Liebe und andere Irrtümer - Heike Steinbrenner - E-Book

Liebe und andere Irrtümer E-Book

Heike Steinbrenner

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Beschreibung

Kurzgeschichten, Fabeln und Märchen rund um das Thema Liebe, Leidenschaft und Glück Ein Hund, der die Zuneigung seines Herren verliert und sich für seine Dresseurin vollkommen aufgibt, ein Prinz, dem seine Leidenschaft für Feuer zum Verhängnis wird, eine schrullige 70jährige, die die Avancen ihres hartnäckigen Verehrers satt hat... die Protagonisten in diesem wunderbar abwechslungsreichen Sammelband führen den Leser in die Abgründe menschlicher Leidenschaften, Obsessionen und Lebensfragen. Ein unterhaltsames Lesevergnügen, das in die Tiefe geht.

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Kurzgeschichten, Fabeln und Märchen rund um das Thema Liebe, Glück und Schicksal

INHALTSVERZEICHNIS

Der Herr und sein Hund

Prinz Feuer

Ediths Glück

Die Traumfängerin

Der Bäcker und sein Meisterstück

Der Verehrer

Hannahs Testament

Der neue Nachbar

Der Herr und sein Hund

Es war einmal ein Hund, der gehörte einem Mann, der in einem schönen Haus mit einem großen Garten lebte. Der Hund hatte viele Freiheiten und ein gutes Leben. Er genoss es, in dem schönen Haus zu wohnen und in dem großen Garten herum zu toben. Abends, wenn der Mann von der Arbeit nach Hause kam, spielten die beiden miteinander. Wenn der Hund seinen Kopf auf den Schoß seines Besitzers legte, kraulte ihn der Mann liebevoll. Kam er wild mit dem Schwanz wedelnd mit einem Stöckchen an, warf es sein Herrchen lachend durch die Lüfte, und der Hund apportierte es freudig und legte es ihm vor die Füße. Lange Zeit wurden die beiden nicht müde dieses Spiel zu spielen. Doch das Herrchen wurde älter, und der Hund auch. Mit der Zeit hatten die beiden immer weniger Freude am Apportieren. Auch ihre gemeinsamen Spaziergänge wurden immer seltener. Oft war der Herr müde von der Arbeit und hatte Abends keine Lust mehr, mit dem Hund spazieren zu gehen. Und auch der Hund fand die Wege, die sie früher zusammen gelaufen waren, zunehmend langweilig, da er schon jeden Winkel in- und auswendig kannte. Selten fand er einen neuen, interessanten Geruch, wenn sie nun gemeinsam nach draußen gingen. Beide, sowohl der Hund als auch sein Herr spürten, dass sich etwas verändert hatte, und sie waren traurig darüber.

Einige Male versuchten sie neue Wege zu erkunden. Der Mann lud den Hund ins Auto, und sie fuhren in den Wald oder an den See. Dann waren Hund und Herrchen gleichermaßen aufgeregt. Doch irgendwann ließ auch das nach. Und nachdem der Hund eines Tages fast beim Schwimmen im See ertrunken wäre, ließen sie ihre gemeinsamen Ausflüge wieder sein.

Immer öfter streunte der Hund alleine durch den großen Garten und sehnte sich nach einem Gefährten zum Spielen. Von den Nachbargrundstücken hörte er andere Hunde bellen und herum toben und er fragte sich, ob es dort mehr Freude gab? So wurde seine Sehnsucht nach Geselligkeit und Abenteuer immer größer, und die Kluft zwischen Hund und Herr immer tiefer. War der Hund früher aufgeregt mit der Leine im Maul seinem Besitzer entgegen gesprungen, wenn es Zeit für den Spaziergang war, hob er nun nur noch müde den Kopf, wenn er den Schlüssel in der Haustür hörte. Auch bei seinem Besitzer hatte sich etwas verändert. Immer unwilliger kam er seinen Pflichten dem Hund gegenüber nach. Zwar fütterte er ihn regelmäßig, doch er war so müde und erschöpft von seiner Arbeit, dass er die Spaziergänge auf ein Minimum beschränkte. Er dachte, der große Garten würde dem Hund genügend Auslauf bieten. Da ihm die Freude und die Abwechslung, die er anfangs mit dem Hund gehabt hatte, jedoch fehlten, suchte er sich ein neues Hobby. So fing er an, den Garten zu bepflanzen und steckte einige Beete ab, die der Hund nun nicht mehr betreten durfte.

