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»Wie könnte man auch den Jungen vergessen, in den man praktisch seine ganze Schulzeit lang heimlich verliebt war« Plötzlich steht er vor ihr. Mark, ihr Schwarm von damals. Aus dem Traumjungen ist ein Traummann geworden. Damals nahm er kaum Notiz von Melly, denn damals hatte er nur Augen für Sylvie – wie alle Jungs. Doch seither ist viel passiert, aus dem grauen Mäuschen von früher ist eine selbstbewusste Frau geworden. Und diese Frau beschließt kurzerhand sich ihren Traummann zu holen. Doch schnell stellt sich heraus, dass sie nicht die Einzige ist, die ein Auge auf ihn geworfen hat. Als dann auch noch Sylvie wieder auftaucht, wird die Lage brenzlig. Gegen solch eine Traumfrau hat Melly kaum eine Chance. Zum Glück hat sie aber Dennis, der selbst an Sylvie Interesse hat. "... denjenigen, den man will – bekommt man nicht und denjenigen, den man bekommen könnte – will man nicht ... Nelly Baus lässt ihre Romanfiguren ihren Traumpartnern hinterherrennen … und nicht jeder bekommt am Ende das – was er glaubt zu wollen ..."
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Inhaltsverzeichnis
Impressum
1. Kribbeln im Bauch
Sein süßes Lächeln kommt mit seinem etwas schlaksigen Gang direkt auf mich zu. Meine Wangen werden ganz heiß und es kribbelt über meinen ganzen Körper.
»Hallo Melly, kennst du mich noch, ich bin‘s Mark.«
Natürlich erkenne ich ihn wieder. Wie könnte man auch den Jungen vergessen, in den man praktisch seine ganze Schulzeit lang heimlich verliebt war.
Ich bleibe aber ganz cool.
»Aber na klar. Hallo Mark, wie geht’s dir? Schön, dich zu sehen.«
Das erste Klassentreffen. Seit fünfzehn Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen, eine lange Zeit. Trotzdem fühle ich mich jetzt, wo ich ihn wiedersehe, augenblicklich wieder wie das schüchterne Schulmädchen, das ich damals war. Aus ihm ist inzwischen ein stattlicher Mann geworden, doch sein spitzbübisches Grinsen hat er sich bewahrt. Und es wirkt auf mich noch ebenso magisch wie damals. Meine Knie werden weich und ich könnte dahinschmelzen, wenn er mich so anstrahlt.
Damals hat er kaum Notiz von mir genommen. Doch seither ist viel geschehen. Auch ich habe mich verändert. Ich bin nicht mehr das graue Mäuschen von früher. Aus mir ist eine gestandene und selbstbewusste Frau geworden, auch wenn momentan davon wenig zu spüren ist. Äußerlich bin ich cool, innerlich jedoch fahren meine Gefühle wild Achterbahn.
»Toll siehst du aus. Schön, dass so viele gekommen sind.«
»Ja, sogar der Kleiber ist da.«
»Oh, mit dem habe ich noch ein Wörtchen über meine Deutschnote zu reden. Die hätte mir beinahe meinen ganzen Abi-Schnitt versaut.«
Er lacht, während er das sagt. Natürlich meint er das nicht ernst.
»Ja, knöpf ihn dir vor.«
Das war das längste Gespräch, das ich je mit Mark geführt habe. Sogar in der aufregenden Zeit im letzten Jahr des Abiturs, als auch ich nicht mehr ganz so schüchtern war, hatte ich nie den Mut gefunden, ihn richtig anzusprechen und war nie über ein »Hi« hinausgekommen.
»Wir sehen uns später.«
Er dreht sich um und geht in Richtung Ausgang. Ich sehe ihm schmachtend hinterher. Doch dann verstellt mir Doris die Sicht.
