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Felix von Niemeyers Standardwerk "Lehrbuch der speciellen Pathologie und Therapie", erstmalig 1858 erschienen, erlebte mehrere Auflagen und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Aus heutiger Sicht zeigt das Werk den Stand der medizinischen Wissenschaft wenige Jahrzehnte vor den Erkenntnissen der Bakteriologie und der Entwicklung der entsprechenden Therapien. Das Werk kann somit als Quelle der Wissenschaftsgeschichte gelesen werden und zur Reflektion über das Erreichte der Gegenwart anregen.
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Seitenzahl: 775
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Krankheiten der Haut.
Hypertrophie der Haut.
Kapitel I. Diffuse Hypertrophie des Papillarkörpers und der Epidermis. Pityriasis. Ichthyosis.
Kapitel II. Diffuse Hypertrophie der Haut und des subcutanen Bindegewebes. Pachydermie. Elephantiasis Arabum.
Atrophie der Haut.
Hyperaemie und Anaemie der Haut.
Entzündungen der Haut.
Kapitel III. Leichtere Formen der acuten Hautentzündung ohne Blasenbildung. Erythematöse Dermatitis. Erythema
Kapitel IV. Erysipelatöse Dermatitis, Erysipelas, Rose, Rothlauf
Kapitel V. Acute superficielle auf einzelne Herde beschränkte Dermatitis mit typischem Verlauf. Herpes
Kapitel VI. Acute superficielle Dermatitis mit Bildung von Quaddeln. Urticaria. Nesselsucht
Kapitel VII. Diffuse superficielle Dermatitis mit seröser Exsudation auf die freie Fläche und nicht typischem Verlauf. Eczema
Kapitel VIII. Diffuse superficielle Dermatitis mit Bildung kleiner Pusteln. Impetigo
Kapitel IX. Dermatitis mit Bildung grosser isolirt stehender Pusteln, Ekthyma
Kapitel X. Superficielle Dermatitis mit Bildung isolirter grosser Blasen. Pemphygus. Pompholyx
Kapitel XI. Dermatitis mit Bildung isolirter flacher Blasen, aus denen dicke feste Borken entstehen. Rupia. Schmutzflechte
Kapitel XII. Chronische Dermatitis mit Infiltration des Corium und krankhafter Epidermisbildung. Psoriasis
Kapitel XIII. Dermatitis mit Bildung konischer meist in Gruppen stehender Knötchen. Lichen. Strophulus
Kapitel XIV. Dermatitis mit Bildung zerstreuter, flacher, heftig juckender Knötchen. Prurigo
Kapitel XV. Entzündung und Vereiterung der verstopften Talgdrüsen. Acne. Acne vulgaris. Acne disseminata
Kapitel XVI. Entzündung und Vereiterung der Talgdrüsen und Haarbälge der Barthaare. Mentagra. Sykosis
Kapitel XVII. Chronische Entzündung der Talgdrüsen im Gesicht mit Gefässerweiterung und Bindegewebswucherung in ihrer Umgebung. Acne rosacea. Gutta rosacea. Kupferrose
Haemorrhagieen der Haut. Purpura.
Neubildungen in der Haut.
Kapitel XVIII. Lupus. Fressende Flechte
Parasiten der Haut.
Kapitel XIX. Favus. Porrigo favosa, lupinosa. Erbgrind
Kapitel XX. Herpes tondens
Kapitel XXI. Pityriasis versicolor
Kapitel XXII. Krätze. Scabies
Secretionsanomalieen der Haut.
Krankheiten der Bewegungsorgane.
Rheumatismus
Kapitel I. Acuter Gelenkrheumatismus. Rheumatismus articulorum acutus. Rheumarthritis acuta. Fliegende Gicht. Hitziges Gliederweh
Kapitel II. Chronischer Gelenkrheumatismus. Rheumatismus articulorum chronicus. Rheumarthritis chronica
Kapitel III. Deformirende Gelenkentzündung. Arthritis deformans. Arthritis nodosa. Arthritis pauperum. Arthrite chronique sèche
Kapitel IV. Muskelrheumatismus. Rheumatismus muscularis
Kapitel V. Gicht. Podagra. Arthritis. La goutte
Kapitel VI. Rhachitis. Englische Krankheit. Doppelte Glieder
Kapitel VII. Osteomalacie
Kapitel VIII. Progressive Muskelatrophie. Atrophie musculaire graisseuse progressive. Paralyse musculaire progressive atrophique
Constitutionelle Krankheiten
Erster Abschnitt. Acute Infectionskrankheiten.
Kapitel I. Masern. Morbilli. Rubeola. Rougeole
Kapitel II. Scharlach. Scharlachfieber. Scarlatina
Kapitel III. Rötheln. Roseola febrilis. Rubeola
Kapitel IV. Blattern. Menschenpocken. Variola. Petite Vérole.
Kapitel V. Kuhpocken. Schutzblattern. Vaccina
Kapitel VI. Windpocken. Wasserpocken. Schafpocken. Varicella
Kapitel VII. Exanthematischer Typhus. Petechialtyphus. Fleckfieber
Kapitel VIII. Abdominaltyphus. Ileotyphus
Malariafieber.
Kapitel IX. Intermittirende Fieber. Wechselfieber
Kapitel X. Remittirende und anhaltende Malariafieber
Kapitel XI. Cholera asiatica
Kapitel XII. Ruhr, Dysenterie
Zweiter Abschnitt. Chronische Infectionskrankheiten.
Kapitel I. Syphilis
Kapitel II. Syphilis hereditaria
Anhang. Infectionskrankheiten, welche von Thieren auf Menschen übertragen werden.
Kapitel I. Die Rotzkrankheit des Menschen. Malleus humidus et farciminosus
Kapitel II. Hundswuth, Wasserscheu, Lyssa
Dritter Abschnitt. Allgemeine Ernährungsanomalieen, welche nicht von einer Infection abhängen.
Kapitel I. Chlorose, Bleichsucht
Kapitel II. Scorbut. Scharbock
Kapitel III. Blutfleckenkrankheit. Morbus maculosus Werlhofii
Kapitel IV. Bluterkrankheit Haemophilie
Kapitel V. Scrophulose
Kapitel VI. Zuckerharnruhr, Diabetes mellitus. Melliturie
Die Veränderungen, welche die Haut in den acuten und chronischen Infectionskrankheiten erfährt, bleiben in dem vorliegenden Abschnitte unberücksichtigt; sie müssen gleichzeitig mit den übrigen Symptomen der Masern, des Scharlachfiebers, der Pocken, des Typhus, der Syphilis bei der Besprechung der Infectionskrankheiten ihre Erledigung finden, denn sie bilden nur ein einzelnes Glied in der Kette der Ernährungsstörungen, welche bei jenen Krankheiten durch die Infection veranlasst werden.
Wir theilen die Krankheiten der Haut wie die Krankheiten aller übrigen Organe nach den anatomischen Veränderungen ein, zu welchen die krankhaften Vorgänge führen; wir besprechen daher in diesem wie in anderen Abschnitten die Hypertrophie und Atrophie, die Hyperaemie und Anaemie, die Blutungen und Entzündungen, die Neubildungen und Parasiten. Da wir aber in der Haut die verschiedene Intensität und die verschiedene Verbreitung der krankhaften Veränderungen genauer zu beobachten im Stande sind, als in anderen Organen, und da wir auch gewisse Anomalieen der Secretion, welche nicht von palpablen Structurveränderungen begleitet sind, direct wahrnehmen können, so ist die Zahl der von einander zu trennenden Hautkrankheiten grösser, als die der Krankheiten anderer Organe. — Der Sitte, die Krankheiten der Haut mit anderen Namen zu bezeichnen, als mit denen, welche man den analogen Ernährungsstörungen in den übrigen Organen beilegt, müssen wir uns so weit fügen, dass wir der pathologisch-anatomischen Bezeichnung den hergebrachten Namen hinzufügen. Die ebenso unpraktische als oft inconsequente Eintheilung der einzelnen Krankheitsformen in zahllose Unterabtheilungen werden wir nur flüchtig erwähnen.
Eine Hypertrophie der Haut, bei welcher ihre sämmtlichen Bestandtheile, das Bindegewebe, die Gefässe und Nerven, die Epidermis, die Haare und die Hautdrüsen eine hypertrophische Entwickelung zeigen, kommt nur auf einzelnen Stellen des Körpers beschränkt als angeborene Anomalie vor. Hierher gehören die meisten über das Niveau der Umgebung hervorragenden Muttermäler und die weichen Hautwarzen. Doch pflegt auch bei diesen die Hypertrophie nicht in allen Gebilden der Haut einen gleich hohen Grad zu erreichen; bei der Mehrzahl der hervorragenden Muttermäler und weichen Hautwarzen prävalirt vielmehr die Bildung von Pigment und von Haaren, so dass sie besonders durch ihre braune oder schwarze Färbung und durch die dichten und starken Haare, mit welchen sie besetzt sind, auffallen.
Sehr häufig finden wir an einzelnen Stellen des Körpers eine massenhafte Anhäufung verhornter Epidermiszellen. Auf dieser Anomalie beruhen die Schwielen (Callositates), die Hühneraugen oder Leichdörner (Clavi) und die Hauthörner (Cornua cutanea). — Die Schwielen stellen niedere an der Peripherie allmälig sich abflachende Hügel von hornartiger Beschaffenheit und rundlicher oder unregelmässiger Form dar; die von ihnen bedeckte Cutis ist von normaler Beschaffenheit oder mässig hyperaemisch. Schwielen bilden sich vorzugsweise an solchen Stellen, welche einem unregelmässigen Drucke ausgesetzt sind; sie kommen daher an den Fersen und unter den Fusssohlen der meisten Menschen, in den Händen der Schmiede, der Schlosser und anderer Handarbeiter, an den Zeigefingern der Schneider und Näherinnen vor. — Die Hühneraugen sind wenig umfangreiche aber sehr harte und dicke conische Schwielen, welche, durch die Stiefeln oder Schuhe in die Cutis eingedrückt, eine circumscripte Atrophie derselben bewirken. — Bei den sogenannten Hauthörnern erreicht die Hypertrophie der Epidermis an einer umschriebenen Stelle eine excessive Höhe; doch giebt es auch Hauthörner, welche nicht auf dem Papillarkörper aufsitzen, sondern sich aus erweiterten Haarbälgen entwickeln und monströse Haare darstellen. — Eine diffuse Hypertrophie der Epidermis, welche mit einer hypertrophischen Entwickelung des Papillarkörpers zusammenhängt und bei mässigem Grade als Pityriasis, bei höherem Grade als Ichthyosis bezeichnet wird, werden wir ausführlicher besprechen.
