Liebe auf den zweiten Versuch - Nelly Baus - E-Book
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Nelly Baus

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Beschreibung

"Die Hände, auf denen er mich getragen hatte, steckten nun immer häufiger in den Hosentaschen. Was will man auch mehr erwarten?" Die Luft ist raus, aus ihrer Beziehung mit Jan. Was Natalie innerlich schon lange wusste, wird plötzlich bewusst. Ein Stück Pizza ist es, das ihr vor Augen führt, dass es vorbei ist. Hals über Kopf verlässt sie Jan und ist nun zum ersten Mal in ihrem Leben ganz auf sich alleine gestellt. Und sehr schnell merkt sie, wie wenig sie das kann, alleine sein. Sie muss erst lernen Single zu sein. Doch es dauert nicht lange, bis neue Männer in ihr Leben treten. Nicht jeder davon ist ein Volltreffer und es ist nicht immer einfach Single zu sein. Da gibt es den netten Stefan, den attraktiven Pierre, den aufdringlichen Karsten und auch ihr Ex steht plötzlich wieder vor der Türe. Der ein oder andere Fehlschlag und manche Enttäuschung bleibt ihr dabei nicht erspart. Immer mehr wird ihr klar: Um eine neue und glückliche Beziehung führen zu können, genügt es nicht ihr Leben zu verändern. Auch sie selbst muss sich verändern! Doch es ist nicht einfach, alte Gewohnheiten abzuschütteln. "... auf und ab, mal heiter, mal nüchtern ... Nelly Baus schickt ihre Romanheldin durch ein Labyrinth aus Gefühlen, verrückt, so wie das Leben manchmal ist ..."

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Nelly Baus

Liebe auf den zweiten Versuch

Es kommt immer anders, als man denkt

Inhaltsverzeichnis

1. Topf und Deckel

2. Salami auf der Pizza

3. Sonntag früh um acht

4. Neue Bleibe

5. Annäherung

6. Blitz und Staubsauger

7. Date

8. Überraschung

9. Ratschläge

10. Vollbremsung

11. Rückfall

12. Wende um 180°

13. Nur gucken, nicht anfassen

14. Versuchung

15. Reue

16. Alles wie immer

17. Neuanfang

18. Es kommt immer anders, als man denkt

19. Der zweite Versuch

20. Happy End

21. LESEPROBE: Liebe und ein Klassentreffen

Impressum

1. Topf und Deckel

Kennen Sie dieses Gefühl, wenn etwas noch viel besser ist, als Sie es sich ausgemalt haben?

Nein?

Ich auch nicht.

Besser gesagt, ich kannte es nicht. – Bis zu jenem Tag, als mich das Glück einholte und ich die Liebe fand, obwohl ich gar nicht nach ihr suchte. Denn gesucht hatte ich eine Lampe, die zu den Gardinen passt, doch gefunden habe ich – den perfekt geschwungenen Deckel, der zu dem krummen Topf passt, der ich wohl bin. Dieser Deckel war eins zweiundachtzig groß, hatte grüne Augen und ein Lächeln, das nicht nur die Tiefkühlerbsen in meiner Einkaufstasche zum Schmelzen bringen konnte.

Aber lassen Sie mich die Geschichte etwas früher beginnen, als noch der falsche Deckel, in seiner Unterhose, auf unserem gemeinsamen Sofa saß und nur noch ein Stück Pizza davon entfernt war, sich ein Bier zu holen.

2. Salami auf der Pizza

Ich sah ihn mir an und fragte mich plötzlich, was geschehen war. Dafür hatte ich fast fünf Jahre meines Lebens investiert? – Für einen Samstagabend mit Bier, einer dämlichen Fernsehshow und dem wöchentlichen Ritual in unserem Schlafzimmer, welches danach folgen würde. Das Gute war, wir hatten fast nie großen Streit, sondern höchstens kleine Diskussionen. Was aber hauptsächlich daran lag, dass wir nicht mehr viel miteinander redeten.

