Liebe oder der Mut, mich hinzugeben, statt mich herzugeben - Janice Jakait - E-Book

Liebe oder der Mut, mich hinzugeben, statt mich herzugeben E-Book

Janice Jakait

0,0

Beschreibung

Über nichts wird so viel geschrieben wie über das unermessliche Wunder der Liebe – und nichts schmerzt uns so sehr, als wenn wieder eine Beziehung, die doch so hoffnungsvoll begonnen hatte, zerbricht. Nur zu gut weiß Janice Jakait, wie es sich anfühlt: das ewige Suchen und Daten, toxische Beziehungen und tiefste Einsamkeit, hochfliegende Verliebtheit und völlige Verzweiflung. Doch dann offenbart sich ihr ein Sinn und eine Chance in all den Irrwegen, Krisen und Enttäuschungen, und daran beginnt sie zu dem Menschen zu wachsen, dem sie selbst gern begegnen würde. Sie verabschiedet sich von falschen Erwartungen und Vorstellungen über die Liebe, sie stellt sich ihren tiefen Bedürfnissen und Ängsten, lernt Nein! zu sagen zu Zweckbeziehungen und zur völligen Verkopfung. Und dann steht die Liebe plötzlich vor ihr …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 278

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Janice Jakait

oder der Mut,

mich hinzugeben,

statt mich

herzugeben

Dieses Buch enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte der Scorpio Verlag keinen Einfluss hat. Deshalb können wir für diese fremden Inhalte auch keine Haftung übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich. Die verlinkten Seiten wurden zum Zeitpunkt der Verlinkung auf mögliche Rechtsverstöße überprüft, rechtswidrige Inhalte waren nicht erkennbar. Bei Bekanntwerden von Rechtsverletzungen werden wir derartige Links umgehend entfernen.

1. eBook-Ausgabe 2017

© 2017 Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München

Umschlaggestaltung: Weiss Werkstatt, München

Layout und Satz: BuchHaus Robert Gigler, München

Konvertierung: Brockhaus/Commission

ePub: 978-3-95803-157-9

ePdf: 978-3-95803-158-6

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

Für S.

und

die Liebe

Einfach nur im Frieden.

Nur im Frieden.

Im Frieden.

Frieden.

Inhalt

Warum ich über die Liebe schreibe

Erster Teil – Irre sucht Irre

Nichts als Theater

Gelegenheit macht Liebe

Genau deshalb!

Ein bisschen Unvernunft muss sein

Wenn der Ausweg zum Umweg wird

Das große Schubladenbewusstsein

Die klassische Heldenreise

So wie wir richten …

Mehr Menschen als Schubladen

Ich bin leider ich, sorry!

Jenseits von richtig oder falsch

Ich, dann lange nichts …

Wenn der Schein trügt

Zweiter Teil – Irre trifft Spiegel

Ein Superkreisel auf Abwegen

Ein kosmischer Supergau

Auf Gewitterwolke sieben

Auf Augenhöhe

Intensität statt Intimität

Liebe all-inclusive

Die Liebe der anderen

Wenn die Seele müde ist

Zeit für einen Krisenurlaub

Im Kerker der Angst

Auf einem Auge blind

So viele Facetten

Dritter Teil – Irre trifft Irre

Ein Wunder kommt selten allein

Sprachlos trifft sprachlos

Höher, schneller … gegen die Wand

Vollgas, dann die Handbremse

Vom Igel, der den Hasen umarmte

Im Zweifel die Wahrheit?

Ohne Ehrlichkeit kein Weg

Ich sehe dich

Zu Hause!

Die Zigarette danach

… und noch etwas Weihrauch

Anhang

Dank

Inspirationen zum Weiterlesen

Anmerkungen

Kontakt und weitere Informationen

Stehe deinem Weg nicht im Weg.

Warum ich über die  Liebe schreibe

»Niemand sah den ganzen Schmerz in mir.

Wer hätte ihn auch stillen können?

Dann kommst du und öffnest mir das Herz und

die Augen, und ich kann fühlen und sehen,

wie viel mehr Schmerz da sogar noch ist … in mir,

in dir und in all den anderen Menschen.

Und dann öffnest du auch noch deine Arme!«

Wer in diesem Buch auf ein unkompliziertes Märchen über die Liebe hofft oder gar auf eine Anleitung, wie sich Krisen und Enttäuschungen sicher umschiffen lassen, der wird gewiss enttäuscht werden. Das Gegenteil ist der Fall: Ich möchte Mut machen, sich gerade auch den Krisen und der Verzweiflung in Beziehungen und Partnerschaften mehr zu öffnen und hinzugeben, um darin die eigene Wahrheit zu finden. So können wir auch selbst zu einem Menschen wachsen, dem wir gern begegnen und in den wir uns verlieben würden.

Der Titel möge darüber hinaus bitte nicht zu der Annahme verleiten, ich wäre eine berüchtigte Liebhaberin vom Kaliber einer Donna Juana. Ich bin einfach nur ich. Fast vierzig Jahre lang stolperte ich auf der Suche nach der großen Liebe durch die Wirklichkeit und wurde dabei erst einmal so verbittert, dass ich ernsthaft erwog, als Schriftstellerin in ein abgelegenes buddhistisches Nonnenkloster zu ziehen.

