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Die junge, hübsche Hella Thomsen ist eine herzensgute und beliebte junge Frau. Immer fleißig, bescheiden und freundlich. Deshalb möchten die meisten Kunden des Kosmetiksalons immer nur von ihr bedient werden. Hella ist glücklich, wenn sie am Abend ihren Verlobten, den angehenden Juristen Norbert Winkler, trifft. Die beiden sind sehr verliebt und wollen heiraten, wenn Norbert richtig Geld verdient. Solange müssen sie sich noch gedulden.
Da tritt Johannes Schellenbach in Hellas Leben. Er ist ungeheuer reich,
dabei gütig und weise. Er ist einsam in seinem hohen Alter. Die so bescheidene und herzliche Hella schließt er bei seinen Salonbesuchen schnell ins Herz. Schellenbach lädt Hella und Norbert sogar in seine Villa zum Abendessen ein. Doch Norbert verweigert die Einladung, er ist eifersüchtig und unterstellt dem alternden Industriellen böse Absichten. Als Schellenbach den jungen Liebenden ein Darlehen anbieten will, gibt es den ersten Streit zwischen Hella und Norbert - der zum Bruch führt, als der Industrielle urplötzlich stirbt und Hella als Alleinerbin einsetzt ...
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Die verhängnisvolle Erbschaft
Vorschau
Impressum
Die verhängnisvolle Erbschaft
Kann Reichtum eine Liebe zerstören?
Von Ina Ritter
Die hübsche Hella Thomsen ist eine herzensgute und beliebte junge Frau. Immer fleißig, bescheiden und freundlich. Deshalb möchten die meisten Kunden des Kosmetiksalons immer nur von ihr bedient werden. Hella ist glücklich, wenn sie am Abend ihren Verlobten, den angehenden Juristen Norbert Winkler, trifft. Die beiden sind sehr verliebt und wollen heiraten, wenn Norbert richtig Geld verdient. Solange müssen sie sich noch gedulden.
Da tritt Johannes Schellenbach in Hellas Leben. Er ist ungeheuer reich, dabei gütig und weise. Er ist einsam in seinem hohen Alter. Die so bescheidene und herzliche Hella schließt er bei seinen Salonbesuchen schnell ins Herz. Schellenbach lädt Hella und Norbert sogar in seine Villa zum Abendessen ein. Doch Norbert verweigert die Einladung, er ist eifersüchtig und unterstellt dem alternden Industriellen böse Absichten. Als Schellenbach den jungen Liebenden ein Darlehen anbieten will, gibt es den ersten Streit zwischen Hella und Norbert – der zum Bruch führt, als der Industrielle urplötzlich stirbt und Hella als Alleinerbin einsetzt ...
»Halten Sie sich für fünfzehn Uhr frei, Fräulein Hella. Herr Schellenbach möchte wieder von Ihnen bedient werden.«
»Gut.« Hella Thomsen nickte, aber sie konnte nicht verbergen, wie sie sich über diesen Auftrag freute. Sie lächelte.
Und das nicht nur, weil Herr Schellenbach ihr stets reichliches Trinkgeld gab. Er war ein ungewöhnlich netter Mann, mit dem Hella gern während der Arbeit plauderte. Er hatte nie versucht, irgendwie zudringlich zu werden – im Gegensatz zu vielen anderen Kunden, die Hella oft bedrängten, doch mal mit ihr auszugehen.
Im Salon Rotenau herrschte an diesem Tag Hochbetrieb. Die Mädchen kamen kaum dazu, mittags ihre Butterbrote zu verzehren. Und doch sah man Hella keine Müdigkeit an, als Herr Schellenbach pünktlich um drei Uhr eintraf. Er begrüßte Hella mit Handschlag.
»Schön, dass Sie Zeit für mich haben, Fräulein Hella«, sagte er, als er auf dem Frisierstuhl Platz nahm. »Wie geht es Ihnen?«
»Danke, gut. Und Ihnen?« Hella fand, dass der alte Herr sehr müde und viel hinfälliger aussah als sonst.
Johannes Schellenbach lächelte eigentümlich.
»In meinem Alter ist man dankbar für jeden Tag, an dem man noch die Sonne aufgehen sieht.«
»So alt sind Sie doch noch nicht!«, protestierte Hella, aber nicht ganz überzeugend, denn heute sah man ihm seine Jahre an.
