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Amelie Winter

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Beschreibung

Prickelnde Irland-Romanze zum Mitfiebern und Genießen! Kate ist klug, erfolgreich und immer vernünftig. Aber als sie kurz vor ihrer Hochzeit kalte Füße kriegt und ihre langjährige Beziehung in den Sand setzt, muss sie sich eingestehen, versagt zu haben. Ausnahmsweise schaut sie tief ins Glas, um ihren Frust zu überwinden. Wie gut, dass ihr bester Freund Craig in einem Pub Bier ausschenkt und immer ein offenes Ohr für Kates Probleme hat. Mit Craig ist sie aufgewachsen, aber nie ist sie mit ihm ausgegangen. Ein Mann wie Craig passt nicht zu ihr: zu gut aussehend, tätowiert, sorglos – und ein echter Frauenmagnet. Doch selbst Kate kann auf Dauer seinem Charme nicht widerstehen, zumal sie große Lust hat, etwas Verbotenes zu tun.   Eine leidenschaftliche Lovestory nimmt ihren Anfang. Nur wer traut sich zuerst, »Ich liebe dich« zu sagen?   Bei dem vorliegenden Roman handelt es sich um Teil drei der Erfolgsreihe »Liebesglück in Irland«. Die einzelnen Bände sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

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LIEBESGLÜCK UND HERZFLATTERN

ROMANTISCHE KOMÖDIE

AMELIE WINTER

BUCHBESCHREIBUNG

Kate ist klug, erfolgreich und immer vernünftig. Aber als sie kurz vor ihrer Hochzeit kalte Füße kriegt und ihre langjährige Beziehung in den Sand setzt, muss sie sich eingestehen, versagt zu haben. Ausnahmsweise schaut sie tief ins Glas, um ihren Frust zu überwinden. Wie gut, dass ihr bester Freund Craig in einem Pub Bier ausschenkt und immer ein offenes Ohr für Kates Probleme hat. Mit Craig ist sie aufgewachsen, aber nie ist sie mit ihm ausgegangen. Ein Mann wie Craig passt nicht zu ihr: zu gut aussehend, tätowiert, sorglos – und ein echter Frauenmagnet. Doch selbst Kate kann auf Dauer seinem Charme nicht widerstehen, zumal sie große Lust hat, etwas Verbotenes zu tun.

Eine leidenschaftliche Lovestory nimmt ihren Anfang. Nur wer traut sich zuerst, »Ich liebe dich« zu sagen?

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Über die Autorin

Bücher von Amelie Winter

1

»Er flirtet mal wieder.«

Kate saß mit ihrem Bruder am Tresen im The Loophole und beobachtete Craig.

»Wer?« Brandon guckte über seine Schulter zurück.

Kate seufzte. »Wer wohl?«

Das Pub gehörte Craigs Mutter. Hier hielten sie sich regelmäßig auf. Heute war alles grün. Sie feierten St. Patrick’s Day. Eine Menge Leute aus aller Welt waren da. Nach dem großen Festival ließen sie den Abend in einem der vielen Pubs ausklingen. Im Radio spielten sie einen Song von The Dubliners. Im The Loophole wurde schon seit über hundert Jahren Bier ausgeschenkt. Es war eines der ältesten Pubs in Cork City. Bestimmt auch eins der charmantesten! Kate liebte die dunklen Tische, den Boden im Schachbrettmuster und die tief hängenden Leuchten, die ein oranges Licht verströmten.

Genüsslich nippte sie an ihrem Guinness. Wie viele Pints hatten Craig und seine Mom heute schon ausgeschenkt? Wenn das so weiterging, würde später auch Brandon einspringen und Bier zapfen. Kate sollte vorher schnell abhauen, sonst würde Craig sogar sie noch einspannen! Letztes Jahr hatten sie am Ende alle hinter den Zapfhähnen gestanden und ein Bierglas nach dem anderen bis zum Rand gefüllt. Aber Kate war nicht hergekommen, um zu arbeiten. Sie wollte mal ausspannen – was schwierig war bei diesem Tumult. Außerdem wollte sie sich betrinken. Aber so richtig.

Erneut nahm sie einen Schluck. Dann schwenkte ihr Blick ein weiteres Mal zu Craig. Er trug ein grünes Muskelshirt – die Tattoos auf seinen Oberarmen waren nun vollständig sichtbar – und einen lächerlichen Hut in den Farben der Irlandflagge. Fehlte nur noch eine große Brille mit Gläsern, die wie dreiblättriges Klee geformt waren. Dieses Zeug, das vor allem Touristen gefiel, konnte man heute an jeder Straßenecke kaufen. Auch Kate hatte sich in Schale geworfen. Sie hatte keine Spaßbremse sein wollen! Zur schicken schwarzen Jeans trug sie eine grüne Chiffonbluse. Die weißen Sneakers hatten grüne Akzentstreifen.

Heute musste sie Grün tragen. Sonst hätte Craig ihr im schlimmsten Fall eine grüne Schürze umgebunden – nur um sie zu bestrafen! – und ihr eine grüne Mütze aufgesetzt. Schließlich war heute jeder Ire dazu verpflichtet, dem Nationalheiligen die Ehre zu erweisen! St. Patrick hatte angeblich die Schlangen aus Irland nach England vertrieben. Dabei hatte es auf der grünen Insel nie giftige Schlangen gegeben. Vertrieben hatte er wohl eher den heidnischen Glauben. St. Patrick hatte Klöster, Schulen und Kirchen gegründet. Er hatte tausende Iren zum Christentum bekehrt.

Passend zur grünen Bluse baumelte um Kates Hals eine Goldkette mit einem hübschen Anhänger. Es handelte sich um ein dreiblättriges Kleeblatt, das nationale Symbol Irlands. Der Sage nach hatte St. Patrick das Kleeblatt dazu benutzt, um dem keltischen Hochkönig Laoghaire die Dreifaltigkeit zu erklären. Die drei Blätter sollten den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist symbolisieren.