Auf einer reichlichen Bildung von Pigment in den Zellen des Rete Malpighii beruht der brünette Teint, welcher manchen Individuen angeboren ist. — Als eine gleichfalls angeborene Anomalie beobachtet man bei vielen Menschen im Rete Malpighii an circumscripten Stellen eine massenhafte Pigmentbildung, durch welche braune oder schwarze Flecke (Chloasmata und Melasmata) entstehen. Sind diese Flecke grösser, so spricht man von einem Pigmentmal (Naevus spilus). Haben sie nur etwa den Umfang einer Linse, so nennt man sie Leberflecke (Lentigines). Auch diejenigen Pigmentmäler und Leberflecke, welche nicht mit Hypertrophie der Cutis verbunden sind und daher nicht über das Niveau ihrer Umgebung hervorragen, findet man häufig mit dichten und starken Haaren besetzt. — Bei den meisten Menschen wird die Pigmentbildung im Rete Malpighii durch den Einfluss des Sonnenlichtes, der Sonnenwärme, der Feuchtigkeit, des Windes gesteigert; in Folge dessen nehmen die unbedeckten Theile der Hautoberfläche bei Soldaten, bei Feldarbeitern, namentlich aber bei Seeleuten gewöhnlich eine gleichmässig bräunliche Färbung an. Auffallend ist es, dass unter dem Einflüsse jener Schädlichkeiten bei manchen Individuen keine vermehrte Pigmentbildung eintritt, dass dieselben nach dem herrschenden Sprachgebrauch wenig oder gar nicht „verbrennen“. — Schwer zu erklären ist ferner der Umstand, dass bei gewissen, namentlich bei blonden und rothhaarigen Individuen, welche einen sehr weissen Teint haben, unter der Einwirkung des Sonnenlichtes, der Sonnenwärme, der Feuchtigkeit und des Windes sich nur an kleinen umschriebenen Stellen der unbedeckten Körperoberfläche eine grössere Menge von Pigment ablagert. Dergleichen Individuen bekommen im Sommer, auch wenn sie sich durch den Hut und den Sonnenschirm vor der directen Einwirkung der Sonnenstrahlen schützen, im Gesicht, auf den Händen und den Armen rundliche mehr oder weniger dunkel gefärbte Flecke, welche man Sommersprossen (Ephelides) nennt. Wie sich die gebräunte Haut eines Seemannes mehr oder weniger entfärbt, wenn er während des Winters im Zimmer bleibt, so blassen auch die Sommersprossen im Winter ab oder verschwinden auch ganz. Durch Mittel, welche eine Abstossung der Epidermis mit Einschluss der tieferen pigmenthaltigen Schichten bewirken, kann man die Sommersprossen vertilgen; sie kehren aber nach wenigen Wochen wieder, wenn die Haut von Neuem den erwähnten Schädlichkeiten ausgesetzt wird. Die vielfach angewandte Lilionèse ist nur ein palliatives Kosmeticum, ebenso die von HebRa empfohlenen Umschläge mit einer Lösung von Sublimat (gr. v auf ℥j Wasser*⁾) — Bei schwangeren Frauen und bei solchen, welche an Krankheiten der Sexualorgane leiden, bilden sich häufig bräunliche Flecke im Gesicht, namentlich auf der Stirn und auf der Oberlippe (Chloasmata uterina), welche bei den meisten Frauen einige Zeit nach der Entbindung verschwinden, bei anderen aber auch längere Zeit oder für immer fortbestehen. Diese Erscheinung ist ebenso räthselhaft als die während der Schwangerschaft fast constant beobachtete Vermehrung des Pigments im Rete Malpighii des Warzenhofes und der der Linea alba entsprechenden Bauchhaut.
Ausser der diffusen Hypertrophie des Papillarkörpers bei der Ichthyosis kommt eine Hypertrophie einzelner Papillen verbunden mit Hyperplasie der sie bedeckenden Epidermis sehr häufig vor. Sie führt zur Bildung von Warzen (Verrucae vulgares) und von Feigwarzen (Condylomata). Die Warzen entstehen durch die Verlängerung einer kleinen zu einem Zapfen vereinten Anzahl von Hautpapillen. Sie sind mit einer sehr dicken und harten Epidermislage bedeckt. Werden die einzelnen Papillen, aus welchen die Warze besteht, gesondert von dieser Epidermislage bekleidet, so erscheint die Warze zerklüftet und faserig. Die Ursachen der Warzenbildung sind dunkel. Unreinliches Verhalten spielt sicher bei derselben nur eine untergeordnete Rolle, denn auch bei den reinlichsten Menschen wird oft in kurzer Zeit die Haut, namentlich an den Händen, mit Warzen bedeckt. Ebenso räthselhaft ist das oft schnelle Rückgängigwerden der Papillarhypertrophie. Laien pflegen das Verschwinden der Warzen gewöhnlich von der Wirkung sogenannter sympathetischer Mittel abzuleiten. — Die Feigwarzen unterscheiden sich von den gewöhnlichen Warzen dadurch, dass bei ihnen die Papillen sich nicht nur verlängern, sondern auch gleichzeitig seitliche Sprossen treiben, und dadurch, dass sie von einer weniger dicken und derben Epidermislage überzogen sind. Man unterscheidet spitze und breite Condylome. Erstere kommen auf den Schleimhäuten der Harnröhre und der Scheide sowie an den Stellen der äusseren Haut vor, welche von dem blenorrhoischen Secrete der Harnröhre und der Scheide benetzt werden. Sie haben gewöhnlich ein maulbeer- oder blumenkohlförmiges oder, wenn sie einer seitlichen Compression ausgesetzt sind, ein hahnenkammförmiges Aussehen. Die spitzen Condylome verlangen eine örtliche Behandlung. Die breiten Condylome haben eine sehr ähnliche Structur wie die spitzen, bilden aber meist nur flache Hervorragungen und zeigen eine grosse Neigung zu oberflächlicher Verschwärung. Der häufigste Sitz der breiten Condylome ist an den Schaamlippen, am Scrotum und zwischen den Hinterbacken. Seltener kommen sie an den Lippen und zwischen den Zehen vor. Sie verlangen, weil sie von einer Allgemeinerkrankung abhängig sind, nicht eine örtliche, sondern eine allgemeine antisyphilitische Behandlung.
Durch eine circumscripte Hypertrophie des die Cutis constituirenden Bindegewebes entstehen sogenannte Hautpolypen und die unter dem Namen Molluscum simplex bekannten zuweilen gestielten derben Geschwülste. — Eine eigenthümliche Form partieller Hypertrophie der Cutis, durch welche unregelmässige Geschwülste von narbenähnlicher Structur entstehen, stellt das sogenannte Keloid dar. — Auf diffuser Hypertrophie der Cutis und des subcutanen Bindegewebes beruht die Pachydermie oder Elephantiasis Arabum, über welche wir im zweiten Kapitel ausführlicher reden werden.
Durch hypertrophische Entwickelung der Capillaren in der Cutis, mit welcher zuweilen eine Bindegewebshypertrophie verbunden ist, entstehen rothe oder blaurothe Flecke und Geschwülste in der Haut, welche man als Teleangiektasieen bezeichnet. Sie sind theils angeboren (Naevi vasculares), theils bilden sie sich erst einige Zeit nach der Geburt. Man muss zwei Formen der Teleangiektasie unterscheiden: solche, welche stationär bleiben, nachdem sie einen gewissen Umfang erreicht haben, und solche, welche sich immer weiter verbreiten und durch Zerreissung der schliesslich excessiv erweiterten Capillaren zu abundanten Blutungen führen.
Eine hypertrophische Entwickelung der Haare und der Hautdrüsen an umschriebenen Stellen der Körperoberfläche complicirt fast constant die den meisten Muttermälern zu Grunde liegenden Ernährungsanomalieen. Eine ungewöhnlich frühzeitige Entwickelung von Bart- und Schamhaaren oder eine auffallende, nicht mit andern Anomalieen complicirte Behaarung des ganzen Körpers oder einzelner Stellen desselben gehört zu den Curiositäten. — Durch eine sehr bedeutende Hypertrophie der Wandung erweiterter Haarbälge oder Talgdrüsen entstehen zuweilen derbe Geschwülste, welche Aehnlichkeit mit dem Molluscum simplex haben. Meist ist ihre Höhlung nicht vollständig durch die Wucherung der Wand ausgefüllt; es besteht vielmehr die Absonderung von Hauttalg unter der Form einer schmierigen Flüssigkeit fort. Derartige in grösserer Anzahl über die Körperoberfläche verbreitete Geschwülste hat man früher unpassender Weise als Mollusca contagiosa bezeichnet.
*⁾Man lässt diese Umschläge nur einige Stunden lang anwenden und sorgt dafür, dass die mit der Sublimatlösung befeuchteten Compressen keine Falten schlagen. Zeigt sich die Haut nach dieser Procedur stärker entzündet, so bedeckt man sie mit in Oel getränkten Compressen. In wenigen Tagen verschwinden, während die Epidermis sich abschilfert, die Sommersprossen.
Diffuse Hypertrophie des Papillarkörpers und der Epidermis. Pityriasis. Ichthyosis.
§. 1. Pathogenese und Aetiologie.