Johannes Schellenbach legte seine Rechte in die Seifenschale, um die Haut weichen zu lassen.
»Ein ganzes Leben lang habe ich mich abgerackert und geschuftet«, begann er zu erzählen, »und für wen das alles? Im Alter bin ich allein.«
»Sie haben doch sicherlich Verwandte, Herr Schellenbach.«
»Reiche Leute haben genug Verwandte«, bestätigte der Mann mit grimmigem Lächeln. »Wo etwas zu erben ist, finden sie sich ein. Sie reden mir nach dem Mund, verlieren nie die Geduld, auch wenn ich manchmal hässlich zu ihnen bin ...«
»Das glaube ich nicht«, protestierte Hella rasch. »Ich meine, dass Sie hässlich sind«, wurde sie genauer, als der alte Herr sie überrascht anschaute.
»Doch, ich bin es. Wenn ich Schmerzen habe ... Aber es widert mich an, wie meine liebe Verwandtschaft alles hinnimmt, was ich ihr biete. Manchmal fordere ich sie direkt heraus. Aber nicht einer von ihnen hat Rückgrat genug, mir seine Meinung zu sagen.«
»Ihre Verwandten werden Sie lieben, Herr Schellenbach, und wer liebt, hat auch Nachsicht.«
»Sie hassen mich und warten auf meinen Tod. Wenn sie überhaupt beten, dann werden sie darum beten, dass ich möglichst bald sterbe.« Eine ungeheure Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit.
Hella senkte betroffen den Kopf. Sie wusste nicht, was sie ihm Tröstliches sagen sollte.
»Haben Sie eigene Kinder?«, fragte sie schließlich.
»Meine beiden Söhne sind im Krieg gefallen. Meiner Frau hat es das Herz gebrochen. Ich habe damals mein Werk wieder aufgebaut, aber eigentlich nur, um die Leere in meinem Leben zu vergessen. Geschäftlich hatte ich Erfolg. Ich bin reich geworden. Aber sonst ... Sie haben eine Familie?«, wechselte er das Thema.
Hella nickte. »Meine Mutter lebt noch, dann habe ich noch eine Schwester und einen Bruder.« Unwillkürlich lächelte sie, als sie von ihnen sprach.
»Und Sie verstehen sich mit allen gut?« Das war mehr eine Feststellung als eine Frage. Johannes Schellenbach war irgendwie überzeugt, dass man sich mit Hella einfach verstehen musste. »Und sonst ...?«, fragte er in seiner väterlichen Art.
Hella wurde ein wenig rot. »Wie meinen Sie das?«, fragte sie ausweichend, um Zeit zu gewinnen.
»Ein hübsches, sympathisches Mädchen wie Sie hat doch bestimmt einen Freund. Ich will mich nicht in Ihr Vertrauen drängen, Fräulein Hella, aber es interessiert mich einfach, wie Sie leben.«
»Ich habe einen Freund. Wir wollen heiraten, sobald wir das Geld zusammen haben. Ein Jahr muss ich wohl noch arbeiten, aber dann ...«
»Geld wofür?«, fragte der alte Herr neugierig.
»Für den Baukostenzuschuss und die Möbel. Es kostet heutzutage alles so furchtbar viel, Herr Schellenbach. Wir brauchen etwa zehntausend Mark, aber bis man die zusammengespart hat ...«
»Wünschen Sie sich Kinder?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Hella spontan. »Aber am Anfang werde ich noch mitarbeiten müssen, bis wir die Möbel abbezahlt haben. Vielleicht noch zwei oder drei Jahre.«
»Die schönsten Jahre Ihres Lebens.« Der alte Herr schaute Hella Thomsen nachdenklich an. »Wenn Sie das Geld hätten, würden Sie ...«
»So schnell wie möglich heiraten. Aber wir haben das Geld nicht, Herr Schellenbach, und wir spielen nicht einmal Lotto. Auch von daher können wir also kein Vermögen erwarten.«
»Und trotzdem sind Sie immer so vergnügt und ausgeglichen.«
»Das Leben ist nun einmal so, und mir geht es nicht schlechter als anderen. Im Gegenteil, ich bin mit meinem Leben zufrieden. Wenn man Menschen hat, zu denen man gehört ...« Sie brach ab, als ihr zum Bewusstsein kam, dass ihr Geständnis Herrn Schellenbach vielleicht wehtat. Er hatte ja niemanden, den er liebte oder der ihn liebte. Unwillkürlich legte sie ihre Rechte auf die schlaffe Hand des Mannes. »In Ihrer Verwandtschaft ist bestimmt jemand, der Sie liebhat«, meinte sie spontan.