Kate drehte den Anhänger zwischen ihren Fingern hin und her. Die Kette hatte ihr Craig vor vielen Jahren geschenkt. ›Kleeblätter bringen Glück‹, hatte er gesagt. Dabei hatte das Klee ein Blatt zu wenig, um als Glücksbringer zu gelten. Schmunzelnd widmete sich Kate ihrem halb vollen Bierglas, bevor sie wieder zu Craig schielte. Augenscheinlich erfreute er sich bester Laune. Kate hatte noch nie erlebt, dass er deprimiert war. Seine unbeschwerte Art hatte er vermutlich von seinem Vater. Seine Mom war da nämlich ganz anders! Außerdem schien er sich in der Gesellschaft hübscher Frauen immer besonders wohlzufühlen – und an solchen Frauen mangelte es heute nicht. Auch einige der Männer sahen ziemlich gut aus! Aber Kate hatte sich von einem sexy Kerl noch nie beeindrucken lassen. Ihre Freundin Eliza hatte sie deswegen schon oft gerügt. ›Guck dir doch mal diesen Hintern an!‹, forderte sie Kate immerzu auf. ›Der Typ ist heiß!‹ Kate reagierte darauf, indem sie gewohnheitsmäßig die Augen verdrehte. Sie starrte nicht auf Männerhintern – jedenfalls nicht so, dass es auffiel. Auch Eliza sollte weniger oft das andere Geschlecht inspizieren! Schließlich war sie verheiratet und erwartete ein Baby.

Craigs Hintern kannte Kate sowieso schon. Den hatte sie in ihrem Leben unzählige Male von allen Seiten bewundern können. Auch jetzt stand er mit dem Rücken zu ihr – also konnte Kate seine Hinterseite sehen – und unterhielt sich mit einer kurvigen Blondine. Solche Frauen gefielen Craig: schrill, sexy – und ein wenig dumm. Also ganz anders als Kate. Sie war das genaue Gegenteil von seinem Typ. Craig war genauso wenig ihr Typ. Sein Vater war mit einer jungen hübschen Frau abgehauen und hatte die Familie im Stich gelassen. Da war Craig gerade mal elf Jahre alt gewesen. Auch wenn er das bestimmt nicht gerne hörte, aber vermutlich war er seinem Vater ähnlicher, als ihm lieb war. Craig schien auch der Typ Mann zu sein, der seine Ehefrau sitzen ließ, um mit einem jungen Ding durchzubrennen. Hatte er je eine ernste Beziehung gehabt?

Die Frauen umschwärmten ihn für gewöhnlich wie die Motten das Licht. Er war einer dieser Männer, die mit einem natürlichen Charme gesegnet waren – und obendrein sah er noch gut aus. Das freche Grinsen und die Grübchen, die sich dann in seinem Gesicht bildeten, waren wohl das Auffälligste an ihm. Wenn er lachte, lachten seine grünbraunen Augen mit. Dann war es wirklich schwer, sich nicht in ihn zu verlieben. Kein Wunder, dass er sich vor Verehrerinnen kaum retten konnte! Aber Craig genoss die Aufmerksamkeit sichtlich. Es schien ihm zu gefallen, angehimmelt zu werden. Auch deswegen war Kate nicht sein Typ. Sie neigte nicht dazu, einen Mann zu umschwärmen.

Er unterhielt sich nicht länger mit der blonden Touristin, die eindeutig zu viel Bier getrunken hatte. Sie lachte laut und gackernd, während sie durch die Gegend taumelte wie ein Kreisel bei der letzten Drehung. Gleich würde sie umkippen! Natürlich war sie von Kopf bis Fuß in Grün gekleidet. Der sehr kurze Rock endete knapp unterm Po, dazu trug sie hohe Strümpfe und ein schwarzes Top mit glitzernden Kleeblättern. Auf dem Kopf hatte sie einen dieser lächerlichen Zylinder mit einer goldenen Schnalle. Auch auf ihren Wangen prangten Kleeblätter, die sie mit grüner Schminke aufgemalt hatte. Aber ihr Lächeln war nett und die Zähne strahlend weiß.

Nun kippte sie nach vorne – auf das letzte Pint hätte sie wohl verzichten sollen –, und Craig fing sie auf, bevor sie hinfiel. Kate beobachtete ganz genau, wo er sie festhielt. Eine andere Frau eilte endlich herbei und kümmerte sich um ihre betrunkene Freundin. Craig kämpfte sich derweil durch die Menge zu ihnen herüber an den Tresen.

Kate begrüßte ihn mit einem schiefen Grinsen, während er sich symbolisch den nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn wischte.

»Viel zu tun«, jammerte er.

»Hübsche Frauen aufzufangen und ihnen dabei an den Busen zu fassen, ist ziemlich anstrengend, nicht wahr?«, gab Kate frech zurück.

»Ich will doch nicht, dass sich jemand in meinem Pub verletzt«, verkündete er ritterlich. Sein schelmisches Grinsen verriet seine wahren Absichten.

»Bist du eifersüchtig?«, witzelte Brandon. So was fragte er nicht zum ersten Mal. Irgendwie schien ihr Bruder zu glauben, dass Kate auf Craig stand. Aber so war das ganz bestimmt nicht.

Demonstrativ rollte sie mit den Augen – darin hatte sie Übung! –, bevor sie ihr Bierglas zu seinem hinschob und ihn somit aufforderte, mit ihr anzustoßen. Brandon hob sein Glas an. Sonst trank er sein Guinness Draught immer aus der Flasche. Normalerweise spielte er im hinteren Teil des Pubs Billard. Da wollte er nicht ein Glas mit sich herumtragen müssen.