Dass die vermehrte Bildung von Epidermis bei der Pityriasis und Ichthyosis auf einer abnormen Entwickelung des Papillarkörpers, der Matrix der Epidermis, beruht, haben wir oben erwähnt. BÄRenspRung, dessen vortreffliche Arbeiten wir in allen denjenigen Kapiteln benutzen, über welche Publicationen dieses gründlichen Forschers zu Gebote stehen, unterscheidet die Ichthyosis congenita im engeren Sinne, bei welcher die Kinder mit einem dichten und dicken Hornpanzer zur Welt kommen, von der wahren Ichthyosis. Bei jener Form werden die Kinder todt geboren oder sterben bald nach der Geburt, und es stellt sich heraus, dass der sie bedeckende Hornpanzer sich in einer früheren Periode des Uterinlebens wahrscheinlich durch das Verschmelzen der aus Epidermiszellen und Hauttalg bestehenden Vernix caseosa zu einer harten Hornmasse gebildet haben muss. Der unnachgiebige hornartige Ueberzug hat nämlich unverkennbar für den Körper des herangewachsenen Fötus nicht ausgereicht, ist in Bruchstücke und Schilder zerfallen und hat die Entwickelung der deshalb verkrüppelten Nase, Lippen, Ohrknorpel, Finger und Zehen gehemmt. — Aber auch die Papillarhypertrophie, welche der wahren Ichthyosis zu Grunde liegt, scheint eine angeborene und angeerbte Anomalie zu sein. Dass die Krankheit fast immer im ersten Lebensjahre übersehen wird, erklärt sich aus der in dieser Zeit beobachteten Hautcultur (s. §. 2.). Der Stammbaum von Kranken, welche an Ichthyosis leiden, ergiebt in vielen Fällen, dass auch andere Glieder der Familie, einzelne Geschwister, eines der Eltern oder Grosseltern oder sonstige Verwandte an Ichthyosis leiden oder gelitten haben.
Ausser der angeborenen wahren Ichthyosis, welche über den grössten Theil der Körperoberfläche verbreitet zu sein pflegt, giebt es leichtere Grade einer acquirirten Ichthyosis, welche, auf einzelne Provinzen der Körperoberfläche beschränkt, die Pachydermie zu compliciren pflegt.
§. 2. Symptome und Verlauf.
Statt des glatten Ansehens, welches die Haut bei gesunden Menschen darbietet, zeigt dieselbe bei leichteren Graden der in Rede stehenden Krankheit eine rauhe Beschaffenheit und ist mit feinen weissen Schuppen bedeckt. Diese leichteren Grade der Krankheit sind es, welche man als Pityriasis zu bezeichnen pflegt. Zum Begriffe der Pityriasis im eigentlichen Sinne ist erforderlich, dass die Abschilferung der Haut auf vermehrter Bildung von Epidermis, nicht auf anderweitigen Anomalieen beruhe; dass ersteres der Fall sei, erkennt man theils aus dem Habituellsein des geschilderten Zustandes, theils aus dem Fehlen von Congestions- und Entzündungserscheinungen oder von gestörter Secretion der Haut- und Talgdrüsen. Die meisten Fälle von Abschilferung der Epidermis auf dem Kopfe, bei welcher feine weisse Schuppen in den Haaren kleben und den Rockkragen bedecken, haben ihren Grund nicht in einer vermehrten Bildung von Epidermis, sondern in einer superficiellen Dermatitis. Auch die Abschilferung der Haut in den Handtellern und in den Fusssohlen beruht gewöhnlich auf einer superficiellen Hautentzündung und wird bei der Besprechung des Ekzems genauer erörtert werden. Bei der eigentlichen Ichthyosis erfolgt die Abstossung der Epidermis unter der Form grösserer, dickerer, gewöhnlich durch Pigment und Schmutz dunkel gefärbter Schuppen. Bei höheren Graden der Krankheit bildet die Epidermis hornartige Plaques oder selbst warzige und stachlige Hervorragungen. Man hat deshalb eine Ichthyosis simplex, cornea, hystrix (Stachelschweinmenschen) unterschieden und eine noch grössere Zahl von Unterabtheilungen aufgestellt, welche nicht verschiedenen Formen, sondern verschiedenen Graden der Krankheit entsprechen. Gewisse Körperstellen, das Gesicht, die Handteller und Fusssohlen, die Achselhöhlen, die Ellbeugen, die Kniekehlen, die Leistengegend und die Genitalien bleiben von der Ichthyosis verschont, während die Dorsalseiten der Extremitäten, namentlich die Knie- und Ellbogengegend, besonders heimgesucht werden. — Dass man bei neugeborenen Kindern die Ichthyosis, an welcher sie leiden, nicht wahrnimmt, findet nach HebRa darin seine Erklärung, dass die Kinder sich im Mutterleib, in einem continuirlichen warmen Bade befinden, durch welches Epidermisschuppen macerirt werden. Ebenso erkläre sich aus der Unreinlichkeit der kleinen Kinder und dem häufig wiederholten Waschen und Baden derselben, dass sich auch im Verlauf des ersten Jahres die Epidermisschuppen nicht anhäufen können und die Krankheit meist unerkannt bleibe.
§. 3. Therapie.
Die Krankheit ist nicht zu heilen, da uns kein Mittel bekannt ist, durch welches wir die Hypertrophie des Papillarkörpers rückgängig zu machen im Stande wären. Die Erfahrungen über die Erfolglosigkeit des Arseniks, der Antimonialien, des Theers und anderer innerlich und äusserlich angewandter Medicamente sind zu zahlreich, als dass es erlaubt wäre, weitere Versuche mit denselben anzustellen. Der fleissige, wo möglich tägliche Gebrauch warmer Bäder mit oder ohne Zusatz von Alkalien und die Einreibungen von fetten Substanzen in die Haut sind den Kranken zu empfehlen, weil durch diese Proceduren der massenhaften Anhäufung abgestossener Epidermiszellen vorgebeugt wird.
Diffuse Hypertrophie der Haut und des subcutanen Bindegewebes. Pachydermie. Elephantiasis Arabum.
§. 1. Pathogenese und Aetiologie.
Wiederholte Entzündungen der Haut, namentlich aber wiederholte und andauernde Verstopfung ihrer Venen oder Lymphgefässe führen zuweilen zu einer enormen Wucherung des Bindegewebes in der Cutis, im subcutanen und intermusculären Gewebe und selbst im Periost der dem leidenden Theile angehörenden Knochen. Dieser Zustand ist es, welchem man den Namen der Pachydermie oder wegen des plumpen und ungestalten Ansehens der befallenen Theile den Namen Elephantiasis Arabum gegeben hat. Mit der Elephantiasis Graecorum, der Lepra, der Spedalskhed hat dieselbe Nichts gemein. Wir wissen nicht, weshalb nur in einzelnen Fällen von wiederholter Dermatitis und nur in einzelnen Fällen von Phlebitis und primärer Thrombose der Venen oder von Obliteration der Lymphgefässe sich Pachydermie entwickelt, während in anderen Fällen dieser Effect ausbleibt; und es ist uns durchaus räthselhaft, weshalb jene Prozesse in manchen Gegenden, vor Allem in der heissen Zone (Bein von Barbados), häufiger vorkommen oder häufiger zu Pachydermie führen als bei uns.
§. 2. Anatomischer Befund.
Der häufigste Sitz der Erkrankung ist der Unterschenkel. Man findet denselben oft um das Zwei- oder Dreifache, bald gleichmässig, bald mehr ungleichmässig (Knollbein) angeschwollen. Die Haut lässt sich nicht verschieben und ist in den Fällen, in welchen der Papillarkörper an der Hypertrophie Theil nimmt, mit dicken Epidermisborken bedeckt. Das Gewebe der Cutis und des Panniculus adiposus ist in eine derbe dichte speckähnliche Masse verwandelt, welche mikroskopisch aus jungen und alten Bindegewebselementen besteht; die unthätigen und dem Drucke des sie umgebenden gleichfalls verdickten Bindegewebes ausgesetzten Muskeln zeigen sich atrophisch und fettig entartet. Oft findet man Obliterationen der Venen oder der Lymphgefässe oder varicose Erweiterungen derselben unterhalb der verschlossenen Stelle. — Ganz ähnliche anatomische Veränderungen beobachtet man an den oberen Extremitäten, wenn diese der Sitz des Leidens sind (Knollhand), oder am Hodensack (Elephantiasis scrotalis, Hernia carnosa), dem Penis, den Schaamlippen, wenn diese von demselben befallen sind.
§. 3. Symptome und Verlauf.
Die Krankheit beginnt mit den Erscheinungen einer erisypelatösen Hautentzündung, einer Lymphangitis oder einer Phlebitis. Wenn von einigen Beobachtern angegeben wird, dass den localen Symptomen häufig die eines heftigen Fiebers vorausgingen, so kann diese Erscheinung kaum als eine eigenthümliche bezeichnet werden, da sich auch bei anderen Entzündungen häufig das fieberhafte Allgemeinleiden in den Vordergrund drängt und früher bemerkt wird, als die Functionsstörungen des kranken Organes. Nach Ablauf der Entzündung kehrt der während derselben geschwellte Körpertheil nicht wieder zu seinem normalen Volumen zurück, sondern bleibt mässig angeschwollen und zeigt eine weiche und teigige Consistenz. Nach kurzer Zeit, meist schon nach einigen Monaten, erfolgt eine neue Attaque, welche denselben Verlauf nimmt wie die erste und eine noch stärkere Schwellung des leidenden Theils hinterlässt. Je häufiger sich die Anfälle wiederholen, je kürzer die Pausen zwischen denselben sind, um so unförmlicher und schwerer wird das kranke Glied, und um so mehr macht die teigige auf oedematöser Infiltration beruhende Beschaffenheit desselben einer brettähnlichen Härte Platz, welche der Neubildung von derbem Bindegewebe entspricht. Hat sich bei der Wiederholung der beschriebenen Anfälle die Pachydermie von der zuerst befallenen Stelle allmälig auf die nächste Umgebung ausgebreitet, so zeigt dieselbe Extremität nicht selten gleichzeitig verschiedene Grade des Prozesses. Die Kranken haben ausser der Zeit der Entzündungsanfälle keinen Schmerz in den geschwellten Theilen. Oft sind diese der Sitz einer superficiellen mit flüssiger Exsudation unter die Epidermis und auf die freie Fläche verbundenen (ekzematösen) Hautentzündung. Die Beweglichkeit der befallenen Extremitäten ist selbstverständlich schwer beeinträchtigt.
§. 4. Therapie.
