1,99 €
Judy von Redderbusch und Herm von Hermesdorf kennen sich seit ihrer Kindheit. Judy steht nun an der Schwelle vom Mädchen zur Frau, und sie will ernst genommen werden, und sie will geliebt werden. Auf einen Kuss von Herm wartet die Gutstochter schon so lange. Doch er ist in der Liebe unerfahren, weiß nicht, wie er Judy seine Gefühle gestehen soll.
Als der Reiseschriftsteller Detlef von Wolffberg zu Besuch auf Gut Redderbusch verweilt, ist Herm schnell vergessen. Der Mann von Welt weiß, wie er das Mädchenherz höherschlagen lässt, und Judy genießt seine Komplimente. Je länger Detlef bleibt, desto mehr verliert er sein Herz an die unerfahrene und unschuldige Gutstochter. Während sich die beiden näherkommen, schaut Herm eifersüchtig und hilflos zu. Als Detlef von Wolffberg einige Woche später abreist, ist aus dem Mädchen Judy eine Frau geworden. Detlef hat ihr einen Antrag gemacht, sie werden schon bald heiraten. Doch so weit soll es nicht kommen, denn noch auf der Heimreise verunglückt der geliebte Mann tödlich. Herm sieht nun seine Chance gekommen, Judy endlich seine Liebe zu gestehen und sie zu heiraten. Wenig später stimmt sie zu, und verschweigt Herm, dass sie Detlefs Kind unter dem Herzen geht ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Sie verschwieg ihm ihr Kind
Vorschau
Impressum
Sie verschwieg ihm ihr Kind
Das dramatische Schicksal einergroßen Liebe
Von Ina Ritter
Judy von Redderbusch und Herm von Hermesdorf kennen sich seit ihrer Kindheit. Judy steht nun an der Schwelle vom Mädchen zur Frau, sie will ernst genommen werden, und sie will geliebt werden. Auf einen Kuss von Herm wartet die Gutstochter schon so lange. Doch er ist in der Liebe unerfahren, weiß nicht, wie er Judy seine Gefühle gestehen soll.
Als der Reiseschriftsteller Detlef von Wolffberg zu Besuch auf Gut Redderbusch verweilt, ist Herm schnell vergessen. Der Mann von Welt weiß, wie er das Mädchenherz höherschlagen lässt, und Judy genießt seine Komplimente. Je länger Detlef bleibt, desto mehr verliert er sein Herz an die unerfahrene und unschuldige Gutstochter. Während sich die beiden näherkommen, schaut Herm eifersüchtig und hilflos zu. Als Detlef von Wolffberg einige Woche später abreist, ist aus dem Mädchen Judy eine Frau geworden. Detlef hat ihr einen Antrag gemacht, sie werden schon bald heiraten. Doch so weit soll es nicht kommen, denn noch auf der Heimreise verunglückt der geliebte Mann tödlich. Herm sieht nun seine Chance gekommen, Judy endlich seine Liebe zu gestehen und sie zu heiraten. Wenig später stimmt sie zu, und verschweigt Herm, dass sie Detlefs Kind unter dem Herzen trägt ...
Judy von Redderbusch richtete sich im Sattel auf und blickte zum Waldrand hinüber. Sie hatte die beiden Reiter sofort erkannt. Judy drückte ihrem Pferd die Sporen in die Weichen und galoppierte auf die beiden zu.
»Guten Tag«, sagte sie etwas von oben herab. »Störe ich?«
Ihre Frage galt Herm, aber sie schaute dabei Antonia von Sponeck an. Ein leicht ironisches Lächeln legte sich um ihren Mund.
»Du störst nie«, beteuerte Herm von Hermesdorf. »Wolltest du zu uns?«
»Nein, nur ein bisschen ausreiten. Bei dem Wetter bekommt man Lust, sein Pferd zu bewegen.«
»Und Sie bewegen es am liebsten auf Gut Hermesdorf?«, fragte Antonia mit hinterhältiger Freundlichkeit. »Redderbusch ist für ein temperamentvolles Pferd auch zu klein.«
Graf Hermesdorf schmunzelte versteckt. Die Kabbelei der beiden jungen Damen machte ihm Spaß. Redderbusch grenzte an Gut Hermesdorf und war sogar noch größer. Er wusste, dass Judy seinetwegen gekommen war, und er fand nichts dabei.
»Darf ich fragen, wieso Sie hier reiten?«, wandte sich Judy an Antonia.
