Management im Gesundheitswesen: Die Schweiz - Alfred Angerer - E-Book

Management im Gesundheitswesen: Die Schweiz E-Book

Alfred Angerer

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Beschreibung

Dieses Lehrbuch gibt fundiert und praxisnah einen umfassenden Überblick über das Schweizer Gesundheitswesen. Zudem werden moderne Managementmethoden und deren Einsatz unter den Schweizer Rahmenbedingungen vermittelt. Statt klassische Funktionsbereiche der Betriebswirtschaftslehre zu beschreiben, folgt das Buch problemlösungsorientiert dem ELS-Modell, welches von den Autoren als ausgewiesene Experten entwickelt wurde: 1. „Entwickeln“: Wie positionieren sich Organisationen im Gesundheitswesen strategisch klug? 2. „Leisten“: Wie werden Produkte und Dienstleistungen effizient produziert? 3. „Steuern“: Wie werden Organisationen erfolgreich geführt? Diese drei Managementbereiche werden für zentrale Akteure im Gesundheitswesen umfassend vertieft und mit zahlreichen Daten und Fakten zu den jeweiligen Märkten, Praxisfallstudien und Managementwerkzeugen ergänzt. Das in einer aktualisierten 2. Auflage vorliegende Buch richtet sich an Studierende und Praktiker aus den Bereichen Gesundheitsökonomie, Betriebswirtschaft und Medizin sowie allen Gesundheitsberufen.

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Seitenzahl: 292

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Alfred Angerer | Florian Liberatore

Management im Gesundheitswesen: Die Schweiz

2., aktualisierte Auflage

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Die Autoren

Prof. Dr. oec. HSG Alfred Angerer

ZHAW School of Management and Law

Gertrudstrasse 15

8401 Winterthur

Schweiz

[email protected]

PD Dr. Florian Liberatore

ZHAW School of Management and Law

Gertrudstrasse 15

8401 Winterthur

Schweiz

[email protected]

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Unterbaumstraße 4

10117 Berlin

www.mwv-berlin.de

ISBN 978-3-95466-716-1 (eBook: PDF)

ISBN 978-3-95466-725-3 (ePub)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2022

Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Im vorliegenden Werk wird zur allgemeinen Bezeichnung von Personen nur die männliche Form verwendet, gemeint sind immer alle Geschlechter, sofern nicht gesondert angegeben. Sofern Beitragende in ihren Texten gendergerechte Formulierungen nutzen, übernehmen wir diese in den entsprechenden Beiträgen oder Werken.

Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Daher kann der Verlag für Angaben zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen (zum Beispiel Dosierungsanweisungen oder Applikationsformen) keine Gewähr übernehmen. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.

Produkt-/Projektmanagement: Viola Schmitt, Berlin

Copy-Editing: Monika Laut-Zimmermann, Berlin

Layout, Satz & Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin

E-Book: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Zuschriften und Kritik an:

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]

Vorwort zur ersten Auflage

Wir hören von unseren Auftraggebern in Forschungs- und Beratungsprojekten immer wieder, wie einzigartig die Herausforderungen der Gesundheitsbranche im Vergleich zu anderen Industrien sind. Eingefleischte BWLer widersprechen dieser Ansicht vehement und betonen, dass im Grunde alle Organisationen mit dem gleichen Management-Werkzeugkasten geführt werden können, egal ob sie Schuhe, Raumschiffe oder eben Gesundheit herstellen. Wir sind der Meinung, dass die Wahrheit wohl – wie so häufig – in der Mitte zu finden ist. Das Gesundheitswesen hat sehr spezielle Marktbedingungen, die kaum anderswo anzutreffen sind. So ist es sehr ungewöhnlich, dass der Konsument eines Produktes oder einer Dienstleistung nicht für diese direkt bezahlen muss. Klassische Methoden aus dem Bereich Marketing und Pricing können hier also nicht eins zu eins übertragen werden. Doch diese Besonderheiten bedeuten nicht, dass sämtliche Erkenntnisse aus vielen Jahrzehnten Betriebswirtschaftslehre mit einem Handstrich wegzuwischen wären. Im Gegenteil – wenn Ökonomie und Medizin in der Vergangenheit enger miteinander gearbeitet hätten, würde unser Schweizer Gesundheitswesen besser dastehen.

Das ist eine der Botschaften, die wir unseren Studierenden an der ZHAW mitgeben wollen. In der Vorlesung „Management im Gesundheitswesen“ des Masterstudiums „Business Administration with a Specialization in Health Economics and Healthcare Management“ sollen Sie lernen, dass es nicht um einen Kampf zwischen Ökonomie gegen Medizin geht. Vielmehr ist es unserer Meinung nach die Aufgabe der BWLer dafür zu sorgen, dass die Kernleistung Medizin mit einem guten Management effizienter und qualitativ hochwertiger erbracht werden kann.

Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, braucht jede Führungskraft eine solide Wissensgrundlage zum Thema Management von Organisationen im Gesundheitswesen. Man könnte meinen, es gäbe schon unzählige Bücher zu diesem Thema auf dem Markt. Doch bei der Vorbereitung unserer Vorlesungen merkten wir schnell, dass kein Buch unseren hohen Ansprüchen genügt. Entweder waren sie hochtheoretisch und vernachlässigten dabei die tatsächlichen Probleme der Manager in der Praxis. Oder sie waren lediglich eine Sammlung von Kennzahlen und Fakten zu den Organisationen in der Gesundheitsbranche, so dass das Verständnis der zugrundeliegenden Konzepte vernachlässigt wurde und eine Generalisierung des Wissens fehlte. Wie schon Immanuel Kant formulierte: „Theorie ohne Praxis ist leer, Praxis ohne Theorie ist blind“. Deswegen haben wir am Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie beschlossen, uns selbst an das Wagnis Lehrbuch zu wagen.

Unser Anspruch war es also einerseits das Motto „Angewandte Forschung“ ernst zu nehmen und praxisnah, jedoch wissenschaftlich fundiert zu schreiben. Andererseits wollten wir die wichtigsten Akteure des Gesundheitswesens sowie alle BWL-Disziplin abdecken. Eine relativ einfache Lösung sind die weit verbreiteten Herausgeberbände. Doch diese Buchform finden wir unbefriedigend, da sie zu häufig zu einer losen Sammlung von Fachartikeln führt. Unser Buch sollte hingegen aus einem Guss sein mit einer klaren Struktur: Wir wollen darstellen wie Unternehmen sich strategisch positionieren (Entwickeln), wie Sie ihre Produkte und Dienstleistung herstellen (Leisten) und wie sie dabei den Überblick behalten (Steuern) – unser ELS Model war entstanden. Schlussendlich war es uns ein wichtiges Anliegen, dass die Spezifika des Schweizer Marktes berücksichtigt werden. In einem so stark regulierten Markt wie das Gesundheitswesen müssen die Besonderheiten des Systems Schweiz unbedingt berücksichtigt werden.