»Was ist jetzt mit dir und James?«, fragte Brandon auf einmal. James war Kates Verlobter. Bis gestern war er es zumindest gewesen.

»Was soll sein?«

»Wolltest du ihn nicht endlich in die Wüste schicken?«

»Habe ich doch! Es ist aus.« Kate seufzte.

Brandon klappte der Mund auf. »Ist nicht dein Ernst?!«, japste er. Dann schaute er zu Craig, der hinterm Tresen wieder Bier zapfte.

»Hast du das gehört?!«, rief er ihm zu.

»Geht’s noch lauter?«, nörgelte Kate und kickte ihm mit dem Fuß gegen das Schienbein.

»Was …?!« Craig beugte sich zu ihnen herüber, um Brandon besser verstehen zu können. Im Pub war es laut. Die Musik dröhnte. Am St. Patrick’s Day ging hier immer die Post ab. Ansonsten war The Loophole ein toller Ort, um zu entspannen. Aber heute wurde gefeiert, was das Zeug hielt.

»Nichts!«, rief Brandon ihm zu, und Craig stutzte, bevor er sich wieder an die Arbeit machte.

»Muss ja nicht die ganze Welt wissen.« Kate seufzte.

»Tut mir leid … Aber …! Das sind super Neuigkeiten!« Er wirkte schrecklich erleichtert, und Kate war jetzt erst recht danach, sich ordentlich zu betrinken. Dass Brandon James nie hatte leiden können, wusste sie. Schließlich hatte er es ihr unverblümt ins Gesicht gesagt – einige Monate, bevor sie James hatte heiraten wollen.

»Wann hast du Schluss gemacht?«, fragte Brandon. »Warum erfahre ich erst jetzt davon?« Er wirkte ganz euphorisch. Dabei hatte Brandon bisher nie Interesse an ihrem Liebesleben gezeigt.

»War erst gestern«, murmelte Kate und nahm noch einen Schluck. Es war schon ihr zweites Bier. Bald war es zur Hälfte ausgetrunken. Sie fühlte sich etwas hibbelig, auch wenn ihr Kopf noch immer vollkommen klar war.

»Wie hat er reagiert?«, wollte Brandon wissen.

Kate schwieg. Die Hochzeit hätte im Herbst letzten Jahres stattfinden sollen. Aber Kate hatte sie abgesagt. Damals hätte sie mit James Schluss machen sollen. Es beenden. Ein für alle Mal! Sie hatten doch beide gewusst, dass diese Beziehung nicht mehr funktionieren konnte! Aber Kate hatte es nicht fertiggebracht, diesen Schritt zu wagen. Worauf hatte sie gewartet? Wovor hatte sie Angst gehabt? Davor, dass ihre Eltern enttäuscht sein würden? Ihr Vater verstand sich mit James erstaunlich gut. Er hatte sich darüber gewundert, dass sie die Hochzeit abgesagt hatte. So war es Kate jedenfalls vorgekommen. Dazu geäußert hatte er sich nicht. Noch nie zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, ihren Vater enttäuscht zu haben. Und ihre Mom? Die hatte auch nicht viel gesagt. Die interessierte sich sowieso nur für ihr Lieblingskind: Brandon.

Wie würden die beiden reagieren, wenn sie erfuhren, dass es zwischen Kate und James nun endgültig aus war?

»Kannst du nicht etwas mitfühlender sein?«, brummte Kate, da Brandon sie gespannt anstarrte und offenbar alle Details der Trennung wissen wollte.

»Kate, sei doch froh, dass du diesen Kerl los bist! Mit diesem Typen wärst du nie glücklich geworden!«

»Woher willst du das wissen?« Sie stützte ihr Kinn mit dem angewinkelten Arm ab und schielte wieder zu Craig, der flink die Biergläser auf ein Tablett stellte. Dann eilte er zu den Tischen und brachte den Gästen ihre Getränke. Sie schaute ihm hinterher.

Wenn Kate sich von Craig getrennt hätte, würde Brandon bestimmt anders reagieren! Dann würde er ihr sagen, sie sollte es sich noch mal überlegen. Bloß nichts überstürzen! Er würde all die guten Eigenschaften seines besten Freundes aufzählen.

Aber mit Craig war Kate nie zusammen gewesen.

Einmal hatten sie sich fast geküsst – aber das war schon so lange her. Kate konnte sich gar nicht mehr daran erinnern.

Sie hatte genug von den Männern. Von James ganz besonders. Die Wahrheit war: Er hatte mit ihr Schluss gemacht – und nicht umgekehrt! Mit Kate hatte noch nie ein Mann Schluss gemacht. Sie hatte doch diejenige sein wollen, die es beendete! Irgendwie genierte sie sich dafür, dass er ihr zuvorgekommen war.

Die Wohnung gehörte ihm. Am Wochenende war er beruflich im Ausland. Gleich morgen früh wollte er sich zum Flughafen aufmachen. Also hatte Kate Zeit, ihre Sachen zu packen. Aber wo sollte sie hin? Es würde ihr nicht gelingen, so schnell eine neue Wohnung zu finden. Es fühlte sich an, als hätte er sie rausgeworfen!

Kate starrte auf das fast leere Bierglas. Warum zeigte der Alkohol nicht endlich seine Wirkung? Seufzend schaute sie sich wieder im Pub um.

Überall hingen Luftballons: grün, weiß und orange, wie die Farben der Nationalflagge. Die Musik war laut. Es wurde gejohlt und geklatscht.

»Was zieht ihr nur für lange Gesichter?«, sagte Craig plötzlich und quetschte sich zwischen Kate und Brandon, wobei er seine Arme um ihre Schultern legte. »Es ist St. Patrick’s Day!«

»Ja … Alle Jahre wieder!« Kate lächelte, während sie seinen Arm wegschob. Craig schaffte es immer, ihre Laune zu heben.