Der Hund konnte nicht verstehen, dass es nun Teile in seinem einstigen Reich gab, die für ihn tabu waren und er litt darunter, dass er nun noch weniger Beachtung bekam. Deshalb versuchte er, die Aufmerksamkeit seines Herren mit allerlei Einfallsreichtum auf sich zu lenken. Er machte Männchen, gab Pfote und wartete jeden Morgen mit der Zeitung in der Schnauze auf ein Lob. Vergebens. Es schien, als ob er Luft für seinen Besitzer geworden wäre. Selbst wenn er im Garten wild vor diesem auf und ab hüpfte, erntete er allenfalls ein müdes Lächeln. Dafür war sein Herr umso mehr vertieft in seine Arbeit als Gärtner. Mit Hingabe und Freude bearbeitete er die Beete, steckte winzige Körner und Setzlinge in den Boden, harkte, wässerte und scharrte auf Knien rutschend in der dunklen Erde herum. Resigniert beobachtete der Hund von seinem Platz unter dem großen Kirschbaum aus seinen Herrn beim Schaffen.

Eines Tages hörte er von draußen lautes Gebell. Mit einem Satz sprang er auf und rannte zum Zaun. Doch er konnte durch das Dickicht der Sträucher nicht erkennen, was auf der Straße vor sich ging und von wem das Bellen kam. Es war eine schöne, klare Stimme, so vielversprechend, dass sein Herz raste. Schnell rannte er ins Haus, nahm die Leine ins Maul und eilte zu seinem Herren in den Garten, wo dieser mit einem neuen Blumenbeet beschäftigt war. Schwanzwedelnd legte der Hund die Leine vor dem Beet ab und gab mit aufgeregtem Bellen kund, dass er nach draußen wollte.

Doch der Herr hob nur kurz den Blick und sagte:

„Jetzt nicht. Ich habe zu tun.“

Daraufhin widmete er sich wieder ganz seinem Beet. Doch der Hund schien die Anweisung seines Herren nicht gehört zu haben, denn er wurde zunehmend aufgeregter und rannte nun laut japsend um seinen Herrn herum. Dabei trampelte er ins Gartenbeet und trat einige der frisch gepflanzten Setzlinge um. Da wurde der Herr wütend und schimpfte den Hund, den das wenig juckte. Ungestüm fuhr er fort, um die Beine seines Herren herum zu wuseln, so dass dieser schließlich stolperte und hinfiel. Doch das genügte noch immer nicht, um den Hund zur Raison zu bringen und so sprang er schließlich auf seinen Herren los, um ihn zum Aufstehen zu bewegen.

War es ein Missverständnis? Hatte der Herr geglaubt, der Hund wollte auf ihn losgehen? Urplötzlich entlud sich eine Welle des Zorns über dem Tier. Fäuste, die er sonst als wohlwollende, nährende Hände gekannt hatte, donnerten unkontrolliert auf ihn nieder. Beim ersten Hieb, der ihn traf, jaulte der Hund auf. Es folgten weitere, schmerzhafte Schläge. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Denn wie von unsichtbarer Hand getragen, schwebte der Hund aus seinem Körper heraus und blickte nun von oberhalb des Kirschbaums aus auf die Szene herab, unfähig Schmerz oder irgendetwas anderes zu empfinden. Er sah einen Mann, der auf einen Hund einschlug und ein am Boden liegendes Stück Fell, das sich nicht rührte. Ringsum weder Vögel noch sonst ein Lebewesen, sondern ausnahmslose Stille. Dann, irgendwann, ließ der Mann von dem Hund ab. Erschöpft. Geschockt. Er sank auf die Knie und begann zu weinen. Krämpfe schüttelten ihn. Der Abend kam.

Am nächsten Morgen holte der Mann seine Gartengeräte aus dem Schuppen und begab sich damit zu dem zerstörten Blumenbeet. Sorgsam entfernte er die kaputten Setzlinge, rechte den Boden und grub in regelmäßigen Abständen Löcher. In diese setzte er neue Pflanzen, die er sorgfältig wässerte. Nachdem er so das Beet Stück für Stück wieder in Ordnung gebracht hatte, fühlte er sich mit dem Hund versöhnt. Er ging ins Haus, füllte den Fressnapf und rief nach ihm. Doch es rührte sich nichts. Also lief der Mann durch das Haus und suchte den Vierbeiner. Er fand ihn hinter dem Sofa zusammen gerollt, die Augen angstvoll auf ihn gerichtet. Versöhnlich hielt er ihm den Napf vor die Nase und sagte:

„Nun komm schon raus und friss, du dummer Hund. Ich habe etwas Gutes für dich.“

Als er die Hand hob, um den Hund zu streicheln, zuckte der Hund zusammen. Da legte der Mann seine Hand ganz sanft auf seinen alten Freund und redete ihm gut zu, und der Hund kauerte sich zu Füßen seines Herren, wie er es gewohnt war und ließ sich streicheln. Es waren dieselben Hände, die ihn am Tag zuvor das Fürchten gelehrt hatten. Nur heute waren sie sanft, einschmeichelnd und versöhnlich. Der Hund schloss die Augen.