Die Liebe war erkaltet, wie das Stück Pizza auf meinem Teller, auf welches ich keinen Appetit mehr hatte.

Jan war kein übler Kerl, er trank Bier nur am Wochenende, hatte einen anständigen Job, kümmerte sich um den Haushalt – manchmal, kaufte mir eine Schachtel Pralinen – zu Geburts- und Jahrestagen, ging nicht fremd und liebte mich fast so sehr wie seine Fernbedienung oder sein Tablet, mit welchem er gewöhnlich die Werbepausen überbrückte.

Das alles war mir bewusst und hatte mir bisher auch gereicht. Ich war keine Prinzessin, die von Wolkenschlössern und Einhörnern träumt. Ein solider Mann für ein solides Leben, mehr hatte ich vom Schicksal nicht verlangt.

Liebe – natürlich auch.

Und verliebt waren wir sehr – zu Beginn.

Doch irgendwo zwischen Familien-, Baumarkt- und Zahnarztbesuchen, dem Müllrausbringen und der Flimmerkiste war uns diese Liebe abhandengekommen. Daran war er nicht mehr schuld als ich.

Das alles war okay, der Lauf der Dinge. Dort, wo einmal Liebe war, machte sich die Routine breit. Die Hände, auf denen er mich getragen hatte, steckten nun immer häufiger in den Hosentaschen. Was will man auch mehr erwarten?

Doch sollte es das wirklich gewesen sein?

In einer Woche würden es fünf Jahre sein, die wir inzwischen zusammen waren.

Was käme danach?

Heiraten?

Kinder?

Wir hatten uns nie ganz konkret über diese Themen unterhalten, zumindest nicht so konkret, dass daraus ein echter Plan entstanden wäre. Wenn er mir einen Antrag gemacht hätte, hätte ich wahrscheinlich »ja« gesagt. Warum auch nicht? Aber die bewussten Worte waren bisher noch nicht gefallen – vielleicht aus gutem Grund.

Ich sah ihn immer noch an und er bemerkte es nicht. Er bemerkt es nicht, so wie er nicht bemerkte, wie die Scheibe Salami, langsam aber stetig, über den extra Käse immer weiter nach unten rutschte. Sein Blick war auf den Fernseher gerichtet, wie jeden Abend. Abgelenkt von den Banalitäten einer überdrehten Unterhaltungsindustrie, ahnte er nicht, wie nahe auch unsere Beziehung am Abgrund stand.

Dann fiel die Salami in die Tiefe – und auch meine Entscheidung war gefallen.

3. Sonntag früh um acht

»Ich verlasse dich.«

Normalerweise schlafen wir sonntags bis um zehn. Heute jedoch ist alles anders. Schon seit kurz nach fünf bin ich wach und kann nicht mehr einschlafen. Ich grüble über die Zukunft nach, und nur aus Rücksicht auf Jan bleibe ich noch im Bett liegen. Denn sobald ich aufstehe, kann auch er nicht mehr schlafen, da er denkt, es wäre Zeit für das Frühstück.

Er liegt neben mir. Sein Atem ist ruhig, und falls er etwas träumen sollte, muss es ein schöner Traum sein. Keine Sorgen stören seinen Schlaf. Zweifel, was unsere Zukunft betrifft, scheint er nicht zu kennen, oder sie belasten ihn nicht. Vielleicht macht er sich diese Gedanken auch gar nicht, jedenfalls nicht so wie ich.

Die frühen Sonntagsstunden sind wie gemacht, um sein Leben zu überdenken. Ich nutze die Ruhe draußen und drinnen und suche nach einem Grund, es nicht zu tun. Aber so ein Grund will mir nicht einfallen.

Mein Entschluss steht fest.

Warum an etwas festhalten, das in Wahrheit schon lange nicht mehr vorhanden ist?