Er ging wieder hinter den Tresen. In Fließbandarbeit zapfte er ein Bier nach dem anderen. Seine Mom verteilte flink die Getränke. Henry war auch da. Er war ein junger Student, spargeldünn und das hellblonde Haar so kurz geschoren, dass es beinahe aussah, als hätte er eine Glatze. Immer mal wieder arbeitete er ein paar Stunden im Pub.

Kate streckte die Hand aus – jetzt fühlte sie sich doch etwas beschwipst – und tätschelte Brandons Hinterkopf.

»Was machst du da?«, jammerte er. Vor knapp einem Jahr war sein Kopf völlig kahl gewesen. Wegen einer verlorenen Wette hatte er sich den Schädel rasiert. Mittlerweile war das dunkle Haar nachgewachsen, und Kate konnte durch seinen dichten Schopf wuscheln. Mit der Glatze hatte er furchtbar ausgesehen! Wie sich Riley damals nur in ihn hatte verlieben können? Aber sein Gesicht war hübsch. So symmetrisch! Kate hatte nicht so viel Glück gehabt. Ihre Nase war etwas krumm.

»Wo ist eigentlich Riley?«, fragte sie. Wenn im The Loophole was los war, ließ sich Brandons Freundin immer blicken.

»Sie kommt später«, sagte er.

Es war erst nach sechs. Dieser Abend würde noch lange nicht enden. Plötzlich bimmelte Kates Handy. Sofort zog sie es aus der Hosentasche und guckte auf das Display. James hatte ihr geschrieben. Ihr war mulmig zumute. Im selben Moment drehte Brandon seinen Kopf zur Tür. Dann lächelte er. Kate folgte seinem Blick. Riley kam hereinspaziert. Sie winkte ihnen zu und trat mit einem strahlenden Lächeln näher. Brandons Freundin war so quirlig wie eh und je. Das aschblonde, leicht gewellte Haar reichte ihr bis zu den Schultern. Die große Brille hatte sie ausnahmsweise zu Hause gelassen. Natürlich war sie wie jeder hier in Grün gekleidet. Das Oberteil war bestimmt selbst genäht. Der Stoff wirkte elegant, und die Cut-Outs an den Ärmeln waren ausgefallen. Hübsch sah sie aus – und talentiert war sie obendrein. Riley führte ein eigenes Brautmodengeschäft. Sie designte und nähte die Kleider selbst. Auch Kates Brautkleid gehörte zu ihren Entwürfen. Trotz ihrer gescheiterten Hochzeitspläne hatte sie es noch immer nicht zurückgegeben. Das Kleid war viel zu schön und stand ihr hervorragend.

Schnell nahm Kate einen Schluck von ihrem Guinness, bevor sie noch vor Neid erblasste. Die beiden waren ein süßes Paar. Nie hätte sie gedacht, dass ihr Bruder mal in der Lage sein würde, eine feste Beziehung zu führen. Brandon hatte früher, genau wie Craig, alle paar Monate eine neue Freundin gehabt. Bis vor Kurzem hatte Kate den Rekord für die längste Beziehung gehalten! Aber nun war es ihrem Bruder gelungen, eine Frau zu finden, die er aufrichtig liebte – und die ihn auch liebte. Brandon war doch immer der Chaot von ihnen beiden gewesen. Derjenige, der Beziehungen nicht ernst nahm und ständig alles auf sich zukommen ließ. Und jetzt plötzlich hatte er sein Leben besser im Griff als Kate? Wie hatte das nur passieren können?

In letzter Zeit war alles verkehrt.

»Tut mir leid, ich bin spät!«, rief Riley fröhlich.

»Ist okay. Jetzt bist du ja da.«

Sie begrüßte Kate rasch, bevor sie sich neben Brandon setzte und sich die beiden kurz auf den Mund küssten.

Seufzend schaute Kate wieder aufs Handy. Sie traute sich nicht, James’ Nachricht zu lesen. Gleich morgen früh würde sie damit anfangen, ihre Sachen zu packen. Sie wollte einfach nur weg. Alles hinter sich lassen. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als zurück in das Haus ihrer Eltern zu ziehen. Spätestens dann würden die beiden erfahren, dass diese Beziehung gescheitert war. Kate würde es ohnehin nicht lange vor ihnen geheim halten können.

Seufzend öffnete sie die Facebook-App. James postete dort immer Fotos, wenn er reiste. Der Mund klappte ihr auf, als sie ein Bild entdeckte, wo er breit lächelnd in die Kamera schaute – und neben ihm war eine hübsche Rothaarige. Die beiden waren sich so nah, dass sich ihre Wangen fast berührten. Kate steckte das Handy sofort weg! Ihr Herz raste! Hatte er deswegen mit ihr Schluss gemacht? Weil er eine neue Freundin hatte? Die Frau kannte er sicher nicht erst seit gestern!

Das Bier war ausgetrunken. Craig stellte das nächste vor ihre Nase, ohne dass Kate ihn darum bitten musste.

»Alles okay?«, fragte er sanft. »Du bist blass.« Er beugte sich über den Tresen zu ihr herüber.

Sie schaute auf. Ihre Blicke trafen sich.

»Mir geht’s gut«, sagte sie matt. Kate musste sich ablenken. An was anderes denken. Sie konnte jetzt nicht nach Hause gehen. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie gar kein Zuhause mehr hatte.

Jetzt fühlte sie sich richtig mies. Sie hatte versagt. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie versagt. Das war echt scheiße. An dieses Gefühl wollte sie sich bestimmt nicht gewöhnen!