Auch wird es in diesem Buch keine himmlische Hochzeit mit Prinz Charming geben – kein Happy End, mit dem dann alles ganz unkompliziert und für immer nur gut ist. Aber es wird endlich wieder ein HAPPY NOW geben. Wir werden alle sterben, this is the end!

Die Liebe jedoch ist der mit Abstand schönste Grund, wofür es sich zu leben lohnt – und sie ist auch der einzige Weg in die Zuversicht, dass wir den Tod und das Loslassen nicht fürchten müssen.

Der letzte Mensch, dem wir in diesem Leben begegnen und vor dem wir unser Leben verantworten müssen, das werden wir selbst sein. Da ist leider nichts zu machen. Aber von wem möchten wir uns vorher noch verabschieden? Wessen feuchte Lippen ein letztes Mal auf unserer Stirn spüren, wessen warme Hand loslassen? Bei wem möchten wir uns bedanken und vor allem, wofür? Bei unseren Ängsten etwa oder bei unseren Selbstzweifeln, für ihre lebenslangen treuen Dienste in unserem Harem der Sicherheiten und Garantien? Oder bei der Pflegeschwester im weißen Kittel neben unserem Krankenbett, dafür, dass sie uns mit einem Tupfer die Lippen befeuchtet und den Sauerstoff aufdreht?

Oder möchten wir uns bei den Menschen bedanken, die wir lieben und die uns lieben und die uns im Leben oft den Atem geraubt haben? Mit welchen Seelen hat sich deine Seele verwoben und verflochten auf deinem Lebensweg? In wessen Herz lebst du weiter? Wer ist bei dir auf dieser unbestimmten Reise, wenn du ein letztes Mal die Augen schließt und dein Herz und deine Gedanken für immer stehenbleiben? Welche Erinnerungen begleiten dich hinüber? Etwa die, dass du wahnsinnig viele Träume, aber viel zu viele Ängste im Leben hattest und noch so viel vor, eigentlich?

Und wem meinst du am Ende deines Lebens noch gefallen und etwas beweisen zu müssen? All denen, die als Nächste dran sind?

Ich wurde in den vergangenen Jahren immer wieder von Organisationen und Unternehmen eingeladen, um über Mut, Ehrlichkeit und die Chancen von Krisen zu sprechen, weil ich einmal monatelang allein in einem kleinen Boot über den Atlantischen Ozean gerudert bin und danach ein paar Jahre über das Leben philosophiert und geschrieben habe. Am liebsten sprach ich dabei über Mut und Impulse zur Veränderung und zum Wachstum, die gerade erst aus totalen Enttäuschungen und aus der völligen Verzweiflung heraus entspringen können. Und auch beim Thema Liebe verhält es sich leider nicht anders – besonders an Krisen und Enttäuschungen können wir wachsen und falsche Vorstellungen und Hoffnungen loslassen, die uns daran hindern anzukommen. Und erst dann haben wir den Kopf und die Hände frei, um etwas wahrhaftig zu berühren und berührt zu werden.

Es soll also ein ehrliches Buch sein – mein Scheitern in vielen Beziehungen und meine Verbitterung sollen hier ebenso Platz finden wie viele kleine, letztlich für mich ganz große Erfolge auf dem Weg zurück zu mir selbst und in eine tiefere, engere Beziehung zu anderen Menschen. Ich möchte dabei den Bogen vom Umherirren in meiner Vergangenheit und von meinen Lebenskrisen bis zum Ankommen in neuen Erfahrungen von Liebe, Beziehung und Nähe in der Gegenwart spannen.

Zurück zu wahrhaftigen Gefühlen und zum Mitgefühl, zu etwas Echtem und Berührendem wie der Liebe führt nur ein Weg durch die Entzauberung von vermeintlichen Wahrheiten darüber, was Liebe angeblich sei und was uns da oft schon von Kindesbeinen an als Liebe vorgestellt und vorgelebt wurde. Und der wahren Liebe will ich dieses Buch widmen, das überhaupt nur durch eine Verkettung wundersamer Zufälle und Begegnungen während des Schreibens in dieser Form entstehen konnte. Ich wünsche mir, mit diesem Buch auch andere Menschen zu inspirieren, die fürchten, sich hoffnungslos verlaufen und verstolpert zu haben, möchte sie auf die wundersame Spur der Liebe zurückführen, ihnen Mut machen, damit Heilung geschehen und endlich Frieden sein kann.

»Es gibt nur wenige,

die mit ihren eigenen Augen sehen und

mit ihren eigenen Herzen fühlen.«

Das sagte Albert Einstein. Es ist leider ein steiniger und oft sehr langer Weg aus dem Kopf zurück ins Herz, den man auch ein großes Stück allein gehen muss, um sich von seinen Ängsten und von dem lösen zu können, was man bisweilen als falsche Vorstellung über die Liebe zutiefst verinnerlicht hat. Über meinen eigenen Weg möchte ich in diesem Buch offen berichten. Auf ihm habe ich viele naive Wunschvorstellungen darüber, wer ich bin, was Zufriedenheit, was Liebe und Freiheit bedeuten, grundlegend korrigieren müssen. Und dieser Weg hat meine Seele erst nackt gemacht und wund, damit ich überhaupt wieder fühlen und lieben konnte. Er hat aber auch meinen steinharten Gedankenpanzer viel flexibler und biegsamer werden lassen, damit ich mich wieder spontaner, neugieriger und tiefer auf das Leben und andere Menschen einlassen kann und damit ich in der Lage bin, mich bewusster und besser von dem abzugrenzen, was mir nicht guttut.

