Letzter Anruf - Michaela Stadelmann - E-Book

Letzter Anruf E-Book

Michaela Stadelmann

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Beschreibung

Jung, reich und tot: Als das Musikgenie Hendrik Ek auf dem Schulhof verblutet, verdächtigen die Kommissare Hanna Lundqvist und Gunnar Nyberg Jonas Bakke, sich mit dem Mord an seinem ehemaligen Arbeitgeber Vincent Ek gerächt zu haben. Die Ermittlungen stagnieren, da Hanna und Gunnar ihre gescheiterte Beziehung im Weg steht. Doch dem ehemaligen Dream-Team läuft die Zeit davon. Die Presse wittert eine lukrative Schlagzeile hinter dem Tod des Unternehmenssohns. Zudem ist Hendriks Tutor, ein gescheiterter Musiker, nach dem Tod des Schülers verschwunden. Noch etwas bereitet Hanna und Gunnar heftiges Kopfzerbrechen: Hendrik hat vor seinem Tod mit vier Personen telefoniert - und eine davon ist der wahre Mörder.

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1

An diesem Montag fühlte Linnea sich müder als sonst. Zum einen war das Laufen in den neuen Boots mit den Plateausohlen ganz schön anstrengend. Zum anderen hatte das Wochenende viel Kraft gekostet. Erst das Konzert am Samstagnachmittag in der Kirche von Bromma, nördlich von Ystad. Wie erwartet gab es mit dem Schulorchester keine Probleme. Abends dann der Gig mit ihrer Rockband im Jugendclub. Die Jungs in ihrer Band hatte sie ordentlich in den Hintern treten müssen, damit sie die einstudierte Bühnenshow durchzogen. Lasse, der Keyboarder, hatte beim ersten Song stocksteif da gestanden, statt wenigstens im Takt mit dem Kopf zu nicken. Er kam sich angeblich dumm vor mit dem wippenden Pony. Das hatte er nun davon, dass er seine Haare über die Augen wachsen ließ. Benni, der Bassist, hatte angestrengt auf seine linke Hand gestarrt, als hätte er sämtliche Griffe vergessen. Und Jörg, Drummer und Percussionist, wirkte hinter seinen Trommeln wie ein eingeschüchtertes Eichhörnchen. Wenn Lars Ulrich von Metallica wirklich sein Idol war, musste er noch kräftig an seiner Performance arbeiten. 

Trotzdem hatte das Publikum getanzt. Nun ja, das Publikum tanzte eigentlich immer, wenn Linnea mit ihrer Band auftrat und Hendrik als Solist an der Gitarre dabei war. Selbst wenn sie saumäßig spielten, fanden sich nach den Gigs Fans ein, die ihnen alkoholfreie Drinks spendierten. Ein paar Male hatte Linnea auch schon Autogramme auf verschwitzten T-Shirts gegeben. Dabei war keiner in der Band älter als siebzehn.

Außer Linnea waren nur ein paar Fünftklässler auf dem Schulhof. In den Ecken zu den Quergebäuden drückten sich die Raucher aus der Mittelstufe. Die Oberstufenschüler rauchten hinten im sogenannten Freizeitbereich. Hier gab es eine Reihe von Stahlrohrbänken. Linnea hatte keine Lust, sich noch eine halbe Stunde die Beine in den Bauch zu stehen. Bis gestern konnte man in der mäßig kühlen Luft auf den Bänken sitzen, ohne sich Erfrierungen zu holen, und der lang angekündigte Kälteeinbruch war auch diese Nacht ausgeblieben. Verschlafen steuerte sie auf die nächste Sitzgruppe zu. Vielleicht wärmte die aufgehende Sonne sie ein wenig. Trotzdem machte sie sich eine gedankliche Notiz, die Overknees gegen eine dicke Strumpfhose auszuwechseln. 

Eigentlich waren sie am Samstag nur wegen Hendrik aufgetreten. Er hatte unbedingt zwei neue Balladen vor dem Publikum des Jugendclubs ausprobieren wollen. »Wenn sie nur tanzen, überarbeite ich die Instrumentalstimmen. Wenn sie mitsingen, bewerben wir uns damit beim Göteborger Rock-Contest«, hatte er beim Zusammenstellen der Setlist gesagt. Linnea war einverstanden gewesen. Jedoch hatte sich das Publikum nicht entscheiden können. Die Hälfte tanzte, ein Viertel sang den ziemlich einfachen Refrain mit. Der Rest hing wie immer an der Bar ab und schlürfte Softdrinks, als handelte es sich um angesagte Cocktails. 

Weil Linnea die Füße nicht richtig hob, stolperte sie und fing sich gerade noch ab. Erschrocken hielt sie inne und warf einen Blick zurück. Wegen der vielen Regengüsse im Oktober hatten sich ein paar Steinplatten gehoben, andere waren abgesunken. Es würde dauern, bis der Hausmeister die entsprechenden Arbeiten veranlasst hatte. Und jetzt hatte sie auch noch eine Macke im Schuh. Ein wenig von dem glänzenden Schutzlack war abgeplatzt.