Punkt acht Uhr wird es mir dann zu viel. Rücksicht hin oder her, länger halte ich es im Bett nicht mehr aus.

»Natalie? Was ist los, Schatz?«

Er wacht auf, nachdem ich den Koffer auf meine Seite des Bettes geworfen habe. Ohne zu zögern, beginne ich meine Sachen zu packen.

»Ich verlasse dich.«

Er ist noch nicht ganz wach und reibt sich die Augen.

»Es ist doch noch so früh.«

Offensichtlich hat er mir nicht richtig zugehört oder er glaubt, er hätte sich verhört. Darum sage ich es nochmals.

»Ich verlasse dich.«

Er setzt sich im Bett auf.

»Um diese Zeit, am Sonntag?«

»Du verstehst nicht. Ich mache keinen Ausflug, sondern ziehe aus der Wohnung aus.«

Ich sage es ruhig und bemühe mich, nicht vorwurfsvoll zu klingen. Endlich scheint er zu verstehen, was ich meine, und plötzlich wird auch er hellwach. Mit großen Augen sieht er mich an.

»Du kannst gerne liegen bleiben. Ich nehme nur das Nötigste mit. Den Rest hole ich später.«

»Du meinst das ernst. Was ist denn los? Habe ich etwas falsch gemacht?«

»Nein, du trägst keine Schuld. Niemand trägt dafür die Schuld. Die Luft ist raus, solche Sachen passieren. Wir haben uns auseinandergelebt.«

»Wieso auseinandergelebt? Was meinst du?«

»Auseinandergelebt, aneinander vorbeigelebt, wie auch immer, das ist doch nicht so schwer zu verstehen.«

»Aber, haben wir nicht ein schönes Leben hier, eine tolle Wohnung, sind wir nicht glücklich zusammen?«

»Hm, weiß nicht, ja, ja und nein.«

Angestrengt versucht sein Hirn meine Antworten seinen Fragen zuzuordnen.

»Lass uns darüber reden.«

»Das hat keinen Sinn.«

»Du sagst doch immer, wir sollen über alles reden. Jetzt sitze ich hier und will reden, also lass uns darüber reden.«

Wie lange habe ich auf so einen Satz und so eine Gelegenheit gewartet, endlich ein ernsthaftes Gespräch führen zu können? Aber es geht nicht, nicht jetzt und nicht heute! Es ist zu spät dafür. Ich will keine Erklärungen abgeben. Jedes Wort ist mir zu viel, jedes Argument zu mühsam, da es ohnehin nichts mehr ändern wird. Die Wände rücken näher und näher, jede Sekunde ist eine Sekunde, die ich verliere, und ich will nur noch eins – hier raus!

Weiterhin versuche ich aber mich zu beherrschen und atme nochmals tief durch.

»Hör zu. Es ist alles in Ordnung. Du hast nichts falsch gemacht und es gibt auch nichts zu reparieren. Alles im Leben hat seine Zeit, und unsere gemeinsame Zeit ist abgelaufen. Das ist bedauerlich, aber es ist so.«

Den ersten Koffer habe ich mit Klamotten gefüllt und verschließe ihn. In den zweiten Koffer packe ich alles andere, was ich, einer spontanen Beurteilung folgend, in den ersten Tagen brauchen werde.

»Wohin willst du denn?«

Ich höre auf zu packen und ich starre vor mich in die Luft.

»Keine Ahnung. Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Das wird sich schon ergeben.«

Munter mache ich weiter.

»Es ist wegen der Pizza, habe ich recht? Ich war gestern an der Reihe mit Kochen und habe stattdessen nur Pizza bestellt.«

»Nein! Moment mal – vielleicht doch, auch deswegen – aber nein! Das ist nicht so einfach. Es sind viele Faktoren, die … ach, ich habe jetzt nicht die Nerven dazu, es dir zu erklären.«

Ich greife mir die beiden, bis fast zum Platzen vollgestopften, Koffer und stürme hinaus.