Die Liebe ist keine Vorstellung oder Versprechung, die sich wie ein todsicherer Plan erfüllen ließe – die Liebe ist der Mut, sich dem Unplanbaren, dem Überraschenden und dem Wahrhaftigen außerhalb des Kopfes hinzugeben, anstatt sich nun für Ideale, Pläne und fixe Ideen herzugeben … Liebe, das ist der Mut zum Wunder in der Wirklichkeit und zu ganz neuen Erfahrungen. Aber da muss der gemeine Kopfmensch erst einmal wieder hin – raus aus dem Kopf, raus aus alten Denkmustern, Gedankenschleifen, Sorgen, Ängsten und Urteilen und rein ins Erleben und Fühlen.

Wir haben immer eine Wahl: Wir können weiter Verfechter kollektiver Meinungen, Vorstellungen, Wahrheiten, Paradigmen, Dogmen, Ideale, Normen, Gebote, Verbote, Stereotype und Schubladen bleiben, können weiter mit dem Strom mittreiben und versuchen, nach diesen Maßstäben oben zu bleiben – erfolgreich, liebenswert und normal –, oben im Strom, oben im Kopf! Wir können uns anpassen, mitmachen, uns selbst in Schubladen stecken und stecken lassen und darauf hoffen, dass wir darin auch den anderen gefallen und genügen und dass wir passende Lebensgefährten finden. All das steht uns frei! Aber wir können stattdessen auch abtauchen und uns den Gedankenströmen entziehen, zurück in die Wirklichkeit, die immer auf uns wartet, um ohne kollektive Filter neu entdeckt und erfahren zu werden. Nur hier finden wir die eigene Wahrheit, nur hier wartet auch das Wunder der Liebe auf uns.

Kein Mensch passt in eine Schublade! Niemand sollte einem Ideal entsprechen müssen, um liebenswert zu sein. Und obwohl wir das alle wissen, gelingt es uns oft nur schwer, diese alten, äußerst beschränkten Überzeugungen und Urteile darüber, wer wir und wer die anderen sind, loszulassen. Wenn wir aber frei sein und frei lieben wollen, müssen wir aus allen Schubladen herausspringen, in die man uns einst gesteckt hat. Und wir selbst müssen damit aufhören, Menschen abzuurteilen und einzusortieren. Wir müssen raus aus diesem ganzen Karteikastensystem. Erst dann entdecken wir unsere innere Größe, unsere grenzenlose Schönheit wieder und erst dann ist richtige Begegnung – Austausch und Berührung – mit anderen Menschen möglich.

Da war so viel Lärm in meinem Kopf früher, dass dieser Mensch, der ich gern sein wollte, das Wunder, das ich längst schon war, gar nicht mehr wirklich hören, sehen oder spüren konnte. Noch vor sechs Jahren ahnte ich nicht einmal, dass es einen Weg zurück zu mir selbst gab – und dass ich erst mich selbst wiederfinden musste, um anderen Menschen wirklich begegnen zu können.

Ich hätte nach diesem Weg zu meinem wahren Selbst auch nicht im Navigationssystem meines Autos gesucht. Ich kam damals überall an, nur eben nicht bei mir und im Frieden mit mir – und erst recht nicht in einer erfüllten Beziehung. Ich kannte die kürzeste Strecke zu McDonald’s und wusste die Adresse jeder Apotheke im Umkreis von fünfundzwanzig Kilometern. Und auch auf der Datenautobahn im Internet und im Dschungel der Dating-Apps war ich zielsicher unterwegs – irgendwohin, zu irgendjemandem, immer beschäftigt, so sehr, dass mir meine Orientierungslosigkeit gar nicht bewusst war. Ich kannte mich aus, aber ich fühlte mich immer mehr enttäuscht und wusste auch bald gar nicht mehr, wo ich überhaupt einmal ankommen könnte im Leben, um erfüllt zu sein. Nur auf die ganz große Liebe hoffte ich weiter – mit ihr würde bestimmt alles gut! Ich kam aber nirgends und bei niemandem wirklich an. Am Ende war ich schon froh, wenn ich wieder allein ins Bett fand, mein Kissen in den Arm nehmen und wenigstens schlafen konnte. Doch wenn die Seele müde ist, bringt bekanntlich aller Schlaf der Welt keine Erholung mehr. Und meine Seele war müde … meine Seele war einsam.

Egal wie hektisch ich herumirrte, langsam überholte mich das Leben: Fastfood und Speeddating füllten einfach meine innere Leere nicht, Tabletten waren kein Ausweg aus meinen Gedankenschleifen und keine Supercreme aus dem Supermarkt und keine meiner vielen Operationen machte mich schöner, liebenswerter, zufriedener und glücklicher …

Meine Lebenszeit tickte erbarmungslos herunter, ich hoffte und träumte viel – doch wer nur noch von der Hoffnung lebt, stirbt letztlich an Verzweiflung, mahnt ein spanisches Sprichwort. Stetige Unruhe trieb mich an, immer wieder: Hoffnung, dann Enttäuschung, Hoffnung, dann Enttäuschung. Dieses Leben machte mich müde, sehr müde … lebensmüde.