»Hallo Melly, voll lässig, dass du auch da bist. Hast du das Buffet gesehen? Kaum zu glauben die haben …«
Nicht zu fassen »lässig«, sie sagt es immer noch. Schon damals war dieser Ausdruck nicht mehr richtig hipp. Aber jetzt, als erwachsene Frau, wirkt er geradezu lächerlich, wie sie ihn bei jeder Gelegenheit verwendet.
»Hallo Doris, wie geht’s?«
Sie quasselt mich voll, genau wie sie es früher immer getan hat. Und genau wie früher höre ich ihr gar nicht zu.
Ich sehe durch sie hindurch und bin mit den Gedanken ganz woanders.
Es gab kein Mädchen, das nicht wenigstens ein bisschen für Mark geschwärmt hätte. Sein Witz, seine freche Art und sein sportlicher Körper ergaben eine unwiderstehliche Mischung. Er hätte jede von uns haben können, doch er wollte nur Sylvie.
Sylvie, war das schönste Mädchen der Schule, da gab es gar keinen Zweifel. Sie war schlank, hatte lange blonde Haare und war, ebenso wie Mark, eine Sportskanone. Es war ein Naturgesetz – die beiden mussten ein Paar werden, daran bestand gar kein Zweifel.
Jedes Mädchen wollte mit Sylvie befreundet sein. Zugleich hassten wir sie aber auch alle heimlich, weil sie im Gegensatz zu uns, so leichtes Spiel bei den Jungs hatte. Sie war sich ihrer Ausstrahlung auch vollkommen bewusst und setzte diese skrupellos bei Eltern, Mitschülern und Lehrern ein. Je nach Bedarf gab sie sich als unnahbare Schönheit oder als braves und unschuldiges Mädchen. Es war ihr in die Wiege gelegt, immer das zu bekommen was sie wollte. Und was sie wollte war Mark. Doch sogar ihn ließ sie monatelang zappeln, bis aus den beiden schließlich das Traumpaar der Schule wurde.
Es würde mich brennend interessieren, ob die beiden noch immer zusammen sind. Ein paar Jahre nach dem Abitur hatten sie zusammen einen Trip durch die USA gemacht. Er hat ihr einen Heiratsantrag auf dem Empire State Building in New York gemacht, was wohl das Romantischste ist, was man sich in diesem Alter überhaupt vorstellen kann. Sie waren füreinander bestimmt, davon waren sie mit Sicherheit überzeugt, darum hat sie auch »ja« gesagt. Wozu noch warten?
Wie es danach weiterging, weiß ich nicht. Ich habe mir keine besondere Mühe gegeben, mit meinen ehemaligen Mitschülern in Kontakt zu bleiben. Dazu fehlte mir die Motivation, da ich in der Schule nicht besonders beliebt war. Deswegen habe ich nur wenige Informationen darüber, was aus allen geworden ist.
»Entschuldige Doris, aber ich muss mich etwas frisch machen.«
Ich lächle sie gezwungen an und gehe in Richtung des Ausgangs.
Das war nicht sehr nett von mir, sie so abzuwürgen. Wenn ich mir ihr Geplapper jedoch noch länger anhöre muss, dann ist der Abend für mich gelaufen. Es ist so furchtbar anstrengend, ihr zuzuhören. Allein der Klang ihrer Stimme löst massive Stresshormone in mir aus. Viel schlimmer ist jedoch, dass ihre Geschichten keinen Anfang und kein Ende kennen und sich ihre Themen endlos und willkürlich aneinanderreihen. Es ist so, als würde man sich durch sämtliche Fernsehkanäle hindurchzappen und all die Wortschnipsel auf sich einprasseln lassen.
Ich gehe in den Vorraum jener Turnhalle, in der wir früher den Sportunterricht hatten, und die sich seither kaum verändert hat. Mark allerdings kann ich nirgendwo entdecken.
Es ist sehr aufregend, die vielen vertrauten und doch auch fremden Gesichter zu sehen. Ich vermeide es, jemandem direkt in die Augen zu sehen, sondern schiele nur aus sicherer Distanz nach meinen Klassenkameraden. Es wäre peinlich, jemanden nicht wiederzuerkennen, wenn dieser direkt vor mir steht. Viele haben sich doch sehr verändert. Hauptsächlich machen sich diese Veränderungen im Kleidungsstil und dem Auftreten bemerkbar, bei manchen jedoch auch stark im Gesicht.