Es tut mir irgendwie leid, ihn so, ohne richtige Erklärung, zurückzulassen. Noch im Bett liegend, hatte ich mir die schönsten Sätze zurechtgelegt, um uns beiden sachlich und doch einfühlsam den Abschied zu erleichtern. Doch wie das mit solchen vorgefertigten Sätzen meistens so ist, passen sie nicht mehr, wenn die Situation gekommen ist oder verschwinden just in jener Sekunde aus dem Gedächtnis, in welcher man den Mund öffnet.

Das spielt nun aber keine Rolle mehr. Am wichtigsten ist doch, dass ich ihm keine Vorwürfe gemacht und darum kein böses Blut hinterlassen habe. Auch wenn die Worte nicht perfekt waren, ist die Botschaft, so glaube ich, bei ihm angekommen.

Um darüber nachzugrübeln, habe ich jetzt ohnehin keine Zeit, denn momentan stellen sich mir ganz andere, praktische Fragen. Zum Beispiel jene, wie es nun weitergehen soll.

Bevor ich mich aber der neuen Realität stelle, gönne ich mir einen Moment, um durchzuatmen.

Es ist herrliches Wetter. Mein Gefühl sagt mir, ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Tief sauge ich die Luft und das Gefühl in meine Lungen ein. Es ist, als hätte ich seit Ewigkeiten die Luft anhalten müssen und könnte nun zum ersten Mal wieder frei durchatmen.

Ich fühle mich befreit.

Dieser herrliche Zustand währt allerdings nur so lange, bis mir nach und nach in den Sinn kommt, welche wichtigen Dinge ich alle in der Wohnung zurückgelassen habe. Neben meinem Ausweis und Führerschein fehlen mir noch meine Handtasche, meine Lippencreme, mein Shampoo und ungefähr tausend andere Dinge, ohne die mir ein normales Leben kaum möglich scheint. Besonders ärgere ich mich über das vergessene Ladekabel für mein Handy.

Obwohl ich das alles wirklich brauche, kann ich unmöglich zurück, nicht jetzt und auch nicht heute. Es wäre eine persönliche Niederlage und der Beweis für meine mangelnde Selbständigkeit, die ich mir selbst oft vorwerfe. Außerdem würde mich Jan in ein Gespräch verwickeln, das alles furchtbar kompliziert und emotional machen würde.

Wenigstens meine Geldbörse steckt dort, wo sie hingehört, in meiner Hosentasche, und gibt mir Zuversicht.

Mit meinem letzten Rest Akku-Energie rufe ich Maren, meine beste Freundin, an und sage ihr, dass ich eine Bleibe suche.

Sie steht mir bei, spendet mir Trost und will mir helfen. – Allerdings nicht ausgerechnet heute.

Ihr Freund und sie feiern ihren Jahrestag und haben einen streng durchgetakteten Tagesplan. Dieser beinhaltet einen Ausflug zu dem Ort, an dem sie sich kennengelernt haben, einen Restaurantbesuch und ein großes Finale in ihrer Wohnung, welche sie »ganz speziell« für diesen Anlass dekoriert haben. Was genau so »speziell« an der Dekoration ist, sagt sie mir nicht und ich frage auch nicht. Jedenfalls sind sämtliche Aktivitäten ausschließlich für das noch immer sehr verliebte Pärchen bestimmt, eine obdachlose beste Freundin kommt darin nicht vor.

Mit dem letzten Lebenszeichen meines Akkus wünsche ich den beiden einen schönen Tag und sage, dass ich mich nächste Woche nochmals melden werde.

Ohne Handy bleibt mir nichts anderes übrig, als zu Fuß bis zum Busbahnhof zu gehen. Die Busverbindungen sind am Sonntag sehr übersichtlich, darum suche ich mir gleich ein Taxi. Mehrere davon stehen unweit des Busfahrplans in Lauerstellung, um frustrierte Reisende abzufangen, die vergebens eine passende Verbindung suchen.