In den nächsten Tagen widmete der Herr seinem Hund wieder mehr Zeit. Er füllte den Napf mit besonderen Leckereien und machte ausgedehnte Spaziergänge mit ihm. Eines Morgens trafen die beiden auf eine elegant gekleidete, hochgewachsene Frau, die zwei edle Terrier an der Leine führte. Sofort rannte der Hund auf die fremden Hunde zu und beschnüffelte sie. Die Frau beugte sich zu dem Hund herab und streichelte ihm liebevoll das Fell. Dabei rief sie Freudestrahlend:

„Was für ein schöner, intelligenter Hund du bist! Und wie weich dein Fell ist! Dein Herr hat großes Glück mit dir!“

Der Hund verstand die Worte der Frau nicht, doch er spürte, dass sie ihn mochte. Freudig sprang er vor ihr auf und ab. Schließlich suchte er ein Stöckchen, mit dem er der Dame erwartungsvoll entgegen trat. Die Frau, welche die Hundesprache sehr gut verstand, nahm ihm den Stock aus dem Maul und warf ihn in hohem Bogen durch die Lüfte. Mit Eifer sprang der Hund los, dem Wurfobjekt hinterher. Stolz lieferte er es bei der Dame ab, bereit, erneut los zu toben. Die Frau warf den Stock noch einige Male, doch die Terrier wurden immer unruhiger und zogen an der Leine. Einige Male ermahnte sie die beiden, doch mit einem Mal sagte sie entschieden „Schluss“ und legte den Stock auf den Boden. Das Spiel war zu Ende, und die Dame wandte sich zum Gehen. Der Blick des Hundes folgte ihr.

Von diesem Tag an träumte der Hund davon, der Frau wieder zu begegnen. Stundenlang lag er unter dem Kirschbaum und gab keinen Laut von sich. Kam sein Herrchen in den Garten, hob er träge den Kopf. Sah er keine Leine, sank er zurück auf die Vorderpfoten und schloss die Augen. An anderen Tagen beobachtete er seinen Herrn bei der Gartenarbeit. Er fand es nun nicht mehr so schlimm, dass sein Besitzer nur wenig Zeit für ihn hatte. Vielmehr lief er, wenn er Geräusche auf der Straße hörte, aufgeregt am Gartenzaun auf und ab, in der Hoffnung, dass die Frau mit den Terriern vorbei kommen würde.

Und tatsächlich, eines Abends erkannte er an dem lauten Bellen die Stimme eines der Tiere. Aufgeregt sprang er von seinem schattigen Lieblingsplatz unter dem Kirschbaum auf und bekundete lautstark seine Anwesenheit. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Denn tatsächlich tauchte kurz darauf der Kopf der Frau hinter dem Zaun auf. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie den Hund erkannte. Von dem Gebell der Tiere aufmerksam geworden, kam auch der Besitzer des Hundes dazu und bat den Besuch herein. Die Dame betrat den Garten und sah sich aufmerksam um. Die beiden Terrier folgten ihr und fingen sofort an, ihre Umgebung zu beschnüffeln.

Der Hund war außer sich vor Freude. Laut bellend lief er vor der Dame auf und ab und wedelte mit dem Schwanz. Die Dame lachte, beugte sich über ihn und strubbelte ihm durchs Fell. Das war zu viel für den Hund. Er ließ sich auf den Rücken fallen, wo er reglos verharrte. Und tatsächlich ließ sie sich auf die Knie sinken und kam zu ihm herab. Nun fühlte der Hund ihre warme, fürsorgliche Hand auf seinem Bauch und noch tiefer: in seinem Gedärm, das entspannt gluckerte, in seinem Magen, in seinem Herzen, ja in seinem ganzen Körper. Ein wohliger Schauer erfasste ihn, ein Zucken, das ihn ganz entspannt, ja fast schon entrückt sein ließ in eine andere, eine himmlische Welt. Der Hund schwebte.