»Fuck.« 

Die Plateau-Boots waren nicht teuer gewesen, aber stylish. Linnea hatte sie gekauft, weil sie sich darin weiblicher fühlte. Wen hatte sie damit beeindrucken wollen? Sich selbst? Ihre Mutter, weil die auf solchen »Schnickschnack« nichts gab? Oder einen der Jungs in ihrer Band? Wenn Linnea zu sich selbst ganz ehrlich war, wollte sie sie nicht nur musikalisch überragen, sondern körperliche Größe demonstrieren. Sie hatte es satt, ständig ihren Bandleader-Anspruch verteidigen zu müssen, nur weil sie weiblich war. Gleichberechtigung war auch in der Musik ein Traum, der einfach nicht Wirklichkeit werden wollte.

Als Linnea sich wieder dem Freizeitbereich zuwandte, kam gerade die Sonne über das Schuldach. Sie legte die Hand über die Augen. Wenn sie nicht alles täuschte, saß trotz der niedrigen Temperaturen schon jemand auf ihrer Lieblingsbank. Der großen, schlaksigen Silhouette nach musste es sich um einen Schüler der oberen Klassen handeln, der betont lässig die Schultern hängen ließ. Bei den Kleineren sah diese Pose immer aus, als würden sie das Erwachsensein üben. Aber die Figur da hinten beherrschte die zur Schau gestellte Ungezwungenheit aus dem Effeff. Gut, dachte Linnea, dann hatte sie ja jetzt jemanden, mit dem sie über das Wochenende quatschen konnte. Vielleicht war es sogar jemand, den sie mochte. 

»Hej«, rief sie und streifte den Trageriemen ihrer Ledertasche von der Schulter. 

Die Silhouette sank zusammen, als würde sie in den Strahlen der aufgehenden Sonne schmelzen. Die Bewegung wirkte verkrampft und befremdlich auf Linnea. Hatte derjenige etwa im Sitzen auf der Bank geschlafen? Als sie näherkam, wunderte sie sich über den unförmigen Schatten auf den Steinplatten, den diese recht schmale Gestalt warf. Und auch mit der Luft schien etwas nicht zu stimmen. Sie legte sich trotz der Kälte auf die Bronchien wie ein klebriger Film.

»Hej«, wiederholte Linnea nicht mehr ganz so enthusiastisch. Und verblüfft, als sie erkannte, wer dort saß: »Hendrik?« Die Trageschlaufe ihrer Tasche lag plötzlich wie Blei in ihrer Hand. 

Hendrik drehte den Kopf, als müsste er sich gegen die Luft stemmen. Je näher Linnea kam, desto mehr hob sich der Schleier, als der sie das stärker werdende Gegenlicht nun entpuppte. Mit Hendriks Gesicht stimmte etwas nicht, der Kiefer war unförmig und geschwollen. Er bekam kaum die Augen auf. Und dann fiel sein Kopf, begleitet von einem tiefen, kraftlosen Stöhnen, auf die Brust. 

»Hend…« 

Wie ein nasser Sack kippte Hendrik zur Seite. Schwer landete er in Linneas ausgestrecktem Arm. Ohne darüber nachzudenken, ließ sie ihre Tasche fallen – es klatschte – und riss sich den Schal herunter. Ungeschickt knüllte sie ihn zusammen und bettete Hendriks Kopf darauf. Sein Hals wirkte im schwachen Sonnenaufgang seltsam grau. Sie wollte seine Wangen tätscheln, um ihn aus der vermeintlichen Ohnmacht zu reißen. 

Jedoch …

Der Schatten unter der Bank beantwortete jeden ihrer Schritte mit einem satten, klebrigen Schmatzen. Mit einem Mal glaubte sie zu wissen, was Flöhe schmecken, wenn sie sich in die Haut ihrer Opfer bohren, um deren Blut zu trinken. Der stechende Geruch aus Urin und Fett traf sie mit voller Wucht. 

Und dann waren da plötzlich die Fliegen, die sich wie eine Wolke auf Hendrik und Linnea senkten. 

2

Auch das noch. 

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Gunnar Nyberg die Hände vom Lenkrad löste. Kurz dachte er darüber nach, ob er sich einen Eintrag in der Personalakte einhandelte, wenn er ohne Bescheid zu sagen wieder wegfuhr. Dann beschloss er, dass er dieses Theater nicht nötig hatte, besser: dass er es sich weniger als andere leisten konnte, jetzt abzuhauen. Sein Chef Björn Hansson hatte ihn sowieso schon auf dem Kieker. 