Mir wäre es am liebsten, wenn alle Namensschilder tragen würden. Nach nur fünfzehn Jahren wäre das aber wohl etwas seltsam.
Endlich erblicke ich Kirsten, sie kommt gerade zur Türe herein. Sie strahlt mich an und kommt schnurstracks auf mich zu.
»Hallo meine Süße.«
Sie umarmt mich und gibt mir ein Küsschen.
Kirsten ist groß, sehr schlank und hat eine dunkle Lockenmähne. Sie trägt ein sehr auffälliges rotes Kleid und ist deutlich overdressed. Das war allerdings schon immer so und entspricht ihrem persönlichen Stil.
Sie ist witzig, schlagfertig und immer gut gelaunt. Sie ist die einzige, mit der ich über all die Jahre immer in Kontakt war. Sie war und ist meine allerbeste Freundin.
»Hey. Schön, dass es bei dir geklappt hat.«
»Keine Frage. Das lasse ich mir doch nicht entgehen. Ich will doch wissen welche Mädels fett geworden sind und welche Jungs jetzt eine Glatze haben. Draußen habe ich Mark stehen sehen. Der ist ja noch schärfer als früher.«
»Ja, ich habe schon mit ihm gesprochen.«
»Den werde ich mir später noch genauer ansehen – wenn ich darf?«
Sie zwinkert mich an.
Natürlich erinnert sie sich noch, wie sehr ich für ihn geschwärmt habe.
»Ansehen schon, aber nicht mehr.«
Wir lachen.
»Los, lass uns in die Cocktailbar gehen, schließlich haben wir für das Ganze hier bezahlt.«
»Wie, das ist alles im Preis inbegriffen?«
»Das will ich doch schwer hoffen. Bei den Cocktails bin ich mir allerdings nicht sicher. Und falls nicht, suchen wir uns ein paar Gentlemen, die uns etwas spendieren.«
Ein kleiner Umkleideraum ist zu einer Bar umfunktioniert worden. Darin ist aber nicht viel los. Nur drei Typen, die mir allesamt unbekannt sind, stehen beisammen und amüsieren sich köstlich miteinander.
»Die eigentliche Party geht wohl erst später los?«
»Egal, dann fangen wir eben schon mal zu zweit damit an. Zwei Mojitos bitte.«
Zuerst sieht es aus, als hätte der Barkeeper sie gar nicht gehört, denn er würdigt uns keines Blickes. Er sieht sehr beschäftigt aus, obwohl er eigentlich gar nichts tut. Dann aber greift er doch noch nach zwei Gläsern und beginnt zu mixen.
»Was hat Jean-Bernard dazu gesagt, dass du an eurem Jahrestag lieber auf ein Klassentreffen gehst, anstatt mit ihm zu feiern.«
»Gar nichts. Ich habe gestern mit ihm Schluss gemacht.«
Das ist typisch Kirsten. Jede andere Frau hätte sich mit einem Pott Eiscreme und einer Flasche Likör auf ihr Sofa verzogen und mit dem Schicksal gehadert, Kirsten aber ist in Partylaune. Was Männer und Beziehungen betrifft, ist sie sehr sprunghaft. Man braucht sich nur die kuriose Palette ihrer Expartner anzusehen und erkennt sofort ein Muster, nämlich, dass es kein Muster gibt, alle unterscheiden sich grundlegend voneinander. Der eine war ein Bücherwurm, der andere ein Partylöwe und Frauenheld, der nächste war acht Jahre jünger als sie, dann gab es auch einen, der sehr ungepflegt war und schreckliches Übergewicht hatte. Jean-Bernard schien mir noch der Normalste in ihrer Sammlung zu sein. Das Einzige, was ihn von allen anderen unterscheidet, ist, dass er Franzose ist. Ihr gefiel es seinen Namen auszusprechen und sie fand seinen Akzent ungeheuer anregend. Alles andere an ihm schien sie weniger zu interessieren, so hatte ich den Eindruck.