In nicht zu eingewurzelten Fällen von Pachydermie der Extremitäten wird durch eine zweckmässige Behandlung oft wesentliche Besserung und selbst vollständige Heilung erzielt. Während der entzündlichen Anfälle, mit welchen die Krankheit sich entwickelt, muss man dem Gliede eine erhöhte Lage geben und diese auch nach Ablauf der Entzündung noch einige Zeit hindurch einhalten lassen. Daneben wende man Kälte und die für diese Zustände besonders dringend empfohlenen Einreibungen von grauer Quecksilbersalbe an. Ist die Entzündung beseitigt, so schreite man zu einer methodischen und energischen Compression. Nach HebRa’s Vorschrift soll man sich zur Einwickelung des kranken Gliedes baumwollener vorher mit Wasser durchtränkter Binden bedienen. Diese legt man von den Zehen aufwärts in der Weise an, dass jede Tour die vorhergehende zum grössten Theil deckt. Man kann die Binde sehr straff anziehen, da die Kranken einen starken Druck ohne alle Beschwerde ertragen, und da auch eine sehr fest angelegte Binde sich schon nach wenigen Stunden zu lockern pflegt. — Bei der Elephantiasis scroti, bei welcher der entartete Hodensack zuweilen bis unter das Knie herabreicht und das Gewicht eines Centners erreicht, und bei der Elephantiasis der Labia majora muss die Geschwulst durch das Messer entfernt werden.
Die Atrophie der Haut tritt uns zunächst als Theilerscheinung des allgemeinen Marasmus, sowohl des Marasmus senilis als des durch erschöpfende Krankheiten herbeigeführten Marasmus praematurus entgegen. Erhebt man die Haut eines marantischen Individuums zu einer Falte, oder durchschneidet man sie bei der Obduction, so ist die Abnahme ihrer Dicke nicht selten in hohem Grade auffallend. — Dass man dabei die Haut marantischer Individuen meist mit abgestossenen Epidermisschuppen bedeckt findet, beruht nicht etwa darauf, dass neben der Atrophie der übrigen Gebilde eine Hypertrophie der Epidermis einherginge, sondern lediglich darauf, dass wegen der Atrophie der Hautdrüsen die Secretionen, durch welche die Epidermis geschmeidig erhalten wird, so dass die Abstossung derselben bei gesunden Individuen unmerklich vor sich geht, vermindert sind. Es werden mit anderen Worten bei der sogenannten Pityriasis tabescentium nicht Epidermiszellen in abnormer Menge gebildet, sondern die Epidermiszellen werden augenfälliger abgestossen als bei anderen Individuen. Auch durch einen anhaltenden Druck, den die Cutis von Aussen oder von Innen erleidet, verfällt sie der Atrophie. Wir haben bereits erwähnt, dass ein Hühnerauge zu partiellem Schwund des Corium führt; denselben Effect haben Favusborken und zuweilen Schorfe, welche lange Zeit der Hautoberfläche aufliegen. Da bei einem von Aussen einwirkenden Druck zuweilen der Papillarkörper leidet, so wird das Product desselben, die Epidermiszellen, in geringer Menge gebildet, und an den gedrückten Stellen ist die Epidermis auffallend dünn. Anders verhält es sich bei einem Druck, der die Haut von Innen trifft, z. B. bei excessiven Ausdehnungen des Bauches durch Schwangerschaft oder hydropische Ergüsse und bei bedeutender Anschwellung anderer von der Haut überzogener Theile. Dann leiden mehr die tieferen Schichten des Corium und die drüsigen Gebilde, während die Production von Epidermis nicht gestört ist. Ich zweifle nicht, dass die Pityriasis am Bauch und an den Extremitäten nach wiederholten Schwangerschaften und nach hochgradigem Hydrops eben so wie die Pityriasis tabescentium von der Atrophie der tieferen Schichten des Corium und der Hautdrüsen und von einer abnormen Trockenheit der Epidermis abgeleitet werden muss.
Ein angeborener über die ganze Haut verbreiteter Mangel an Pigment im Rete Malpighii findet sich bei den Albinos oder Kakerlaken. — Zuweilen schwindet durch unbekannte Veranlassungen das Pigment an einzelnen Stellen der Hautoberfläche. Diese werden milchweiss und stechen, zumal da diese Abnormität (Vitiligo oder Achroma) hauptsächlich bei sehr brünetten Individuen vorkommt, auffallend gegen ihre Umgebung ab. (Scheckenbildung.)
Sehr häufig atrophiren die Haarbälge, zumal die der Kopfhaut. Die nothwendige Folge dieses Zustandes ist das Ausfallen der Kopfhaare. Schreitet die Atrophie der Haarbälge nicht bis zum völligen Untergang derselben fort, so hört die Haarbildung nicht vollständig auf; aber statt der ausgefallenen starken Kopfhaare produciren die verkümmerten Haarbälge nur feines Wollhaar. Die Entdeckung dieser feinen Flaumen auf ihrem Schädel erweckt bei kahlköpfigen Individuen nicht selten trügerische Hoffnungen, zumal wenn sie kurz vor der Entdeckung Eau de Lob oder Löwenpomade gebraucht haben und den Anpreisungen dieser Mittel Glauben schenken. Man nennt die durch Atrophie der Haarbälge entstehende Kahlköpfigkeit Calvities, oder, weil sie vorzugsweise bei Greisen vorkommt, Alopecia senilis. Nicht eben selten kommt indessen die Calvities auch bei jüngeren Individuen vor, und zwar scheint eine erbliche Anlage die häufigste Ursache dieser Erscheinung zu sein. Die Angaben, dass angestrengte Kopfarbeit, sorgenvolle Stimmung und geschlechtliche Ausschweifungen zur Alopecia praematura führen, sind unzuverlässig. Eine grosse Zahl sehr gelehrter oder von schweren Sorgen heimgesuchter Individuen und eine grosse Zahl sehr liederlicher Menschen erfreut sich eines üppigen Haarwuchses, während andere Individuen, welche wenig nachdenken und sorgenfrei und enthaltsam leben, frühzeitig ihr Haupthaar verlieren. Dass trotz der Anpreisungen der Charlatans kein Mittel im Stande ist, neue Haarbälge zu produciren, und dass daher die in Rede stehende Form der Kahlköpfigkeit unheilbar ist, ergiebt sich von selbst. — Anders verhält es sich mit dem Ausfallen der Haare bei und nach acuten und chronischen Krankheiten, während deren die Haarbälge eine vorübergehende Ernährungsstörung erfahren. Diese führt nicht zu einem Untergang oder auch nur zu einer bleibenden Verkümmerung der Haarbälge. Ist die zu Grunde liegende Krankheit beseitigt und sind die Folgen, welche sie für die gesammte Constitution gehabt hat, verschwunden, so sind auch die Haarbälge ad integrum restituirt und produciren neue gesunde Haare an Stelle der ausgefallenen. Unter den acuten Krankheiten führt hauptsächlich der Typhus, unter den chronischen die Syphilis zu dem Defluvium capillorum, mit welchem Namen man die zuletzt besprochene Form des Ausfallens der Haare bezeichnet. Doch haben auch schwere Pneumonieen und andere erschöpfende Krankheiten, sowie in geringerem Grade fast jedes Wochenbett ein Defluvium capillorum zur Folge. — Auf einer vorübergehenden Ernährungsstörung der Haarbälge scheint auch die von Willan als Porrigo decalvans bezeichnete Alopecia circumscripta zu beruhen. Bei diesem nicht eben seltenen Leiden bemerkt man kreisrunde Stellen von verschiedener Grösse gewöhnlich auf dem Kopf, seltener im Bart oder an anderen Stellen, an welchen die Haare dicht über der Wurzel abbrechen, pinselförmig zerklüften und ausfallen, so dass schliesslich ein kahler von dichtem Haarwuchs umgebener Fleck entsteht. Die Ursachen der Alopecia circumscripta sind dunkel. Pflanzliche Parasiten liegen nach neueren Untersuchungen derselben nicht zu Grunde. Die kahlen Stellen bedecken sich nach einiger Zeit von Neuem mit gesundem Haar. — Das durch Entzündung der Kopfhaut und durch Parasiten (Favus, Herpes tondens) entstehende Ausfallen der Haare wird später an den betreffenden Stellen besprochen werden.
Bei sehr alten Leuten verlieren die Haare fast immer ihr Pigment. Anfangs bemerkt man zwischen den gefärbten nur einzelne ungefärbte Haare; später nimmt die Zahl der gefärbten ab, und schliesslich sind alle noch vorhandenen Haare pigmentlos. Auffallender Weise fehlen trotz der Häufigkeit des Grauwerdens oder Weisswerdens der Haare genauere Beobachtungen über den dieser Erscheinung zu Grunde liegenden Vorgang. Man weiss nicht einmal, ob aus dem gefärbten Haare das Pigment verschwindet, oder ob ungefärbte Haare von der Wurzel aus nachwachsen. Auch bei jüngeren Leuten verlieren zuweilen die Haare ihr Pigment, und zwar dann oft in kürzerer Zeit, als dies bei älteren Leuten der Fall zu sein pflegt. Für das frühzeitige Grau werden scheint wie für das frühzeitige Ausfällen der Haare die erbliche Anlage das wichtigste aetiologische Moment zu sein, obgleich dabei auch Sorge und Kummer eine Rolle spielen mögen. Es werden zahlreiche Fälle erzählt, in welchen sämmtliche Haare eines Individuums innerhalb eines Tages oder einer Nacht weiss geworden seien. Diese Fälle sind gewiss zum grössten Theil ungenau beobachtet und übertrieben; dass dies von allen gelte, wage ich nicht zu behaupten.
Der Blutgehalt der Haut ist grösseren Schwankungen unterworfen, als der Blutgehalt der übrigen Organe, weil die Haut den Einflüssen, durch welche die Circulation modificirt wird, weit mehr exponirt ist, als alle anderen Theile des Körpers. Die Anomalieen der Blutvertheilung in der Haut, welche durch Herzkrankheiten entstehen, sowohl die in Folge verstärkter Herzarbeit eintretende Ueberfüllung der Arterien und arteriellen Capillaren, als die in Folge geschwächter Herzarbeit eintretende Ueberfüllung der Venen und venösen Capillaren (Cyanose) haben wir im ersten Bande ausführlich besprochen.