Genau wie Hanna Lundqvist, die gerade in der nächsten Reihe einparkte. Auch sie nahm sich ein paar Sekunden Zeit, ihn so ausdruckslos wie möglich anzustarren, bevor sie energisch die Fahrertür aufstieß. 

Etwas steif in der Hüfte stieg auch Gunnar aus und streckte sich, um sich vor Hanna demonstrativ lässig zu geben.

»Guten Morgen.« Ihre Worte bildeten Wolken in der klaren Luft.

»Ja … Morgen.« Nervosität war eigentlich nicht nötig, fand Gunnar, denn die gemeinsame Zeit mit Hanna hatte schon vor Wochen ein unschönes Ende gefunden. Ihre Liebe — oder war es die Gier nach Sex gewesen? — hätte etwas Lebenslanges werden können, wenn er nur einmal über seinen Schatten gesprungen wäre. Genau wie Hanna.

»Hast du schon was herausgefunden?« 

Hanna fragte kühl und unaufgeregt. Ihre innere Distanz zu Gunnar war schon groß genug, um die Fassung zu wahren. Sie hatte ihn nach dem Ende ihrer Beziehung abgelegt wie einen alten Mantel. In der Gerüchteküche munkelte man, dass sie derzeit sowieso nichts Festes wollte. Dafür konnte man sie an ihren freien Abenden in irgendwelchen Clubs antreffen, wo sie was auch immer tat, schob Gunnar den Gedanken verärgert beiseite. Hanna war nicht mehr seine Freundin. Und sie waren hier, um einen Todesfall aufzuklären.

Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur das, was Björn mir am Telefon gesagt hat.«

»Dann los.« Natürlich ging Hanna einen halben Schritt vor Gunnar, aber das war in Ordnung. Wenn er ihr den Vortritt ließ, hatte er sie wenigstens nicht im Rücken. 

Der Fundort war weiträumig mit Flatterband abgesperrt worden. Zwei Schutzpolizisten hielten die zur zweiten Stunde eintreffenden Schüler und die erschütterten Lehrer in Schach und ignorierten die wiederkehrende Frage: »Wissen Sie schon was Neues?« Nein, sie wussten nichts und sie sahen es als Privileg, nicht alles zu erfahren, was mit diesem Fall zusammenhing. 

Der Rechtsmediziner Dr. Persson hatte ein Schutzzelt aufstellen lassen und die Rettungssanitäter bereits zum Schulgebäude geschickt, falls noch jemand umkippte. Ungewöhnlich vorsichtig hatte er die ersten Untersuchungen an dem Leichnam vorgenommen. Den Lebenden ließ er eine wesentlich ruppigere Behandlung angedeihen. 

»Das Kommissariat hat mal wieder alle Zeit der Welt!«, bellte der Doktor, als Hanna die Plane des Zelts zur Seite schob. »Ich bin schon seit einer halben Stunde hier! Immerhin tragen Sie Füßlinge.«

Hanna warf einen Blick auf die dünnen Plastikgamaschen, die sie gerade erst über ihre Schuhe gestülpt hatte, um den Fundort nicht zu verunreinigen. »Guten Morgen übrigens.« Vorsichtig trat sie ein, ohne die Plane für Gunnar hochzuhalten. Er beschwerte sich mit einem ärgerlichen Zischen.

»Guten Morgen«, murmelte auch Gunnar. Ihn schien der Doktor nicht wahrzunehmen.

»Eine halbe Stunde, in der ich wichtige Dinge herausgefunden habe«, präzisierte Dr. Persson. »Sind Sie aufnahmefähig?«

Früher hatte Hanna sich an seiner herablassenden Art gestört. Inzwischen unterdrückte sie ein Gähnen, wenn der Doktor ausholte. »Bereit«, brummte sie. 

Persson hob eine Plastiktüte mit einem Portemonnaie hoch. »Dies ist der Leichnam von Hendrik Ek, siebzehn. So steht es in seinem Ausweis, und so hat es auch die Schülerin Linnea Sjöberg bestätigt. Sie war mit ihm zusammen in der Oberstufe.« Mit dem Kopf wies Persson zum Gebäude hinüber, wo reglose Schüler hinter geschlossenen Fenstern verharrten wie Wachsfiguren. Manche trugen sogar noch ihre dicken Jacken.

»Der Leichnam weist Verletzungen auf, wie man sie sich bei einem heftigen Zusammenprall mit einem fahrenden Auto zuzieht. Den Spuren nach zu urteilen hat der Zusammenprall jedoch nicht auf diesem Schulhof stattgefunden.« Persson atmete scharf aus, als hätte er gerade den schwierigsten Teil hinter sich gebracht. »In einem Radius von fünfzig Metern konnten die Kollegen von der Kriminaltechnik keine entsprechenden Spuren feststellen.«

Gunnar kam sich überflüssig vor, weil der Doktor ausschließlich mit Hanna sprach. 