Doch dieser Zustand endete jäh, als die beiden Terrier angestürmt kamen und bedrohlich knurrten.

„Still!“, mahnte die Dame und erhob sich. Augenblicklich verstummten die beiden und legten sich ihr winselnd zu Füßen.

„Donnerwetter! Die sind ja gut erzogen“, mischte sich der Herr nun ein.

Die Frau schmunzelte.

„Das müssen sie auch sein. Denn ich bin Tierbändigerin. Das Dressieren ist mein Beruf, und ich bin gut darin“, entgegnete sie.

Anerkennend zog der Herr die Brauen hoch: „Das trifft sich gut. Vielleicht können Sie mir ein paar Ratschläge geben. Ich habe nämlich in letzter Zeit Probleme mit meinem Hund.“

„Erzählen Sie!“, sagte die Frau.

„Gehen wir nach drinnen“, meinte der Herr und machte eine einladende Geste in Richtung Haus. Die Dame nickte und gab ihren Terriern Anweisung, im Garten zu warten. Dann verschwanden die beiden nach drinnen.

Der Hund beobachtete die Szene ohne recht zu wissen, was vor sich ging. Erst als sich die Tür hinter seinem Herren und der schönen Dame schloss und er mit den beiden Terriern im Garten zurück blieb, wurde ihm bewusst, wo er sich befand. Und dass sie drinnen waren und er draußen. Noch immer klopfte im das Herz bis zum Hals, und die seltsame Aufregung, welche die Berührungen der Dame in ihm ausgelöst hatten, verwirrte seine Sinne. Deshalb kümmerte er sich auch nicht um die beiden Terrier, die nun begannen, den Garten zu erkunden und an einigen Stellen ihre Markierungen hinterließen. Wie angewurzelt blieb er vor der Tür sitzen und wartete.

So saß er lange Zeit mit verklärtem Blick. Äußerlich wirkte er ruhig, innerlich vibrierte etwas in ihm, eine freudige Erwartung und die Hoffnung auf, ja, auf was? - War es das Wissen, dass die schöne, freundliche Dame irgendwann wieder durch die Tür nach draußen kommen würde? War es die Aussicht darauf, dass sie ihm erneut mit der Hand durchs Fell streichen würde? Seine Verwirrung und Aufgewühltheit ließen ihn ausharren und alles um ihn herum vergessen. In der Zwischenzeit hatten die beiden Terrier den Garten ausgiebig mit ihren Duftstoffen markiert. Nun kamen sie neugierig näher und beschnüffelten ihn von allen Seiten. Eine stille Aggression ging von ihnen aus, und der Hund ging in Habachtstellung. Die Augen der Terrier blitzten bedrohlich.

„Bilde dir bloß nichts ein“, sagten sie. „Wenn du unserem Frauchen zu nahe kommst, zerfleischen wir dich!“

Die Drohung war unmissverständlich. Doch der Hund fühlte sich mächtig. Er fühlte sich unbesiegbar. Die Dame hatte ihn ausgewählt. Ihn hatte sie angelächelt. Ihm hatte sie ihre Aufmerksamkeit geschenkt, ihm hatte sie das Fell gekrault und ihn hatte sie im Innersten bewegt. Was wussten die dummen Terrier davon? Er spürte eine enorme Kraft in sich aufsteigen und richtete sich zu voller Größe auf. Ein dunkles Knurren entstieg seiner Kehle, ein Knurren, das aus seinem tiefsten Inneren zu kommen schien, aus der Dunkelheit seiner Magengrube, aus der Kraft seiner Eingeweide, der Energie seiner Leber, dem Lebensspeicher seiner Knochen. Augenblicklich zogen die Terrier die Schwänze ein und neigten sich devot zu Boden. Der Hund triumphierte. Für den Augenblick war er der Sieger.

Eine gefühlte Ewigkeit später öffnete sich die Haustür tatsächlich, und sein Herr trat mit der Dame heraus. Sofort wurden die beiden umringt von den drei Hunden, die um ihre Gunst buhlten. Enttäuscht registrierte der Hund, dass die Dame ihm zwar freundlich zulächelte, sich aber sogleich ihren beiden Terriern zuwandte und sie an die Leine nahm. Sein Herr hielt ihm einen Leckerbissen hin.

„Hier, für dich, mein Braver,“ lobte er.

Der Hund wusste nicht, wofür er belohnt wurde. Doch er öffnete widerstandslos das Maul und nahm die milde Gabe entgegen. Die beiden Hundebesitzer wechselten einen verständigenden Blick.