Gierig trank sie von dem Bier und leckte sich dann den Schaum von der Oberlippe. Das Pub füllte sich zunehmend. Immer mehr Leute kamen zur Tür herein. Bald würde es hier rammelvoll sein – und dann würde Craig Hilfe brauchen. Kate gönnte sich ihr Guinness, da sie bereits wusste, wo dieser Abend enden würde: nämlich hinter den Zapfhähnen.

2

Es war ein Uhr morgens, als sich der letzte Gast verabschiedete und nach draußen torkelte.

Die Party war vorbei.

Sie hatten eine Menge Umsatz gemacht. Craig war zufrieden. Henry hatte vor drei Stunden Feierabend gemacht, seine Mom vor zwei, und dann waren Kate und Brandon eingesprungen. So wie immer. Auch Riley hatte sich hinter die Zapfhähne gestellt. Sie war geschickt und fleißig.

Ungeniert gähnte Craig, während er die Tische abwischte. Bevor das Pub nicht blitzblank war, ging er nie schlafen. Auf dem Boden lag überall grüner Glitter. Wo kam dieser nur her? Dann fiel es ihm ein: Eine der weiblichen Gäste hatte ein schwarzes T-Shirt mit glitzernden Kleeblättern getragen. Der Glitter hatte sich wohl von dem billigen Stoff gelöst. Die Frau hatte ihm ihre Telefonnummer zugesteckt. So was passierte ihm öfter. Er zog die Nummer umständlich aus der Hosentasche. Der Name Cathy stand in einer kitschigen Mädchenschrift auf einem kleinen Stück rosafarbenem Papier. Craig hatte nicht vor, sie anzurufen. Hatte sie nicht erzählt, sie käme aus Kalifornien? Wahrscheinlich fand sie es aufregend, während ihres Urlaubs mit einem Iren herumzumachen.

Craig fegte den Glitter zusammen und schielte dabei kurz zu Brandon und Riley. Die beiden spielten im hinteren Teil des Pubs Blackball. Wie so häufig konnten sie sich vom Billardtisch nicht losreißen.

»Wollt ihr hier übernachten?«, rief Craig ihnen zu.

»Nur noch ein Spiel!«, erwiderte Brandon. Riley schaute derweil hochkonzentriert auf den Tisch. Die beiden spielten regelmäßig gegeneinander, und Riley hatte es echt drauf. Sie wurde stetig besser. Auch Craig forderte sie ab und an zu einer Partie heraus. Die letzten beiden Male hatte er gegen sie verloren.

Er schob den Beleg mit Cathys Nummer wieder zurück in die Hosentasche. Craig hatte momentan keine Lust auf eine Affäre. Seit Brandon eine feste Freundin hatte, machte er sich auch Gedanken über die Zukunft. Alle seine Freunde waren vergeben. Mark war schon seit Jahren mit Amy verheiratet, und auch Brandon würde Riley früher oder später einen Ring an den Finger stecken.

Nun schielte er verstohlen zu Kate. Sie saß am Tresen und hatte den Kopf auf ihre verschränkten Arme gebettet. Wie jedes Jahr hatte sie ihm bis zur Sperrstunde beim Bierzapfen geholfen – auch wenn sie wie jedes Jahr betont hatte, diesmal ganz bestimmt nicht einzuspringen.

Mit einem schiefen Grinsen trabte er zu ihr hin.

Auch Kate war schon lange vergeben. Dabei hatte er geglaubt, sie würde sich von James trennen. Schließlich hatte sie die Hochzeit abgesagt. Aber die beiden waren immer noch zusammen.

»Hey«, sagte er sanft. »Du sabberst auf meinen Tresen.« Er wischte spaßeshalber mit dem Lappen über die Tischplatte und kam ihrem Gesicht gefährlich nahe.

»Tue ich gar nicht.« Kate stöhnte und hob den Kopf. Ihre Haare waren ganz wirr. Mit fahrigen Bewegungen strich sie sich die glänzenden brünetten Strähnen aus dem Gesicht. Craig mochte ihr Haar. Er mochte alles an ihr. Aber besonders ihr Haar, das ihr fast bis zu den Ellenbogen reichte. Lächelnd setzte er sich zu ihr und streckte die Hand danach aus. Die Spitzen fühlten sich weich zwischen seinen Fingern an.

»Lass das.« Sie seufzte und schob seine Hand weg. Die Stirnfransen hingen ihr bereits bis zu den Augenbrauen. Würde sie ihr Haar wachsen lassen und einfach scheiteln? Craig würde den Pony vermissen!

»Hast du Stress mit deinem Noch-Verlobten?«, fragte er geradeheraus. Dabei wollte er die Antwort lieber nicht wissen. Wenn dieser Typ sie schlecht behandelte, dann …!

»Meinem … was?«, meinte Kate schmunzelnd.

»Wirst du ihn nun heiraten oder nicht?«

Craig kannte Kate seit über zwanzig Jahren. Sie waren zusammen aufgewachsen. Er hatte keine Geschwister. Aber Brandon war für ihn immer wie ein Bruder gewesen. Und Kate?

Sie war eine Frau, die er zu gerne ins Bett gekriegt hätte! Aber Kate und er – das würde nie passieren. Sonst wäre es nämlich schon passiert. Leider ging es Craig nicht nur um Sex. Er wollte mehr. Viel mehr.

»Du willst mit mir über James reden?«, meinte sie lächelnd. Craig starrte auf ihre Lippen. Es war wie ein Reflex. Auch ihre Lippen mochte er. Die waren nämlich schön geschwungen, nicht zu schmal und nicht zu voll. Sie passten perfekt in ihr hübsches Gesicht.

Ihm fiel plötzlich ein, dass es ihm bisher kein einziges Mal gelungen war, ihr einen Kuss zu stehlen. Einmal war er zumindest knapp davor gewesen.

»Was ist nun? Heiratest du den Typen oder nicht?« Er wollte endlich wissen, was los war.

»Wohl eher nicht«, erwiderte sie schulterzuckend.