»Deshalb gehe ich davon aus, dass Hendrik Ek«, Dr. Persson hob unwillkürlich die Stimme, »nach dem Unfall hergeschafft wurde und hier schließlich verstorben ist.«

»Wann?«, fragte Hanna, bevor Gunnar es tun konnte.

»Laut Aussage von Linnea Sjöberg kurz vor halb acht, nachdem sie ihn hier gefunden hat. Dem Zustand der Leiche nach kann das stimmen.« Dr. Persson schien wütend zu sein. Worauf?, fragte Hanna sich. Oder auf wen? Auf den Täter? Die Polizei, weil sie nicht zur Stelle gewesen war, als der Unfall passierte? Und ging der Doktor davon aus, dass es sich um Totschlag oder gar Mord handelte?

Langsam trat Gunnar ein paar Schritte zurück, nahm die Einzelheiten des Fundortes bedächtig in sich auf, schloss die Augen. Atmete tief ein. Für ihn stank der Tod nach Urin und Angst. Es wurde Zeit, sich neben Hanna bemerkbar zu machen. Er öffnete die Augen. 

»Wenn er nicht hier angefahren wurde, können wir die Unfallstelle anhand der Bewegungsdaten seines Handys eingrenzen.«

Dr. Persson schüttelte den Kopf darüber, dass Gunnar diese Standardprozedur überhaupt erwähnte. »Bitte, nur zu. Dann finden Sie es vielleicht auch. Hier ist es nämlich nicht.«

Wäre ja auch zu schön gewesen, dachte Gunnar müde. Also waren sie komplett auf die Auswertung der Telefongesellschaft angewiesen, um zu erfahren, mit wem Hendrik zuletzt telefoniert hatte. Das hielt sie zusätzlich auf. »Was ist das da unter der Bank für ein Fleck?«, fragte er, um mit den greifbaren Spuren weiterzumachen.

»Ich gehe davon aus, dass es sich um das Blut des Opfers handelt.« Dr. Persson entnahm seinem Stahlkoffer ein Reagenzglas und hielt es Gunnar hin. Das Licht der Morgensonne spiegelte sich in der dünnen Wandung. »Sie bekommen natürlich die Analyseergebnisse.«

»Und wo ist Linnea Sjölund?«, fragte Hanna.

»Sjöberg«, korrigierte Persson sie. »Hoffentlich in der Schule im Lehrerzimmer. Ihre Lehrerin wollte sie dorthin begleiten.«

»Ich übernehme sie«, bestimmte Hanna.

»Warum du?«, fragte Gunnar. 

Hannas starrte ihn an. »Weil sie eine Schülerin ist. Und ich bin eine Frau.« 

»Du meinst, weil sie sonst anfängt, mit mir zu flirten, statt mir zu erzählen, was sie weiß?«, rutschte es Gunnar heraus. Autsch. Beendete Beziehung hin oder her, aber den Satz war dämlich gewesen.

Einen Moment musterte sie ihn. Dann schnaubte sie belustigt. »Schau dich derweil hier noch ein wenig um, bis ich wiederkomme.« 

Damit ließ Hanna ihn stehen. War sie etwa professioneller, wenn sie ihn in der Öffentlichkeit bloßstellte? Oder hatte sein Chef Björn vergessen, ihm zu sagen, dass er Hanna die Leitung des Falles übertragen hatte? Die Gedanken schienen sich hinter Gunnars Stirn zu einem unentwirrbaren Knoten zusammenzuballen. Ein nicht sehr angenehmes Gefühl, das in letzter Zeit öfter mit einem dicken Kopf endete, ausgelöst von einer Flasche Wein oder mehr. 

Ausgerechnet Persson brachte Gunnar dazu, seine Aufmerksamkeit wieder nach außen zu lenken: »Hendrik Ek hatte eine Gitarrenlehrerin, die Sie befragen können.«

Gunnar fühlte sich ertappt. »Danke für den Hinweis«, entgegnete er eine Spur zu gereizt.

»Bitte, keine Ursache.« Persson schloss die Augen und wandte das Gesicht der Sonne zu. »Sie heißt Maja Arvidsson und kommt anscheinend etwas später. Bis dahin könnten Sie sich ihren Kollegen Oskar Forsell vornehmen, der ist auch für das Fach Gitarre zuständig.«

Gunnars Verblüffung darüber, dass Dr. Persson auch ganz umgänglich sein konnte, verschwand. »Wenn Sie so genau Bescheid wissen, hätten Sie die beiden doch auch gleich befragen können.«

»Kein Grund, bissig zu werden«, murmelte Dr. Persson. »Ich will lediglich das Gleiche wie Sie: den Mörder dieses armen jungen Mannes finden.«

Gunnar runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie darauf, dass Hendrik Ek ermordet wurde?«