Hyperaemie der Haut, und zwar eine fluxionäre Hyperaemie, entsteht, wenn die Haut einer höheren Temperatur, namentlich der feuchten Wärme, ausgesetzt wird, wenn reizende Substanzen, z. B. Senf, Canthariden, Seidelbast, einige Zeit auf dieselbe einwirken, oder wenn sie von mechanischen Insulten getroffen wird. In allen diesen Fällen scheint, wie wir wiederholt erörtert haben, die Relaxation des Hautgewebes der erste Effect der genannten Einflüsse und die Ausdehnung der Capillaren erst die Folge der geringeren Widerstandsfähigkeit ihrer relaxirten Umgebung zu sein. Ist die Hyperaemie so bedeutend, dass die Haut durch die bedeckende Epidermis hindurch geröthet erscheint, so pflegt man den Zustand ein Erythem zu nennen und, je nachdem die Röthung durch die Einwirkung einer hohen Temperatur oder durch die Einwirkung des Senfs, der Canthariden, des Seidelbastes entstanden ist, ein Erythema caloricum, solare und venenale zu unterscheiden. Mit demselben Rechte kann man die nach einem Schlage entstehende Röthung der Haut als Erythema traumaticum bezeichnen. Diese verschiedenen Namen für die Hauthyperaemie sind völlig überflüssig und führen sogar, da man auch die mit Röthung verbundenen entzündlichen Vorgänge in der Haut als Erythema bezeichnet, zu Missverständnissen und zu Verwirrungen. — Partielle Hyperaemieen der Haut werden wir ferner als das erste Symptom der meisten acuten und chronischen Exantheme, in deren weiterem Verlaufe Exsudate in die Haut oder auf die freie Fläche derselben gesetzt werden, kennen lernen. — Endlich werden sehr häufig partielle Hauthyperaemieen bei gewissen fieberhaften Krankheiten beobachtet, ohne dass wir eine Erklärung dieses Vorkommens zu geben im Stande wären. Die Hyperaemie ist in solchen Fällen gewöhnlich auf kleine umschriebene Hautstellen beschränkt, so dass rothe, rundliche oder unregelmässige Flecke von der Grösse einer Linse bis zu der eines Kreuzers entstehen, welche man als Roseola bezeichnet. Aber auch diesen Namen führen nicht nur die durch einfache Hyperaemie entstandenen rothen Flecke (Maculae), sondern auch kleine mit Hyperaemie verbundene Infiltrationen der Haut, welche rothe Knötchen (Papulae) bilden. Eine Roseola begleitet den Typhus, das Choleratyphoid und andere Infectionskrankheiten, aber auch keineswegs selten, zumal bei Kindern, fieberhafte Magen- und Darmkatarrhe, sowie mit Fieber verlaufende Gehirn- und Lungenleiden. Kann man eine ausreichende Ursache für das vorhandene Fieber nachweisen, so pflegt man die Roseola als eine symptomatische zu bezeichnen, kann man keinen Grund des Fiebers finden, als eine idiopathische. Zu der letzteren gehören die sogenannten Roseola aestiva, autumnalis, infantilis und manche von den Autoren als „Rötheln“ beschriebene Krankheitsformen. — Die Röthung der Haut und ein vermehrtes Wärmegefühl sind die einzigen Symptome einer Hauthyperaemie, und zwar entfärbt sich die durch Hyperaemie geröthete Stelle, wenn man einen Druck auf dieselbe ausübt und das Blut aus den Capillaren auspresst, während die durch eine Haemorrhagie in die Substanz der Cutis entstandene Röthe bei einem solchen Drucke nicht verschwindet. Ist die geröthete Stelle gleichzeitig schmerzhaft, ist sie stärker geschwellt, bleibt bei einem Druck auf dieselbe nicht ein weisser, sondern ein mehr gelblicher Fleck zurück, und tritt, nachdem die Röthe verschwunden ist, eine Abschilferung der Epidermis ein, so hat man nicht mit einer einfachen Hyperaemie, sondern gleichzeitig mit einer entzündlichen Infiltration zu thun.
Anaemie der Haut ist eine einfache Theilerscheinung und ein wichtiges Symptom allgemeiner Blutarmuth. Sie entsteht ferner, wenn die Haut einer niederen Temperatur ausgesetzt wird, sowohl in Folge der physikalischen Wirkung der Kälte als der durch die Kälte hervorgerufenen Contraction der Hautmuskeln. Beide Momente machen die Haut dichter und widerstandsfähiger und hemmen dadurch das Einströmen des Blutes in die Capillaren. Diese Wirkung wird gesteigert durch die gleichzeitig stattfindende Contraction der kleineren Arterien. Endlich entsteht partielle Anaemie oder Ischaemie der Haut auch ohne Einwirkung der Kälte, wenn die Muskeln der Haut und der Gefässwände eine (krampfhafte?) Contraction erfahren. Am Häufigsten wird diese Erscheinung während des Fieberfrostes beobachtet. Doch kommt sie auch isolirt und oft ohne bekannte Veranlassung namentlich an den Extremitäten unter der Form des sogenannten Absterbens der Finger und Zehen vor.
Nur selten verlangt die Hyperaemie oder die Anaemie der Haut therapeutische Eingriffe. Gegen die Hyperaemie ist die Anwendung der Kälte, gegen die Anaemie die Anwendung feuchter und trockener Wärme, sowie das Frottiren und Bürsten der Haut und die Anwendung von Reizmitteln indicirt.
Unter dieser Nummer sollen sämmtliche Ernährungsstörungen der Haut, bei welchen in das Gewebe der Cutis oder auf die freie Fläche derselben ein Exsudat gesetzt wird, besprochen werden. Wir halten es zwar für fraglich, ob alle diese Krankheitsformen streng genommen zu den Entzündungen gerechnet werden dürfen, da ein interstitielles Exsudat für uns weder ein nothwendiges Desiderat noch ein sicheres Kriterium einer Entzündung ist; wir wollen uns aber auf eine nähere Erörterung dieser Frage nicht einlassen und in dem Folgenden nach dem Vorgänge von Simon den Ausdruck Dermatitis zur Bezeichnung eines Exsudationsprocesses in der Haut benutzen.
Infiltrirt das Exsudat an einer mehr oder weniger umfangreichen Stelle das Gewebe der Cutis, so entstehen die sogenannten erythematösen und erysipelatösen Hautentzündungen, ist die Infiltration auf eine kleine umschriebene Stelle des Papillarkörpers beschränkt, die papulösen Exantheme. Ist die Infiltration ebenso oberflächlich, aber etwas ausgebreiteter, so entsteht die durch die Bildung von Quaddeln charakterisirte Form der Dermatitis. — Bei den erysipelatösen Hautentzündungen wird nicht selten durch ein gleichzeitig auf die freie Fläche der Cutis gesetztes Exsudat die Epidermis zu mehr oder weniger umfangreichen Blasen erhoben. Ausserdem kommt ein auf die freie Fläche der Cutis gesetztes, die Epidermis zu Blasen erhebendes Exsudat auch bei anderen acuten und chronischen Hautentzündungen vor, welche keineswegs mit einer namhaften Infiltration der Cutis verbunden sind. Derartige superficielle Entzündungen, welche nach Art der Katarrhe sich bei geringen Texturveränderungen der Gewebe vorzugsweise durch die Exsudationen auf die freie Fläche auszeichnen, bilden die vesiculären und, wenn neben der Exsudation von Flüssigkeit auf die freie Fläche eine reichliche Bildung junger Zellen einhergeht, die pustulösen Formen der Exantheme. Endlich giebt es Formen von Hautentzündungen, bei welchen sich die Infiltration der Cutis mit einer krankhaften Epidermisbildung complicirt, die sogenannten Schuppenflechten.
Zu diesen hauptsächlich durch die Intensität der Entzündung und den Sitz des Exsudates bedingten Verschiedenheiten kommen andere, welche in der Eigenthümlichkeit der Verbreitung, in dem acuten oder chronischen Verlaufe und in den Ursachen der Erkrankung begründet sind und uns nöthigen, wenn wir nicht Ungleichartiges als zusammengehörend darstellen wollen, eine grössere Zahl von Entzündungsformen der Haut aufzustellen und in besondern Kapiteln zu besprechen.
Leichtere Formen der acuten Hautentzündung ohne Blasenbildung. Erythematöse Dermatitis. Erythēma.
§. 1. Pathogenese und Aetiologie.
Bei der in Rede stehenden Form der Dermatitis ist der Papillarkörper und in den meisten Fällen auch das unter demselben befindliche maschige Gewebe der Cutis der Sitz einer Hyperaemie und einer serösen Infiltration. Da nach Ablauf des Erythems sich gewöhnlich die Epidermis abschuppt, so lässt sich annehmen, dass dieselbe durch ein gleichzeitig auf die Oberfläche gesetztes Exsudat in ihrer Verbindung mit dem Papillarkörper gelockert wird. Doch ist dieses Exsudat nicht massenhaft genug, um die Epidermis zu deutlichen Blasen zu erheben. — Die bei der Besprechung der Hauthyperaemie angeführten aetiologischen Momente, eine hohe Temperatur, der Einfluss der directen Sonnenstrahlen, sowie chemische und mechanische Reize rufen bei intensiver und länger anhaltender Einwirkung erythematöse Entzündungen hervor. Einzelne durch mechanische Reizung hervorgerufene Erytheme führen hesondere Namen. Ist ein Erythem durch die Reibung zweier einander zugekehrter Hautstellen entstanden, so nennt man dasselbe Erythema Intertrigo. Diese Form kommt sehr häufig bei kleinen, namentlich schwächlichen Kindern in den Hautfurchen an den Genitalien, hinter den Ohren, am Halse, ferner unter den herabhangenden Brüsten sehr fetter Frauenzimmer vor. Entsteht es zwischen den Hinterbacken bei anhaltender Reibung derselben gegen einander auf weiten Märschen, so wird ihm von Laien der Name eines „Wolfes“ beigelegt. Das bei langwierigen Krankheiten durch den Druck des Lagers, namentlich in der Gegend des Kreuzbeins, der Trochanteren und an anderen hervorragenden Stellen entstehende Erythem nennt man Decubitus, das bei hochgradigem Hydrops durch eine übermässige Spannung der Haut oder durch leichte Verletzungen entstehende Erythem Erythema laeve. — Bei lange dauernden Ausflüssen aus der Nase und bei Blenorrhöen der Conjunctiva bilden sich sehr häufig durch die Benetzung der Haut mit den scharfen Secreten Erytheme der Oberlippe und der Nase, durch Benetzung der Haut mit dem unwillkürlich abfliessenden Harn Erytheme der Vorhaut, des Hodensackes, der inneren Fläche der Oberschenkel.