Wenn man das Wort Leben aber rückwärts liest, dann steht da Nebel! – Ich nehme also einmal an, dass eine gewisse Orientierungslosigkeit und Unklarheit zum Leben dazugehören. Alles braucht eben seine Zeit, auch das Begreifen, dass es leider irgendwann zu spät ist, um zu leben und zu lieben. Alles, was uns hier und jetzt offensteht, sind Möglichkeiten. Nutzen wir sie nicht, sind sie für immer verloren in dem, was niemals geschah. Am Ende müssen wir alles loslassen: unsere Erinnerungen, aber eben auch unsere Urteile und Wahrheiten sowie alles, was wir an materiellem Besitztum angehäuft haben – und was schlimmstenfalls in drei blauen Müllsäcken im Keller eines Pflegeheims landen und auf die Müllabfuhr warten wird.

Erinnerungen an Augenblicke aber, in denen wir uns ganz hingaben, die uns vollständig erfüllt und durchdrungen haben, die können wir dankbar loslassen. Und wo wir erst einmal dankbar für dieses Leben sind und erfüllt von Liebe, da ist auch jede Vergangenheit befriedet, die uns hierhin geführt hat, und jeder vermeintliche Fehler ist für alle Zukunft vergeben.

Ich dachte immer, ich wäre eine Ausnahme, wäre einfach zu blöd für die Liebe. Erzählten doch so viele Menschen fantastische Geschichten darüber, die mir aber einfach nicht passierten. Doch je älter ich wurde und je mehr Menschen ich näher kennenlernte, umso seltener schien dieses Wunder der wahren Liebe zwischen zwei Menschen wirklich geschehen zu sein. Der Weg zurück zu unserem wahrhaftigen Selbst und in erfüllte Liebesbeziehungen erfordert offenbar weitaus mehr Mut als erwartet – mehr Ehrlichkeit, Hingabe, Vertrauen, Leidenschaft und eine große Portion Neugier. Einige sind mit mehr Talent gesegnet, aber letztlich ist es trotzdem richtig harte Arbeit an sich selbst. Ganz wie ein Bildhauer müssen wir unseren zerbrechlichen Kern erst wieder freilegen – die Arbeit, die Hingabe und die Leidenschaft gehören zur Bildhauerei, wie sie zur Liebe gehören. Liebe ist weit mehr, als da am Ende oft strahlt und scheint, wenn sich zwei Menschen wirklich gefunden haben und beieinanderbleiben. Liebe hat auch nichts mit Glück, Veranlagung oder Schicksal zu tun, wie ich immer dachte, sondern damit, dass da zwei wirklich ihren eigenen Weg gehen und daran wachsen und bereit und offen genug werden füreinander und für so tiefe Gefühle, in denen man mit dem Kopf nicht mehr sicher ankern kann.

Wir dürfen uns entscheiden, ob wir uns unserem ganz individuellen Lebensweg mit allen seinen Höhen und Tiefen hingeben wollen, um uns selbst wieder zu entdecken, zu öffnen und um zu wachsen – oder ob wir weiter den ausgetretenen, kartografierten und vermeintlich sicheren Pfaden der anderen folgen und uns vor Überraschungen und vor dem Unvorstellbaren fürchten wollen. Aber nur dort passiert die Liebe! Und ist es nicht auch so, dass gerade die Erlebnisse, die einst unvorstellbar waren und völlig überraschend geschahen, zu unseren schönsten Erinnerungen zählen? Und versuchen wir oft nicht nur insgeheim, genau diese Momente planmäßig zu wiederholen? Das kann leider nicht funktionieren.

Wir sollten uns weniger sorgen und nicht mehr so viel denken und planen. Sicher ist ohnehin als Einziges, dass du jetzt hier auf dieser Welt bist und gerade diese Zeile liest. Eigentlich schon unvorstellbar genug, oder? In den nächsten Zeilen, Absätzen und Kapiteln möchte ich Mut machen, mehr zu wagen, mehr zu fühlen und mitzufühlen … um jetzt erfüllter leben und lieben zu können – um wieder mehr mit den eigenen Augen und dem eigenen Herzen zu sehen.

Wofür sonst wäre unser Leben gut?

Erster Teil

Irre sucht Irre

Womöglich und vielleicht,

oh Gott!, möglicherweise! –

bist du der Weg, der mich erreicht,

auf meiner irren Lebensreise!

Nichts als Theater

»Bist du wirklich bereit, die Konsequenzen zu tragen, Janice?

Dann ist das jetzt dein Weg – du weißt, du musst ihn früher

oder später sowieso gehen! Ich liebe dich, genau so, wie du bist –

gerade weil du so bist, wie du bist! Und du schaffst das!