»Ich weiß, dass die Rechtsprechung es anders definiert, aber für mich ist jeder Todesfall durch Fremdeinwirkung Mord.« Dr. Persson beugte sich über die Blutlache unter der Bank und atmete ruhig weiter. Anscheinend konnte er seinen Geruchssinn an- und abschalten, wie es ihm passte. »Derjenige, der ihn angefahren hat, hat ihn jedenfalls nicht ins Krankenhaus gebracht, was meiner Meinung nach an Vorsatz grenzt.«

»Wenn das alle so sehen würden!«

»Das ist nur meine persönliche Meinung. Von mir aus können Sie es auch Schlamperei mit Todesfolge nennen.«

»Es gibt aber kein Gesetz, das Schlamperei bestraft.«

»Höchste Zeit, dieses Gesetz zu schaffen! Und jetzt gehen Sie bitte, ich habe noch zu tun.« Damit war Dr. Perssons Freundlichkeitsvolumen endgültig aufgebraucht. 

Somit war es an der Zeit, sich dem Lehrerkollegium zuzuwenden. Gleich hinter dem Absperrband wurde Gunnar vom nervösen Direktor Karlsson abgefangen. Die wenigen Schüler und die Lehrer, die hier vorher die Hälse gereckt und getuschelt hatten, waren verschwunden. Das Gesicht des Direktors verriet die Anspannung, unter der er stand. Er kam Gunnar ein wenig zu höflich und zu hektisch vor, als er ihn ins Lehrerzimmer begleitete. Andererseits hätte alles andere angesichts des Todes eines Schülers befremdlich gewirkt. Trotzdem nervte Karlssons Zuvorkommenheit. Gunnar lief die Zeit davon, die Eltern mussten noch benachrichtigt, den ersten Spuren nachgegangen werden. Hoffentlich hatte Hanna schon etwas herausgefunden.

»Maja, kommst du mal?«

Der Schock lastete schwer auf den Kollegen im Lehrerzimmer, die hier die zweite Unterrichtsstunde hatten vorbereiten wollen. Daran konnte auch das Aufspringen der rothaarigen Maja Arvidsson nichts ändern, die Gunnar förmlich entgegenflog. In einer anderen Situation hätte ihr Lächeln alles andere überstrahlt. Nun jedoch versetzte es Gunnar lediglich einen sehnsüchtigen Stich. Später vielleicht mal, dachte er, wenn Kopf und Herz wirklich frei waren, würde er bei so einer Gelegenheit zurücklächeln.

Karlsson überließ ihnen sein Besucherzimmer für die Befragung. Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, um mit Maja zu flirten. Selbst als er noch mit Hanna zusammen gewesen war, hatte er es genossen, vor ihr mit anderen Frauen anzubändeln, und das nicht nur während der Arbeitszeit, um an Informationen zu kommen. Sein Verhalten hatte sich irgendwann verselbstständigt.

Majas Augen schimmerten wie dunkelblaue Opale. »Hendrik war viel zu jung zum Sterben.« Ihre Feststellung blieb trotz ihrer dichten Wimpern leider wahr. Die Versuchung war groß, den traurigen Blick auszuprobieren, damit sie Gunnar nicht nur als den gesetzestreuen Kommissar wahrnahm, sondern auch als Mann. Aber Hanna saß nebenan im Lehrerzimmer. Und weil es sie längst nicht mehr berührte, wenn er anderen Frauen nachstellte, war ein Flirt reizlos. 

»Wie gut kannten Sie Hendrik?« Gunnars Unlust ging allmählich auch auf seine Arbeit über. Er sollte sich besser zusammenreißen!

»Er war mein Förderschüler.« Maja sprach leise und ein wenig zu schnell, als könnte sie damit der Situation entfliehen. »Meiner und Oskars.«

»Oskar Forsell?«

»Genau. Wir unterrichten im sogenannten Zwei-zu-zwei-Modell. Zwei Lehrer kümmern sich ausschließlich um zwei Schüler, die durch besondere Leistungen auffallen.«

»Besondere Leistungen?«, hakte Gunnar nach. »Das hier ist doch ein musisches Gymnasium, sind da nicht alle Schüler überdurchschnittlich gut?«

Maja lächelte traurig. »Nein. Musik ist ein Fach wie jedes andere auch. Nur wird es hier neben dem Lehrstoff intensiver vermittelt als an anderen Schulen.«

»Und Hendrik war besser als andere Schüler«, folgerte Gunnar.

»In gewisser Weise. Er übte eher wenig und gehörte trotzdem zu den Menschen, die einem Stück Genialität verleihen. Sein Ausdruck war einfach …« Maja biss sich auf die Lippen. »Wieso gerade er?«

»Das werden wir herausfinden«, meinte Gunnar ernst. »Erzählen Sie mir alles.« Ungewollt hatte er sein Heldentimbre in der Stimme angeschlagen. 