»Natürlich dürfen Sie fragen. Ich bin sogar bereit, Ihre Frage zu beantworten, liebes Fräulein von Redderbusch.«
»Antonia hat mich zu einer Party eingeladen«, kam Graf Herm Antonias Antwort zuvor.
»Natürlich. Telefone gibt es ja hier auch nicht, und eine Post auch nicht. Man muss schon persönlich kommen, wenn man etwas ausrichten will.«
»Sie besitzen eine erstaunliche Beobachtungsgabe«, stellte Antonia beeindruckt fest.
Herm lachte. »Warum zankt ihr euch eigentlich immer, wenn ihr mal zusammentrefft?«, wollte er wissen.
»Wir zanken uns nicht«, verkündeten beide wie aus einem Munde, und dabei funkelten sie sich wütend an.
Herm von Hermesdorf lachte noch lauter.
»Ich begleite Antonia nach Hause«, erläuterte der junge Graf seiner schönen Nachbarin.
»Ach, braucht sie denn männlichen Schutz?«
»Braucht den nicht jede junge Dame?«, wollte Herm wissen. »Du siehst heute wieder einmal reizend aus, Judy.«
Antonia schluckte die Bemerkung herunter, die ihr auf der Zunge gelegen hatte. Sie war zu bissig gewesen. Einen Geschmack hatten manche Männer, nicht zu fassen! Was fand er an diesem faden Mädchen nur schön? Etwa ihr strohiges Haar? Oder diesen langweiligen Teint? Oder diese blassblauen Kuhaugen? Sie, Antonia von Sponeck, konnte jedenfalls nichts Anziehendes an Judy entdecken.
Sie wäre erstaunt gewesen, hätte Herm ihr gesagt, dass das strohfarbene Haar in seinen Augen wie schimmerndes Gold aussah, der zarte Teint ihn an einen Pfirsich erinnere und ihre Augen an Vergissmeinnicht.
»Was dagegen, wenn ich mich anschließe?«, fragte Judy beiläufig. »Sagen Sie es nur, wenn ich störe«, wandte sie sich direkt an Antonia. »Falls Sie etwas mit Herm zu besprechen haben, was nicht für meine Ohren bestimmt ist. Oder falls Sie sonst etwas vorhaben.«
»Wir haben keine Geheimnisse miteinander«, beeilte sich Herm zu versichern. »Und wir freuen uns, wenn du uns begleitest. Wie geht es deinen Eltern?«
»Ich soll dich grüßen und dich bitten, sie wieder einmal zu besuchen. Du machst dich in letzter Zeit sehr rar bei uns.«
»Die Arbeit ...«
»Ja, und dann noch Besuche, die dich von der Arbeit abhalten. — Entschuldigen Sie bitte, das ging nicht auf Sie«, beeilte sich Judy hinzuzusetzen.
Antonia machte ein Gesicht, als hätte sie unversehens in eine Zitrone gebissen.
»Reiten wir los.« Sie gab ihrem Pferd die Zügel frei. Ohne sich nach den beiden umzuschauen, preschte sie davon.
Die habe ich fein geärgert, freute sich Judy. Was für ein Gesicht machte Herm jetzt?
Er hatte die Stirn gerunzelt.
»Warum bist du Antonio gegenüber immer so eklig?«, fragte er. »Du bist sonst nicht so. Was hat sie dir getan?«
»Nichts. Ich finde sie nur langweilig. Aber das ist wohl Geschmacksache.«
»Allerdings«, bestätigte der Graf noch immer verstimmt. »Antonia ist sehr klug, man kann sich mit ihr über alles unterhalten.«
»Verstehe. Viel klüger als ich.«
»Nimm doch nicht alles so persönlich.«
»Ich mag es nicht, wenn du für andere Mädchen schwärmst, jedenfalls nicht, wenn es Typen sind wie Antonia. Grinse nicht so! Ich weiß gar nicht, was es hier zu grinsen gibt.«
»Ich grinse nicht, ich lächle höchstens ein bisschen, und im Übrigen finde ich, dass du das netteste Mädchen der Welt bist. Zufrieden?«
»Stimmt das wirklich?«, fragte Judy eifrig. »Oder machst du dich nur über mich lustig? Dir gefällt Antonia doch viel besser.«
»Mir gefällt kein Mädchen besser als ein gewisses Fräulein von Redderbusch. Ich habe es dir schon oft gesagt. Wann wirst du es mir glauben?«
»Als ich dich eben mit dieser Sponeck zusammen sah ...«
»Was ist dagegen einzuwenden? Sie ist eine Nachbarin wie du, ein nettes Mädchen, und sie hat mich zu einer Party eingeladen.«
»Weißt du auch, warum?«
Judy konnte die Antwort auf ihre Frage nicht gleich selbst geben, denn ihr Pferd war von ihrer Nervosität angesteckt worden und versuchte auszubrechen. Die junge Dame hatte alle Hände voll zu tun, es wieder in ihre Gewalt zu bringen.
