean-Transformation zu unterstützen und bilden eine Basis für eine erfolgreiche Etablierung des Verbesserungsgedankens:

1.Keine Zeit für Veränderung. Etablierung eines Rhythmus, welcher rund 10 bis 15 Prozent der Arbeitszeit für Verbesserungen und Innovationen reserviert.

2.Führungskräfte, die Lean nicht vorleben. Aufbau eines Sensibilisierungs-, Trainings-, Mentoring-, Coaching- und/oder Begleitungsprogrammes für alle Führungskräfte. Dieser sollte interdisziplinär sein und für alle Führungsstufen, denn die Rolle der Führungskraft in der Lean-Organisation ändert sich ebenfalls.

3.Unstrukturiertes oder kein Vorgehen. Aufbau und Planung einer Lean-Roadmap und eines Transformationsplans, welcher jährlich überprüft werden sollten.

4.Nach der ersten Verbesserungswelle werden die ersten Personen entlassen. Respekt steht im Zentrum, da es um eine langfristige Entwicklung geht. Ausserdem werden Mitarbeitende, die merken wie Kollegen aufgrund von Optimierung entlassen werden, nie wieder bei solchen Initiativen aktiv mitmachen.

5.Kein Training der neuen Prozesse und keine Kommunikation über Verbesserungen. „Dojo-Trainings“ sollten etabliert und aufgebaut werden. In diesen Trainings werden die Standard Operating Procedures (SOP) immer wieder geübt und somit fest gelernt. Der Aufwand für Trainings beträgt im Idealfall ca. 10 Prozent der Personalzeit.

Durch die Beachtung dieser fünf Punkte steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Lean-Transformation. Insbesondere der erste Punkt – die mangelnde Zeit – ist häufig bereits der Grund, warum ein Wandel zu Lean scheitert, noch bevor er richtig angefangen hat. Es gibt leider kein einfaches Patentrezept dafür, wie man dieses Problem angeht. Organisationen müssen sich die Zeit nehmen (z.B. durch das Anheuern von zusätzlichen Temporärkräften), auch wenn zunächst Mehrkosten entstehen. Der Grundsatz muss lauten: „Wir investieren heute Zeit und Geld in die Verbesserung, damit wir morgen im verbesserten Zustand effizienter arbeiten können“.

Literatur

Aherne J (2007) Think lean. Nurs Manage 13, 13–15

Angerer A (Hrsg.) (2018) LHT-BOK: Lean Healthcare Transformation – Body of Knowledge (Edition 2018–2019). Amazon-Create SpaceNorth Charleston

Dart RC (2011) Can Lean Thinking Transform American Health Care? Ann Emerg Med 57, 279–281

Furukawa-Caspary M (2016) Lean auf gut Deutsch: Band 1 Einführung und Bestandsaufnahme. Books on Demand GmbH Norderstedt

Haas M, Hahn M, Schurr M (2006) Mit Konsequenz zur Exzellenz – Wertschöpfung systematisch managen. LOG_X Stuttgart

Hollenstein E, Angerer A (2018) Muda (Verschwendung). In: Angerer A (Hrsg.) LHT-BOK: Lean Healthcare Transformation – Body of Knowledge (Edition 2018–2019). 65–69. Amazon-Create SpaceNorth Charleston

Hussain A, Stewart LM, Rivers PA, Munchus G (2015) Managerial process improvement: A lean approach to eliminating medication delivery. Int J Health Care Qual Assur 28, 55–63

Jackson T (2013) Kaizen Workshops for Lean Healthcare. CRC Press Florida

Jimmerson C, Weber D, Sobek DK (2005) Reducing waste and errors: Piloting lean principles at Intermountain Healthcare. Jt Comm J Qual Patient Saf 31, 249–257

Merguerian PA, Grady R, Waldhausen J, Libby A, Murphy W, Melzer L, Avansino J (2015) Optimizing value utilizing Toyota Kata methodology in a multidisciplinary clinic. J Pediatr Urol 11, 28.e1–228.e6

Womack JP, Jones DT (2004) Lean Thinking: Ballast abwerfen, Unternehmensgewinne steigern. Campus Verlag Frankfurt am Main