»Ich habe mit ihm die Wettbewerbe und Solostücke vorbereitet«, berichtete Maja ergeben. »Die sind wichtig, denn er wollte nach dem Abitur Musik studieren und davor so viel Bühnenerfahrung wie möglich sammeln. Wir haben uns viermal die Woche zusätzlich getroffen. Aber eigentlich hätte er es auch ohne mich geschafft.«

»Warum?«

»Weil er es einfach konnte.« Hilflos hob sie die Arme und ließ sie wieder fallen. »So einen Schüler gibt es einmal in hundert Jahren.« Erschöpft schloss sie die Augen.

Gunnar gab ihr Zeit, sich zu besinnen, damit er sie besser in Augenschein nehmen konnte. Majas Trauer erschien ihm echt. »Und dieser Oskar Forsell, kann man ihn mal sprechen?«, fragte er schließlich.

»Er ist gestern zu einer mehrtägigen Weiterbildung nach Karlskrona gefahren.«

»Wann kommt er zurück?«

»Am Donnerstag.« Majas Mitteilsamkeit drohte einzubrechen.

Gunnar runzelte die Stirn. »Welche Aufgaben übernimmt er in diesem Modell?«

»Er unterrichtete Linnea und Hendrik in allen anderen Bereichen, Instrumentalunterricht, Theorie, Komposition und so weiter. Linnea ist die zweite Schülerin im Zwei-zu-zwei-Modell. Es ist ein wenig kompliziert«, versuchte Maja zu erklären, als sie Gunnars Stirnrunzeln sah. »Oskar begleitet hauptsächlich Linneas Instrumentalausbildung an der Harfe und der Gitarre. Ich bilde Hendrik an der Gitarre und dem Klavier aus. Das heißt, bis jetzt war es so.« Sie schluckte. 

Gunnar musste sich beeilen. Wenn sie in Tränen ausbrach, würde er noch länger hier sitzen, was unter anderen Umständen sicher sehr angenehm gewesen wäre. »Wann haben Sie Hendrik zum letzten Mal gesehen oder gesprochen?«

Ihre Augen begannen zu schimmern. »Am Freitag, es war die letzte Stunde vor dem monatlichen Samstagskonzert.« Rasch wischte sie sich eine Träne von der Wange. »Das Konzert lief ganz passabel, auch bei Linnea, wir waren alle zufrieden.« Ihre Hände hatten begonnen zu zittern. »Entschuldigung.« Eisern um Fassung bemüht, nestelte sie ein Taschentuch aus der Hosentasche, schnäuzte sich, tupfte sich die Augen. Maja war der Typ Frau, der leise weinte, obwohl Gunnar es auch verstanden hätte, wenn sie laut schluchzend zusammengebrochen wäre. Mit Sicherheit hätte sie dabei wunderschön ausgesehen.

»Von Sonntag auf Montag hat er mich nach Mitternacht angerufen«, sagte sie plötzlich. »Er hatte sich mit seinem Vater gestritten und war sehr aufgeregt. Er bat mich darum, ihn abzuholen, weil er von zu Hause weggelaufen war und nicht wusste, wo er hinsollte.«

War das der Knotenpunkt, von dem aus Gunnar den Fall Stück für Stück würde aufklären können? Zusammen mit Hanna, setzte er düster hinzu. Wer hätte gedacht, dass ihn ihre Zusammenarbeit mal so anöden würde! Vorsichtig beugte er sich vor, als könnte er Maja andernfalls Schaden zufügen. »Wissen Sie, von wo aus er angerufen hat?«

»Ich nehme an, von unterwegs. Zu Hause war er jedenfalls nicht mehr.« Majas symmetrische Augenbrauen zogen sich eine Winzigkeit zusammen. »Im Hintergrund war das Meer zu hören. Er muss an der Österleden unterwegs gewesen sein. Dort wohnte er mit seinem Vater und seiner Tante in einer frei stehenden Villa am Strand. Seine Mutter ist vor einem Jahr verstorben.«

»Und Sie sind sicher, dass Hendrik Sie von unterwegs angerufen hat?«

»Aber natürlich!« Die Empörung stand Maja gut.

Da hat er sein Handy also noch gehabt, überlegte Gunnar. »Würden Sie mir mal Ihre Anrufliste zeigen?«

Maja holte ihr Handy aus dem Lehrerzimmer und scrollte bis zu der Position, an der Hendriks Anruf verzeichnet war. 

1:11 Unbek. 47 Sek.