Herm ritt an ihrer Seite und grinste noch immer. Einen Versuch, ihr zu helfen, unternahm er nicht. Er wusste, was für eine ausgezeichnete Reiterin Judy war. Sie hätte seine Hilfe eher als Beleidigung aufgefasst.
»Nun, was will Fräulein von Sponeck von mir?«, fragte er, als Judys Pferd wieder lammfromm unter ihr ging.
»Dich heiraten, natürlich! Sie frisst dich richtig mit ihren Augen auf. Was sie sich nur einbildet! Sie und ein Mann wie du! Kleiner Anfall von Größenwahn, würde ich sagen.«
»Vielen Dank. Das war ein tolles Kompliment für mich. Aber Antonia denkt nicht daran, mir schöne Augen zu machen.«
»Das merkst du bloß nicht. Sie ist ganz verrückt nach dir. Du brauchst nur mit dem kleinen Finger zu winken, dann hättest du sie schon am Hals.«
»Tatsächlich? Das müsste ich direkt einmal ausprobieren«, sagte Graf Herm ernst und nachdenklich.
»Untersteh dich«, explodierte Judy, und erst sein Lachen machte ihr klar, dass sie ihm wieder einmal auf den Leim gegangen war. »Es ist gemein von dir, mich immer auszulachen!«, funkelte sie ihn an. »Reite nur deiner Antonia nach, ich habe die Nase voll von dir!«
Sie riss ihr Pferd herum und jagte im gestreckten Galopp davon. In ihren Augen funkelten Tränen. Alle Mädchen nimmt er ernst, dachte sie, alle, nur mich nicht. Und warum nicht? Weil wir uns schon so lange kennen, weil wir fast aufgewachsen sind wie Geschwister. Aber ich habe nie in ihm den Bruder gesehen. Er soll nicht mit Antonia flirten, er ist viel zu schade für sie.
Ihr Pferd wurde langsamer und blieb schließlich ganz stehen. Judy drehte sich im Sattel herum. Herm war einfach weitergeritten, dieser Antonia nach, anstatt zu versuchen, sie einzuholen.
Ganz tief presste Judy die Zähne in die Unterlippe. So ein Dummkopf, dachte sie, so ein riesengroßer Dummkopf. Wenn er erwacht, wird es zu spät sein. Er ist zu schade für so eine ...
***
»Wo hast du Fräulein von Redderbusch gelassen?«, erkundigte sich Antonia, als Herm an ihrer Seite auftauchte.
»Sie wollte nach Hause.«
»Kaum zu glauben. Mich erinnert sie immer an eine Klette. Ein bisschen unerzogen, die Kleine.«
»Mag sein.« Herm hatte nicht die Absicht, mit Antonia über seine Jugendfreundin zu sprechen.
»Ein Glück, dass sie die einzige Tochter ist und einmal viel zu erwarten hat«, fuhr Antonia von Sponeck fort.
»Wie meinst du das?«
»Dann besteht immerhin noch eine gewisse Aussicht, dass jemand sie heiratet«, fuhr die junge Dame ungerührt fort. »Diese faden Typen haben nämlich nicht viel Chancen bei Männern.«
Herm lachte. Er fand, dass er auf diesem Ausritt sehr viel mehr gelacht hatte als sonst. Die beiden Kratzbürsten machten ihm Spaß. Ernst nehmen kennte er beide nicht.
»Oder findest du sie etwa anziehend?«, fragte Antonia in einem Ton, der nur eine Antwort zuließ.
»Ja, sehr.« Graf Hermesdorf hatte nicht die Absicht, dieses Spiel in ihrem Sinne mitzuspielen. »Warst du letzte Woche mal im Kino?«, wechselte er betont das Thema. »Es gibt einen neuen Rühmann-Film, habe ich gehört. Er soll ganz nett sein.«
»Ich habe ihn noch nicht gesehen. Meine Eltern haben es nicht gern, wenn ich abends allein in die Stadt fahre.« Abwartend schaute sie ihn von der Seite an. »Ich sehe den Rühmann nämlich auch recht gern.«
»Wenn du Lust hast, hole ich dich ab, und wir gehen gemeinsam hin.«
»Morgen?« Die junge Dame zögerte nicht, ihn festzunageln. Sie strahlte über das ganze Gesicht, ein sehr hübsches, apartes Gesicht.