Das Buch ist ursprünglich als Begleitung für die Vorlesung von Masterstudenten konzipiert, jedoch glauben wir, dass es sich auch gut für weitere Personenkreise aus dem Bereich Medizin und Gesundheitsberufe eignet, die noch über wenige betriebswirtschaftlichen Vorkenntnisse verfügen. Es kann ihnen helfen, die ökonomischen Aspekte ihrer Branche besser zu verstehen. Wir freuen uns über Rückmeldungen, ob wir diesem Anspruch wirklich gerecht wurden.

Wir zwei Autoren wären nicht in der Lage gewesen, dieses Buch alleine zu schreiben. Wir sind sehr dankbar für die tatkräftige Unterstützung der Mitarbeiter des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie an der ZHAW. Besonders danken möchten wir Tim Brand, Eva Hollenstein, Sarah Kriech, Clemens Moll, Luca Müller, Robin Schmidt und Lynn Strunk, ohne die das Buch in seiner jetzigen Form nicht existieren würde.

Winterthur im Mai 2018

Alfred Angerer und Florian Liberatore

Vorwort zur 2. Auflage

Seit der ersten Auflage dieses Buches wurden einige gesetzliche Grundlagen des Schweizer Gesundheitssystems verändert sowie neue Forschungsergebnisse publiziert. Da die erste Auflage des Buches schnell ausverkauft war, ergab sich somit eine gute Gelegenheit, eine überarbeitete Version des Buches zu erstellen. Die zweite Auflage beinhaltet eine umfassende Aktualisierung der Kennzahlen zum Schweizer Gesundheitswesen sowie punktuelle Anpassung von Themen, bei denen es zu Änderungen in den regulatorischen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise durch Tarifrevisionen, oder Weiterentwicklungen im Schweizer Gesundheitswesen gekommen ist. Stand der Überarbeitung ist Januar 2022. So wurde u.a. das Kapitel zur Medizintechnikbranche umfassend erweitert und wo nötig, neue kleine Fallstudien eingebaut, um die Innovationen im Gesundheitswesen zu illustrieren.

Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich für die zahlreichen positiven Resonanzen, aber auch kritische Bemerkungen von Fach- und Führungspersonen aus dem Gesundheitswesen, die wir in den letzten vier Jahren zu unserem Buch erhalten haben und die wir bei der Revision des Buches berücksichtigt haben. So leistet die 2. Auflage einen noch besseren Beitrag zum Verständnis der ökonomischen Aspekte der Gesundheitsversorgung und dem Zusammenspiel zwischen BWL und Medizin.

Innerhalb des Teams bedanken wir uns bei Prof. Dr. Simon Wieser für die ergänzenden Bemerkungen zur ersten Auflage. Den grössten Dank gebührt dem Team der Fachstelle „Management im Gesundheitswesen“, die in zahlreichen Recherche- und Korrekturschleifen die vielen Aktualisierungen entscheidend vorangetrieben haben. Insbesondere möchten wir uns dabei bei Stefan Banning, Sina Berger und Johanna Stahl für ihren Einsatz bei der Aktualisierung des Buches bedanken.