Obwohl Kirsten eine super Figur hat und toll aussieht, hat sie es nicht leicht mit den Männern. Die meisten fühlen sich von ihr eingeschüchtert.
»Warum hast du Schluss gemacht?«
»Weiß auch nicht. Irgendwie war die Luft raus. Dann hat er auch noch Stress wegen heute gemacht, da habe ich ihn rausgeworfen.«
»Am Tag vor eurem Jahrestag?«
»Ich finde das praktisch. Wenn mich jetzt jemand fragt, wie lange ich mit ihm zusammen war, kann ich sagen: Es waren genau zwei Jahre.«
Sie lacht und nimmt das Glas, welches ihr der Barkeeper soeben hinstellt.
Wir müssen die Drinks bezahlen.
»Auf die Männer!«
»Auf die Männer!«
Wie aufs Stichwort kommt eben ein solcher herein. Wir haben uns ganz in die Ecke verdrückt und sehen ihn uns von der Seite an. Er geht zielstrebig zur Theke und bestellt sich etwas.
»Der Hintern ist nicht zu verachten.«
»Ja, den würde ich auch nicht davonjagen.«
Es ist schwer zu sagen, was es ist, das ihn so interessant macht. Abgesehen von seinem Hintern, welcher knackig in seine passgenaue Hose verpackt ist, würde ich seinen Körper als minimal überdurchschnittlich beschreiben. Kein Mann zum Dahinschmelzen, aber genauso wenig kann man ihn übersehen.
Er bekommt und bezahlt seinen Drink. Erst dann sieht er sich um. Wohl aus Mangel an Alternativen verharrt sein Blick auf uns. Ganz entspannt kommt er auf uns zu. Offensichtlich will er uns ansprechen. So viel Zielstrebigkeit verschlägt sogar Kirsten die Sprache. Instinktiv macht sie ihren Hals gerade, nimmt die Schultern zurück und bläst ihre Brust auf. Ihr Lächeln sagt deutlich, dass sie angesprochen werden will.
Jetzt, wo ich ihn auf uns zukommen sehe, kommt er mir irgendwie bekannt vor. Ich weiß, dass ich ihn kenne, kann ihn aber nicht zuordnen. Vielleicht war er ein Jahrgang über oder unter uns?
»Hey Melly.«
Er spricht mich an.
Kirsten nimmt wieder eine bequemere Haltung ein, da er offensichtlich kein Interesse an ihr hat. Jede andere Frau wäre vielleicht enttäuscht oder sogar neidisch. Kirsten und ich jedoch waren noch nie eifersüchtig aufeinander. Wir freuen uns immer füreinander und stehen nie in Konkurrenz.
»Hallo.«
Meine Stimme ist unsicher. Ich habe noch immer keine Idee wer da vor mir steht.
»Darf ich dich auf einen Drink einladen.«
»Ich habe noch ...«
»Auf den nächsten?«
»Ja, ich brauche nur noch …«
»Schön. Dann bis später.«
Er geht hinaus.
»Was war das denn?«
»Ich weiß auch nicht.«
»Woher kennst du ihn?«
»Keine Ahnung?«
Ich zermartere mir den Kopf.
Wer ist das? Egal wer er ist, er muss sich sehr verändert haben. Im Geist gehe ich alle Jungs aus der Abschlussklasse durch, an die ich mich erinnere, danach die, die schon früher abgegangen sind, und versuche sie mit ihm abzugleichen, doch Fehlanzeige. Kirsten ist mir auch keine Hilfe. Sie erzählt mir irgendetwas von ihrer älteren Schwester, die bereits drei Kinder hat, doch ich kann mich nicht darauf konzentrieren.
Dann trifft es mich wie der Blitz.