»Danke.« Der alte Herr lächelte ihr zu. Er spürte ihre gute Absicht. »Erzählen Sie mir von Ihren Geschwistern. Wer ist der Ältere? Ihre Schwester oder Ihr Bruder?«
»Monika. Sie ist Verkäuferin. Mein Bruder will Ingenieur werden, er besucht das hiesige Technikum. Er ist sehr fleißig, jedes Wochenende arbeitet er noch, um sich Geld zu verdienen.«
»Und Ihre Frau Mutter?«
»Arbeitet bei der Post. Nach Vaters Tod musste sie sich eine Stellung suchen. Die Rente ist viel zu gering, und außerdem ... Mutter ist keine Frau, die den ganzen Tag zu Hause herumsitzen kann.«
»Was für eine nette Familie müssen Sie haben«, murmelte Johannes Schellenbach. »Ihre Mutter ist also nicht verbittert?«
»Nein, das liegt ihr nicht. Das liegt überhaupt nicht bei uns in der Familie. Natürlich war sie niedergedrückt, als Vater starb. Es war ein Unfall? Aber das Leben geht weiter, und wir Kinder brauchten allerhand. Sie wissen ja selbst, wie das so ist. Da hat sie sich die Stellung bei der Post gesucht. Meistens kommt sie als Erste nach Hause und richtet das Abendessen. Wenn Lothar früher da ist, macht er es. Ob Sie es glauben oder nicht, Herr Schellenbach, mein Bruder kann ganz ausgezeichnet kochen.«
»Sie helfen einander.«
»Das muss man doch! Wie will man sonst durchkommen? Nur Monika ist ein bisschen faul, aber andererseits kann ich verstehen, dass sie abends keine Lust mehr hat, noch irgendetwas zu tun. Sie ist den ganzen Tag auf den Beinen, und der Umgang mit den Kunden ist nicht immer unbedingt erfreulich. Sie geht gern aus ...«
»Dazu ist sie nicht zu müde«, warf Herr Schellenbach ein und schmunzelte.
»Sie ist jung, und weshalb sollte sie ihr Leben nicht genießen?« Hella fühlte sich direkt verpflichtet, ihre Schwester in Schutz zu nehmen. »Wenn sie erst einen festen Freund hat, dann wird sie häuslicher werden. Im Augenblick gibt sie noch ihr ganzes Geld aus. Sie denkt nicht ans Sparen.«
»Ist Ihre Schwester genauso hübsch wie Sie?«
»Wir ähneln uns überhaupt nicht. Monika schlägt mehr nach meinem Vater. Sie hat braunes Haar und braune Augen, beim Lachen Grübchen in den Wangen. Die Jungs sind toll hinter ihr her. Aber sie macht sich nicht viel aus ihnen. Sicher, sie flirtet gern herum, wie es heutzutage bei den jungen Leuten so üblich ist ...«
Fast hätte Herr Schellenbach losgelacht, als Hella in diesem Ton von jungen Leuten sprach. Sie selbst war auch noch sehr jung.
»Und Ihr Freund?«
»Er arbeitet für sein Referendarexamen. Im Augenblick bekommt er praktisch nur ein Taschengeld. Es ist eine Schande, wie man die jungen Leute ausnutzt. Arbeiten muss er genug, aber verdienen soll er nichts. Nun, wenn er erst einmal fertig ist und eine Anstellung hat, dann wird alles besser. Seine Doktorarbeit hat er schon eingereicht.«
»Dann werden Sie also einmal eine Frau Doktor, Fräulein Hella.«
Das Mädchen lächelte mit ihm zusammen. An dem Titel ihres künftigen Mannes lag ihr nichts. Norbert meinte nur, er würde ihm nützen, wenn er sich später einmal als Rechtsanwalt selbstständig machte.
»Die linke Hand, bitte.«
Gehorsam tauchte Johannes Schellenbach sie in die Seifenschale.
»Sie leben in einer ganz anderen Welt als ich«, stellte er fest.