Rufnummernunterdrückung, dachte Gunnar. »Hat er gesagt, warum Sie ihn abholen sollen?«

Ratlos schüttelte Maja den Kopf. »Nein. Ich war auch gar nicht in Ystad, sondern in Sjöbo bei meiner Freundin. Die nächste Bahn ging erst kurz vor sechs Uhr am Morgen.«

Er gab ihr das Handy zurück. »Und weiter?«

»Nichts weiter. Ich konnte ihn beruhigen, soweit ich es mitbekommen habe. Er hat mir versprochen, wieder nach Hause zu gehen.« 

»Haben Sie denn seine Eltern angerufen?«

Beschämt schüttelte Maja den Kopf. »Die Nummer steht in den Schülerunterlagen, aber ich war ja in Sjöbo. Hier, die Adresse meiner Freundin.« Sie kritzelte etwas auf einen Zettel. Gunnar steckte ihn ein, ohne ihn sich anzuschauen. »Ich habe nach ein paar Minuten versucht, ihn zurückzurufen, aber er ist nicht ans Telefon gegangen.«

Vielleicht war Hendrik das Handy kurz nach dem Anruf bei Maja aus der Tasche gerutscht. Oder er hatte es absichtlich abgestellt oder sogar weggeworfen, weil er nicht erreichbar sein wollte. Vielleicht war es auch nicht weiter von Belang, wenn sie es nicht mehr fanden, zu diesem Zeitpunkt war alles möglich.

Gunnar ließ sich von Maja noch die Musikkämmerchen unter dem Dach zeigen, in denen die Schüler während der Schulzeit übten. In einem dieser nicht besonders großen, hölzernen Verschläge, in denen nur ein Mensch und ein Instrument Platz fanden, hatte also auch Hendrik seine Nachmittage verbracht. Gunnar fragte sich, wie viel Disziplin ein junger Mensch aufbringen musste, um es in einem dieser Schuhkartons auszuhalten. 

Hanna wartete vor dem Lehrerzimmer auf ihn. »Und?« Sie wirkte erstaunlich gelassen.

»Es gab Sonntagnacht Streit zwischen Hendrik und seinem Vater. Daraufhin ist Hendrik ausgerissen und hat seine Lehrerin angerufen.«

»Ohne Handy?« Das fiel Hanna natürlich sofort auf. 

»Da hatte er es anscheinend noch.«

Sie schauten sich an. »Fahren wir zu den Eltern«, sagte Hanna schließlich. »Bringen wir es hinter uns.«

3

Fünfzehn Minuten vorher war Dr. Persson plötzlich im Lehrerzimmer aufgetaucht und hatte Linnea aufgefordert, ihm ihre Jacke zu geben, weil sie den sterbenden Hendrik in den Armen gehalten hatte. Verblüfft war Hanna Zeugin davon geworden, dass Linnea sich ihm ganze siebeneinhalb Minuten widersetzte. Kein noch so kriminalistisch ausgewogenes Argument konnte sie umstimmen, bis ihre Mutter Palmina eintrat. Hochgewachsen, blond, mit dunkelblauen Augen gesegnet. Ein Blick daraus genügte und Linnea ließ die Jacke über die Schultern hinuntergleiten.

»Bitte«, sagte sie mit erstickter Stimme, reichte Dr. Persson ihre Jacke und brach in Tränen aus. »Mama, meine Schuhe sind auch voller Blut! Ich kann sie nie wieder anziehen!«

Hanna musste sich zurückhalten, um nicht laut »Jetzt reiß dich aber mal zusammen« zu sagen. Es waren doch nur Schuhe! 

Wortlos reichte Palmina Sjöberg ihrer Tochter ein Taschentuch. Ihre schmale Hand, deren sahnige Haut in der Morgensonne verstohlen zu glitzern schien, legte sich auf Linneas Unterarm. Hanna runzelte die Stirn. Erst jetzt fiel ihr auf, dass Linnea ganz anders aussah als ihre Mutter. Ihre Haut war braun, nein, dunkelbraun pigmentiert, und ihre hellen Handinnenflächen blitzten geradezu neckisch auf, als sie sich mit dem Taschentuch über die Augen fuhr. Als Hanna bewusst wurde, dass sie sich darüber wunderte, dass das Taschentuch weiß blieb, errötete sie tief. Was hatte sie denn sonst erwartet? Für so rassistisch hätte sie sich gar nicht gehalten. 

»Was ist denn passiert?«, richtete Palmina sich kühl an Hanna. »Warum muss meine Tochter sich von der Polizei verhören lassen?«

»Sie ist derzeit unsere einzige Zeugin, Frau Sjöberg. Möchten Sie sich vielleicht setzen?« Fahrig deutete Hanna auf die freien Stühle an der langen Reihe aus zusammengeschobenen Tischen. Palmina zeigte sich kooperativ und ließ sich neben ihrer Tochter am Tisch nieder. 