Winterthur im Januar 2022

Alfred Angerer und Florian Liberatore

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

IEinführung und Buchaufbau

1Management im Gesundheitswesen – eine wissenschaftliche Perspektive

2Entwickeln, Leisten, Steuern – das ELS-Modell

3Der Aufbau des Buches

IIDas Schweizer Gesundheitssystem

1Überblick

2Der interprofessionelle Konflikt zwischen Management und Medizin

IIISpitäler und Rehakliniken

1Marktüberblick

2Entwickeln bei Spitälern und Rehakliniken

3Leisten bei Spitälern und Rehakliniken

4Steuern bei Spitälern und Rehakliniken

IVNiedergelassene Ärzte

1Marktüberblick

2Entwickeln bei niedergelassenen Ärzten

3Leisten bei niedergelassenen Ärzten

4Steuern bei niedergelassenen Ärzten

VDie Medizintechnikbranche

1Marktüberblick

2Entwickeln bei MedTech-Unternehmen

3Leisten bei MedTech-Unternehmen

4Steuern bei MedTech-Unternehmen

VIDie Pharmabranche

1Marktüberblick

2Entwickeln bei Pharmaunternehmen

3Leisten bei Pharmaunternehmen

4Steuern bei Pharmaunternehmen

VIIApotheken

1Marktüberblick

2Entwickeln bei Apotheken

3Leisten bei Apotheken

4Steuern bei Apotheken

VIIIKrankenversicherungen

1Marktüberblick

2Entwickeln bei Krankenversicherungen

3Leisten bei Krankenversicherungen

4Steuern bei Krankenversicherungen

IXVernetzte Strukturen und Themen

1Die Health Value Chain HVC

2Digitalisierung

3Koordinierte Versorgung und Schnittstellenmanagement

4Konsolidierung vs. Spezialisierung im Gesundheitswesen

Literatur

Sachwortverzeichnis

Die Autoren

I

Einführung und Buchaufbau

1Management im Gesundheitswesen – eine wissenschaftliche Perspektive

Ein Lehrbuch aus rein praktischer Sicht bildet häufig nur den Status Quo im Management ab, ohne neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft zu berücksichtigen, die sich erst nach Jahren in der Praxis durchsetzen werden. Auch wenn es sich bei der Betriebswirtschaftslehre (BWL) um eine angewandte Wissenschaft handelt, bei der vor allem Erfahrungen der Praxis als Grundlage von Forschungsansätzen dienen, so muss gerade im Gesundheitswesen die BWL sich den Ansprüchen an wissenschaftliche Fundierung durch die anderen Professionen stellen. Insbesondere medizinisches, therapeutisches und pflegerisches Fachpersonal, die in ihren naturwissenschaftlich geprägten Fachgebieten klare wissenschaftliche Nachweise und physiologische Erklärungsansätze gewöhnt sind, sind in der interprofessionellen Zusammenarbeit mit Vorschlägen aus dem Management konfrontiert, die diesen Ansprüchen häufig nicht genügen. Einerseits ist dies durch den sozialwissenschaftlichen, psychologischen Ansatz der BWL begründet, der nicht immer eindeutige Antworten kennt, andererseits aber auch durch die Versäumnis Konzepte und Tools durch Forschungserkenntnisse der Wissenschaft in einen Kontext einzuordnen und zu fundieren. So hat die BWL und damit das Management im Gesundheitswesen in der Schweiz mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Die Konfliktlinien und potenziellen Lösungsansätze werden im Kapitel II.2 behandelt. Aber auch an die Forscher im Bereich der BWL im Gesundheitswesen geht die Aufforderung, aus ihren Erkenntnissen, die sich häufig sehr stark auf Grundlagenforschung konzentrieren, nutzbringende, praktikable Konzepte für die Praxis im Gesundheitswesen zu entwickeln. Es reicht nicht sich in einer angewandten Wissenschaft, wie der BWL, ausschliesslich an Publikationsergebnissen in Top-Journals zu messen, sondern es muss immer auch der Anspruch als Forscher bestehen, die Praxis im Gesundheitswesen voranzubringen.

Daher erhebt das vorliegende Lehrbuch den Anspruch, auch eine wissenschaftliche Perspektive einzunehmen. Diese ermöglicht es, Einzelphänomene und Tools aus dem Management im Schweizer Gesundheitswesen in einen breiteren Zusammenhang zu stellen und Ausblicke auf zukünftige Herausforderungen und Ansatzpunkte des Managements zu geben. Diese werden jedoch verständlich und praxisnah aufbereitet, um die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu überwinden. Dies wird dadurch möglich, dass die Autoren durch ihre Beratungsprojekte im Schweizer Gesundheitswesen mit den Herausforderungen und Bedürfnissen der im Buch beschriebenen Akteure gut vertraut sind, jedoch durch ihre nationalen und internationalen Publikationen das Forschungsfeld Management im Gesundheitswesen in der Breite und Tiefe kennen und zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen.

So vermitteln die Inhalte des Buchs dem Leser und Anwender einen hohen Nutzwert, mit dem er befähigt wird, nicht nur das Management auf neusten Forschungserkenntnissen auszurichten, sondern auch fundiert und auf Augenhöhe in der interprofessionellen Zusammenarbeit im Schweizer Gesundheitswesen zu arbeiten. Durch Quellenverweise wird ausserdem ermöglicht, sich jederzeit vertiefend mit den einzelnen Themen auseinanderzusetzen und sich ein eigenes Bild zu den im Buch verwendeten Studien und wissenschaftlichen Publikationen zu machen.

2Entwickeln, Leisten, Steuern – das ELS-Modell

Unternehmen existieren auf dem Markt, um Produkte und Dienstleistungen zu erstellen. Auf dieser Aussage basierend lassen sich alle Organisationen mittels eines simplen Input-Output-Models vereinfacht darstellen (s. Abb. 1). Der Ausgangspunkt der Leistungserstellung sind die Input-Ressourcen. Manche dieser Ressourcen werden bei der Leistungserstellung transformiert (z.B. Rohstoffe bei der Erstellung einer Infusionslösung in einer Spitalapotheke), andere Ressourcen bleiben unverändert und wirken nur transformierend (z.B. das Personal einer Radiologie und ihre Geräte). Die Outputs sind entweder Produkte oder Dienstleistungen. Produkte sind im Gegensatz zu Dienstleistungen physische, lagerbare Güter. Ein wichtiges Kennzeichen von Dienstleistungen ist, dass ihre Erstellung und Konsumation in der Regel zeitgleich passiert (z.B. Waschen eines Bewohners in der Langzeitpflege). Die meisten Unternehmungen haben als Output einen Mix aus Produkten und Dienstleistungen.

Abb. 1 Input-Output-Modell einer Unternehmung (in Anlehnung an Slack et al. 2014)

Manager im Gesundheitswesen haben die Aufgabe, den Transformationsprozess effektiv („Die richtigen Dinge tun“) und effizient („Die Dinge richtig zu tun“) zu gestalten. Dieses Buch hat sich zum Ziel gesetzt, Managern einen Einblick über die wichtigsten BWL-Wissensdisziplinen zu geben, die notwendig sind, um eine Organisation aus dem Gesundheitswesen erfolgreich zu führen. Die von den Autoren gewählte Strukturlogik vereint die zahlreichen Disziplinen aus der Betriebswirtschaft im sogenannten ELS-Modell. ELS steht für die drei Hauptdimensionen Entwickeln, Leisten und Steuern (s. Abb. 2).

Abb. 2 Die ELS-Strukturierungslogik

Das ELS-Modell

Entwickeln. Unternehmen können auf einem freien Markt langfristig nur existieren, weil es Kunden gibt, die bereit sind, für ihre Produkte und Dienstleistungen zu bezahlen. Manager haben also die Aufgabe, grundsätzlich zu entscheiden, auf welchem Markt sie mit welchen Produkten/Dienstleistungen tätig sein wollen. Damit erfasst die Dimension Entwickeln, klassische Fragestellungen aus dem Bereich Strategie, Marketing, Vertrieb sowie Forschung & Entwicklung.

Leisten. Diese Dimension umfasst alle Aspekte, die notwendig sind, um die Produkte und Dienstleistungen zu erstellen. Es werden Gebiete der Produktion (Leistungserstellung), des Einkaufs und des Prozessmanagements vertieft.

Steuern. Sobald eine Unternehmung aus mehr als einer Person besteht, ist es notwendig über die Organisationsform und Führungsaspekte nachzudenken. Die Hauptfragen hierbei sind, wie die verschiedenen Mitarbeiter im System Unternehmung miteinander in Beziehung stehen, welche Aufgaben Sie übernehmen und wie Ihre Leistungserbringung gesteuert werden kann. Deswegen erfasst die Dimension Steuern Aspekte aus dem Bereich Organisationslehre, Führung und Controlling.