Fasziniert schaute Herm sie an. Ein Mädchen mit besonderen Qualitäten, lautete sein Urteil, und sein Blick verriet, was sein Mund nicht aussprach.
***
Besuch?, fragte sich Judy, als sie den großen Wagen neben dem Gutshaus stehen sah. Sie kannte ihn nicht, ein neues, sehr teures Modell.
Interessiert ging sie um das Auto herum. Ihre Liebe gehörte zwar den Pferden, aber es gab auf jeden Fall Autos, die ihr Herz höherschlagen lassen konnten. Dieser Tourenwagen gehörte dazu.
»Gefällt er Ihnen?«
Judy schnellte herum. »Ich habe Sie gar nicht herankommen hören«, stieß sie hervor. »Gehört der Wagen Ihnen?«
»Ja. Gestatten Sie übrigens, dass ich mich vorstelle? Wolffberg, Detlef von Wolffberg. Und wer Sie sind, kann ich leicht erraten: das Ebenbild Ihrer Frau Mutter.«
»Wolffberg«, wiederholte Judy nachdenklich.
Den Namen kannte sie ganz gut. Ihr Vater hatte oft von seinem Freund Wolffberg erzählt. Das musste der Sohn sein. Ein richtiger Mann, fand sie, er sah aus wie der Held vieler Mädchenträume, war groß, breitschultrig, hatte dichtes, blondes, ungebärdiges Haar und zwingende Augen, in denen jetzt tausend Lachteufelchen ihr Spiel trieben.
Nimmt er mich nicht ernst?, fragte sich Judy und richtete sich unwillkürlich höher auf. Viel brachte es nicht, denn sie hielt sich von Natur aus schon sehr gerade.
»Ein ganz hübsches Auto«, tat sie erhaben.
»Wollen Sie es einmal fahren?«
»Was? Sie würden mich ans Steuer lassen?« Judy vergaß, dass sie eine blasierte Pose eingenommen hatte. In diesem Augenblick sah sie aus wie ein großes Kind, dem der Weihnachtsmann eine herrliche Überraschung gebracht hatte.
»Warum nicht? Einen Führerschein haben Sie ...«
»Natürlich. Darf ich gleich ...?« Judy zappelte förmlich vor Ungeduld.
»Bitte sehr, es ist mir ein Vergnügen.« Der Mann öffnete ihr schmunzelnd die Autotür und nahm dann neben ihr Platz. »Der Wagenschlüssel.«
Wie der Motor brummte! Judys Augen leuchteten förmlich, als sie es hörte. Der Motor ihres Wagens knatterte und machte einen Krach, dass man ihn schon hundert Meter weit hörte, bevor man ihn sah. Aber dieser hier, er schnurrt wie eine Raubkatze, fiel ihr ein.
»Legen Sie den ersten Gang ein, geben Sie nicht zu viel Gas. Der Motor hat hundertachtzig PS, und wenn die losgelassen werden ...«
Judy gehorchte, aber der Wagen machte trotzdem einen Satz. Erschreckt nahm sie den Fuß vom Gashebel.
»Man muss sich an den Umgang mit so vielen Pferden auf einmal gewöhnen«, meinte der Mann. Entzückt schaute er in ihr vor Eifer gerötetes Gesicht.
Detlef von Wolffberg kannte die Welt und die Frauen und hatte geglaubt, dass kein weibliches Wesen mehr imstande sein würde, sein Herz höherschlagen zu lassen.
Ein Irrtum, wie ihm nun klar war. Die entzückende Tochter seiner Gastgeber war ein Menschenkind, wie man es in den Metropolen der Welt kaum noch fand, frisch, natürlich, völlig ungekünstelt.
Auf einer geraden Strecke erhöhte Judy das Tempo. Sie war allerdings vernünftig genug, es rechtzeitig wieder zu reduzieren. Bedauernd fuhr sie nach Redderbusch zurück.