Ausser den bisher besprochenen durch örtliche Reizung hervorgerufenen Erythemen kommt ein Erythem mit eigenthümlicher Verbreitung und cyklischem Verlaufe vor, dessen Ursache wir nicht kennen. Diese Form tritt bei uns sporadisch auf, ist nicht eben häufig, zeigt aber eine grosse Neigung zu periodischen Recidiven. In andern Gegenden (Constantinopel, Paris) hat man eine epidemische Verbreitung derselben beobachtet.
§. 2. Symptome und Verlauf.
Die durch locale Reizung hervorgerufenen Erytheme charakterisiren sich durch das Vorhandensein rother, wenig prominirender, an der Peripherie allmälig sich verlierender Flecke, welche beim Druck blass werden und eine gelbliche Färbung annehmen, nach Aufhebung des Druckes sich von Neuem röthen und der Sitz eines mehr oder weniger lebhaften brennenden Schmerzes sind. Werden die Reize, welche zum Erythem geführt haben, frühzeitig entfernt, so verschwindet die Röthe und die Schwellung der entzündeten Hautstelle in wenigen Tagen, und eine leichte Abschuppung der Epidermis beendet den bedeutungslosen Process. Werden die Reize nicht entfernt, wirken sie anhaltender und intensiver ein, so steigert sich die erythematöse Entzündung zu schwereren Formen, und es entwickeln sich anderweitige Ernährungsstörungen. Aus dem Erythema solare entsteht ein Ekzema solare, bei Verbrennungen bilden sich Blasen, bei der Intertrigo geht die Epidermis verloren, das Erythema laeve kann zu Gangrän der Haut führen u. s. w.
Das spontane oder doch ohne bekannte Veranlassung auftretende Erythem hat seinen Sitz constant auf der Dorsalseite der Hände und Füsse; zwar kommt es auch an anderen Stellen der Extremitäten und in seltenen Fällen auch am Rumpf und im Gesicht vor, aber niemals ohne gleichzeitig die Hand- und Fussrücken zu befallen. HebRa macht auf die Wichtigkeit dieser constanten Localisation für die Diagnose aufmerksam. An den erwähnten Stellen bemerkt man anfangs eine diffuse und gleichmässige Röthung und Schwellung. Bald aber treten auf der gerötheten und geschwellten Basis grössere und kleinere dunkler geröthete und oft blaurothe Knoten und Knötchen hervor, welchen die Krankheit den Namen des Erythema papulatum und tuberculosum verdankt. Diese Eruption ist bei manchen Individuen mit der Empfindung von lästigem Brennen an der kranken Hautstelle, selten auch mit Fiebererscheinungen verbunden. Schon nach wenigen Tagen pflegt die Umgebung der Knötchen abzublassen und zu detumesciren, einige Tage später werden meist auch die Knötchen kleiner und blässer und verschwinden gänzlich; die Epidermis schuppt sich ab, und in etwa 8–14 Tagen ist die Krankheit abgelaufen. Sowohl die bläuliche Färbung der Knötchen als die nach ihrem Verschwinden für einige Zeit zurückbleibende gelbe Pigmentirung der Haut an der Stelle, an welcher sie ihren Sitz hatten, sprechen dafür, dass bei dem Erythema papulatum mit der Exsudation in die Cutis ein mässiger Bluterguss in das Gewebe derselben verbunden ist. — Zuweilen zieht sich das Erythema papulatum in die Länge, dauert Wochen und Monate lang und verbreitet sich dann von der zuerst befallenen Stelle auf andere Körpertheile. Bilden sich dabei an der Peripherie der ersten Eruption neue Knoten, während im Centrum der Process bereits erloschen ist, so spricht man von einem Erythema annulare oder circinatum; bleibt in der Mitte eines derartigen Ringes eine rothe Stelle zurück, von einem Erythema Iris oder mammellatum; stossen die Kreise oder Ringe bei ihrer weiteren Ausbreitung auf einander, so werden sie an den Berührungsstellen unterbrochen, es bilden sich unregelmässige bogenförmige Zeichnungen, und es entsteht das sogenannte Erythema gyratum. Diese Namen wiederholen sich auch bei anderen Exanthemen, bei welchen der Process an der Peripherie der ersten Eruption sich weiter ausbreitet, während er im Centrum, d. h. an der zuerst befallenen Stelle, bereits abgelaufen ist. Die verschiedenen Zeichnungen, welche dadurch auf der Haut entstehen, entsprechen demnach keineswegs verschiedenen Erkrankungsformen, sondern verschiedenen Entwickelungsstadien desselben Krankheitsprocesses.
Von dem Erythema papulatum oder tuberculosum verschieden ist das Erythema nodosum. Diese Form kommt namentlich bei jugendlichen Individuen und weit häufiger bei weiblichen als bei männlichen Personen vor. Ihr fast ausschliesslicher Sitz sind die untern Extremitäten, namentlich die Unterschenkel. Sie beruht auf wenig umfangreichen circumscripten mit Blutaustritt verbundenen Infiltrationen der tieferen Hautschichten. Anfangs bemerkt man rundliche haselnuss- bis wallnussgrosse von einer nur leicht gerötheten Haut bedeckte Knoten, welche bei der Berührung schmerzen und die grösste Aehnlichkeit mit den durch Schläge und Stösse entstandenen Beeilen haben (Dermatitis contusiformis). Die rosenrothe Färbung der Haut wird allmälig dunkel und geht später in eine violette und dann weiter in die blaue, grüne und gelbe Färbung über, welche wir in dieser Reihenfolge auch bei traumatischen Extravasationen in das Hautgewebe auftreten sehen. Das Erythema nodosum ist immer mit einem fieberhaften Allgemeinleiden verbunden, durch welches die Kranken geschwächt und an das Bett gefesselt werden; die Dauer der Krankheit beträgt gewöhnlich 8–14 Tage. Eine Desquamation der Epidermis beendet auch bei dieser Form gewöhnlich den Process. Nur selten zieht sich das Erythema nodosum Monate lang hin, indem, während die ersten Knoten mit einer Abschuppung der Epidermis verschwinden, neue Nachschübe auftreten.
§. 3. Therapie.
Die durch örtliche Reizung entstandenen Erytheme verlangen meist nur die Entfernung der Schädlichkeit, durch welche sie hervorgerufen wurden, um schnell zu verschwinden. Sind heftige brennende Schmerzen vorhanden, so verordnet man Umschläge mit Wasser oder Bleiwasser. Bei dem Erythema Intertrigo bestreut man, um die gegenseitige Reibung der einander zugekehrten Flächen zu verhüten, dieselben mit feinen Pulvern, unter denen die Semina Lycopodii mit einem Zusatz von Flores Zinci (Sem. Lycopod. ℥β, Flor. Zinc. ʒβ) die gebräuchlichsten sind, oder man legt zwischen dieselben mit Zinksalbe bestrichene Compressen und Charpiebäusche. Die durch das Aufliegen gerötheten Stellen schützt man am Besten durch kranzförmige mit Luft gefüllte Gummikissen. Sind Erytheme durch Benetzung mit scharfen Secreten entstanden, so schützt man die betreffenden Hautstellen durch einen Ueberzug mit Lippenpomade oder mit einem anderen Fett vor einem weiteren Contact mit der scharfen Flüssigkeit. — Das Erythema papulatum bedarf keiner besonderen Behandlung; nur wenn es mit heftigem Brennen verbunden ist, verordne man kalte Umschläge. — Bei dem Erythema nodosum muss das Fieber und der Kräftezustand der Kranken berücksichtigt werden; auch kann man Umschläge mit kaltem Wasser oder Aqua Goulardi auf die schmerzhaften Knoten in Anwendung bringen.
Erysipelatöse Dermatitis, Erysipelas, Rose, Rothlauf.
§. 1. Pathogenese und Aetiologie.
Die erysipelatöse Dermatitis charakterisirt sich durch die sehr hochgradige Hyperaemie der Cutis, ferner durch ein massenhaftes in das Gewebe derselben, in das subcutane Bindegewebe und nicht selten auch zwischen Cutis und Epidermis gesetztes seröses Exsudat, ferner durch die geringe Tendenz der Entzündung in Eiterung und Abscessbildung überzugehen, und endlich durch die constante Betheiligung der benachbarten Lymphgefässe und Lymphdrüsen an der Entzündung. Nicht selten erfolgen im Verlaufe der erysipelatösen Dermatitis Gefässrupturen und Haemorrhagieen in die Haut und auf die freie Fläche derselben. In einzelnen Fällen steigert sich die entzündliche Ernährungsstörung zur Gangrän.
Die Behauptung, dass jeder auf die Haut ein wirkende Reiz bei einer gewissen Intensität eine erysipelatöse Dermatitis erzeuge, halte ich für unrichtig. Der Vergleich einer erysipelatösen mit einer durch ein Vesicator hervorgerufenen Hautentzündung scheint mir trotz der Blasenbildung, welche beiden gemeinsam sein kann, durchaus gegen die Identität beider Processe zu sprechen. Ebenso führen Verbrennungen, mechanische Verletzungen und andere örtlich einwirkende Schädlichkeiten keineswegs zu entzündlichen Ernährungsstörungen mit den Eigenthümlichkeiten eines Erysipelas, sondern entweder zu Blasenbildung ohne erhebliche Exsudation in die Cutis und das subcutane Gewebe, oder bei grösserer Intensität zu destructiven Vorgängen. — Für die meisten Fälle von erysipelatöser Dermatitis kann man es als erwiesen ansehen, dass sie durch das Uebergreifen einer Entzündung von der Wand entzündeter Lymphgefässe auf das umgebende Gewebe der Cutis entstanden sind. Hierher gehören zunächst die durch eine Verletzung der Haut mit gleichzeitiger Einimpfung eines scharfen (giftigen) Stoffes entstandenen Erysipele. Oft lässt sich gerade in diesen Fällen die Thatsache, dass das Gift zunächst in die Lymphgefässe aufgenommen und eine Entzündung ihrer Wände hervorgerufen hat, und dass die Dermatitis erst secundär entstanden ist, durch directe Beobachtung constatiren. Man bemerkt anfangs einen gerötheten Strang mit knotenförmigen Anschwellungen, und erst später stellt sich eine diffuse und gleichmässige Röthung und Schwellung der Haut ein. — Hieran schliessen sich die Erysipele, welche durch Resorption eines jauchigen die Lymphgefässe zur Entzündung reizenden Wundsecretes oder durch Resorption eines in Zersetzung begriffenen Abscessinhaltes entstehen. Ich will, um nicht zu weit in das Gebiet der Chirurgie überzugreifen, hier nur an die sogenannte Zahnrose erinnern. Diese stellt eine Dermatitis mit allen Eigenthümlichkeiten eines Erysipels dar, und die Annahme, dass sie durch Resorption von Flüssigkeit aus dem stinkenden Inhalt einer Parulis und durch ein Uebergreifen der dadurch entstehenden Lymphangitis auf das umgebende Hautgewebe entsteht, ist kaum zu bezweifeln. — Die Erfahrung, dass in manchen Spitälern sich zeitweise Erysipele zu den geringfügigsten Verwundungen, selbst zu Blutegelbissen gesellen, findet wohl am Einfachsten darin seine Erklärung, dass Stoffe, welche, von den Lymphgefässen resorbirt, dieselben zur Entzündung reizen, nicht gerade in die Haut eingeimpft sein oder sich durch Zersetzung eines Wundsecrets oder Abscesses gebildet haben müssen, sondern dass dieselben auch in der Luft, welche eine Wunde umgiebt, oder in den Verbandstücken, welche dieselbe bedecken, enthalten sein können.