Durch den ELS-Ansatz lassen sich die in der Praxis typischerweise auftauchenden Probleme ganzheitlicher betrachten und lösen als durch das klassische Funktionsdenken der Betriebswirtschaftslehre (siehe z.B. Thommen 2008, S. 60). Wichtig zu beachten ist, dass diese Dimensionen zwar bei allen Akteuren im Gesundheitswesen auftauchen, sich jedoch ihre Ausprägung dennoch sehr stark unterscheiden kann. So hat das Leisten in einem Pharmaunternehmen sehr starke Ähnlichkeiten zu den Prozessen in der klassischen produzierenden Industrie. Die Leistungserstellung bei einem niedergelassenen Arzt folgt wiederum einer ganz anderen Wertschöpfungslogik. Deswegen hat dieses Buch als zweite zusätzliche Strukturdimension die Akteure in der Gesundheitsbranche. Auch hier sind zur Vereinfachung sieben Akteursgruppen gebildet worden, die jeweils ähnliche Fragestellungen aufweisen:

Spitäler und Rehabilitationskliniken

Niedergelassene Ärzte

Medizintechnologie

Pharmaunternehmen

Apotheken

Krankenversicherungen

Integrierte Versorgungsstrukturen

Die letzte Gruppe ist strenggenommen kein Akteur an sich im Gesundheitswesen, sondern beleuchtet die Vernetzung und Kooperation von zwei oder mehr Akteuren. Da die Bedeutung solcher integrierten Strukturen zunimmt und da sich aus der Zusammenarbeit neue, eigene Fragestellungen ergeben, wird diese Gruppe gesondert behandelt.

3Der Aufbau des Buches

Nach einem Überblick über das Schweizer Gesundheitswesen (s. Kap. II) werden die einzelnen Akteure pro Kapitel näher beleuchtet. In jedem Kapitel wird zunächst ein genereller Marktüberblick gegeben, um dann anschliessend die ELS-Dimensionen einzeln zu vertiefen (s. Abb. 3). Jedes Kapitel ist inhaltlich in sich abgeschlossen. Dem Leser bleibt es so überlassen, je nach Interesse die Reihenfolge der Kapitel individuell zu ver ändern.

Abb. 3 ELS-Strukturlogik des Buches

II

Das Schweizer Gesundheitssystem

1Überblick

Der Markt „Gesundheit“ in der Schweiz ist ökonomisch von grosser Bedeutung. Das sieht man einerseits an der Marktgrösse von CHF 82,1 Mrd. (BFS 2021a) und andererseits an der Anzahl an Beschäftigten in dieser Branche: Mit 496 Tausend Beschäftigten ist es noch vor Baugewerbe und Detailhandel der grösste Wirtschaftszweig in der Schweiz (Interpharma 2019). Ein Charakteristikum des Schweizer Gesundheitswesens ist, dass alle Bewohner der Schweiz zum Abschluss einer Grundversicherung verpflichtet sind. Diese Versicherung deckt einen staatlich festgelegten Leistungskatalog ab, der einheitlich für alle Versicherten gilt. Das Gesundheitssystem wird grundsätzlich solidarisch finanziert. Die Hauptlast tragen dabei die privaten Haushalte (65%), nur rund ein Drittel wird durch öffentliche Hand getragen. Ausserdem ist zu beachten, dass die Schweizer Bürger beinahe ein Drittel (29%) ihrer Gesundheitskosten direkt zahlen (sogenannte „Out-of-pocket“ Zahlungen). Ein im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eher hoher Anteil (Interpharma 2019).

Aus Qualitätssicht gilt das Schweizer Gesundheitswesen im internationalen Vergleich als hochwertig. Dies zeigt sich nicht nur bei den traditionellen Indikatoren für den Gesundheitszustand der Bevölkerung, wie z.B. der Lebenserwartung bei der Geburt, sondern auch in der Qualitätszufriedenheit der Schweizer Bevölkerung: Fast flächendeckend sind sich die Schweizer einig, dass die Qualität des Schweizer Gesundheitswesens gut oder sogar sehr gut ist. Dasselbe gilt für das Spitalwesen: 2019 beurteilen 96% aller Befragten die Qualität als eher gut oder sehr gut (gfs.bern 2019).

Zugleich gehört das Schweizer Gesundheitswesen zu den teuersten weltweit. 2019 lag das Verhältnis der Gesundheitsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt bei 11,3% (BFS 2021a). Die jährliche periodische Erhöhung der obligatorischen Krankenversicherungsprämien (seit Inkrafttreten der OKP liegt eine jährliche Steigerung um durchschnittlich 3,8% vor [BAG 2019]) entfacht in den Medien die Diskussion, ob diese Qualität nicht zu teuer erkauft wird und welche Hebel zu Kostendämpfung verwendet werden könnten. Die Suche nach Lösungen ist nicht trivial, denn eine Vielzahl an Faktoren das Kostenwachstum im Gesundheitswesen beeinflusst. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Kostenfaktoren beschrieben.

Kostenfaktoren im Schweizer Gesundheitswesen

demografische Entwicklung

medizinisch-technischer Fortschritt

steigender Wohlstand

medizinischer Überkonsum, unnötige Leistungen (overuse)

mangelnde Koordination, Föderalismus

Ein zentraler Kostentreiber liegt in der demografischen Entwicklung bzw. der Alterung der Bevölkerung: Immer mehr multimorbide und ältere Personen lassen die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steigen (BAG 2015; EDI 2006). In der Schweiz wird sich die Zahl der über 80-jährigen Menschen bis 2045 mehr als verdoppeln (BAG 2016).

Der medizinisch-technische Fortschritt wird neben der demografischen Entwicklung gemeinhin als ein weiterer Haupttreiber für steigende Gesundheitskosten angesehen. Er trägt zwar zu einer Verbesserung der medizinischen Versorgung und damit tendenziell zu einer höheren Lebenserwartung und -qualität bei. Allerdings stellt die laufende Entwicklung neuer, meist kostenintensiver Therapiemöglichkeiten oder Medikamente nicht nur das Schweizer Gesundheitswesen vor grosse Herausforderungen.

Darüber hinaus treiben wachsender Wohlstand und gestiegene Ansprüche und Erwartungen der Bevölkerung die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen nach oben. Der zunehmende Wohlstand einer Gesellschaft erlaubt es, einen wachsenden Anteil ihrer Ressourcen für Gesundheitsleistungen einzusetzen. Diese Entwicklung ist nicht per se negativ, sondern spiegelt eine gesellschaftliche Entscheidung wider, einen höheren Anteil ihrer Ressourcen für ihre Gesundheit auszugeben. Angebotsseitig führen jedoch eine hohe Ärzte- und Spitaldichte und ein entsprechend hohes Angebot teilweise zu einem Überkonsum und einer Mengenausweitung durch Leistungserbringer (Kocher 2011).