»Dennis!«
»Was?«
»Dennis heißt er. Er war in unserer Parallelklasse.«
»Aha, ich kann mich an keinen Dennis erinnern.«
»Er wollte mit mir mal auf einen Schulball gehen.«
»Kann mich nicht erinnern. Und bist du mit ihm hingegangen?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Du dumme Kuh. Warum denn nicht?«
»Ich fand ihn einfach hässlich. Er hatte furchtbare Akne.«
»Die scheint er ja inzwischen überwunden zu haben. Da hast du aber ganz schön Mist gebaut, meine Süße. Mit wem bist du denn stattdessen auf den Ball gegangen?«
»Na mit dir, wie immer.«
»Ja, Dates mit Jungs hatten wir damals nicht so viele.«
»Nein, leider überhaupt nicht.«
Wir nehmen noch einen Schluck. Gerne würde ich mir etwas Mut antrinken, bevor ich mich von Dennis einladen lasse. Wenn ich mir jetzt aber nochmal etwas bestelle, laufe ich Gefahr, dass ich mir damit die Gelegenheit kaputt mache, von ihm eingeladen zu werden.
Wir trinken leer und mischen uns getrennt unter das Volk. Mittlerweile ist es schon sehr voll. Wie ich erfahre, ist es nicht nur das Treffen unseres Jahrgangs. Sie haben gleich mehrere Jubiläen und Jahrgänge von gleich zwei Schulen zusammen in eine Veranstaltung gepackt.
Immer wieder erkenne ich jemanden. Doch im Moment habe ich keine Zeit, um alte Erinnerungen aufzufrischen. Ich suche Dennis. Keinesfalls will ich mir so eine Chance entgehen lassen. Schon seit vier Jahren bin ich Single und habe in dieser Zeit nicht wirklich viele interessante Männer kennengelernt.
Da sehe ich ihn. Er unterhält sich mit einer jungen Brünetten, die nicht zu den Gästen, sondern zum Catering gehört. Ich tue so als sehe ich ihn gar nicht und gehe an den beiden vorbei.
»Melly.«
Ich spiele die Überraschte und drehe mich um.
»Ja. Ach, du bist es.«
»Hast du jetzt Zeit für unseren Drink?«
»Wieso eigentlich nicht.«
Wir gehen zusammen in die Cocktailbar. Er geht voraus. Und ich muss schon sagen, sein Hintern ist wirklich nicht zu verachten. Mit seinem Anzug macht er eine gute Figur.
Wir bestellen uns etwas und stoßen damit an.
»Auf unser Wiedersehen!«
»Auf unser Wiedersehen!«
»Weißt du, eigentlich müsste ich noch böse auf dich sein.«
»Wieso?«
»Du hast mir damals einen Korb gegeben.«
»Habe ich das? Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern. Das ist alles schon so lange her.«
»Ich wollte mit dir auf den Schulball.«
»Ja stimmt, jetzt kann ich mich doch dunkel an etwas erinnern. Warum habe ich dir abgesagt?«
»Das kann ich dir noch ganz genau sagen. Ich erinnere mich sogar an den exakten Wortlaut. Du sagtest: Du bist einfach nicht mein Typ, tut mir leid! Das waren deine Worte.«
»Das habe ich gesagt? Vielleicht warst du ja damals wirklich nicht mein Typ?«
»Ich habe dir das lange nicht verziehen. Aber wenn ich mir heute so die Fotos aus meiner Schulzeit ansehe, kann ich dich verstehen. Sexy ist was anderes.«
Wir lachen.
»Schön, dass du es mit Humor siehst.«
Wir reden noch ein wenig über die Schulzeit, unseren beruflichen Werdegang und unsere Partnerschaften. Beide sind wir erfolgreich im Job, aber glücklos in der Liebe. Er ist wirklich ein netter Kerl, mehr aber leider auch nicht. Es kommt keine prickelnde Stimmung auf. Wir tauschen aber unsere Nummern aus und wollen in Kontakt bleiben.