»Es muss schön sein, solch ein Auto zu haben«, meinte sie, als sie den Motor abstellte und dem Mann an ihrer Seite den Zündschlüssel reichte. Sie fing seinen Blick auf und stutzte. Und dann wurde sie über und über rot. »Meine Eltern warten bestimmt schon auf mich«, stieß sie verwirrt hervor und kletterte aus dem Wagen, bevor der Mann ihr noch die Tür öffnen konnte. »Werden Sie länger auf Redderbusch bleiben?«
»Ich weiß es noch nicht. Vielleicht.« Er hatte an und für sich die Absicht gehabt, nur ein oder zwei Tage zu bleiben. Jetzt wusste er nicht mehr, ob er sich tatsächlich hier langweilen würde. Sein Vater hatte ihn gebeten, seinen alten Freund aufzusuchen. Von der entzückenden Tochter hatte er nicht gesprochen.
»Sie kommen von einem Ausritt?« Ihr Reitanzug hatte es ihm verraten. Er hatte diese überflüssige Frage nur gestellt, um ihre Stimme wiederzuhören.
Sie hatte eine ganz besondere Stimme, fand er, viel dunkler, als man bei ihrem Typ erwarten sollte. Eine Stimme wie Samt.
Detlef von Wolffberg brannte lichterloh, und das sah man ihm an, wenn er es auch gewohnt war, sich zusammenzunehmen.
Für Judys Vater jedenfalls genügte ein einziger Blick, und er wusste Bescheid. Ein winziges Lächeln glitt um seine Mundwinkel.
Ob Felix gehofft hatte, sein Sohn würde sich in unsere kleine Judy verlieben?, fragte er sich. Er hielt es für möglich, dass sein Freund sich wünschte, ihre Beziehungen durch eine Heirat der Kinder noch enger zu gestalten.
»Herr von Wolffberg hat mir erlaubt, eine Runde in seinem Wagen zu fahren. Ein fantastisches Auto!«
»Ja, für einen, der Autos mag ...« Bernhard von Redderbusch bevorzugte ein PS, höchstens noch zwei vor einem Kutschwagen. Allerdings war er bereit, zu verstehen, dass die Jugend sich für diese technischen Wunderwerke erwärmen konnte. »Das Essen ist gleich fertig. Zieh dich um, Judy. Heute wirst du ein Kleid tragen, hoffe ich.«
»Wenn es unbedingt sein muss ...«
»Doch nicht hoffentlich meinetwegen?«, fragte Detlef von Wolffberg rasch. »Bitte, machen Sie sich meinetwegen keinerlei Umstände.«
»Davon kann gar keine Rede sein. Unsere Kleine hat nun einmal eine Schwäche für Hosen. An ihr ist ein Junge verloren gegangen. Aber in einem Kleid mag ich sie lieber. Ich glaube, Sie werden mir beipflichten, wenn Judy sich umgezogen hat. Du musst dich beeilen, Kind. Mutter liebt es nicht, wenn wir uns zum Essen verspäten. Wir stehen nämlich alle ein wenig unter dem Pantoffel«, verriet er seinem Gast schmunzelnd.
»Es muss ein Vergnügen sein, unter solch einem reizenden Pantoffel zu stehen«, meinte der Mann galant. Er folgte Judy mit den Blicken, als sie leichtfüßig die Treppe hinauflief.
»Ein kleiner Racker. Hoffentlich ist sie nicht zu leichtsinnig gefahren, Herr von Wolffberg. Ich habe immer ein wenig Angst, sie ans Steuer zu lassen.«
»Nein, sie war sehr vorsichtig.« Detlef sah aus wie jemand, der geträumt hat und noch nicht wieder ganz in der Wirklichkeit lebt.
Das Schmunzeln um Bernhard von Redderbuschs Mund verstärkte sich.
»Hoffentlich gefällt es Ihnen bei uns«, meinte er. »Wir würden uns freuen, könnten Sie länger bleiben. Wahrscheinlich wird es Ihnen bald zu langweilig werden.«
»Bestimmt nicht. Ich liebe die Stille. Könnten Sie mir ein Reitpferd zur Verfügung stellen? Vielleicht erlaubt Ihr Fräulein Tochter mir, sie gelegentlich bei Ausritten zu begleiten. Ich reite sehr gern.«
»Sie wird sich freuen, aber mehr noch ich. Judy ist eine tollkühne Reiterin, und ich sehe es gar nicht gern, wenn sie sich draußen allein herumtummelt. Ich fürchte immer, dass sie sich eines Tages das Genick brechen wird«, meinte er.