Für einen Teil des Kostenwachstums sind auch die historisch gewachsenen strukturellen Rahmenbedingungen des schweizerischen Gesundheitssystems verantwortlich (Sax 2008). Die Kompetenzen sind zersplittert und auf vielen unterschiedlichen Ebenen angesiedelt. So ist die Regelung der Gesundheitsversorgung prinzipiell Sache der Kantone, welche auch den Grossteil der öffentlichen Hand tragen. Man kann also in der Schweiz beinahe von 26 kantonalen Gesundheitssystemen sprechen. Dem steht das Krankenversicherungsgesetz (KVG) gegenüber, in dem gesundheitspolitische Fragen auf nationaler Ebene und weite Bereiche des Schweizer Gesundheitswesens geregelt werden. Die zentralste Komponente des KVG ist die Regelung der obligatorischen Grundversicherung. Jedoch finanziert die obligatorische Grundversicherung nur rund ein Drittel der Gesundheitskosten. Die übrigen Kosten verteilen sich auf weitere Sozialversicherungen, staatliche Ausgaben und die Selbstbeteiligungen der Patienten, welche rund ein Viertel ausmacht (BFS 2021a; Sax 2015; OECD/WHO 2011). Die überkantonale Gesundheitsplanung sowie die effiziente Versorgung werden durch die föderalistischen Strukturen und die komplexe Finanzierungsstruktur erschwert. Diese hohe und unübersichtliche Regulierungsdichte, sowie die undurchsichtige Verflechtung von Kompetenzen zwischen Bund, Kantonen und Privaten erschweren Reformen, Qualitätsförderung und eine effektive Kontrolle des Kostenwachstums und lässt Raum für Ineffizienzen sowie widersprüchliche Anreize.

Diese und weitere Faktoren führen zu der vielfach zitierten „Kostenexplosion im Schweizer Gesundheitswesen“. Doch ist diese tatsächlich so stark ausgeprägt? Verschiedene Studien (Bürgstein 2015; Erbe 2012; Reiners 2011) zeigen, dass diese Aussagen zu relativieren sind. Der Anstieg der Gesundheitskosten liegt nur leicht über der Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP). Daten aus der Vergangenheit zeigen, dass die Entwicklungen nicht auf einen explosionsartigen Anstieg der Gesundheitskosten hindeuten. Vielmehr ist der seit 30 Jahren stetig wachsende Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP ein allen Volkswirtschaften immanenter Trend, der auch damit zusammenhängt, dass Dienstleistungen in der Regel ein tendenziell geringeres Rationalisierungspotenzial als die industrielle Produktion aufweisen. Aus dieser Perspektive ist das Gesundheitswesen kein Kostenfaktor, sondern eine zukunftsträchtige Wachstumsbranche (Reiners 2011).

Nichtsdestotrotz sind sich Experten einig, dass das Schweizer Gesundheitswesen grosse Effizienzpotenziale aufweist. Vor diesem Hintergrund sollte weiterhin nach Möglichkeiten gesucht werden, das heutige Leistungsniveau und die Versorgungsqualität beizubehalten, die Kosten jedoch gleichzeitig zu dämpfen.

1.1Spannungsfeld Markt- und Versorgungsauftrag

Der Bericht des Bundesrats „Gesundheit 2020“ geht davon aus, dass 20% der Kosten durch ein effizienteres Gesundheitssystem eingespart werden könnten (BAG 2013). So machen einzelne Ineffizienzen wie die mangelnde Koordination der Versorgung, die Überversorgung mit nicht notwendigen Leistungen oder die überhöhte Nachfrage aufseiten der Versicherten bereits rund 10% der gesamten jährlichen Gesundheitsausgaben aus (Trageser et al. 2014). Der Druck auf das System steigt, die ökonomische Perspektive stärker in den Fokus zu richten.

Die Forderungen nach Effizienzsteigerung spüren alle Akteure im Gesundheitssystem. Manager müssen sich zunehmend mit der Frage beschäftigen, wie mit den gegebenen Ressourcen eine gleichbleibend hohe Qualität angeboten werden kann. Anpassungen in den Bereichen Strategie, Führung und Organisation der Leistungsprozesse werden benötigt. Auch der regulatorische Druck steigt. Dies lässt sich an der 2012 schweizweit eingeführten leistungsorientierten Abgeltung von Spitalleistungen mit Fallpauschalen nach dem DRG-Tarifsystem sehen. Diese Neuerung fordert vom Management Anpassungen auf mehreren Ebenen. Vernetzungen, Best Practice, Effizienzsteigerung, verbesserte Zusammenarbeit mit Anspruchsgruppen (wie beispielsweise Krankenversicherungen) und Anpassungen der Infrastruktur sind hier als Beispiele zu nennen (Girardin 2015). Weitere Vorschläge, wie man aus Kantonssicht besonders effizient Gesundheitskosten sparen könnte, wurden in einer Studie des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie behandelt (Maurer et al. 2017).

1.2Kennzahlen des Gesundheitssystems

Das Gesundheitswesen gehört mit knapp 82 Mrd. CHF (Stand 2019, provisorische Daten) Gesamtausgaben zu den grössten Wirtschaftssektoren der Schweiz (BFS 2021a). Auf die stationäre Behandlung, die auch die Versorgung der Personen in Alters- und Pflegeheimen umfasst, entfallen 39.8 % (stationäre Kurativbehandlung 19.4%; Langzeitpflege 20.4%) der Gesundheitskosten. Die ambulante Behandlung, einschliesslich jener der Spitäler, macht ein Viertel (25.9%) der Gesundheitsausgaben aus (BFS 2021a).

Abb. 4 Gesundheitsausgaben in der Schweiz; Anteil am BIP bis 2019 (BFS 2021a)

Die Ausgaben für Spitalleistungen sind von 1995 bis 2015 um durchschnittlich 4% pro Jahr gewachsen. Neben den Allgemeinspitälern werden vor allem die Dienstleistungen von psychiatrischen Kliniken, Rehabilitationskliniken und diversen Spezialkliniken nachgefragt (BFS 2021b). Ein Grossteil der Nachfrage entfällt dabei auf die stationäre Versorgung. Obwohl dieser Anteil seit Jahren sinkt, machte er 2015 immer noch 70% der Kosten aller Allgemeinspitäler aus (Christen et al. 2013).