Craig beugte sich weiter zu ihr hinüber. Ihre Gesichter waren sich nun ganz nah. Er hätte nur diese wenigen Zentimeter überbrücken müssen – und dann seine Lippen auf ihre legen können. Kates Wangen waren kirschrot, ihr Mund halb offen. Drei leere Biergläser standen auf dem Tresen. Während Craig im Pub sauber gemacht hatte, hatte sich Kate offenbar an den Zapfhähnen bedient. Dabei schlug Kate für gewöhnlich nie über die Stränge, aber heute hatte sie es mit dem Bier übertrieben. Sie beobachtete ihn gespannt mit glasigem Blick. Sollte er noch näher kommen?

»Hast du Lust, mit mir zu knutschen?«, fragte er frech. Er triezte sie nur! Niemals würde er ihren Zustand ausnutzen.

Sie verdrehte die Augen und seufzte tief. »Sei froh, dass du gut aussiehst! Sonst wärst du noch nie zum Zug gekommen! Oder gibt es da draußen irgendwelche Frauen, bei denen ein solcher Spruch zieht?«

Er schmunzelte. »Du findest, dass ich gut aussehe?«

»Weißt du doch!«, erwiderte sie lapidar. Mit seinem guten Aussehen konnte er Kate nicht beeindrucken, und auch sein Charme schien bei ihr keine Wirkung zu zeigen.

»Komm schon! Ich bringe dich nach Hause!«, meinte er ernst.

Sie murrte leise und rieb sich den Nacken. »Soll ich dir ein Geheimnis verraten?«, sagte sie plötzlich.

»Ich liebe Geheimnisse.«

»Komm näher …« Craig stutzte. Er kannte Kate gut – zu gut! –, sonst hätte er noch geglaubt, sie würde mit ihm flirten. Aber das tat sie bestimmt nicht. Sie beugte sich näher zu ihm hin und schielte auf seine Lippen. Auf seine Lippen! Das hatte er sich nicht eingebildet, oder doch? Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Sie würde ihn doch nicht küssen? Niemals! Vermutlich wollte sie ihm nur ins Gesicht rülpsen. Das sähe ihr ähnlich! Früher hatte sie ihn immer getriezt. Aber nun waren sie beide erwachsen. Sie waren keine Kinder mehr. Sie machte nicht mehr Jagd auf ihn mit einer Wasserpistole. Sie schüttete keinen Sand mehr in seine Unterhose.

»Ich bin eine schlechte Küsserin!«, sagte sie und grinste breit.

»Lass mich das beurteilen.« Er lachte. Kate ließ sich nicht oft gehen. Meist war sie furchtbar ernst. In ihrem Leben musste immer alles in geordneten Bahnen verlaufen. Einfach mal Party machen – dafür war in ihrem Terminkalender schon lange kein Platz mehr.

»Was ist jetzt mit diesem James?« Craig ließ nicht locker. Hatte sie irgendwelche Probleme mit dem Kerl?

Kate hob die Augenbrauen. Sie hatte sich mit Craig noch nie über ihren Verlobten unterhalten. Wenn er nicht Brandon ab und zu ausgequetscht hätte, wüsste er gar nicht, wie dieser Typ hieß! Er war ihm noch nie begegnet, dabei waren die beiden schon seit vielen Jahren ein Paar. Er war wohl keiner, der gerne in einem Pub abhing. Brandon mochte den Typen nicht. Auch deswegen war sich Craig sicher, dass der Kerl absolut unsympathisch war. Was Kate nur an ihm fand?

»Willst du meine gute Laune kaputtmachen?«, sagte sie.

»Du bist gut gelaunt?« Kate war im Moment nur eins: betrunken.

Brandon und Riley kamen zu ihnen herüber. Die beiden sahen müde aus. Riley streckte sich und gähnte. Dann klatschte sie mit beiden Händen gegen ihre Wangen. Brandons Freundin strotzte meist vor Energie. Aber nach diesem Abend war sogar sie erschöpft.

»Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte Brandon seine Schwester. Kates Antwort war ein tiefes Murren. Ihr Kopf kippte nach vorne und lag nun wieder auf dem Tresen. Sie war komplett hinüber!

»Ich kümmere mich um sie«, sagte Craig. Brandon nickte ihm kurz zu und klopfte ihm auf die Schulter, bevor er mit Riley das Pub verließ. Craig schaute den beiden eine Weile hinterher. Sie hielten Händchen. Wie war es Brandon nur gelungen, eine Frau wie Riley zu finden? Und warum wollte Craig so etwas nicht gelingen? Sein Blick schwenkte wieder zu Kate, und er seufzte tief. Dann stand er auf und arbeitete weiter. Am Ende wischte er auch noch den Boden, während er der Musik lauschte. Drunken Sailor von The Irish Rovers tönte aus dem Radio. Kate rührte sich schon lange nicht mehr. Also ging Craig zu ihr hin. Sie amtete doch noch?

»Zeit aufzustehen, Prinzessin!«, flüsterte er ihr ins Ohr, woraufhin sie murrende Laute von sich gab, ohne die Augen zu öffnen.

Craig zögerte nicht länger. Er legte den einen Arm um ihre schlanke Taille, den anderen schob er unter ihre Knie. Dann hob er sie mit einem Ruck hoch. Sofort kippte ihr Kopf auf seine Schulter. Seufzend schlang sie die Arme um seinen Hals und zwar so fest, dass er kaum noch Luft bekam.

»Bist du schwer …!« Craig stöhnte.