Wenn ich aber auch die Entstehung zahlreicher Erysipele durch das Uebergreifen einer Entzündung von den Wänden der Lymphgefässe auf das Gewebe der Cutis für so gut als erwiesen halte, so glaube ich doch keineswegs, dass alle Fälle von Erysipelas in der gedachten Weise zu Stande kommen, und ich halte namentlich für das sogenannte Erysipelas verum s. exanthematicum eine solche Entstehung für unwahrscheinlich. Diese bei früher gesunden Individuen als eine primäre und idiopathische Erkrankung der Haut auftretende vorzugsweise das Gesicht und den Kopf befallende Dermatitis bildet ein Analogon zu der bei früher gesunden Individuen als eine primäre und idiopathische Erkrankung auftretenden Pneumonie, Pleuritis, Laryngitis, Bronchitis, Angina u. s. w. Es liegt keine Veranlassung vor, das Erysipelas verum s. exanthematicum den acuten Exanthemen zuzurechnen und dasselbe als eine Infectionskrankheit zu betrachten, und man kann sogar die grosse Neigung der wahren Rose, das einmal befallene Individuum wieder und wieder zu befallen, da die acuten Exantheme gerade das entgegengesetzte Verhalten zeigen, als einen Beweis gegen die Analogie der Rose mit dem Scharlach, den Masern, den Pocken und gegen die Annahme einer Entstehung der Rose durch Infection anführen. — Die Ursachen der exanthematischen Rose sind eben so dunkel als die Ursachen der Pneumonie und der übrigen oben aufgeführten Entzündungen. Oertlich einwirkende Schädlichkeiten sind hier wie dort gewöhnlich nicht nachzuweisen. Dasselbe gilt von den Erkältungen, von Diätfehlern und anderen krankmachenden Potenzen. Nur heftige Gemüthsaffecte scheinen namentlich bei solchen Individuen, welche bereits früher an Erysipelas gelitten haben, einen Einfluss auf die Entstehung der Krankheit zu haben. Am Häufigsten treten Erysipele wie Pneumonieen, Anginen und andere Entzündungen zu manchen Zeiten ohne nachweisbare Gelegenheitsursachen unter der Herrschaft eines sogenannten Genius epidemicus stationarius in cumulirter Weise auf. Ob es sich bei dieser räthselhaften Entstehung entzündlicher Krankheiten primär um eine Allgemeinerkrankung handelt, welche sich erst secundär in bestimmten Organen localisirt, oder von vorn herein um locale Ernährungsstörungen, lässt sich nicht entscheiden. — Auch in Betreff der Neigung, das einmal befallene Individuum leichter von Neuem zu befallen, als früher von der Krankheit verschonte Individuen, stimmt die erysipelatöse Entzündung der Haut mit der Pneumonie und mit der Entzündung anderer Organe überein. Die exanthematische Rose kommt am Häufigsten im mittleren Lebensalter vor, wird bei Weibern etwas häufiger als bei Männern beobachtet; in den warmen Jahreszeiten sind die Erkrankungsfälle zahlreicher als im Winter.
Wir müssen schliesslich erwähnen, dass es in der That eine Form des Erysipelas giebt, welche als Symptom einer Infectionskrankheit aufgefasst werden muss. Es ist dies das im Verlaufe der Septichaemie, in den späteren Stadien des Typhus oder bei ähnlichen schweren Erkrankungsprocessen als Theilerscheinung zahlreicher und ausgebreiteter Ernährungsstörungen vorkommende symptomatische Erysipelas.
§. 2. Symptome und Verlauf.
Die durch äussere Veranlassungen hervorgerufenen erysipelatösen Entzündungen gehören in das Bereich der Chirurgie. Die im Verlauf von Infectionskrankheiten vorkommenden symptomatischen Erysipele werden wir später besprechen und an dieser Stelle nur die Symptome und den Verlauf des Erysipelas verum s. exanthematicum schildern.
Den localen Erscheinungen gehen in vielen Fällen von wahrer Rose einige Stunden oder noch häufiger einige Tage lang Störungen des Allgemeinbefindens und ein mehr oder weniger heftiges Fieber voraus. Da dieses Prodromalstadium nicht constant ist, da in anderen Fällen die Störung des Allgemeinbefindens und das Fieber sich erst später zu den localen Symptomen hinzugesellen, so darf man die etwaigen Vorboten eines Erysipelas keineswegs dem Eruptionsfieber der acuten Exantheme zur Seite stellen, sondern muss sie als ein Analogon des fieberhaften Allgemeinleidens betrachten, welches oft auch dem Ausbruch eines heftigen Schnupfens oder dem Seitenstechen und dem Husten bei einer Pneumonie Stunden oder Tage lang vorausgeht. Das erste örtliche Symptom des sich entwickelnden Leidens ist meist ein Gefühl von Wärme, Spannung und Schmerz in der anfangs noch nicht gerötheten und geschwellten Haut. Schon zu dieser Zeit sind die benachbarten Lymphdrüsen häufig vergrössert und bei der Berührung schmerzhaft. Bald röthet sich auch die Haut und beginnt zu schwellen. Anfangs ist die Röthe fleckig und hell, wird aber bald diffus und dunkel. Die Anschwellung wächst und erreicht an den Stellen, an welchen die Haut nur durch sehr lockeres Bindegewebe an die tieferen Theile angeheftet ist, — daher bei der Gesichtsrose namentlich an den Augenlidern — frühzeitig einen hohen Grad. Durch die starke Spannung, welche sie erfährt, erscheint die Haut auffallend glatt und glänzend. Mit der Röthung und Schwellung wachsen auch die brennenden und spannenden Schmerzen an der leidenden Stelle. Fast niemals fehlt zu dieser Zeit ein heftiges in den Abendstunden exacerbirendes Fieber. Der Puls ist gewöhnlich voll, zeigt eine Frequenz von 100– 120 Schlägen in der Minute, die Temperatur des Körpers ist bis auf 40° oder noch höher gesteigert, der Durst vermehrt, der Appetit geschwunden. Da bei der Gesichtsrose auch die der entzündeten Cutis benachbarte Schleimhaut der Mundhöhle und der Zunge in Mitleidenschaft gezogen wird, so sind die Erscheinungen eines heftigen Mundkatarrhs vorhanden: die Zunge ist dick belegt, bei heftigem Fieber trocken; die faulenden Epithelien, welche sie bedecken, verbreiten einen foetiden Geruch; der Geschmack ist pappig oder bitter (s. Bd. I. S. 388 sq.). Selbst wenn ausser diesen Symptomen auch dyspeptische Erscheinungen die Rose begleiten, ist man keineswegs zu dem Schlusse berechtigt, dass derselben ein saburrales oder biliöses Leiden zu Grunde liege, da Verdauungsstörungen bald mehr bald weniger ausgesprochen fast alle fieberhaften Krankheiten begleiten. Der Schlaf der Kranken ist unruhig und durch wüste Träume gestört; zuweilen stellen sich Delirien ein, welche nur selten von einem Leiden der Meningen, in den meisten Fällen von dem Fieber abhängen. Am zweiten oder dritten Tage pflegt die Anschwellung und Röthung der Haut den höchsten Grad zu erreichen. Bei der Gesichtsrose sind um diese Zeit die Kranken sehr entstellt und kaum zu erkennen. Sie vermögen die oedematös geschwellten und prominirenden Augenlider nicht zu öffnen. Meist ist die Epidermis hier und da zu kleineren Bläschen oder zu umfangreichen Blasen emporgehoben, während an anderen Stellen die Blasen schon geplatzt sind und der Inhalt derselben mit den Residuen der Epidermis zu gelben Borken eingetrocknet ist. Es ist überflüssig, für die aus dem Grade der Schwellung, aus dem Fehlen oder Vorhandensein von Blasen, aus der Grösse der letzteren und aus den Veränderungen ihres Inhaltes sich ergebenden unwichtigen Differenzen des Erysipelas besondere Namen aufzustellen und ein Erysipelas oedematosum, ein Erysipelas laevigatum s. erythematosum, ein Erysipelas miliare, vesiculosum, bullosum, crustosum zu unterscheiden. — Gewöhnlich am dritten oder vierten Tage wird die Röthe blasser, die Geschwulst sinkt, die Spannung der etwa noch vorhandenen Blasen lässt nach, ihr Inhalt wird theils resorbirt, theils zu Krusten eingetrocknet, die Schmerzen verlieren sich. Fast immer aber ist die erysipelatöse Entzündung, während sie an den zuerst befallenen Stellen bereits in der Abnahme begriffen ist, inzwischen auf benachbarte Stellen fortgeschritten und erreicht an diesen erst später ihre Akme. So leiden z. B. Kranke mit Erysipelas faciei oft gerade dann am Schwersten, wenn das Gesicht schon weniger entstellt ist und die Augen wieder geöffnet werden können, weil dann die Kopfhaut, welche wegen ihrer straffen Anheftung und ihrer geringen Dehnbarkeit sehr empfindlich gegen die entzündliche Spannung ist, von der Rose ergriffen wird. Abgesehen von der später zu besprechenden Wanderrose pflegt die Ausbreitung der Rose auf mässig umfangreiche Abschnitte der Hautoberfläche beschränkt zu bleiben, so dass die Gesichtsrose sich zwar fast immer über die Augen und die Ohren auf die behaarten Theile des Kopfes und einen Theil des Halses, aber nicht leicht von diesem weiter auf den Nacken und den Rumpf verbreitet. Dem entsprechend, und weil die Krankheit auch an der neu befallenen Stelle verläuft, pflegt die Gesammtdauer eines Erysipelas etwa acht Tage oder etwas mehr zu betragen. Eine grossblätterige