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Lilly ist eine Frau der Tat. Die ehemalige Direktionsassistentin hat nach einem Burn-Out und einer privaten Enttäuschung völlig neu angefangen. Sie eröffnete ihr eigenes kleines Yogastudio um die wunderbare Philosphie dieser Tradition auch an andere zu vermitteln. Wird sie trotz den Höhen und Tiefen des Alltags den Weg des Yoga gehen und zudem auch privat ihr Glück finden? In diesem Roman werden die Yoga-Sutren in eine Geschichte verpackt, um diese jahrtausend alte Philosophie auf einfache Art begreifbar zu machen. Einfach und humorvoll, mit einem kleinen Augenzwinkern versehen, möchte es die Leser animieren selbst den weg des Yoga zu gehen. Mehr über die Autorin unter: www.utefrank.jimdofree.com
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Seitenzahl: 87
Veröffentlichungsjahr: 2020
ein Yogaroman
"Yoga does not just change the way we see things, it transforms the person who sees." (B.K.S. Iyengar)
Mit einem leisen Seufzer schloss Lilly die Tür ihres heute eröffneten Studios ab. Ihre neuen Begleiter, die Zweifel, waren an ihrer Seite. „Auf was hatte sie sich da eingelassen? Wie konnte sie eine erfolgreiche Arbeitsstelle mit hohem Gehalt gegen dieses Abenteuer eintauschen? Was hatte sie da nur geritten?“ Ein weiterer schwerer Seufzer kam aus der Tiefe von Lillys Brust während sie das Schild „geöffnet“ auf „geschlossen“ umdrehte. Sie setzte sich in dem Eingangsbereich hinter den dort vorhandenen Tresen und ließ ihren Blick schweifen. Der Anblick erfüllte sie trotz aller Zweifel mit Stolz und Freude. Sie saß in ihrem eigenen Yogastudio. Die Wände waren in zartem terracotta gehalten, ein großes „Om“ zierte als einziger Schmuck die Wand ihr gegenüber. Die drei kleinen Tische mit den thailändischen Rattan-Sesseln sollten Gelegenheit geben in den zahlreichen Büchern zu schmökern, welche im Regal vor der Theke angeboten wurden. Jede der vier Türen in diesem Raum war mit einer übergroßen Lebensblume beklebt. Beim Ankleideraum, dem kleinen Massageraum und dem Eingang zum eigentlichen Yogaraum mochte dies gut passen, aber bei der Tür zur Toilette war sich Lilly nun nicht mehr so sicher. Ein einfaches Schild mit der Aufschrift „WC“ hätte mehr Sinn ergeben. Erneut ein Seufzer... Sie stand auf, um sich auch in dem schönen, modern eingerichteten Yogaraum umzusehen und die Energie des Raumes in sich aufzunehmen. Lilly fühlte sich wohl hier. Hatte sie doch jedes Detail mit Liebe und Sorgfalt ausgewählt, um ihren Traum eines eigenen Yogastudios zu verwirklichen. Sie ließ den heutigen Tag noch einmal vor ihrem inneren Auge Revue passieren. Eigentlich lief es doch ganz gut. Über den Tag verteilt fanden sich einige Neugierige in ihren Räumlichkeiten ein und sie hörte durchaus viele positive Worte. Leider entschlossen sich aber nur drei davon tatsächlich gleich eine 10er-Karte für die angebotenen Kurse zu kaufen. Und das war es, was ihr ein wenig Kummer oder vielmehr Angst machte. Konnte sie es wirklich wagen, mit diesem winzigen Kundenstamm anzufangen? Wie lange wird sich das Studio halten können? Und was kommt dann, da sie nun alle Ersparnisse und Rücklagen in dieses Projekt gesteckt hatte? Erneute Zweifel beschlichen Lilly. Sie dachte zurück an ihre Zeit „vor Yoga“. Eine für sie nun ferne und fremde Welt. Damals arbeitete sie als Direktionsassistentin in einer international erfolg-reichen Firma. Die Arbeit wurde gut bezahlt, ihr Einsatz brachte sie jedoch irgendwann an die eigenen Grenzen. Sie „schuftete“, hatte kaum noch Freizeit und für Freunde oder andere erholsame Dinge blieb somit ebenfalls kein Platz mehr. Auch ihr Liebesleben ließ sehr zu wünschen übrig. Als sie dann eines Tages an ihrem Arbeitsplatz zusammenbrach, früher nach Hause kam und ihren Freund mit einer anderen Frau im gemeinsamen Bett entdeckte hieß es nicht nur beruflich: „Aus die Maus“! Mit einer beträchtlichen Abfindung wurde sie aus dem Unternehmen befördert und fand sich in einer psychosomatischen Rehaklinik wieder. Anfänglich war sie sich selbst fremd. Ihr fiel zum Beispiel an einer Therapeutin auf, dass deren Beine nicht rasiert waren und schwarze Haare unter dem Kleid der sonst sehr gepflegten Frau zum Vorschein kamen. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken: „Wie kann sie so herumlaufen? Als Person die Vorbildfunktion hatte, etwas repräsentierte. Wenn sie schon nicht auf diese Dinge achtet, wie sollte sie uns dann weiterhelfen?“ Lilly wusste, dass diese Gedanken Unsinn waren, aber sie fand auch keinen Ausstieg daraus. Und fragte sich dabei, warum sie auf einmal andere Menschen wegen Nichtigkeiten verurteilte. Sie konnte sich selbst nicht leiden, was ihren Gesundheitszustand noch mehr verschlechterte. Erst nach drei Wochen lernte sie langsam, ganz langsam, sich wieder zu spüren und zu sich zu finden. Zudem erkannte sie, dass es so nicht weitergehen konnte. Sie wieder leben wollte, doch wie? Yoga war eine der Möglichkeiten, welche Lilly kennen lernte, um wieder in Kontakt mit sich zu kommen. Dies erweckte bald in ihr die Begeisterung mehr darüber zu erfahren. Als Direktionsassistentin war sie es gewohnt direkt zu handeln. Sie war eine Frau der Tat und buchte nach der Zeit in der Klinik einen Flug nach Indien, wo sie in einer Yogaschule, einer so genannten Yogascala, mit der wunderbaren Philosophie und den Übungen dieser Tradition mehr und mehr vertraut wurde. In Lilly erwachte dadurch schon bald der Wunsch eine richtige Yogini zu werden. Eine Frau, welche den Yoga lebt und auch anderen vermittelt. Mit ihrer eigenen Begeisterung anderen helfen kann leichter zu leben. Als sie aus Indien zurückkam nahm sie ihre Abfindung, suchte einen geeigneten Raum und hier befand sie sich nun – direkt auf dem neu eingeschlagenen Weg und plötzlich so voller Zweifel, ob sie das Richtige getan hatte. Auch dieses Gefühl war ihr fremd. Sie kannte sich selbst nur als die selbstbewusste, perfekte Angestellte, die immer wusste was zu tun war. Zweifel waren immer ein Fremdwort für sie gewesen. „Bisher fühlte sich doch alles gut und richtig an, woher kamen also diese Gedanken?“, dachte sie bei sich. Noch einmal seufzte Lilly tief, dann stand sie auf und verließ ihr Studio um sich auf den Weg nach Hause zu machen. Ihr Abenteuer hatte begonnen... den jungen Mann, der vorsichtig von außen in die Räume hineinlinste übersah sie dabei völlig, obwohl sie beinahe mit ihm zusammenstieß. Tom, eben jene Person, war nach einem Streit mit seiner Freundin aus der gemeinsamen Wohnung gestürmt und kühlte sein Gemüt an der frischen Abendluft ab, als sein Blick auf „Atemmeer – die Wohlfühloase“ fiel. „Nanu, was ist das denn?“, fragte er sich. „Ein Yogastudio?“ Er konnte sich nicht erinnern dies jemals zuvor bemerkt zu haben. Das zarte Persönchen, welches gerade fast in ihn hinein gerannt war, schien die Inhaberin dieser kleinen Oase zu sein. Von außen machte das ganze einen überaus ansprechenden Eindruck. „Ob er es sich wohl in den nächsten Tagen einmal anschauen sollte?“ Er hatte keine Ahnung ob Yoga etwas für ihn war, aber vielleicht war dies tatsächlich eine Möglichkeit sein zeitweise aufbrausendes Gemüt zu kühlen oder sogar etwas mehr in den Griff zu bekommen? Um eine harmonischere Beziehung zu führen? Sich nicht wegen jeder Kleinigkeit mit seiner Freundin in die Haare zu bekommen? Vielleicht wäre es sogar möglich mit ihr gemeinsam einen Kurs zu besuchen? Mit diesen freudigen Gedanken ging es Tom gleich viel besser und er machte sich auf, dies seiner Freundin mitzuteilen und damit den furchtbaren Streit von zuvor wieder zu schlichten.