Ein junger, nicht unattraktiver Taxifahrer steigt aus dem vordersten Taxi aus und nimmt mir zuvorkommend meine Koffer ab.

»Wohin darf es gehen?«

»Das muss ich mir erst noch überlegen.«

Er lässt sich von meiner Unschlüssigkeit nicht bremsen und setzt sich schwungvoll auf den Fahrersitz.

Ich setze mich nach hinten, schnalle mich an und grüble, wohin es nun gehen soll.

Zu meinen Eltern will ich nur im äußersten Notfall. Sie wohnen zu weit von meiner Arbeit. Außerdem wäre auch das eine gefühlte Niederlage für mich, wieder nach Hause zu gehen. Schließlich bin ich von zuhause weggezogen, um selbständig zu sein und nicht um bei der ersten gescheiterten Beziehung wieder angerannt zu kommen. Denn meine Beziehung mit Jan ist … ich meine, war … meine allererste. Ich bin bei meinen Eltern aus- und sofort mit ihm zusammen in unsere gemeinsame Wohnung eingezogen. Wirklich auf mich allein gestellt war ich noch nie.

Die Minuten verrinnen. Mein freundlicher Fahrer gibt sich immer noch geduldig, trommelt aber bereits auffordernd mit seinen Fingern auf dem Lenkrad herum.

»Hören Sie, ich will ja nicht drängen, aber langsam bräuchten wir jetzt ein Fahrziel.«

»Fahren Sie zum Messegelände«, sage ich mit plötzlicher Entschlossenheit.

»Zum Messegelände, aber gerne doch.«

Nicht weit von den Messehallen entfernt, in einer hübschen Siedlung, wohnt meine Kollegin Martina. Wir verstehen uns sehr gut und sie ist auch Single, soweit ich weiß. Zumindest hat sie noch nie etwas von einem Freund erwähnt. Sie scheint eine Einzelgängerin zu sein und ist wahrscheinlich mehr online unterwegs als im echten Leben, so vermute ich. Für ein paar Tage wird sie mich sicher bei sich wohnen lassen. Sie ist ein sehr hilfsbereiter Mensch.

Der Taxifahrer blickt immer wieder durch den Rückspiegel zu mir. Es ist nicht aufdringlich und er lächelt auch immer nett dabei. Offensichtlich versucht er Kontakt aufzunehmen. Ich weiß aber nicht, ob ich in der richtigen Verfassung zu einem Flirt bin. Andrerseits bin ich ja jetzt Single und ein wenig Flirttraining könnte mir nicht schaden. Meine Erfahrungen in diesem Bereich sind mehr als dürftig und liegen eine kleine Ewigkeit von über fünf Jahren zurück.

Ich warte, bis er wieder in den Spiegel blickt und lächle diesmal zurück.

»Sie haben eben ihren Freund verlassen, habe ich recht?«

Mir bleibt der Mund offenstehen und ich bin viel zu verdutzt, um der Frage auszuweichen, darum rücke ich sofort und ganz offen mit der Wahrheit heraus.

»Ja. Woher wissen Sie das?!«

»Man sieht es Ihnen an. Als Taxifahrer bekommt man einen Blick für so etwas.«

»Wirklich?«

»Man sieht es in Ihren Augen, es liegt Aufbruchstimmung, aber auch Unsicherheit in ihnen.«

Ich bin beeindruckt. Offenbar bin ich hier bei einem wahren Beziehungsguru gelandet, der ganz nebenbei noch Taxi fährt?

Ein wenig werde ich rot an den Wangen, so meine ich es zu spüren, jedenfalls wird mir plötzlich sehr warm.