Detlef von Wolffberg stand auf, als Judy zurückkehrte. Sein Mund öffnete sich, und er ahnte nicht, dass er in diesem Augenblick einen fast unintelligenten Eindruck machte. Er stand da und schaute auf die junge Dame, als sei sie eine Erscheinung aus einer anderen Welt.
Judy errötete unter seinem bewundernden, hingerissenen Blick. Ihr Fuß stockte.
»Finden Sie nicht auch, dass Judy in einem Kleid hübscher aussieht?«, erkundigte sich der Hausherr.
»Ja.« Mehr konnte der Mann nicht sagen. Er war wie vor den Kopf geschlagen, aber sein Schweigen war das schönste Kompliment, das Judy bisher empfangen hatte.
Er ist ein Mann, ein richtiger Mann, dachte sie, als sie seinen Arm nahm und sich von ihm zu Tisch führen ließ. Neben ihm ist Herm nur ein großer Junge. Ein furchtbar netter Junge, ein verdammt lieber Junge, aber eben noch kein richtiger Mann.
Frau von Redderbusch sah ihrer Tochter wirklich verblüffend ähnlich. Bei einem flüchtigen Blick konnte man sie leicht für Judys Schwester halten.
In ihrem blonden Haar waren noch keine grauen Fäden, und nur die feinen Fältchen in ihrem Gesicht verrieten einem aufmerksamen Betrachter, dass sie schon älter war.
Detlef wusste nicht, was er aß und wie viel er aß. Er nahm von dem, was ihm angeboten wurde, und immer wieder hing sein Blick verzaubert an der Tochter seiner Gastgeber.
Er stand in Flammen, und Judy wäre keine echte Evastochter gewesen, hätte ihr seine Bewunderung nicht überaus geschmeichelt.
***
»Was war das für ein Mann, mit dem ich dich gestern zusammen gesehen habe?«, fragte Herm am nächsten Tag. Er war extra nach Redderbusch geritten, um sie das zu fragen, hatte ihrem Vater gegenüber allerdings einen anderen Vorwand genannt.
»Ach der!« Unter kokett gesenkten Lidern schaute Judy ihn an. »Ein toller Mann. Ein richtiger Mann. Er hat den Wagen letztes Jahr gekauft.«
»So, du findest ihn toll?«, fragte Herm grimmig. »Einen merkwürdigen Geschmack hast du, das muss ich schon sagen. Nur weil er Geld genug besitzt, um sich solch eine alte Blechkiste kaufen zu können, findest du ihn gleich toll.«
»O nein«, berichtigte Judy. »Er ist ein Mann, der die Welt kennt.«
»Und das hast du natürlich sofort gemerkt, du Küken. Bist noch nie im Leben aus Redderbusch hinausgekommen, aber einen tollen Kerl, den erkennst du an seiner Nasenspitze.«
»Nicht nur an der Nasenspitze, an seiner ganzen Art, lieber Herm.«
»Sag nicht lieber Herm, verdammt noch mal!«, knurrte der junge Graf. »Wie kommst du dazu, mit solch einem hergelaufenen Kerl zu flirten?«
»Ich flirte gar nicht mit ihm. Ist es meine Schuld, dass er sich Hals über Kopf in mich verliebt hat?«
Judys Herz hüpfte vor Freude. Herm war eifersüchtig, er raste förmlich vor Eifersucht, wenn er sich auch bemühte, Haltung zu bewahren. Es machte Judy glücklich, ihn so zu sehen.
Aber natürlich musste sie das Feuer noch ein bisschen schüren. Das war die Strafe dafür, dass er sich mit Antonia eingelassen hatte. Schadete ihm gar nichts, wenn er jetzt merkte, dass andere Männer sie ernst nahmen.
»Verliebt. Er macht dir ein paar Komplimente, und du glaubst sofort, er sei verliebt.« Herm ballte die Rechte zur Faust. »Du bist noch ein ganz dummes Ding.«
»Vielen Dank, Herm. Detlef glaubt es nicht. Er hält mich für eine bezaubernde Frau.«
»Detlef! Seid ihr schon so weit, dass ihr euch beim Vornamen nennt?«, knirschte der junge Mann.
»Er hat mich darum gebeten. Ich fand es gut. Aber sag mal, was stört es dich? Du hast doch deine Antonia. Hat sie dich gestern noch schön angehimmelt?«
»Bist du auch verliebt?«, fragte der Graf verbissen, ohne ihr eine Antwort zu geben.