»Ihre Welt ist größer und sicherlich schöner. Ich möchte wetten, dass Sie eine prächtige Villa bewohnen.«
»Das schon ... Besuchen Sie mich doch einmal, Fräulein Hella. Mit Ihrem künftigen Doktor zusammen. Essen Sie bei mir zu Abend. Wann passt es Ihnen einmal? Ich werde meiner Haushälterin sagen, dass sie dann etwas besonders Gutes auf den Tisch stellt.«
Hella zögerte, sich zu diesem Angebot zu äußern. Es kam sehr überraschend für sie. Aber andererseits – weshalb sollte ich nein sagen?, dachte sie. Norbert freut sich bestimmt, wenn er einmal etwas besonders Gutes zu essen bekommt. Manchmal nahm sie ihn nach Hause mit, aber bei ihnen gab es an Wochentagen nur einfache Gerichte.
»Morgen Abend?«, schlug Johannes Schellenbach vor. »Sie würden mir eine große Freude machen, Fräulein Hella. Ich lasse Sie mit meinem Wagen abholen und wieder nach Hause bringen.«
»Wenn Norbert nichts vorhat ...«
»Rufen Sie mich an. Hier ist meine Karte.« Johannes Schellenbach zog sie aus der Tasche und reichte sie Hella.
»Danke.«
Als er ging, steckte er Hella wieder einen Zehnmarkschein in die Kitteltasche.
»Bis morgen Abend dann.«
***
Hellas Gesicht begann zu strahlen, als sie vor dem Frisiersalon Norbert Winkler auf und ab gehen sah. Der junge Mann hatte beide Hände in den Taschen seines abgetragenen Ulsters vergraben. Einen Moment schaute Hella ihn verliebt an, bevor sie auf ihn zuging.
»Hallo!«
Der junge Mann schnellte herum. Sein eben noch ernstes Gesicht erhellte sich.
»Endlich!«, stieß er hervor und umschloss ihre Rechte mit beiden Händen.
»Ich wusste nicht, dass du hier auf mich wartest. Heute war furchtbar viel zu tun, und man kann die Kunden ja nicht einfach wieder fortschicken. Wie geht es dir? Hast du heute schön was geschafft?«
»Der übliche Kram.« Seite an Seite setzten sie sich in Bewegung.
»Du, ich habe eine Einladung für uns«, verriet das junge Mädchen wichtig. »Zum großen Abendessen in einer feudalen Villa. Wir werden mit seinem Wagen abgeholt. Was sagst du dazu?«
»Ich verstehe kein Wort. Wer hat uns eingeladen?«
»Ein Kunde, ein Herr Schellenbach. Ein sehr netter alter Herr.«
»Du lässt dich von netten älteren Herren einladen?«, murmelte Norbert und warf ihr einen finsteren Seitenblick zu. »Seit wann das?«
»Herr Schellenbach hat niemanden, der ihm nahesteht.«
»Und du stehst ihm nahe?«, fiel Norbert ihr eifersüchtig ins Wort. »Dann wünsche ich dir für morgen Abend viel Vergnügen bei deinem netten älteren Herrn.«
»Lauf nicht so!« Hella hatte Mühe, mit seinen langen Schritten mitzuhalten. »Er hat ausdrücklich uns beide eingeladen, Norbert. Er möchte dich auch kennenlernen.«
»Aber ich nicht ihn. Für nette ältere Herren, die junge Mädchen einladen, habe ich nicht viel übrig, musst du wissen. Was will er von dir? Eine überflüssige Frage«, gab er sich selbst die Antwort.
»Eifersüchtiger Pinsel.« Hella lachte ihn an. »Kannst du es morgen Abend einrichten? Ich muss ihn noch anrufen, ob du Zeit hast.«
»Was für eine Freude für ihn, wenn ich keine Zeit habe, nicht wahr? Aber ich habe Zeit! Fang nicht an zu weinen, es ist so.«
»Du bist süß, wenn du solch ein eifersüchtiges Gesicht machst.« Hella schob ihren Arm unter seinen. »Er ist furchtbar reich.«
»Wie angenehm für ihn.«
»Welche Laus ist dir heute über die Leber gelaufen?«, wollte Hella wissen. »Hast du dich über deinen Chef geärgert?«
»Über den ärgere ich mich schon längst nicht mehr«, knurrte Norbert. »Verdammt kalt heute.«
»Komm mit zu uns. Bei uns ist es wenigstens warm. Es gibt aufgewärmte Erbsensuppe. Wir teilen uns die Bockwurst.«
Unwillkürlich leckte sich Norbert die Lippen. Sein Geld reichte häufig nicht für warme Mahlzeiten, aber er mochte sich nicht immer von Hella einladen lassen, ohne sich dafür revanchieren zu können.