»Sie liegen goldrichtig. Sie müssen ein Hellseher sein.«

»Na ja, nicht ganz. Aber wenn jemand mit zwei vollgepackten Koffern weder zum Flughafen noch zum Bahnhof will, gibt es nicht viele Möglichkeiten, was geschehen ist.«

»Da haben Sie wohl recht.«

Ich lache über meine mangelnde Kombinationsgabe. Es gehört wirklich nicht viel Fantasie dazu, um zu erraten, was passiert ist.

Ich mag seine charmante Art und belohne ihn mit einem weiteren Lächeln.

»Sie wissen nicht, wohin Sie gehen sollen?«

»Wieder richtig. Sie müssen wissen, ich habe keine Übung im Jemanden-Verlassen. Es war meine erste Beziehung.«

Keine Ahnung, was mich dazu treibt, einem wildfremden Mann meine ganze Lebensgeschichte aufzutischen, doch ich kann nicht anders. Meinen Freund zu verlassen, ist vielleicht das Mutigste, was ich jemals gemacht habe, und ich verspüre das Bedürfnis, dies jemandem mitzuteilen.

»Kein Problem, Sie können bei mir wohnen …«

»Ähm …«

Mir verschlägt es die Sprache.

»… ich wohne nur zwanzig Minuten von hier entfernt. Das ist gar kein Problem.«

Ich glaube mich verhört zu haben, weil ich nicht das verstanden haben will, was ich leider doch ganz deutlich verstanden habe.

»Ich weiß nicht.«

Alles in mir sträubt sich gegen diese Aufdringlichkeit, trotzdem bleibe ich höflich, irgendetwas in mir zwingt mich dazu. Ich schaffe es nicht, ihm dieses Angebot klar und deutlich abzuschlagen, obgleich ich weiß, dass ich das dringend sollte.

»Sie können mir ganz vertrauen. Ich habe nichts Sexuelles mit Ihnen vor.«

Das Wort mit den drei Buchstaben löst eine mittlere Panik in mir aus. Allein, dass er es mir gegenüber in den Mund nimmt, bereitet mir überwältigendes Unbehagen. Aus einem netten Flirt ist plötzlich eine Art von Nötigung oder etwas noch Schlimmeres geworden. Ich fühle mich wie ein Entführungsopfer.

»Lieber nicht.«

Trotz des fragwürdigenden Angebotes, welches durch seine anzüglichen Blicke durch den Spiegel geradezu zwielichtig wird, schaffe ich es immer noch nicht, unhöflich zu werden.

»Und falls Sie das aber doch wollen, ist das auch kein Problem.«

Ich spüre seine Augen über meinen Körper wandern. Nackt und schutzlos bin ich wie gefangen auf seiner Rückbank. Egal ob er seine Bemerkung harmlos oder ernst meint, für mich ist sie jetzt absolut ernst. Starr presse ich mich in die Rückenlehne zurück, als könnten mich zusätzliche Zentimeter Abstand zu ihm irgendwie retten. In die Ecke gedrängt sehe ich keinen anderen Ausweg und es platzt aus mir heraus.

»Halten Sie sofort an!«

Meine innere Furcht hat ihren Weg bis zu meinem Sprachzentrum gefunden.

»Keine Angst, ich werde Sie nicht …«

»Anhalten!«

»Ganz ruhig, wir …«

»Sofort anhalten!«

Er fährt aber immer noch weiter.

Am liebsten würde ich aus dem fahrenden Taxi springen, mache es aber nicht. Trotzdem treibt mich die Panik dazu, die Türe zu öffnen. Zum Glück bin ich angeschnallt und der Luftwiderstand ist zu groß für mich, sonst würde noch ein Unglück geschehen. Doch ein paar Zentimeter kann ich sie öffnen.

Mehr sind aber auch gar nicht nötig, denn er hält daraufhin abrupt an. Das Abbremsen kommt so plötzlich, dass ich ohne den Sicherheitsgurt gegen den Vordersitz geknallt wäre.

»Sind Sie verrückt!«

Er ist richtig wütend.