Jetzt setze dich an die Tastatur und versuche, all das in Sätze

zu packen! Ich lasse dich auch endlich schreiben.«

Einhundertzwanzig Seiten hatte ich bereits in der vorigen Fassung dieses Buches getippt, einhundertzwanzig Seiten warteten noch darauf, von mir beschrieben zu werden. Bis zur Hälfte hatte ich es damit eigentlich geschafft, aber mir wurde klar, dass das Ende mich schaffen wird, wenn ich einfach so weiterschreibe wie bisher. Denn es fehlte etwas ganz Entscheidendes – die halbe Wahrheit zu Beginn reicht nicht aus, um zu einem glaubwürdigen Ende zu kommen. Ich musste noch mutiger werden und komplett von vorn beginnen – diesmal mit der ganzen Wahrheit darüber, wozu Liebe imstande ist. Der einzige Weg, über die Kraft der Liebe zu schreiben, bedeutete auch, dass ich meine einst größte Sorge hinter mir lassen und mich auch hier in diesem Buch noch weiter öffnen musste.

Ich habe alle Konsequenzen abgewogen, aber vor allem höre ich jetzt auf meinen Bauch. Da ist durchaus noch etwas Unruhe in mir, aber was die Welt über mich denkt, die mich nicht ernsthaft kennenlernen will, das hat mich viel zu lange im Leben – und erst recht in der Liebe! – unter Druck gesetzt und feige gemacht. Ich bin auch viel zu erschöpft von diesem Weg, weil ich immer alles richtig und jedem recht machen wollte. Vielleicht ist die Entscheidung, so offen zu schreiben, am Ende ein Fehler. Aber genau das ist eben nicht mehr wichtig, denn alle meine vermeintlichen Fehler haben mich doch erst zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin, der viel besser loslassen und sich hingeben kann, der wieder fühlt und mitfühlt und der Liebe und Nähe wieder zulassen kann. Wer weiß, was nach dem nächsten Fehler so alles passiert?

»Der Mensch ist am schönsten, wenn er sich hingibt«, sagte ein Freund einmal und eine Freundin fügte an: »Und er ist am hässlichsten, wenn er sich hergibt!« Um zu erkennen, wie tief ich lieben kann und wie liebenswert ich selbst bin, musste ich mit meinem Lockenkopf voller wirrer Gedanken und gegenteiliger Meinungen erst auf eine verrückte Lebensreise gehen. Und auf dieser Reise zurück zur eigenen Wahrheit galt es, den Mut zu haben, mich allen Erfahrungen in ihrer ganzen Tiefe hinzugeben, auch den nicht so schönen, den nicht so sicheren und den äußerst enttäuschenden. Entweder wir fühlen alles oder wir fühlen am Ende gar nichts mehr. Und was wir nicht fühlen wollen, das müssen wir mit viel Anstrengung wegdenken. Ich mag nicht mehr so viel denken, es macht nicht glücklich, nein, es hat mich eher krank gemacht. Und mit dem Kopf kann man nicht lieben …

Der Mensch ist am schönsten,

wenn er sich hingibt.

Und er ist am hässlichsten, wenn er sich hergibt!

Liebe. Wie lange ich doch hin- und hergerissen war zwischen Erwartung und Enttäuschung, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Sehnsucht und Kitsch. Ich hatte so viele Texte über die Liebe verfasst in meinem Leben, und doch versteckte sich in den oft ausufernden Zeilen immer etwas, das ich nicht auszusprechen wagte – etwas, nach dem ich mich noch sehnte, und etwas anderes, das mich zutiefst beschämte: Es war die erste Wahrheit, die ich verschwieg.

Ich log mich selbst und alle anderen viel zu lange an. So viel ich von dieser tiefen und wahrhaftigen Liebe zwischen zwei Menschen zu berichten hatte, so wenig hatte ich davon in Beziehungen und Partnerschaften, aber eben auch in Freundschaften wirklich erfahren. Leichte und fixe Gefühle, ja, Verliebtsein und Liebelei – klar! Aber nie zu tief und immer weniger. Statt Schmetterlingen im Bauch zunehmend Magenschmerzen – statt Sehnsucht und diesem Kribbeln im Körper leider nur Nesselsucht und Allergien. Niemanden hielt ich lange an meiner Hand und an meiner Seite aus, aber wenigstens das Handy hielt ich mir immer direkt vor die Nase.

Meine fantastischen Zeilen, die ich früher über die Liebe schrieb, fügten sich zu einem großen Teil auch aus dem zusammen, was ich von anderen über diese leidenschaftliche und unvergängliche Liebe gehört hatte, und aus dem, an das ich mich aus dem eigenen abenteuerlichen Liebesleben jedenfalls fragmentarisch erinnern konnte, dann, wenn ich allein nach einer Trennung wieder mit dem Kissen im Arm einschlief und niemanden mehr zum Lieben hatte. Immer ein neues Parfüm auf dem Bezug. Coco, Daisy, Deep Red, Issey Miyake, Cool Waters – so viele Düfte, so viele Namen, so viele Erinnerungen. Eigentlich ließ sich alles, was ich über die Liebe zwischen zwei Menschen aus eigener Erfahrung in den letzten Jahren zu berichten wusste, mit dem gleichen Wort zusammenfassen, mit dem sich auch mein ganzes Leben, und damit meine Art zu schreiben, ganz gut zusammenfassen ließ: Theater!