»Heute nicht.«
»Gerade heute! Sei nicht solch ein Brummbär. Hast du schon etwas von der Universität gehört?«
»Der Professor sitzt auf meiner Doktorarbeit, als müsse er sie ausbrüten! Seit über einem Jahr hat er sie.«
»Er wird sich schon melden.«
»Immer dieses Warten!« Norbert Winkler hatte noch fünf Mark in der Tasche – und heute war erst der Fünfundzwanzigste. Gern hätte er Hella einmal ausgeführt, er tanzte gern und sie auch –, aber umsonst konnte man nicht tanzen. »Vier Jahre habe ich studiert, und jetzt laufe ich noch drei Jahre als Referendar herum! Wer heutzutage studiert, muss total schwachsinnig sein«, knurrte er. »Oder Hungerkünstler«, setzte er noch hinzu.
»Aha!«, stieß Hella hervor.
»Was heißt hier, aha?«, fragte Norbert streitlustig.
»Nichts. Geh nicht so schnell, wir trainieren nicht für einen Marathonlauf.«
»Verzeihung. Ich bin heute nicht zu genießen. Aber wenn ich höre, wenn reiche Pinkel dich in ihre Villen einladen können und sie schicken ihren Chauffeur mit einem dicken Wagen, um dich abzuholen, dann kommt es mir einfach hoch.«
»Herr Schellenbach hat auch einmal ganz klein angefangen. Genau wie du. Eines Tages wirst du viel Geld verdienen, Norbert. Du, ich habe einen großartigen Gedanken. Ich lade dich heute zum Essen in die Stadt ein. Ich habe fast zwanzig Mark Trinkgelder bekommen, die werden wir zusammen verprassen.«
Der Mann presste die Zähne in die Unterlippe.
»Ich habe Appetit auf Erbsensuppe«, behauptete er dann widerwillig. Hella ahnte, was für eine Überwindung es ihn gekostet hatte, ihre erste Einladung anzunehmen.
»Wunderbar. Ich finde das Leben so schön, Norbert. Du, der Schlachter hat noch geöffnet, ich hole rasch ein paar Würstchen.«
Sie zog ihren Arm aus dem des Mannes und lief in den Laden.
Norbert blieb draußen stehen und betrachtete sie durch die Scheiben. Hella trug einen hübschen modischen Mantel, der zwar nicht viel Geld gekostet hatte, aber an ihr wie ein teures Modell aussah. Ihre Frisur war wundervoll. Überhaupt war alles an ihr gepflegt, und wer sie sah, musste sie für eine reiche Frau halten.
Warum gibt sie sich nur mit mir ab?, fragte sich Norbert Winkler. Seit zwei Jahren kannten sie sich nun, und ans Heiraten war überhaupt noch nicht zu denken. Wie oft hatte sie ihm schon heimlich Geld zugesteckt! Er fand die Scheine dann in seiner Manteltasche oder in seinem Anzug, und Hella bestritt, sie dorthin getan zu haben.
Norbert hätte alles darum gegeben, dieses Geld nicht annehmen zu müssen, aber er konnte sich die großartige Geste, es zurückzuweisen, einfach nicht erlauben.
Hella trat aus dem Laden und lächelte vor sich hin. Norbert senkte den Kopf.
»Es ist Pech für dich, dass du mich kennengelernt hast«, sagte er leise. »Sonst würdest du schon längst einen netten, reichen jungen Mann kennengelernt haben ...«
»Ich habe den nettesten jungen Mann der Welt kennengelernt; mir genügt das. Heute gibt es Bockwürste zum Sattessen. Ist das nichts? Legst du sie in deine Aktentasche?«
»Was findest du bloß an mir?«, fragte Norbert selbstquälerisch.