Ich ziehe irgendeinen Geldschein aus meiner Geldbörse und werfe ihn nach vorne auf den Beifahrersitz.

»Das stimmt so.«

Dann stürme ich hinaus und will schon weglaufen, da kommen mir meine Koffer in den Sinn.

»Sie sind vollkommen verrückt!«

Er ist nun ernsthaft böse und steigt aus. Mit schnellen Schritten kommt er auf mich zu.

Ich weiche ein Stück zurück und kneife kurz die Augen zu. Er wird mich gleich schlagen oder zumindest grob an der Kleidung oder Gurgel packen und anschreien, so glaube ich.

Doch nichts in der Art geschieht. Er will nicht zu mir, sondern dreht sich kurz vor meiner Nasenspitze zur Seite, um mein Gepäck aus dem Kofferraum zu holen. Fluchend wirft er beide Koffer an den Straßenrand, einen davon mit so viel Schwung, dass sich dieser überschlägt. Dann steigt er wieder ein und tritt schwungvoll aufs Gas. Mit quietschenden Reifen fährt er davon. Das Geräusch dringt bis tief in meine Ohren, durch meinen Kopf und in sämtliche Glieder. Ich zucke zusammen und bin für Sekunden wie gelähmt.

4. Neue Bleibe

Das wäre genau der richtige Moment für eine Zigarette, wenn ich Raucherin wäre. Da ich aber keine bin, setze ich mich auf meine Koffer und atme als Ersatz die schlechte Luft der Fahrzeuge ein, die an mir vorüberfahren.

Ich bin noch keine halbe Stunde Single und wurde schon belästigt, fühle mich schutzlos und alleine und bin mit den Nerven am Ende. So hatte ich mir meine neue Freiheit nicht vorgestellt.

Nach ein paar Minuten rapple ich mich wieder auf. Der erste Schock ist überwunden und ich wische den Dreck, und damit, wie ich hoffe, auch den Ärger, von meinen Koffern und mir, dann schleppe ich diese etappenweise in Richtung des Messezentrums. Es ist weit und ich muss mehrere Pausen einlegen, aber keinesfalls werde ich heute nochmals in ein Auto steigen.

Verschwitzt, mit hohem Puls und ausgeleierten Armen, klingle ich bei Martina. Sie öffnet die Türe und sieht mich an, als wäre ich eine Außerirdische.

Mit Jogginghose und zerzausten Haaren hätte ich sie beinahe nicht erkannt. Bei der Arbeit ist sie ausnahmslos gepflegt und achtet immer sehr auf ihr Äußeres. Sie ist nicht das, was man als besonders hübsch bezeichnen würde, kann das aber durch ihr einwandfreies Erscheinungsbild mehr als gut kompensieren.

»Natalie?«

»Ich habe Jan verlassen. Kann ich heute bei dir übernachten?«

Für eine Sekunde sieht sie mich mitleidig an, zögert aber nicht, mir zu helfen.

»Aber natürlich.«

Sie umarmt mich, und das tut unglaublich gut. Aber zugleich passiert etwas anderes. Mit ihrer Umarmung löst sich irgendetwas in mir, eine Barriere bricht, und ohne, dass ich etwas dagegen machen kann, breche ich in Tränen aus. Ich weiß nicht einmal genau warum. Ist es wegen der schrecklichen Taxifahrt? Wegen Jan? Oder dem aufsteigenden Gefühl, zum ersten Mal in meinem Leben wirklich versagt zu haben?

»Tut mir lei…«

»Macht gar nichts. Heul dich ruhig aus. Lass uns reingehen.«

Sie nimmt mir einen Koffer ab und legt mir ihren Arm auf die Schulter. Wir gehen hinein.

Martina ist eine gute Kollegin, aber eigentlich keine enge Freundin. Wir können prima über alle möglichen Themen des Alltags miteinander reden, Intimes bleibt dabei aber stets außen vor.

---ENDE DER LESEPROBE---