»Ich brauche noch die Fingerabdrücke.« Dr. Persson hatte den Plastikbeutel mit Linneas Schuhen auf den Boden gelegt. »Zur Unterscheidung von anderen Fingerabdrücken, zum Beispiel des Täters.«

»Also ist meine Tochter doch verdächtig, Herr …«

»Dr. Persson«, sagte er mit Betonung des Doktortitels, was Palmina nicht im geringsten beeindruckte. »Nein, wirklich nur, um Verwechslungen auszuschließen.«

Langsam schüttelte Palmina den Kopf. »Ich halte die Notwendigkeit nicht für gegeben.« 

Ein wenig unschlüssig stand Dr. Persson da. Er war es nicht gewohnt, dass ihm etwas verweigert wurde. Sein abschließendes »Hej då« ignorierte Palmina. 

Hanna seufzte. »Linnea hat Hendrik gefunden, kurz bevor er verstorben ist. Ersten Untersuchungen zufolge hatte er in den letzten Stunden einen schweren Unfall«, ergänzte sie und wiederholte nachdrücklich: »Ich möchte Ihre Tochter lediglich als Zeugin befragen.«

Palminas sorgfältig gezupfte Augenbrauen wanderten nach oben. »Das heißt, wir brauchen keinen Anwalt?«

»Nein.«

Erleichterung huschte über Palminas Gesicht. »Gut. Dann sag alles, was du weißt, Linnea.«

In knappen Worten berichtete Linnea, wie sie Hendrik gefunden hatte. Sie wirkte unbeteiligt wie ein Sachbearbeiter oder Politiker, der nur die Ergebnisse verkündet. 

Hanna folgerte, dass der Schock bei ihr tiefer saß, als sie sich anmerken lassen wollte. »Wenn es dir zu viel wird, können wir das Gespräch später fortsetzen«, sagte sie in eine längere Pause hinein. »Oder morgen.«

Linnea schaute auf. Die weißen Augäpfel schienen sich unabhängig durch den Raum zu bewegen und von unten nach oben zu hüpfen. Erst dann folgte der Rest des Gesichts. Hanna fragte sich ernsthaft, ob sie plötzlich ein Problem mit People of Colour wie Linnea hatte oder ob ein längerer Urlaub reichen würde, um diese Gedanken verschwinden zu lassen.

Leute wie Linnea?, dachte sie erschrocken. Was zum Teufel ist mit mir los?

»Nein, ich will es heute hinter mich bringen«, bestimmte Linnea, ohne Hanna aus den Augen zu lassen. 

Sie starrt mich absichtlich an, dachte Hanna, weil sie meine Unsicherheit bemerkt hat. Damit ich die Fassung verliere und irgendwas Dummes sage. Das machen doch alle Teenager. Letzteres beruhigte Hanna. Mit jugendlicher Aufsässigkeit konnte sie umgehen.

»Wenn du mir deine Adresse gibst, kann ich in ein oder zwei Stunden bei dir zu Hause vorbeikommen«, schlug sie etwas linkisch vor.

»Eine gute Idee«, fand auch Palmina. Ein Zettel mit der Anschrift wechselte über den Tisch, Abschiedsfloskeln folgten. Linnea und Palmina verließen das Lehrerzimmer so würdevoll wie eine weiße Königin, die mit ihrer schwarzen Tochter Hof gehalten hatte.

Im Türrahmen blieb Palmina stehen und drehte sich um. »Bringen Sie Ihren Spurensicherungskoffer mit, damit Sie Linneas Fingerabdrücke abnehmen können.«

4

Hanna ließ die Kupplung zu schnell kommen. Der Wagen machte einen Satz nach vorn, der Motor röchelte verärgert und stellte beleidigt jegliche Aktivität ein. Wie gut, dass Gunnar nicht mit im Wagen saß, er hätte einen seiner blöden Sprüche abgelassen. In den ersten Wochen nach dem ersten Kuss, ja, da war sie bei jeder seiner ironischen Bemerkungen noch in mädchenhaftes Kichern ausgebrochen. Bis sich die Bemerkungen wiederholten und seine Ironie sich abnutzte. Einmal hatte sie genauso ironisch gekontert, wie sie glaubte, weil sie Gunnar hatte zeigen wollen, dass sie seinen Humor verstand. Vielleicht auch, dass sie ihm darin ebenbürtig war. Worum war es bloß gegangen? Hanna konnte sich nicht mehr erinnern. 

Und dann hatte jemand beschlossen, den Tod von Steen Wallin aufzuheizen, bis er ihnen um die Ohren flog. Steen Wallin, Mitglied des Malmöer Stadtrats, war im Zuge der Ermittlungen zu einem internationalen Kinderhändlerring ums Leben gekommen. Hanna und Gunnar waren die zuständigen Ermittler in Ystad gewesen. Das Pikante daran war gewesen, dass Gunnar bewusst Informationen über eine weitere Beteiligte, die Tanzlehrerin Stina Bergström-Larsson, zurückgehalten hatte. Hanna hatte ihn gedeckt und gehofft, dass niemals wieder jemand danach fragte.