Danach habe ich es sehr eilig, mich von ihm zu verabschieden, denn ich erspähe Mark, der allein durch die Gegend streunt. Ein paar Mal hatte ich ihn schon in der Menge gesehen und immer war irgendeine Frau an ihm dran. Bevor die Nächste ihr Glück bei ihm versucht, will ich meine Chance ergreifen.
Es interessiert mich brennend, was aus ihm und der »supergeilen« Sylvie geworden ist.
Nach mehreren Versuchen, seinen Weg zu kreuzen, komme ich ihm wie zufällig entgegen.
»Hey Mark, wie gefällt dir die Party?«
»Toll. Ich muss zugeben, dass ich eigentlich gar keine Lust auf diesen Abend hatte, doch jetzt habe ich viel Spaß.«
»Wieso hattest du keine Lust auf den Abend?«
»Weißt du, ich war nicht sehr scharf darauf, ständig erklären zu müssen, warum Sylvie nicht mitgekommen ist.«
»Und warum ist sie nicht mitgekommen? Entschuldige, dass ich jetzt auch frage.«
»Schon okay. Ich habe ja selbst damit angefangen. – Wir haben uns endgültig getrennt.«
»Hattet ihr geheiratet? Das Letzte, was ich gehört habe, war etwas von einer Verlobung.«
»Wir waren ein paar Jahre zusammen und ich habe ihr in New York einen Heiratsantrag gemacht. Alles war ganz romantisch und toll. Wir waren sehr verliebt und wollten auch bald heiraten.«
»Was ist passiert?«
»Nach der Verlobung hat sie sich sehr verändert. Sie hat mich ständig kritisiert und war anstrengend. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, aus mir einen Karrieremann zu machen, ich sollte etwas studieren das mehr einbringt als »das Öko-Zeug«, wie sie es nannte. Wie du weißt, kommt sie aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie und genau so ein Leben schwebte ihr auch für uns vor. Wir sollten ein großes Haus haben, teure Autos fahren und durch die Welt fliegen. Um das alles zu finanzieren war mein Gehalt als Umweltbeauftragter zu klein. Allein die geplante Hochzeit hätte mehr als ein Jahresgehalt aufgefressen. Ich sollte mich weiterbilden, dem Umweltbereich den Rücken kehren und in das gehobene Management in einer großen Firma aufsteigen. Das wollte ich aber nicht.
Sie war launisch und egoistisch. Mehr als einmal hat sie mir zu verstehen gegeben, dass sie sich jederzeit einen reichen Mann angeln könnte, der ihr all ihre Wünsche erfüllen würde.«
»Das ist hart.«
»Es hat mich sehr mitgenommen.«
Er ist unfassbar süß, er sieht aus wie ein kleiner Junge, dem sein Eis auf den Boden gefallen ist. Ich möchte ihn am liebsten in die Arme nehmen.
Das mit Sylvie hätte ich ihm schon damals sagen können. Eitel und arrogant war sie auch schon während unserer Schulzeit. Wie so viele Männer hat er sich von der schönen Fassade blenden lassen. Wer sich so eine Frau ins Haus holt, der sollte ganz genau wissen, auf was er sich da einlässt.
»Wie lange hat es gedauert bis zur Trennung?«
»Die erste Trennung war nicht lange nach meinem Studium, da habe ich Schluss gemacht. Danach waren wir ein paar Jahre lang nur befreundet und hatten währenddessen andere Beziehungen. Irgendwann, als wir beide gleichzeitig wieder Singles waren, haben wir es dann nochmals probiert. Doch es hat wieder nicht funktioniert.
Diesmal hat sie Schluss gemacht. Es waren wieder die alten Themen, ihre maßlose Eitelkeit und mein fehlender Ehrgeiz. Wir sind freundschaftlich in Kontakt geblieben, hatten dann aber wieder einen Rückfall, waren nochmals über ein Jahr zusammen und haben uns dann wieder, diesmal einvernehmlich, getrennt. Das ist jetzt fast fünf Monate her. Diesmal ist es aber endgültig. Zum ersten Mal in all den Jahren haben wir den Kontakt vollkommen abgebrochen.«
»Das tut mir aber leid.«
Super! Er ist Single, kaum zu glauben!