»Wenn du noch so lange so fragst, dann weiß ich es bald auch nicht mehr«, teilte Hella ihm mit. »So wichtig ist das Geld doch nicht, und sobald du deinen Referendar gebaut hast, verdienst du auch anständig.«
»Achthundertfünfzig Mark im Monat. Ein Bauarbeiter würde lachen, böte ihm jemand solch einen Lohn. Aber für einen Akademiker ist es natürlich genug.«
Hella gab ihm rasch einen Kuss auf die Wange.
»Wollen wir heute Abend noch ins Kino?«, schlug sie vor. »Im Fernsehen gibt es nichts Vernünftiges.«
»Hella, manchmal steht mir alles bis oben hin. Ich weiß, dass du zu mir hältst. Aber als Mann möchte ich dir doch etwas bieten können! Ich möchte dir einmal etwas schenken, dich einladen ...«
»Morgen sind wir bei Herrn Schellenbach eingeladen. Ich bin auf sein Haus gespannt.«
»Wie kommt der Mann dazu, dich einfach einzuladen?«, fragte Norbert Winkler. Das war die Frage, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte.
Und weil Hella ihm die Antwort schon gegeben hatte, verzichtete sie darauf, sie zu wiederholen.
»Nanu, noch kein Licht bei uns?« Hella schaute die Fassade des Mietshauses empor, in dem sie wohnten. »Scheint, dass wir die Ersten sind.« Sie öffnete die Korridortür und machte Licht auf dem Flur. »Die anderen müssen wohl Überstunden machen.«
»Hella ...« Norbert nahm sie in den Arm und drückte sie fest an seine Brust.
Er hatte nie gesagt, dass er sie liebe, solch ein Geständnis brachte er einfach nicht über die Lippen. Diese Worte, nach denen Hella sich heimlich sehnte, klangen in seinen Ohren abgedroschen.
»Dummkopf.« Hella gab ihm einen herzhaften Kuss auf den Mund. »Deckst du schon den Tisch? Ich setze gleich die Suppe auf, die anderen werden wohl gleich kommen. Ach ja, die Würstchen musst du mir noch geben.«
Norbert kannte sich hier aus und holte die Teller aus dem Küchenschrank. Wann werden wir genug haben, um uns eine Wohnung erlauben zu können?, fragte er sich. Für ihn war es wie ein Wunder, dass Hella niemals ihre gute Laune verlor und sich über ihr Schicksal beklagte. Er kannte sie nur fröhlich.
»Verdammt, Hella, du hättest einen besseren Mann als mich verdient«, murmelte er und gab ihr einen Kuss auf den Nacken.
»Stimmt«, räumte Hella verschmitzt ein. »Aber einen Besseren habe ich nicht gefunden, deshalb musste ich mit dir vorliebnehmen. Du bist soweit auch ganz nett.«
»Hexe!« Norbert drehte sie herum und küsste sie, bis das Mädchen sich mit einem Schrei aus seinen Armen befreite. »Die Erbsen brennen an!«
***
»Hallo!« Monika Thomsen wirbelte ins Wohnzimmer und gab Norbert einen Klaps auf den Rücken.
»Hallo«, gab der junge Mann zurück und lächelte ihr zu. Hellas Schwester war ein reizendes Geschöpf, und Norbert verstand, dass seine künftige Frau sie so ins Herz geschlossen hatte.
»Ist bei uns der Reichtum ausgebrochen?«, fuhr Monika fort, als sie den Berg Würstchen in der Schüssel sah. »Was gibt es heute? Erbsensuppe mit Würstchen oder Würstchen mit Erbsensuppe? Du hast wohl heute die Spendierhosen an, Norbert?«
Hella räusperte sich mahnend und warf dem geliebten Mann einen Blick zu, der ihn bat, zu Monikas Bemerkung zu schweigen.
»Herrlich, wenn man sich an einen gedeckten Tisch setzen kann.« Monika ließ sich auf den Stuhl fallen und griff nach dem Löffel. »Lothar noch nicht da?«, fragte sie beim Kauen.
»Doch. Er kann sich neuerdings unsichtbar machen.«
»Auf eine dumme Frage gehört eine dumme Antwort«, stimmte Monika ihrer Schwester friedfertig zu. »Wie steht es mal mit einer neuen Frisur für ein armes Mädchen?«
»Schon wieder? Du warst erst letzte Woche bei uns. Ich kann Herrn Rotenau unmöglich zumuten ...«