Die Ausgaben für Gesundheitsdienstleistungen steigen mit Ausnahme der Periode 2005–2007 im Verhältnis zum BIP überproportional (s. Abb. 4). Dementsprechend hat sich der Anteil dieser Ausgaben am BIP von 7.3% im Jahre 1990 auf 11,3 % im Jahre 2019 erhöht (BFS 2021a). Dies entspricht einer jährlichen Wachstumsrate (CAGR, siehe Exkursbox) von rund 1,5%. Im internationalen Vergleich mit den OECD-Mitgliedsstaaten liegt die Schweiz damit auf dem zweiten Platz hinter den USA (OECD 2021).

Exkurs: „CAGR“ – die jährliche Wachstumsrate

In diesem Buch wird immer wieder die jährliche Wachstumsrate angegeben (Englisch: Compound Annual Growth Rate, CAGR). Diese bezeichnet das mittlere Wachstum in % von einer zu beschreibenden Grösse. Der Vorteil dieser Kennzahlen ist die Anschaulichkeit und Vergleichbarkeit untereinander durch die Normierung auf ein Jahr. Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Der Umsatz der Branche X hat sich zwischen 1990 und 2017 von CHF 5 Mrd. auf 12 erhöht (+140%).

Der Umsatz der Branche Y hat sich zwischen 2000 und 2017 von CHF 7 Mrd. auf 14 erhöht (+100%).

Da die Zeiträume so unterschiedlich sind, lässt sich schwer bestimmen, welche Branche stärker gewachsen ist. Die Nutzung des CAGR löst dieses Problem. Die Branche X hat eine jährliche mittlere Wachstumsrate von 3,3%, während Branche Y im Mittel jährlich um 4,2% wächst. In einer Zinsmetapher könnte man auch für Branche X sagen: Wenn man CHF 5 Mrd. zu einem Zinssatz von 3,3% für 27 Jahre anlege, dann erhält man CHF 12 Mrd.

Die Formel zur Berechnung des CAGR lautet

tA ist das Anfangsjahr, tE das Endjahr. G (tX) ist die betrachtete Grösse zu dem Zeitpunkt. Als Beispiel die Berechnung des CAGR von der Branche X in dem Beispiel oben:

Es empfiehlt sich die Berechnung mittels eines Tabellenkalkulationsprogramms. So würde die letzte Rechnung in MS Excel folgendermassen aussehen:

2Der interprofessionelle Konflikt zwischen Management und Medizin

Auch wenn das medizinische und das Management-Personal eigene Aufgabenbereiche haben, so erfordern Entwicklungen im Gesundheitswesen immer mehr eine verstärkte interprofessionelle Zusammenarbeit. Der wirtschaftliche Druck auf alle Akteure im Gesundheitswesen wächst und damit die Rolle des Managements und von Management-Themen in der Versorgung. Die Anreizstrukturen der Tarifsysteme erfordern es, dass das medizinisch-pflegerische Personal auch ökonomische Aspekte in ihrem täglichen Handeln berücksichtigen muss. Einzelne Einheiten innerhalb der Einrichtungen werden zunehmend als Profitcenter ausgestaltet, sodass Mediziner in Leitungspositionen sich mit Kennzahlen, Budgets und Steuerung ihrer Organisationseinheiten auseinandersetzen müssen. Mit der Zunahme koordinierter Versorgungsformen steigt der Organisationsaufwand und damit die Bedeutung von Management- und Führungsthemen, mit denen sich Leistungserbringer auseinandersetzen müssen. Aber nicht nur der ökonomische Druck, sondern auch die sich wandelnde Position des Patienten macht interprofessionelles Arbeiten zur Steigerung der Patientenzufriedenheit notwendig. Heutzutage haben Patienten viel höhere Ansprüche an die Gesundheitsleistungen. Leistungserbringer müssen sich zunehmend kundenorientiert ausrichten und individuell auf Patienten eingehen, was klassische betriebswirtschaftliche Aufgabenfelder sind. Ausserdem bekommen Patienten eine immer aktivere Rolle im Gesundheitswesen. Die Mündigkeit der Patienten steigt und das Informationsgefälle zwischen Leistungserbringer und Patient nimmt ab.

In der interprofessionellen Zusammenarbeit muss daher ein Abgleich von medizinischen Gesichtspunkten und ökonomischen Anforderungen der Leistungserbringung erfolgen. Anders als häufig angenommen handelt es sich dabei nicht immer um gegenläufige Zielsetzungen. Die Abbildung 5 zeigt eine differenzierte Betrachtung der Perspektiven in der interprofessionellen Zusammenarbeit. Potenzielle Massnahmen, bei denen sowohl aus medizinisch-pflegerischer Sicht als auch aus ökonomischer Sicht von ausschliesslich positiven (negativen) Konsequenzen ausgegangen werden kann, sind als unproblematisch in der interprofessionellen Zusammenarbeit zu werten. Beispielsweise wird durch die Einführung eines Kanban-Systems, die Versorgungssicherheit der Patienten erhöht und gleichzeitig die Prozesseffizienz und Materialverschwendung reduziert. Eine zu frühe Entlassung von Patienten kann zu erhöhten Rehospilitationsraten führen, die sowohl medizinisch als auch ökonomisch als negativ zu werten sind. Zu Konflikten kommt es immer dann, wenn die Interessen gegenläufig sind. Die Vereinheitlichung der verwendeten OP-Sets ist aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, kann aber aus der Perspektive der Mediziner als negativ betrachtet werden. Die Anschaffung eines innovativen medizinischen Grossgeräts kann vom medizinischen Personal befürwortet werden um bessere Diagnoseergebnisse zu erzielen. Sie kann sich jedoch aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht amortisieren.