Und es war ein großes Theater, denn ich brauchte auch den großen Applaus. So episch meine Zeilen über die Liebe früher nämlich ausfielen, so wertlos und distanziert von anderen fühlte ich mich selbst oft. Ich konnte mich anderen Menschen nie ganz öffnen – meine Angst davor, verletzt zu werden, war größer als mein Mut. Meine Erfahrungen aus der Vergangenheit wogen schwerer als die Hoffnungen auf eine andere Zukunft. Ich verdiente doch überhaupt keine bedingungslose und erfüllte Liebe, dachte ich, wenn ich mich mal ganz nüchtern analysierte. Wer würde mich schon so lieben können, wie ich bin, und wen könnte ich schon so lieben, wie er ist! Auf der Suche nach wahrhaftigen Gefühlen verlor ich mich immer weiter in meinen Gedanken, aber fand mich immer weniger in Gefühlen von echter Geborgenheit, Dankbarkeit, Lust und tiefer Liebe wieder – stattdessen: Zweifel, Angst vor Konsequenzen, Eifersucht, Unsicherheit. Und alle Gedanken, aus denen man keine Gefühle macht, sind komplett umsonst gedacht.

Wenn aber in meinem Theater der Liebe wieder für ein paar Abende das Licht anging und der Applaus einsetzte, ja, dann konnte ich das alles für eine Weile jedenfalls wieder vergessen. Schöne Frauen, schöne Männer – wo ich da selbst so genau stand, das war lange unklar. Es lief mit der Liebe nicht wie im Märchen, nicht mal wie in den Boulevard-Magazinen und Frauenzeitschriften. Und dann trennten sich auch noch Angelina Jolie und Brad Pitt sowie Amber Heard und Johnny Depp mit einer Schlammschlacht um Sorgerechte und Misshandlungen. Die große Liebe – gab es sie überhaupt? Erwartete ich vielleicht einfach zu viel?

Das Wunder der Liebe, nach dem ich mich sehnte, war lange nur ein Produkt meiner Fantasie – was ich stattdessen erlebte, empfand ich als immer weniger wahrhaftig. Meine Vorstellung von Liebe entsprach dabei der Liebe der anderen. Von meiner Pubertät an multiplizierte sich diese Liebe aus den Texten kitschiger Liebesromane, aus sehnsuchtsschwangeren Bildern in Zeitschriften, aus beneidenswerten Liebesszenen aus Hollywood und aus den bittersüßen Strophen meiner Lieblingssongs. Wenn Annie Lennox und Eurythmics sich auf meinem Plattenspieler mit dreiunddreißig Umdrehungen pro Minute in ihrem Lied »Miracle of Love« um das Wunder der Liebe drehten und mir meine erste große Flamme vom BRAVO-Poster entgegenzwinkerte, war mein Glaube an dieses Wunder noch unerschütterlich.

Doch Posterboy David Hasselhoff hielt nicht mit seinem schwarzen Sportwagen vor meiner Haustür, er rettete mich einfach nicht! Und auch die anderen Posterboys und Postergirls holten mich nicht im Cabriolet ab, um mit mir dem Horizont der Leidenschaft entgegenzufahren. Es hupte kein Superstar im Cabrio, es klingelte nicht mal einer auf dem Fahrrad. Es geschah kein Hollywood-Wunder, mit dem ich freitags in der Dorfdisco angeben konnte.

Meine erste verbindliche und ganz unkomplizierte Seelenpartnerschaft ging ich mit etwa dreizehn im Jahre 1990 mit meinem Computer ein. Ab 1996 zogen wir zusammen ins Internet – dort konnte alles passieren, aber nichts musste. In der digitalen Welt drehte sich alles immer schneller als jeder Plattenteller um die Liebe, und vor allem drehte sich vieles um Sex. Millionen von Bildern, Artikeln, Zitaten und verheißungsvollen Versprechungen über die romantische Liebe und kochende Leidenschaft – und nur ein paar Jahre und Mausklicks später: die sozialen Netzwerke, Partnerschaftsbörsen und Dating-Apps, in denen sich meine Sehnsucht nach echten Menschen zu erfüllen schien. So viele verschiedene Profile, so viele Möglichkeiten der Begegnung. Mehr, mehr, mehr – und dem gab ich mich her. Das Einzige, dem ich mich aber wirklich ganz hingeben konnte, blieb das Internet, das meine Träume weiter fütterte und immer Erfüllung versprach. Mal liebte ich Taschen, die ich online bestellen konnte, dann Schuhe, dann einen Lippenstift und dann wieder einen Menschen aus irgendeiner Singlebörse für ein paar Wochen.

Auf wundersame Weise waren dann plötzlich meine Haare ergraut und hinter mir lagen mehr gescheiterte Beziehungen und Affären, als ich inzwischen Lebensjahre zählte. Zu »Miracle of Love« gab es jetzt sogar ein Musikvideo auf YouTube, Plattenspieler waren längst aus der Mode gekommen und Dorfdiscos hießen jetzt Tanzclubs.