2Die Grundschritte der OP-Optimierung

Der ganzheitliche Wandel eines OPs hin zu Lean benötigt mehrere Schritte, die in den kommenden Abschnitten erläutert werden (s. Abb. 3). Zunächst muss das Ziel der Reise bestimmt werden. Das gelingt, indem man eine Lean-Vision entwickelt und positive Veränderungsenergien freisetzt, wie in Abschnitt 2.1 erläutert wird. Damit diese Vision in einer Organisation auch umgesetzt werden kann, braucht es eine klare Verankerung. Deswegen wird in Abschnitt 2.2 die dazu notwendige interne Lean-Aufbaustruktur vorgestellt. Da die Veränderung des OPs viele Chancen aber auch Risiken birgt, ist eine genaue Planung unabdingbar. In Abschnitt 2.3 wird detailliert beschrieben, wie das erste Leuchtturmprojekt ablaufen kann. Die grosse Transformation eines OPs wird aus den verschiedensten Gründen heraus nicht immer ein gangbarer Weg sein, deswegen wird in Abschnitt 2.4 der niederschwellige Ansatz von Kaizen vorgestellt. Unabhängig vom Weg, ist jedoch die Thematik Controlling von Bedeutung. Denn ohne die richtigen Kennzahlen, welche den Erfolg aufzeigen, ist eine Optimierung nicht nachweisbar. Aus diesem Grund geht der letzte Abschnitt 2.5 auf die Thematik Controlling ein.

Abb. 3Die Lean-OP-Reise und die dazugehörigen Kapitel im Buch

2.1Die Lean-OP-Vision

Oliver Mattmann und Alfred Angerer

2.1.1Flussorientierung der OP-Abläufe

Veränderung ist anstrengend und häufig auch schmerzhaft. Wenn eine Organisation sich verändern soll, muss die Trägheit der Menschen und des Systems überwunden werden. Dazu benötigt es Veränderungsenergie. Die kann aus einer negativen Ausgangssituation kommen. Eine solche Veränderungsenergie sollte in vielen OPs reichlich vorhanden sein, denn Patienten, Mitarbeitende und OP-Leitungen sind in einem schlecht abgestimmten OP frustriert.

So kann aus Patientensicht die Erlebniskette Operation sehr mühsam sein (Angerer 2015). Eines der grössten Probleme dabei ist die Ungewissheit wegen der fehlenden Vorausplanung. Es ist schwer einem Patienten zu vermitteln, warum für einen kleinen Routineeingriff, der ambulant erfolgen soll und beispielsweise 15 Minuten dauert, kein klarer Zeitplan wie dieser erstellt werden kann: „Anmelden um 8:00 Uhr, OP-Beginn um 9:15 Uhr, OP-Ende um 9:30 Uhr, Kontrolle um 10:30 Uhr, Austritt um 10:45 Uhr“. Stattdessen berichten Patienten immer wieder von solchen Planungen: „Kommen Sie um 7:00 Uhr ins Spital, Sie werden im Verlauf des Tages operiert und irgendwann wieder entlassen“. Der Patient muss sich für wenige Minuten Wertschöpfung den ganzen Tag im Spital aufhalten und er kann den Angehörigen nicht mitteilen, wann er abgeholt werden soll. Dieses ungewisse Warten macht Patienten unglücklich, und so beschweren sie sich bei den Mitarbeitenden. Das erhöht den Druck und Stress der Mitarbeitenden, die gerne selbst besser planen würden, es aber nicht können. Denn in ihrem eigenen Tagesablauf steckt auch jede Menge Unplanbarkeit. Früh morgens gibt es zwar noch einen klaren Tagesplan – dieser ist jedoch meist schon nach Abschluss der ersten Operation hinfällig. Verspätungen und Verschiebungen treten auf – sämtliche Zeitpläne sind Makulatur. Mitarbeitende verbringen einen grossen Teil ihrer Arbeitsschicht damit, auf Patienten/Material/Kollegen zu warten, damit der Prozess weitergehen kann. Aus ökonomischer Sicht ist das natürlich höchst ineffizient. Gut ausgebildete Mitarbeitende für das Warten zu bezahlen, ist keine gute Idee. Die Fallkosten pro Operation steigen durch das Warten, die OP-Leitung spürt den finanziellen Druck und gibt den Druck weiter nach Unten. Ein Teufelskreis entsteht. Die zwei schlechtesten Lösungen dieses Problems sind:

1. Mitarbeitende zu schnellerem Arbeiten aufzufordern, denn dadurch werden nur mehr Fehler erzeugt. Diese Fehler wiederum gefährden den Patienten und selbst wenn sie behebt werden können, wird das System noch mehr belastet.