Während er sie gut festhielt wie eine Braut, die er über die Schwelle trug, ruhte sie friedlich in seinen Armen. Er peilte das Hinterzimmer an. Das Pub war nicht besonders groß. Ächzend ging er den schmalen Gang entlang, links war der Kühlraum, rechts die Küche, und am Ende befand sich ein Zimmer, das momentan als Getränkespeicher und Abstellraum herhalten musste. Dort stapelten sich leere Kisten und Flaschen. Es gab auch ein schmales Klappbett. Craig hatte es besorgt, um sich hier zwischen einer Schicht und der nächsten auszuruhen. Vorsichtig legte er Kate auf die Matratze. Sie wollte ihn nicht loslassen.

»Kate …!«, flüsterte er. Ein leises Brummen kam wieder aus ihrer Kehle, bevor sie endlich den Griff um seinen Hals lockerte und vorsichtig in die Kissen sank. Sofort deckte Craig sie zu. Sollte er ihr die Sneakers ausziehen? Er überlegte nicht lange und knotete die Schnürsenkel auf. Die Socken reichten nur bis zum Knöchel. Ob sie frieren würde? Vorsorglich packte er ihre Füße gut in die Decke ein. Dann setzte er sich zu ihr auf die Matratze und rieb sich die Augen. Wie spät war es überhaupt?

Kate bewegte sich und rollte zur Wand. Craig schnüffelte derweil an seinem T-Shirt. Es roch nach Schweiß – und Kneipe. Ohne darüber nachzudenken, zog er es aus. Kate schlief sowieso tief und fest. Außerdem hatte sie seinen nackten Oberkörper schon oft genug gesehen. Eigentlich hatte sie ihn sogar ganz nackt gesehen. Craig erinnerte sich, wie Brandon und er mal ihre männliche Ausstattung miteinander verglichen hatten. Da waren sie vielleicht sechs Jahre alt gewesen. Kate war dazugekommen und hatte unbedingt wissen wollen, warum sie keinen Pimmel hatte. Das Ding zwischen seinen Beinen war seitdem aber ziemlich gewachsen.

Er schaute über seine Schulter zurück. Manchmal konnte er es kaum fassen, wie lange sie sich schon kannten! Verstohlen beugte er sich über sie und strich ihr die Haare aus dem Gesicht, um ihr hübsches Antlitz bestaunen zu können. Kate so wehrlos zu erleben, war neu. Warum trennte sie sich nicht endlich von diesem Idioten? Sonst zögerte sie doch nie. Sie war eine Frau der Tat. Auf einmal rollte sie sich auf den Rücken, und Craig zog sich sofort zurück. An der Wand stand eine schmale Kommode, wo er frische Anziehsachen aufbewahrte. Körperhygiene war ihm wichtig. Er trug nicht gerne schmutzige Shirts am Leib. Nicht zum ersten Mal übernachtete er im Pub. Es gab hier hinten auch ein winziges Bad mit einer Dusche.

Ächzend stand er auf und öffnete die obere Schublade. Ein frisches T-Shirt zog er daraus hervor. Gerade als er es anziehen wollte, ertönte Kates Stimme: »Ist das Tattoo neu?«

Überrascht drehte er sich zu ihr um. Das Tattoo am Rücken war tatsächlich neu. Es war auch noch nicht fertig. Keiner hatte es bisher gesehen. Nicht mal Brandon. Seine Mom schon gar nicht. Von Tattoos hielt sie nichts. Vor sechs Jahren hatte er sich das letzte stechen lassen. Aber plötzlich hatte er wieder Lust gehabt, auf seinem Körper ein weiteres Kunstwerk zu verewigen. Er hatte einen Lebensbaum als Motiv gewählt.

»Du bist wach?« Auf ihre Frage ging er nicht ein. Auch Kate hatte seine Tattoos nie gemocht. Über den Kobold auf seinem rechten Oberarm hatte sie sich immer lustig gemacht. Das Tattoo bereute er tatsächlich.

Blitzschnell setzte sie sich auf und schaute sich neugierig um.

»Du bist auf meinem Tresen eingeschlafen«, erklärte Craig sofort und zog endlich das T-Shirt an, bevor er die Schublade wieder zuschob. »Soll ich dich nach Hause fahren?«

»Bloß nicht!« Sie legte sich wieder hin, drehte das Gesicht zur Wand und warf die Bettdecke über den Kopf.

»Willst du hier übernachten?«, fragte er ungläubig. Kate schwieg verbissen. Sie verhielt sich wirklich seltsam. Kopfschüttelnd holte Craig ein weiteres T-Shirt aus der Kommode und warf es aufs Bett. Kates Chiffonbluse war sicher nicht als Nachtwäsche geeignet.

»Zieh das an!«, forderte er sie auf.

Kate lugte misstrauisch unter der Decke hervor. »Ich werde mich bestimmt nicht vor dir ausziehen!«

»Trägst du etwa sexy Unterwäsche?« Er setzte sich zu ihr aufs Bett.

»Ich trage gar keine Unterwäsche!«, gab sie frech zurück.

»Jetzt habe ich schmutzige Gedanken.« Sie schlug halbherzig nach ihm, bevor sie sich wieder unter der Bettdecke versteckte.

»Soll ich dich nicht lieber nach Hause fahren?« Schließlich war sie wach. »Oder ein Taxi rufen?«

»Ich find’s hier richtig gemütlich«, gab sie zurück. Warum wollte sie nicht nach Hause?

»Ich geh pinkeln«, sagte er und stand auf. »Zieh dich derweil um!«

Ächzend trabte er ins Bad und guckte in den Spiegel. Trotz der langen Schicht sah er erstaunlich gut aus. Seine Augen wirkten wach. Das dunkelblonde Haar würde er mal wieder schneiden müssen. An den Seiten trug er es immer kürzer. Er zupfte an den Strähnen und wusch dann das Gesicht. Schließlich leerte er seine Blase und ging zurück zu Kate.

Sie war weit an die Wand gerückt, um für ihn Platz zu machen. Die Situation war bizarr. Zwar kannten sie sich schon ewig, aber sie hatten sich noch nie ein Bett geteilt. Jedenfalls nicht, seitdem ihm da unten Haare gewachsen waren!