Abschuppung der Epidermis auch an den Stellen, an welchen keine Blasen vorhanden waren, beendet den Process. Einige Zeit nach demselben verlieren die Kranken, wenn die Kopfhaut ergriffen war, constant die Haare, da diese durch ein gleichzeitig in die Haarbälge gesetztes Exsudat gelockert und von ihrer Matrix getrennt wurden. Eine bleibende Ernährungsstörung in den Haarbälgen hinterlässt die Rose nicht, und deshalb verliert sich die Kahlköpfigkeit, zu welcher sie führt, vollständig und in kurzer Zeit. — In den nicht eben häufigen Fällen, in welchen die erysipelatöse Dermatitis in Eiterung übergeht, bemerkt man an einer oder an mehreren meist nicht sehr umfangreichen Stellen, und zwar am Häufigsten in den Augenlidern und erst zu der Zeit, in welcher die Umgebung bereits abgeblasst und detumescirt ist, Fluctuation. Nach der künstlichen Eröffnung oder nach dem gewöhnlich erst spät erfolgenden spontanen Aufbruch des Abscesses entleert sich aus demselben meist ein gelber gutartiger Eiter, und die Heilung lässt nicht lange auf sich warten. — Eine durch Bluterguss bewirkte rothe Färbung des Blaseninhaltes ist zwar nicht immer von schlimmer Bedeutung, geht aber in manchen Fällen einer absoluten zu Gangrän führenden Stase in den Capillaren der entzündeten Hautstelle vorher. Bei dem Eintritt von Hautbrand, welcher bei den bösartigen symptomatischen Erysipelen nicht selten ist, bei dem Erysipelas verum s. exanthematicum aber nur ausnahmsweise beobachtet wird, färbt sich der Inhalt der Blasen schwärzlich, und der Boden derselben wird in einen grauen missfarbigen Schorf verwandelt; das Allgemeinbefinden des Kranken verändert sich; das Fieber wird asthenisch, die Temperatur sehr hoch, der Puls sehr klein und sehr frequent; es entwickelt sich eine schwere Prostration, in welcher das Leben erlöschen kann. Selbst im günstigsten Falle zieht sich das Erysipelas gangraenosum, weil sich der nach Abstossung der gangränösen Hautstellen zurückbleibende Substanzverlust nur sehr langsam ersetzt, bedeutend in die Länge. — Das Erysipelas complicirt sich zuweilen mit Bronchial- und Darmkatarrh, zuweilen mit hochgradiger Nierenhyperaemie und mit katarrhalischer oder crouposer Entzündung der Harnkanälchen. Wichtiger als diese Complicationen ist die nicht eben häufige aber sehr gefährliche Verbreitung der Entzündung von der Kopfhaut auf die Meningen. Es handelt sich bei dieser Complication nicht etwa um eine Metastase. Das sogenannte Zurücktreten der Rose ist die Folge und nicht die Ursache des schweren Krankheitszustandes und des bei einem üblen Ausgange eintretenden Collapsus.
Die Wanderrose, Erysipelas ambulans s. migrans, pflegt vorzugsweise die Extremitäten zu befallen und bei ihrer Verbreitung die Richtung gegen den Rumpf und gegen den Kopf zu nehmen. Gewöhnlich schreitet sie auf diesem Wege stetig vorwärts, so dass der Process, während er an der zuletzt erkrankten Stelle erlischt, in der unmittelbaren Nachbarschaft derselben beginnt. Weit seltener macht sie Sprünge in der Weise, dass zwischen den befallenen Stellen grössere oder kleinere Strecken der Haut frei bleiben. Die Hyperaemie und die Schwellung erreicht bei der Wanderrose gewöhnlich nicht einen so hohen Grad als bei der fixen Rose; während bei dieser die Röthung und Schwellung im Centrum am Stärksten ist und sich an der Peripherie allmälig verliert, ist bei der Wanderrose die an die gesunde noch nicht befallene Haut grenzende Stelle am Stärksten geröthet und geschwellt. Das Fieber, welches diese Form des Erysipelas begleitet, zeigt zwar gewöhnlich einen nur mässigen Grad; da indessen die Krankheit sich nicht selten Wochen oder selbst Monate lang hinzieht (während welcher Zeit die Rose auf ihrer Wanderung zuweilen umkehrt oder wohl selbst von Neuem zu ihrer ersten Ausgangsstelle zurück gelangt), so reicht auch der geringere Grad des Fiebers aus, um die Kräfte der Kranken zu consumiren und sogar oft das Leben zu bedrohen.
§. 3. Therapie.
Gegen die Rose ist eine grosse Zahl von sogenannten sympathetischen Mitteln im Gebrauche; selbst verständige und aufgeklärte Menschen tragen oft allerhand Amulette, um sich vor der Rose zu schützen, und lassen, wenn sie trotz derselben nicht verschont bleiben, die Rose besprechen. Bei dem kurzen und cyklischen Verlaufe und dem fast immer günstigen Ausgange ist dabei für abergläubische Menschen fast jeder neue Fall von Erysipelas ein neuer Beleg für die Wirksamkeit der angewandten sympathetischen Curen. Da es unter diesen Umständen gewöhnlich doch nur eine verlorene Mühe ist und nur selten Dank einbringt, wenn man dem Aberglauben entgegenzutreten versucht, und da das Besprechen der Rose den Nutzen bringt, dass sich die Kranken im Vertrauen auf die Wirkung der angewandten Proceduren geduldig und ohne nach überflüssigen Medicamenten zu verlangen in ihre unangenehme Lage schicken, so halte ich es für gerathen, Laien, welche an sympathetische Mittel gegen die Rose glauben, ruhig gewähren zu lassen. Sie befinden sich dabei jedenfalls besser, als wenn ihnen der Arzt wegen der belegten Zunge und des fötiden Geruchs aus dem Munde, wie es vielfach geschieht, bei jeder Gesichtsrose ein Brechmittel verordnet, als wenn er die Entzündung mit inneren und äusseren Antiphlogisticis behandelt oder, um das Zurücktreten der Rose zu verhüten, Reizmittel auf die entzündete Hautstelle applicirt. Wenn es aber auch in der Mehrzahl der Fälle von Erysipelas gerathen ist, die Krankheit, welche man doch nicht abkürzen kann, und welche gewöhnlich auch ohne jede Behandlung einen günstigen Verlauf nimmt, sich selbst zu überlassen, oder allenfalls die kranke Stelle mit Watte einzuhüllen, so können doch Zufälle eintreten, durch welche therapeutische Eingriffe nothwendig werden. Bei sehr heftiger und schmerzhafter Spannung der Haut wird die äussere Anwendung der Kälte in der Form von Wasseroder von Eisumschlägen von SKoda als sehr wirksam empfohlen. Da man aber mit dieser Verordnung bei den herrschenden Vorurtheilen leicht auf unbesiegbaren Widerstand stösst, und da jeder bei dieser Behandlung etwa eintretende üble Zufall von den Laien sicher mit dem eingeschlagenen Curverfahren in Verbindung gebracht wird, so halte ich es für empfehlenswerther, nicht etwa um sich selbst, sondern um die Kranken und ihre Angehörigen vor überflüssigen und verkehrten Gewissensscrupeln zu bewahren, statt der Kälte eine leichte Compression anzuwenden oder kleine Scarificationen in Anwendung zu bringen. Das Resultat ist dasselbe. Auch bei der nach einer Bestreichung der erysipelatös entzündeten Stelle mit Collodium eintretenden Compression lässt die schmerzhafte Spannung gewöhnlich schnell nach, und ebenso verliert sich dieselbe, wenn man mit der Lanzette kleine flache Einstiche gemacht hat, in kurzer Zeit. Auch die Anwendung des Höllensteins in Substanz, mit welchem man die kranke Stelle und ihre nächste Umgebung einige Male überstreicht, oder einer ziemlich concentrirten Lösung (Argent. nitr. ℈iv, Acid. nitr. gtt. viij, Aq. dest. ℥β), mit welcher man dieselbe bepinselt, scheint eine ähnliche Wirkung zu haben; doch kann ich über dieselbe aus eigener Erfahrung nicht urtheilen. Das eine Zeit lang vielfach empfohlene Umziehen der erysipelatös entzündeten Hautstellen mit Höllenstein, um eine Ausbreitung des Processes zu verhüten, hat sich nicht bewährt und ist in neuster Zeit mit Recht verlassen worden. — Eine besondere Rücksicht bei der Behandlung des Erysipelas verdient das Fieber, und zwar namentlich das (schleichende) Fieber von mässiger Intensität aber langer Dauer, welches die Wanderrose begleitet. Das Chinin und die Chininpräparate sind hier vorzugsweise an ihrem Platz. Ebenso passt neben einer nahrhaften Kost die Darreichung von Wein und starkem Bier. Wenn Willan der von Williams empfohlenen Behandlung des Erysipelas mit Portwein (täglich 4 bis 8 Unzen) das Wort redet und behauptet, dass der schlimmste Fall von Kopfund Gesichtsrose, den er gesehen habe, durch Burton-Ale geheilt worden sei, so ist dies wohl nicht anders zu verstehen, als dass man in solchen Fällen, in welchen das Fieber den Kranken zu consumiren droht, dreiste Gaben von alkoholhaltigen Getränken zu reichen hat. — Die eintretenden Complicationen, namentlich die Meningitis, sind nach den früher aufgestellten Grundsätzen zu behandeln. Der Versuch, die etwa verschwundene Hautentzündung durch Vesicatore und andere Hautreize wieder hervorzurufen, verdient keine Empfehlung. — Etwaige Abscesse oder gangränöse Zerstörungen der Haut müssen nach den Regeln der Chirurgie behandelt werden.*⁾
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