Da David Hasselhoff nach dem Aus seiner Traumehe mit sich selbst und seiner Alkoholsucht beschäftigt gewesen war, hatte ich mich unterdessen mehr als zwei Jahrzehnte lang ohne ihn mit meiner Sehnsucht durchschlagen müssen. In jeder gescheiterten Beziehung wurden mir durchaus einige wunderbare Erlebnisse zuteil, die ich meiner Vorstellung von der perfekten Liebe hinzufügen konnte – am Anfang war doch immer alles Magie! –, und halb gelogen beim Schreiben war immerhin nicht ganz gelogen. Aber der Weg in die Wahrhaftigkeit der Liebe, zurück zu den Schmetterlingen im Bauch, die bleiben, und dem brüllenden Löwen im Herzen, der nicht gleich wieder müde wird – und damit zu ehrlicheren Texten über die Liebe –, das war ein langer Weg.

In jeder Begegnung wurde ich stets aufs Neue mit meinen Selbstzweifeln und einem großen Lebenskonflikt konfrontiert, der sich einfach nicht auflösen ließ.

Ich fand mich fast auch schon mit der Tatsache ab, dass es meinen Lebensmenschen vielleicht einfach nicht gab und ich endlich mit mir allein klarkommen und in ruhigeren Gewässern auf die vierzig zurudern müsste. Oder eben, dass ich mich mit irgendjemandem zu arrangieren hätte – ein bisschen geliebt ist womöglich doch besser als gar nicht geliebt, oder? Ich müsste halt Prioritäten setzen: entweder Sex oder Freundschaft oder Zärtlichkeit oder materielle Sicherheiten oder kluge Gespräche. Oder, oder, oder. Aber viel zu wenig und!

Dafür hatte ich endlich mit anderen Dingen Erfolg. Ich verwirklichte einige große Lebensträume, besiegte meine schweren Depressionen und Existenzängste und ein Karriere-Highlight jagte das nächste. Was für ein berauschendes Leben! Spätestens mit der Atlantiküberquerung im Ruderboot 2012, also mit fünfunddreißig Jahren, geriet mein Leben endlich auf vielen Ebenen in Fluss. Aber diese Liebe, von der ich und die halbe Welt redeten, schrieben und sangen, die hatte ich nicht gefunden, weder in einer Frau noch in einem Mann – und erst recht nicht in mir selbst. Spannende Abenteuer hatte ich erlebt, sicher. Und auch mehr oder weniger stabile Partnerschaften waren dabei, eine hielt sogar über zehn Jahre lang. Aber diese alles verzehrende Leidenschaft ohne Ablaufdatum und diesen Frieden und Halt in der Geborgenheit, ohne Zweifel und Ängste und ganz ohne mein Theater, dieses in allen Sprachen besungene Wunder der Liebe – Fehlanzeige!

In Partnerschaften fand ich eine gewisse Erdung, Sicherheit und Stabilität, und anderen Menschen hätte das wohl mehr als nur gereicht. Aber ich sehnte mich nach kosmischer Spannung und gleichzeitig nach himmlischer Harmonie und vor allem nach diesem Gefühl von ankommen, von endlich zu Hause sein.

Wenn es in längeren Partnerschaften dann doch spannend blieb, handelte es sich eher um toxische und destruktive Beziehungen, ein Tanz auf dem Vulkan – eine Liebe am Kraterrand zwischen explosiven Konflikten und totaler Verschmelzung –, impulsive Ausbrüche, Abhängigkeiten, Süchte und Verlustängste hielten die Beziehungen am Kochen. Aber mit erfüllter Liebe hatte auch das eher wenig zu tun.

Ganz irdische und friedliche Beziehungen hingegen, mit den üblichen Alltagsproblemen, machten mir auf der anderen Seite auch Angst vor zu viel Normalität und Langeweile. Ich hatte vorwiegend Kurzbeziehungen, da entflammte ich meist in Windeseile, erlosch aber ebenso schnell wieder. Irgendetwas fehlte immer, anderes war stattdessen zu viel – aber nichts war mir jemals genug. Ich gab mich her und holte mir überall Bestätigung ab, aber zweifelte beharrlich weiter an mir selbst. Mit dem Alter wurde das mit den Selbstzweifeln natürlich auch nicht besser, im Gegenteil: Bauch zu dick, Beine zu kurz und mein ständiges Herumanalysieren und Selbstoptimieren, das nirgendwohin führte. Es gab kein für immer! und es wurde erst einmal immer nur schlimmer. Mit Menschen schien ich einfach Verbindungsprobleme zu haben, wenn es zu nah wurde – aber das Handy war immer online und verbunden, da fand sich bei Bedarf schnell Ersatz in der Ferne. Grausam. Ich spielte »Menschen-Tetris«, wie es meine beste Freundin damals passend auf den Punkt brachte. Und irgendwann gingen die Reihen nicht mehr richtig weg bei diesem Spiel, GAME OVER. Eigentlich wollte ich nie jemandem wehtun – ich versuchte immer, ehrlich und nett zu sein, ich wollte doch wirklich nur … alles! – Aber eben nur alles Schöne! Statt eines lächelnden David Hasselhoffs hing inzwischen ein schallend lachender Charles Bukowski an meiner Wand, der mir ein Zitat zuprostete: »Find what you love and then let it kill you.« Allein schon die Suche nach dem, was ich liebe, brachte mich fast um, so schien es.