Zögerlich legte er sich neben sie. Kate hatte sich ganz klein gemacht und rührte sich nicht mehr. Plötzlich spürte er ihren eiskalten Fuß an seinem Unterschenkel! Versteckte sie sich unter der Decke, weil ihr kalt war? Craig hatte leider nur diese eine. Frauen froren ständig! Kate ganz besonders. Ihre Hände fühlten sich immer kühl an.

»Tauschen wir«, schlug er vor. Sie antwortete nicht. »Hey! Tauschen wir!« Craig rüttelte an ihrer Schulter.

»Was …?« Sie hob den Kopf. Gleich darauf stieg Craig über sie. Im selben Moment drehte sich Kate auf den Rücken. Gespannt schaute sie zu ihm hoch. Jetzt war die Situation erst recht bizarr. Er war genau über ihr.

»Rutsch rüber!«, sagte er entschieden.

»Warum denn?«

»Du wirst frieren, wenn du so nah an der Wand schläfst!«

»Also ist es besser, wenn du frierst?«

»Jetzt sei nicht albern. Ich halte was aus!«

»Ich halte auch was aus!«, schimpfte sie. Ihr Gesicht war ganz blass. Dabei waren ihre Wangen vorher noch knallrot gewesen.

Craig verdrehte die Augen. Kate gab nie klein bei! Und sie hasste es, wenn andere auf sie Rücksicht nahmen.

»Hey, es kommt nicht oft vor, dass ich mich wie ein Gentleman verhalte.« Er fasste rücksichtslos unter Kates Schulter und rollte sie schwungvoll nach rechts. Sie kreischte erschrocken auf und wäre beinahe aus dem Bett gefallen. Craig legte sich derweil ächzend hin und schaute zur Zimmerdecke hoch. Das Bett quietschte ganz fürchterlich.

»Und wer macht jetzt das Licht aus?«, brummte Kate. Der Schalter war gleich neben der Tür.

»Du bist näher dran.« Craig gähnte und konnte die Augen kaum noch offen halten.

»Ich dachte, du bist ein Gentleman?«

»Soll ich wieder über dich steigen?« Wie sonst sollte er aus dem Bett kommen? Der Raum war winzig. Er hatte die Kisten mehrmals übereinanderstapeln müssen, um für dieses schmale Bett Platz zu schaffen.

»Ich geh schon.« Kate setzte sich auf und trabte mit hängenden Schultern zum Lichtschalter. Das T-Shirt war ihr viel zu weit. Zwar war sie groß, aber sehr schlank – genau wie Brandon. In der Familie Walsh war jeder schlank.

Das Licht ging aus. Nun war es stockdunkel. Craig lauschte in die Stille. Er hörte Kates Schritte. Vorsichtig tastete sie sich bis zum Bett vor. Dann senkte sich die Matratze. Es quietschte wieder. Craig schloss die Augen, während Kate sich neben ihm wie ein Embryo einrollte.

»Soll ich dich wärmen?«, schlug er vor und dachte sich nichts dabei.

»Das hättest du wohl gerne!«, kam zurück.

»Ich meine es ernst.« Vorhin hatte sie noch einen beschwipsten Eindruck gemacht. Jetzt hingegen schien sie nüchtern.

Seufzend drehte sich Craig auf die Seite und wollte sie von hinten umarmen. Im letzten Moment zögerte er. Würde sie nach ihm treten?

»Versteh das jetzt bloß nicht falsch!«, schimpfte er.

Da Kate nicht antwortete, wagte er es endlich, den Arm um sie zu legen und näher an sie heranzurücken. Ihr Körper fühlte sich kühl an. Er rubbelte sogar an ihrem Oberarm! Kate beschwerte sich nicht. Sie hob nur kurz den Kopf, um ihre lange Mähne nach vorne zu streichen. Craig konnte nun problemlos das Gesicht in ihrem Nacken vergraben. Sie duftete so gut! Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Kate so nahe zu sein, wühlte ihn auf. Er rutschte noch näher an sie heran.

»Oh mein Gott!«, japste sie plötzlich. »Du bist unmöglich!« Sie rückte demonstrativ von ihm weg. Craig öffnete die Augen einen Spalt weit. Was war plötzlich los? Jetzt trat sie nach ihm.

»Echt unmöglich!«, schimpfte sie.

»Keine Ahnung, was du glaubst, gespürt zu haben – aber nach einem solch langen Arbeitstag krieg sogar ich keinen mehr hoch!« Craig war todmüde. Resigniert schnappte er sich das Kissen – nun musste sein angewinkelter Arm als Kopfstütze herhalten – und packte es zwischen Kates Po und seinen Schritt.

»Zufrieden?«, murrte er.

Lange passierte nichts, dann plötzlich hob sie den Kopf und schob ihr Kissen nach hinten, sodass Craig sein Haupt darauf betten konnte. Er schlang wieder fest die Arme um Kate. Nicht nur, weil er sie wärmen wollte. Es war bequemer, wenn sie eng umschlungen schliefen. Langsam schien sie sich zu entspannen.

Jetzt tat sich doch was bei ihm. Aber Kate merkte nichts davon. Er wusste, wenn er morgen früh aufwachte, würde er allein im Bett liegen.

Also genoss er es einfach, sie jetzt und hier im Arm halten zu dürfen.

3

Kate faltete die Umzugskartons. Ihr Handy klingelte. War es wieder James? Er hatte ihr geschrieben, dass er zwei Tage länger in London bleiben würde. Kate hatte bestimmt nichts dagegen. Nun war sie allein in der Wohnung. Gestern hatte sie nur deswegen im The Loophole übernachtet, weil sie ihm nicht hatte begegnen wollen. Kate war feige.