»Tut mir leid, wenn ich dich hier so volljammere. Da sehen wir uns nach all den Jahren wieder und ich erzähle nur von mir. Aber du musst verstehen, ich habe eigentlich niemanden mit dem ich darüber richtig sprechen kann. Einen richtigen Freundeskreis habe ich nicht. Zu den meisten meiner alten Freunde habe ich den Kontakt schon lange verloren. Sylvie mochte meine Freunde nicht, darum war ich eigentlich immer nur mit ihr zusammen.«
Das ist mein Stichwort!
»Ich gebe dir einfach mal meine Nummer. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, kannst du dich gerne melden.«
»Danke. Mit dir konnte man schon immer gut reden.«
Ich habe keine Ahnung, an was er sich da zu erinnern glaubt, aber mir soll es recht sein.
Auch er gibt mir seine Nummer und ich lasse mir nicht anmerken, wie sehr ich darüber jubeln möchte. Ein ehemaliger Klassenkamerad klopft ihm auf die Schulter und so verabschieden wir uns. Die beiden ziehen weiter, in die Bar.
Nach diesem aufwühlenden Gespräch rede ich noch mit ein paar anderen Leuten von damals. Es sind nette Gespräche, doch scheint es mir, als hätte ich nichts Sensationelles verpasst, niemand ist prominent geworden oder, im Gegenteil, abgestürzt und in der Gosse gelandet.
Am Ende dieses Tages sitze ich glücklich und mit ein paar Drinks zu viel in meinem Bett. Ich werde Mark wiedersehen, ein wahrgewordener Traum.
»Wir werden ein Paar!«, lalle ich feierlich vor mich hin. Dann falle ich auf mein Kopfkissen und in einen tiefen Schlaf.
2. Die Hochzeit
»Willst du ihn lieben und ehren …?«
»Ja, ich will.«
»Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.«
Weiße Tauben steigen in die Luft. Hochzeitsmusik ertönt von der Drei-Mann-Band, die extra nur für dieses eine Lied engagiert wurde. Die Gäste stehen auf und applaudieren. Schwarz und Weiß gekleidet stehen die Gäste unter weißen Pavillons, die sie vor der herrlichen Sommersonne schützen. Auf einem kleinen Podest steht das Paar, und auf einem Tisch stehen die beiden nochmals, in Miniatur aus Marzipan, auf der fünften Etage eines grandiosen Meisterwerks der Kalorienkunst. Die Mutter der Braut muss heulen. Alles ist wie aus dem Bilderbuch. Eine traumhaft schöne Braut und ein stattlicher Ehemann. Alles könnte so perfekt sein – wenn es meine Hochzeit wäre.
Es ist allerdings nicht meine Hochzeit, sondern die von Nadine, meiner Kollegin aus der Marketingabteilung. Warum sie mich eingeladen hat ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich nur, um mir vor Augen zu führen, wie perfekt alles bei ihr läuft, im Gegensatz zu mir. Seit Jahren haben wir in der Firma einen kleinen Zickenkrieg am Laufen.
Ich arbeite im Vertrieb und sie ist meine Ansprechpartnerin in der Marketingabteilung. Dauernd kommt sie mit irgendwelchen Problemen angerannt, die eigentlich gar nicht zu meinem Aufgabengebiet gehören. Mal soll ich einem meiner Kunden Werbematerial zuschicken, dann wieder irgendwelche Termine auf der Messe vereinbaren oder diese wieder absagen. Sie behandelt mich wie ihre Sekretärin, dabei bin ich Teamleiterin in meiner Abteilung und sie nur eine gewöhnliche Sachbearbeiterin in ihrer. Immer wieder gibt es deswegen Reibereien.
Mit dieser Hochzeit will sie mir nur zeigen, dass sie gesellschaftlich weit über mir steht.