Abb. 5 Zielkonflikt zwischen wirtschaftlicher und medizinischer Perspektive

Grund für die Konflikte zwischen BWL und Medizin im Gesundheitswesen sind die unterschiedlichen Interessen und Sozialisationen durch das eigene Fach sowie die Vorgehensweisen der Disziplinen. So ist die Zielsetzung des Handelns aus medizinischer Sicht die Maximierung der medizinischen Leistung und das Optimierungsziel ist das Behandlungsergebnis. Aus BWL-Sicht stehen die wirtschaftliche Leistungserbringung sowie die Erzielung unternehmerischer Ziele (Gewinnerzielung, Kostendeckung, Umsatzwachstum, Marktorientierung) im Fokus. In Bezug auf den Patienten ähneln sich die Perspektiven. Der BWLer möchte Patientenzufriedenheit erreichen, was sowohl die medizinische Versorgung als auch die umgebenden Dienstleistungen umfasst und sieht den Patienten als Erlös- und Kostenfaktor. Aus medizinischer Sicht liegt der Fokus eher auf der Gesundung des Patienten unter Beachtung der Patienteninteressen. Die BWL insgesamt hat bei den zwei Disziplinen einen unterschiedlichen Stellenwert. Aus medizinischer Sicht ist die „Power of Expertise“ wichtiger als die „Power of Office“, da diese nur eine Begleitaufgabe besitzt. Allerdings ist ohne „Power of Office“, keine „Power of Expertise“ möglich. Es besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Der Grad der Abstrahierung ist ebenfalls gegensätzlich. Aus Managersicht findet eine hohe Abstrahierung statt und standardisierte Behandlungsabläufe gelten als ideal. Wohingegen aus Medizinersicht eine geringe Abstrahierung stattfindet. Jeder Fall, jeder Patient ist als eine individuelle Krankheits- und Behandlungsgeschichte zu behandeln, sodass Standardisierungen nur begrenzt als sinnvoll empfunden werden.

Um das Konfliktpotenzial zwischen BWL und Medizin zu verringern, existieren verschiedene Lösungsansätze. Ein grundlegendes Problem stellt das Image der BWL im Gesundheitswesen dar – so manch andere Professionen stehen der BWL mehrheitlich negativ gegenüber. Das kommt einerseits daher, dass die BWL allgemein ein negatives Image in der Gesellschaft hat. Andererseits existieren durchaus auch „schwarze Schafe“, die kurzfristig motiviertes „cost cutting“ betreiben, ohne das nachhaltige Wohl der Organisation zu beachten. Erschwerend kommt hinzu, dass vielen BWLern es nicht gelingt, die eigenen Ziele und die dazu notwendigen betriebswirtschaftlichen Massnahmen richtig zu vermitteln. Hier hat die BWL ein Marketing-Problem, was durch die im Gesundheitswesen tätigen Manager zu überwinden ist. Betriebswirtschaftliche Massnahmen müssen aus der Zielpluralität entwickelt, argumentiert und umgesetzt werden. Daraus lassen sich gemeinsame Ziele entwickeln, vor allem wenn die Bereitschaft besteht, Kompromisse einzugehen. Ausserdem können Konfliktsituationen oft vermieden werden, je klarer die Aufgabenbereiche definiert sind. Durch Workshops oder Teambildungsmassnahmen sollten das Verständnis für die jeweils andere Perspektive und deren Interessen gestärkt werden. Somit können Konflikte zu vermeiden und, falls doch vorhanden, gelöst werden. Eine grosse Hilfe dabei sind Mitarbeiter, die in beiden Disziplinen ausgebildet sind. Mediziner mit BWL-Ausbildung im Gesundheitswesen gilt es zu fördern bzw. zu akquirieren, damit diese dann übergreifende Funktionen übernehmen können.

III

Spitäler und Rehakliniken

1Marktüberblick

1.1Die Schweizer Spitallandschaft

Von den 82,1 Mrd. CHF Gesamtausgaben des Schweizer Gesundheitswesens entfallen auf die Spitäler rund 37% (BAG 2021). Damit sind sie der grösste Kostenblock des Systems und sollten allein deswegen aus Managementsicht genauer beleuchtet werden.

Im Jahre 2019 zählte man in der Schweiz 281 Spitäler mit 38.057 Betten, verteilt auf 580 Standorte. Die 281 Spitäler können unterteilt werden in 105 Spitäler für die allgemeine Pflege und 176 Spezialkliniken. Bei den Spitälern für die allgemeine Pflege unterscheidet man zwischen Spitäler für die Zentrumsversorgung (44 in der Anzahl) und für die Grundversorgung (61). Zu den Spezialkliniken gehören Rehabilitationskliniken und Geriatrien (56), psychiatrische Kliniken (50) und andere Spezialkliniken (70) (BAG 2021b). Die Anzahl der Schweizer Spitäler nimmt seit 1998 stetig ab, im Schnitt jährlich um rund 1,6% (s. Abb. 6). Auch wenn die Anzahl der Betten sinkt (zwischen 2002 und 2015 um jährlich – 1,6%), trifft das nicht auf die von ihnen erbrachten Leistungen zu. So betrug die jährliche Wachstumsrate CAGR für Spitalleistungen im Zeitraum von 1995 bis 2011 3,9%.

Abb. 6 Entwicklung der Anzahl der Spitäler in der Schweiz in den Jahren 1998 bis 2019 (BAG 2021)

Fallbeispiel: Spitaldichte, Kapazität und Wettbewerbsfolgen

Aus Wettbewerbssicht spielt die Spitaldichte eine grosse Rolle, sprich die Anzahl an Spitälern bzw. Betten pro Bewohner des Landes. Dass diese Dichte in der Schweiz gross ist, lässt sich an folgender Veranschaulichung festmachen. Die Schweiz ist von Westen (Genf) nach Osten (St. Magrethen) ca. 300 Kilometer breit. Das bedeutet, dass im Schnitt rund 1 Spital (bzw. 1,9 Spitalstandorte) pro Kilometer anzutreffen ist. Das Bild über die Dichte wird jedoch erst vollständig, wenn man die Anzahl der Betten pro Bewohner betrachtet. Dieser Wert ist in der Schweiz im Vergleich zum EU-Schnitt deutlich niedriger. Insgesamt bedeutet das, dass der Schweizer Markt mit zahlreichen eher kleineren Akteuren stark fragmentiert ist. Da die rege Spitalbautätigkeit in den letzten Jahren für ein bedeutendes Wachstum an Kapazitäten sorgen wird, verschärft sich der Wettbewerb zukünftig noch weiter. Unter der wahrscheinlichen Annahme, dass die Anzahl der Patienten weniger stark steigen wird als die Kapazität, sollte aus BWL-Sicht die Anzahl von Konsolidierungen und Fusionen steigen. So geschehen im Jahre 2016. Mit dem Zusammenschluss des universitären Inselspitals und der Spital Netz Bern AG mit sechs Standorten entstand die grösste Spitalgruppe der Schweiz. Weil jedoch Veränderungen an der bestehenden Spitalstruktur zu starken Widerständen in Politik und Bevölkerung führen, ist schon heute abzusehen, dass die Konsolidierung nicht im selben Ausmass eintreffen wird, wie es in einem freien Markt zu erwarten wäre.