„Danke für Ihren Rat“, sagte der Herr.

Die Dame nickte und wandte sich zum Gehen. Schon wollte sich der Hund enttäuscht auf seinen Platz unter dem Kirschbaum zurückziehen, als sie sich noch einmal umdrehte und dem Hund mit einem strahlenden Lächeln zurief:

„Auf Wiedersehen, mein Hübscher. Wir sehen uns bald wieder!“

Diese Verheißung, die der Hund zwar nicht in Worten, wohl aber mit dem Herzen verstand, löste eine Sturmflut bei dem Tier aus. Alle Dämme brachen. Aufgeregt stürmte er auf die Dame zu, die abwehrend die Hände vor sich hielt und „nicht so stürmisch!“ rief, ihm aber dennoch die ersehnten Berührungen schenkte, so dass dem Hund ein wohliger Schauer durch den ganzen Körper lief. In seinem Kopf erschien eine Stimme, und diese Stimme sagte:

„Sie ist dein. Du bist ihr Hund. Folge ihr.“

Von da an war es um den Hund geschehen.

Tagaus, tagein wartete der Hund nun auf das Erscheinen der eleganten Dame. Sein Herr konnte sich in Ruhe seinen Pflanzen widmen, während der Hund scheinbar zufrieden unter dem Kirschbaum lag. Äußerlich ruhig, innerlich in Alarmbereitschaft, verharrte er so von morgens bis abends auf seinem angestammten Platz und träumte von einem anderen, einem erfüllteren Leben an der Seite der schönen Dame. Er stellte sich vor, wie sie zurück kam und ihn mit zu sich nach Hause nahm. Er sah sich neben ihr beim Spazieren gehen, weit hinten von den beiden Terriern gefolgt. Er spürte ihre warme Hand wohlig auf seinem Bauch, er sah ihr durchdringendes Lächeln, das allein ihm galt. In seiner Fantasie lag er abends vor ihrem Bett, wenn sie einschlief. Und er war da, wenn sie morgens erwachte. Sie schenkte ihm ihre Aufmerksamkeit, all ihre Zuneigung und Liebe. Es war das Paradies. Wenn er so dalag und vor sich hin träumte, entfuhr ihm ab und zu ein tiefer Seufzer, den sein Herr zu Recht als Wohlbefinden deutete, so dass sie nun beide in ihrer Lethargie zufrieden waren: Herr und Hund.

Nach einigen Tagen, die sie so im Garten verbracht hatten ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen, stand überraschend sein Herr mit der Leine vor dem Hund, bereit auszugehen. Das Tier hob müde den Kopf und machte keine Anstalten aufzustehen.

„Na, komm schon!“, rief der Herr. „Beweg dich. Ich habe eine Überraschung für dich.“

Widerstandslos erhob sich der Hund und ließ sich anleinen. Mit hängendem Kopf trottete er seinem Herrn hinterher. Nachdem sie einige Straßen durchquert hatten, fiel ihm auf, dass er den Weg, den sie heute nahmen, noch nicht kannte. Das weckte seine Sinne. Aufmerksam blickte er sich um und streckte die Nase in die Luft. Eine Hoffnung keimte in ihm auf, eine Hoffnung, die nicht enttäuscht wurde. Denn nach einigen weiteren Straßenzügen witterte er einen Geruch, der ihm bekannt war: den Geruch der beiden Terrier der schönen Dame.

Freudig erregt beschleunigte er seine Schritte und bellte laut.

„Still!“, mahnte sein Herr. „Wir sind gleich da.“

Und richtig, nach einigen Metern standen sie vor einem großen Grundstück mit einem kleinen, gemütlich wirkenden Haus, das sich mit seiner dunkelblauen Farbe und den hübschen Fensterläden deutlich von den modernen Häusern in der Gegend unterschied. Auf der Terrasse lagen die beiden Terrier, die sich nun laut bellend erhoben. Einen Augenblick später trat ihre Besitzerin heraus und ermahnte die beiden, die wie immer sofort gehorchten. Als die Dame den Hund und seinen Herrn erkannte, hellte sich ihr Gesicht auf, und sie lief den beiden entgegen und bat sie in den Garten. Das Herz des Hundes schlug ihm bis zum Hals. Während ihn die beiden Terrier aus einigem Abstand aufmerksam beobachten, hatte er nur Augen für die schöne Dame.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, mein Hund ist verliebt“, witzelte der Herr.