Ich schrieb und veröffentlichte weiter meine Geschichten und Gedichte über Hingabe, Vertrauen, Frieden, Leidenschaft und konstruierte ausufernde Zeilen über die Liebe zwischen zwei Menschen. Das Einzige, was ich mein Leben lang neben dem Internet und meiner Suche nach Erleuchtung obsessiv, leidenschaftlich und treu gehassliebt habe, ist das Schreiben selbst. Aber Bücher küssen leider genauso schlecht wie Laptops und Handys. Wenn meine Leser wenigstens applaudierten und mein Ego streichelten, war es durchaus mal eine Weile wieder zahm, dieses große Ego, und über beide Ohren verliebt in sich selbst. Eine kurze Affäre mit dem eigenen Erfolg, eine Erfolgsromanze. Bravo! Blieben die Bestätigungen jedoch aus, dann stand ich wieder vorm Spiegel und stand mir auf meinem Weg selbst im Weg.

Wer dafür lebt, dass die anderen ihn mögen,

wird sich immer vor ihrer Ablehnung fürchten müssen,

auch wenn sie ausbleibt. Er verliert sich selbst,

wenn er ausgegrenzt wird. Er macht ihre Stimmen

zur eigenen Stimme im Kopf und ist immer

auf Bestätigung angewiesen.

Solange nach Erfolgserlebnissen die Glückshormone im Blut tanzten, war alles in Ordnung – blieben die Endorphine aber aus, machte ich schnell wieder Schluss mit mir selbst und mit allen anderen.

Ich kam klar. Dachte ich jedenfalls. Auch mein alter Schwarm David Hasselhoff kam langsam wieder auf die Beine und mimte jetzt den großen Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen. Das klang zwar eher nach Karriereende, also nicht mehr nach einem Leben auf der Überholspur. Noch hatte David nicht sein ganzes Leben in den Sand gesetzt, aber als smarter Rettungsschwimmer an den Sandstränden von Malibu würde er keine besonders gute Figur mehr machen. Und wenn ich das frühere Bikini-Girl an seiner Seite, Pamela Anderson, inzwischen so sah, schwante mir langsam, was auf mich mit dem Alter noch zukommen würde.

Nein, das alles klingt nicht nach einer liebevollen Beziehung zu mir selbst und zu anderen. Und so war es mehr als irrwitzig, dass ich mir vor fünfzehn Monaten zutraute, ein ganzes und authentisches Buch über die Liebe zu schreiben. Was wusste ich damals schon, als ich die Möglichkeit dazu bekam und den Buchvertrag unterzeichnete? Ich wusste vieles, aber nicht unbedingt viel über die Liebe. Ich kannte mein Theater und meine Kompromisse. Ich hatte mich komplett in meiner Rolle verloren und nahm fälschlicherweise an, aus diesem Theater würde sich mit Wortakrobatik und Recherche schon ein Werk über die Liebe verfassen lassen. Ich hatte einiges erlebt, so manches reflektiert, viel gelesen und theoretisch verstanden – dann würde ich hier und dort den Text eben noch mit Zitaten von Goethe, Shakespeare und Atticus würzen – eine gute Prise Humor dazu, wo der Mut zur Wahrheit fehlt – alles gut durchschütteln und kalt servieren – und fertig wäre das nächste Buch.

Aber so sollte es eben nicht kommen.

Gelegenheit macht  Liebe

Am Abend vor der Vertragsunterzeichnung für dieses Buch stieß ich in einem Hotelmagazin auf ein Zitat des Multimilliardärs Richard Branson: »Wird Ihnen eine tolle Chance angeboten, Sie sind sich aber nicht sicher, ob Sie das schaffen – sagen Sie dazu einfach ›ja!‹ und lernen Sie danach, wie man es schafft.«1 Vielleicht entsteht der Weg tatsächlich erst im Gehen, wenn man ein konkretes Ziel vor Augen hat, so wie ein Buch über die Liebe etwa, und man nicht nur einer Fata Morgana nachjagt, einer theoretischen Vorstellung von Liebe.

Meine innere Stimme hatte zu lange geflüstert: Schreib endlich ein Buch über die Liebe! Schluss mit der Flucht um den Globus, Schluss mit der Suche nach Gott und der Erleuchtung – finde erst einmal deinen Nächsten wieder! Vielleicht wusste ich doch mehr über die Liebe, als ich ahnte – womöglich wartete das Wesentliche im Dunkeln hinter den Gedanken nur darauf, wiederentdeckt zu werden, und letztlich blieb mir noch mindestens ein Jahr lang Zeit für eine erleuchtende neue Liebeserfahrung.

Die Karriere schien jedenfalls vorerst in trockenen Tüchern, so hätte es noch eine Weile weiterlaufen können, doch das Schicksal hatte es eilig und schlug zu. Umgehend. Mit der Axt! Gleich zwei Mal! Über diese beiden Schicksalsschläge – über zwei besondere Begegnungen in meinem Leben, die mich wieder geöffnet haben – werde ich an anderer Stelle in diesem Buch etwas mehr schreiben. Weil sie wie ein Brennglas mein eigentliches Problem mit Nähe und Liebe vergrößerten und endlich das sichtbar machten, was ich vorher einfach nicht erkennen konnte.

Alles ist offen jetzt, ich bin eine einzige Wunde geworden. Und es ist gut so. Sonst wäre das Buch in dieser Form nie entstanden. »Wenn du liebst, leidest du. Wenn du nicht liebst, wirst du krank.«