1.1.1Wirtschaftliche Bedeutung von Spitälern

Aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachtet, spielen die Schweizer Spitäler eine wichtige Rolle. Im Jahr 2019 wurden in Schweizer Spitälern 170.928 Vollzeitäquivalente gezählt, welche sich zu 80% auf Allgemeinspitäler konzentrieren. Dies entspricht einem Zuwachs von 42% im Vergleich zum Jahr 2002 (BFS 2020). Der Gesamtertrag der Schweizer Spitäler belief sich auf rund 31,5 Mrd. CHF (BAG 2021). Damit erbringen sie eine Leistung von rund 3.300 CHF pro Einwohner und Jahr. Im Schnitt wächst das Spitalpersonal jährlich um 3,3%. Die meisten Angestellten eines Spitals sind weiblich (71%) und arbeiten in der Pflege (80%). In der Ärzteschaft ist der Anteil zwischen Frauen und Männern nahezu ausgeglichen (10.870 Vollzeitäquivalente-Ärzte gegenüber 10.263 Ärztinnen) (BFS 2021b).

Die häufigste Rechtsform der Spitäler ist die AG oder GmbH, wobei jede fünfte Klinik eine Verein oder Stiftung ist und 17% der Spitäler als öffentliches Unternehmen geführt wird. Im Jahr 2019 belief sich der Gesamtertrag (ohne Subventionen) der Schweizer Spitäler auf rund 28,6 Mrd. CHF (BAG 2021). Schon an diesen Zahlen lässt sich feststellen, dass finanzielle Beiträge zum längerfristigen Fortbestehen der Spitäler notwendig sind. Noch eindrucksvoller wird diese Aussage, wenn man die EBITDA-Marge (earnings before interest, taxes, depreciation and amortization) in Betracht zieht. Diese Kennzahl kann als gute Näherung für die finanzielle Gesundheit von Spitälern herangezogen werden. Die EBITDA-Marge wird aus der Differenz zwischen den gesamten Erträgen und der Summe der Personal und Sachkosten berechnet. Anschliessend wird diese Differenz ins Verhältnis zum Umsatz gesetzt. Die Marge muss hoch genug sein, damit der Aufwand für Abschreibungen und Zinsen über das operative Geschäft gedeckt werden kann. Daher ist diese Kennzahl zum einen für Investoren, zum anderen aber auch für die interne Unternehmenssteuerung eines Spitals relevant. In einer Studie untersucht das Beratungsunternehmen PwC (2020) die EBITDA-Margen von Schweizer Spitälern. Für 45 ausgewählte Spitäler ergab die Untersuchung einen Medianwert der EBITDA-Marge von 6,5% für das Jahr 2019 (s. Abb. 7). Dies bedeutet eine Abnahme von 0,5% Punkten im Vergleich zu 2017. Damit Spitäler langfristig überleben können, sollte jedoch der minimale Zielwert von 10% nicht unterschritten werden (Sautter-Kirch 2015). So betrachtet, sieht es aus finanzieller Sicht aus für die meisten Spitäler nicht gut aus.

Abb. 7 Entwicklung der EBITDA-Marge von ausgewählten Spitälern in den Jahren 2007 bis 2019 (PwC 2016; PwC 2020)

1.1.2Wirtschaftliche Bedeutung von Rehabilitationskliniken

In der Schweiz gibt es insgesamt 53 Rehabilitationskliniken, wobei rund drei Viertel unter der Rechtsform AG oder GmbH geschäften. Etwa ein Fünftel der Rehabilitationskliniken der Schweiz sind Vereine oder Stiftungen. In diesen Rehas arbeiten 9.106 Vollzeitäquivalente (BAG 2021). Neben den Rehabilitationskliniken gibt es zusätzlich rund 40 Rehabilitationsabteilungen in verschiedenen Schweizer Akutspitälern (H+ 2021).

Arten der Rehabilitation

Die in einer Rehabilitationsklinik erbrachten Leistungen unterscheiden sich sehr stark je nach Erkrankung. Eine Form der Gruppierung der Rehabilitationsleistungen kommt von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich (2021). Sie trennt die Reha-Leistungen nach den folgenden Disziplinen:

Muskuloskelettale Rehabilitation (40%)

Neurologische Rehabilitation (23%)

Kardiovaskuläre Rehabilitation (12%)

Internistische und Onkologische Rehabilitation (13%)

Somatoforme Störungen (1%)

Pulmonale Rehabilitation (6%)

nicht zuteilbar (4%)

Bemerkung: In Klammern ist die Anzahl der Patienten im Kanton Zürich in % angegeben; 100% entsprechen 11.958 Austritte von Zürcher Patienten.

Im direkten finanziellen Grössenvergleich mit den Allgemeinspitälern spielen die Schweizer Rehas nur eine kleine Rolle. Ihr totaler Aufwand betrug im Jahre 2019 lediglich 2,3 Mrd. CHF (BAG 2021). Ihre Rolle für die Volkswirtschaft ist jedoch um einiges grösser, als es durch die genannte Zahl erscheinen mag. Denn gut funktionierende Rehas erlauben, im Zusammenspiel mit Akutspitälern, eine rasche und nachhaltige Wiedereingliederung verunfallter oder erkrankter Menschen. Diese Personen können somit wieder volkswirtschaftlich produktiv tätig sein. Der indirekte Nutzen für die Schweizer Volkswirtschaft ist somit um einiges höher.

1.2Regulatorische Rahmenbedingungen

1.2.1Spitalplanung der Kantone

Gemäss Artikel 39 KVG sind die Kantone für die Planung einer bedarfsgerechten Spitalversorgung verantwortlich. Jeder Kanton erstellt im Rahmen der Spitalplanung eine Spitalliste. Auf dieser wird festgehalten, welche Leistungsgruppen von welchem Spital krankenversicherungspflichtig erbracht werden können. Die Spitalliste definiert dabei lediglich, ob eine Behandlung in einem bestimmten Spital durch die Grundversicherung vergütet werden muss und nicht, ob diese erbracht werden darf.

Fallbeispiel: Gebären in Winterthur