2. Versuchen, die finanzielle Lage durch eine Erhöhung der Menge zu kompensieren. Neben der ethischen Komponente der Überindikationen, hat es einem schlecht laufenden System noch nie gutgetan, die Auslastung noch mehr zu erhöhen.

Warum laufen Systeme so schlecht? Die kurze Antwort ist, dass es sich bei einem OP-Bereich um ein kompliziertes System handelt, bei dem viele Akteure parallel arbeiten und voneinander abhängig sind. Wenn zu solchen komplizierten Systemen noch eine Schwankung (Varianz) hinzukommt, dann wird das System sogar komplex und damit sehr schwer beherrschbar. Jede Führungskraft hat die Aufgabe, die Varianz aus solchen Systemen zu eliminieren oder zumindest zu vermindern. Bei der Varianz muss man zwischen natürlicher und selbstverschuldeter Varianz unterscheiden. Natürliche Varianz wohnt einem Prozess inne und kann per Definition nicht vermieden werden. Der Aufwachprozess eines Patienten nach einer Operation kann beispielsweise nicht auf die Sekunde genau geplant werden. Manche Menschen werden länger als andere brauchen. Selbst bei Standardisierung der Anästhesiemethode wird diese Schwankung sich nie auf null reduzieren lassen. Aber diese Schwankung lässt sich durchaus einplanen. Somit quantifizieren gute Manager die Grösse dieser Schwankung und planen entsprechende Zeitpuffer ein. Während man auf die natürliche Schwankung nicht aktiv agieren, sondern nur reagieren kann, ist das bei der selbstverschuldeten Varianz genau umgekehrt. Viele der heutigen Probleme im OP sind selbstverschuldet. Die Probleme fangen schon Wochen vor der Operation an – während der OP-Planung. Beispielsweise werden Zeitslots den Kliniken oder Eingriffsarten pauschal und unabhängig von den tatsächlichen Fallzahlen zugewiesen. Und selbst wenn einzelne Patienteneingriffe geplant werden, wird die Dauer nicht aufgrund der Komplexität des Eingriffs, des Patientenzustands oder der Erfahrung des Chirurgen bestimmt, sondern einfach gleich lang für alle geschätzt. Damit wird die Planung zwar einfach gehalten, jedoch auf Kosten des OP-Personals. Zu diesen Fehlern in der Planung kommen noch vermeidbare Varianzen im OP hinzu. Wenn das benötigte Material für eine bestimmte Art von Operation nicht standardisiert ist, und Mitarbeitende dadurch während der Operation extra ins Lager geschickt werden müssen, um das fehlende Material zu besorgen, erzeugt das eine unnötige Verlängerung der Operationszeit. Das Aufsummieren dieser Varianzen führt dazu, dass der auf dem Papier so schön aussehende OP-Fluss sich praktisch nie realisieren lässt.

Der Wunsch, diese unbefriedigte Situation zu ändern, kann schon reichen, um eine Optimierungsenergie zu befeuern. Meistens ist es aber fruchtbarer, nicht nur diese negative Veränderungsenergie zu nutzen, sondern zusätzlich auch positive Veränderungsenergien. Letztere Energie entsteht, wenn eine gewünschte, positive Zukunftsvision vorgestellt und dann gemeinsam im Team angegangen wird. So kann eine positive Vision sein, sich im Team einen OP-Tag vorzustellen, an welchem am Abend alle Termine eingehalten werden konnten und die Patienten alle rechtzeitig nach Hause geschickt worden. Es gingen keine Anrufe der Bettenstation ein, da im Vorfeld alles geklärt wurde. Natürlich gab es auch dort Wartezeiten, aufgrund der natürlichen Schwankungen von Prozessen, aber diese waren nicht der Rede wert. Die Mitarbeitenden konnten rechtzeitig und entspannt nach Hause gehen. Wenn Mitarbeitende an eine solche, gemeinsame Zielvision glauben, dann werden sie bereit sein, in Experimenten kontinuierlich zu testen, wie sich diese realisieren lässt.

2.1.2Radikale Flussorientierung auch im Kernprozess