Lilly war bereits fast zuhause angekommen. Obwohl dies nur wenige Minuten von ihrem Studio entfernt lag, so hatte sie heute doch fast eine halbe Stunde für ihren Heimweg benötigt. Überraschenderweise war es ihr gelungen, die Gedanken, welche sie beschäftigten, ziehen zu lassen und sich ganz und gar präsent auf ihren Weg auszurichten. Es war früh im Jahr und in dem nahe gelegenen Park sprossen die Krokusse. Zarte Farbkleckse, fast wie hingehaucht – so wirkten sie. Auch die ersten Singvögel waren schon zu hören. Die Luft war noch kühl, aber dadurch auch sehr erfrischend. Ein zarter Windhauch streifte ihr Gesicht und Lilly merkte, wie sie durch diese bewusst wahrgenommenen Sinneseindrücke ruhiger und gelöster wurde. Ja – sie würde es schaffen. Yoga würde nicht nur ihr Leben bereichern. Auch alle, die in ihre kleine Oase finden würden, würden in dieser großartigen Philosophie etwas Positives für sich selbst erkennen. Alles wird gut werden. Dabei fiel ihr das bekannte Zitat des Schriftstellers Oscar Wild ein:
Am Ende wird alles gut! Wenn es noch nicht gut ist, ist es auch noch nicht das Ende!
Hier beginnt nun die Darlegung des Yoga (YS 1.1)
Lilly sprach mit sanfter Stimme zu den Teilnehmern: „Lasst alles los, was heute schon war, was heute noch kommt, um ganz im Hier und im Jetzt zu sein. Yoga bedeutet präsent zu sein. Gelebte Achtsamkeit.“ Die Worte waren ihr in Fleisch und Blut übergegegangen. Ob sie dies ihren Teilnehmern vermitteln konnte? Dass Yoga nur im Hier und Jetzt beginnt? Sie wünschte es sich sehr. Wusste zugleich, dass dies nicht einfach war, gelang es ihr selbst doch auch nicht im Alltag immer präsent zu bleiben. Sie machte sich immer viel zu viele Gedanken. Hatte sie den richtigen Schritt gemacht, als sie in die Selbstständigkeit ging? War sie geeignet, diese wunderbare Philosophie weiterzugeben? Es würde sich zeigen. Ihr Konzept basierte auf den Yoga-Sutren des Patanjali*. Einem Werk oder Leitfaden, der die Philosophie des Yoga Schritt für Schritt darlegte. Beginnend mit den so genannten Yamas, welche den Umgang mit der Außenwelt beschrieben, über die Niyamas, bei denen es dann schon um den Umgang mit sich selbst ging. Mit 195 Sutren aufgeteilt in vier Kapitel verhalf dieser Leitfaden zu dem großen Ziel „Samadhi – der Befreiung. Von vielen Menschen wurde dies auch als „Erleuchtung“ bezeichnet. Bis dahin war es jedoch ein langer Weg, soviel war Lilly bewusst. Und es gab viele berühmte Yogalehrer, die sogar vermittelten, dass Erleuchtung letztendlich ein Akt der Gnade war. Etwas was man nicht mit seinem Willen beeinflussen konnte. Erst wenn man das Wollen loslassen würde, könne man wahre Befreiung erlangen. Somit war dies alles, wenn überhaupt, noch in weiter Ferne für Lilly. Die heutige Stunde lief zumindest erst einmal gut an. Sie führte ihre Teilnehmer in den Sonnengruß ein, eine der grundlegenden Übungsabfolgen des Hatha Yoga. Zeigte, korrigierte und flocht immer wieder kleine Zitate und Weisheiten ein. So auch gegen Schluss der Stunde:
Yogacittavrittinirodhah. Der Zustand des Yoga ist erreicht, wenn die Gedanken zur Ruhe gekommen sind (YS 1.2).