Lore-Roman 142 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 142 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Sie sind Zwillingsschwestern und sehen sich zum Verwechseln ähnlich, aber im Charakter sind sie völlig verschieden. Während Dörthe von Sandstetten das Leben leicht nimmt und mit jedem Mann heftig flirtet, der ihr gefällt, ist Angelika entsetzt über das Verhalten ihrer Schwester. Sie selbst ist ein ernst veranlagter Mensch, der nicht aus sich herausgehen kann. Als Gösta von Hermsdorf die beiden Schwestern kennenlernt, verliebt er sich Hals über Kopf in die lebenslustige Dörthe. Er ahnt nicht, dass er auch Angelikas große Liebe ist, die sie tief in ihrem Herzen verschließen muss. Tieftraurig verfolgt sie die Hochzeitsvorbereitungen für Dörthe und Gösta ...


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Seitenzahl: 154

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Inhalt

Cover

Ohne Trauschein glücklich?

Vorschau

Impressum

Ohne Trauschein glücklich?

Warum eine Frau nicht von Liebe sprach

Von Ina Ritter

Sie sind Zwillingsschwestern und sehen sich zum Verwechseln ähnlich, aber im Charakter sind sie völlig verschieden. Während Dörthe von Sandstetten das Leben leicht nimmt und mit jedem Mann heftig flirtet, der ihr gefällt, ist Angelika entsetzt über das Verhalten ihrer Schwester. Sie selbst ist ein ernst veranlagter Mensch, der nicht aus sich herausgehen kann. Als Gösta von Hermsdorf die beiden Schwestern kennenlernt, verliebt er sich Hals über Kopf in die lebenslustige Dörthe. Er ahnt nicht, dass er auch Angelikas große Liebe ist, die sie tief in ihrem Herzen verschließen muss. Tieftraurig verfolgt sie die Hochzeitsvorbereitungen für Dörthe und Gösta ...

Der alte Knecht grinste breit und zeigte dabei seine vielen Zahnlücken, als er die beiden Mädchen näher kommen sah. Wie sie im Sattel saßen, wirklich eine helle Freude. Als wären sie mit den Pferden verwachsen.

Er schob die Schirmmütze zurück und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, ohne den Blick von den Schwestern zu lassen.

»Heiß heute, nicht?«, meinte er, als sie gleichzeitig von den Pferden gesprungen waren und ihn anlachten.

»Wir sind geschwommen. Herrliches Wetter!«

Man sah ihnen die Lebenslust richtig an. Das Herz wurde dem alten Friedrich weit, als er die Zügel der Pferde nahm, um sie in den Stall zu führen. Dort würde er sie gründlich abreiben und ihnen eine Extraportion Hafer geben.

»Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät zum Essen«, sagte die eine der Schwestern.

Friedrich schaute die beiden an, die sich so unglaublich ähnlich sahen. Welche ist Dörthe, welche ist Angelika?, fragte er sich wieder einmal wie schon oft zuvor. Nur ihre Mutter konnte sie auseinanderhalten, während ihr Vater so manches Mal danebenhaute, wenn er sie anredete.

»Bis heute Nachmittag dann, Fidi.«

»Und guten Appetit wünsche ich noch.«

»Danke, den haben wir.« Dörthe schob ihren Arm unter den ihrer Schwester. »Wenn wir doch bloß nicht mehr zur Schule müssten«, meinte sie, als sie auf das riesige Herrenhaus zugingen. »Ferien sind doch etwa Herrliches, und wenn wir dann noch solch ein Wetter haben wie jetzt ...«

»Es würde uns langweilig werden, hätten wir keine Pflichten ... «, erwiderte Angelika.

»Puh, wie spießig. Kaum zu glauben, dass du meine Zwillingsschwester bist. Ich verstehe einfach nicht, dass die Leute uns nicht auseinanderhalten können. Du bist sozusagen mein besseres Ich, die tüchtige, pflichtbewusste Angelika, während ich ...« Sie brach ab und lachte unbeschwert. »Was wäre ich ohne dich. In der Schule ein absoluter Versager«, gab sie selbst die Antwort.

Angelika zog die Unterlippe zwischen die Zähne, während sie zum Horizont schaute.

»Nach dem Essen reiten wir wieder zum Baden, einverstanden? Das herrliche Wetter müssen wir ausnutzen. Weißt du, was es heute zu essen gibt?«

»Eintopf. Die Mamsell hat keine Zeit für ein großes Menü. Ich werde ihr heute Nachmittag beim Einkochen helfen.«

»Du bist plemplem«, stieß Dörthe kopfschüttelnd hervor. »Du willst freiwillig arbeiten? Die in der Küche werden schließlich für das bezahlt, was sie tun. Stell dir nur die Hitze dort vor! Und wie deine Finger hinterher aussehen! Abgelehnt. Wir schwimmen zusammen, allein habe ich keine Lust.«

»Es gibt dieses Jahr besonders viele Bohnen, und deshalb ...«

»Kommt überhaupt nicht infrage. Bei schlechtem Wetter ja, aber solange die Sonne so warm scheint ... Außerdem erwartet Geraldine gar nicht, dass du ihr hilfst. Eigentlich sind wir ja die gnädigen Fräulein. Bessere Menschen. Du vergisst das manchmal.«

»Du nicht. Du benutzt diese Tatsache, um deine Faulheit zu pflegen.«

»Der Mensch ist nicht zum Arbeiten geboren. Eins weiß ich jedenfalls: Sobald ich mit der Schule fertig bin, suche ich mir einen netten Mann, schaffe mir zwei Kinder an und habe dann für den Rest meines Lebens ausgesorgt.«

»Kindskopf.«

»Sag lieber vernünftige Dörthe. Dass du studieren willst ... Kann ich überhaupt nicht verstehen. Freiwillig unser Sandstetten verlassen? Nur über meine Leiche.«

»Aber wenn du heiraten willst ...«

»Das ist etwas anderes. Natürlich kommt für mich nur ein Gutsbesitzer infrage, einer aus der Nähe, damit ich es nicht zu weit nach Sandstetten habe. Vielleicht heiratet er auch bei uns ein? Du, das ist überhaupt die Lösung. Ich suche mir einen zweiten Sohn oder so etwas ... der Vati zur Hand geht, bis er hier den Herrn spielen kann.«

»Und du lässt dich weiterhin von Geraldine verwöhnen ...«

»Dafür ist sie ja da. Außerdem tut sie es gern. Sie ist richtig glücklich, wenn sie uns Wünsche erfüllen kann.«

»Dann gibst du ihr oft Gelegenheit, glücklich zu sein«, äußerte Angelika nachsichtig lächelnd.

»Im Gegensatz zu dir. Du bist anscheinend immer wunschlos glücklich. Hab ich einen Hunger. Und du bist sicher, dass es heute nur Eintopf gibt? Vielleicht brät mir Geraldine ja ein Schnitzel? Auf Suppe habe ich überhaupt keinen Appetit.«

»Dass du mir Geraldine nicht mit solchen Wünschen kommst! Sie ist heute Morgen um vier Uhr aufgestanden, um Bohnen zu pflücken.«

»Woher weißt du das?«

»Weil ... ich hab' ihr dabei geholfen. Ich bin aufgewacht, hab' aus dem Fenster geschaut, sie im Gemüsegarten gesehen ...«

»So früh stehst du freiwillig auf? Du bist wirklich aus der Art geschlagen, Schwesterherz.«

»Geraldine ist eine alte Frau.«

»Das sag ihr bloß nicht. Sie arbeitet gern. Komisch, dass es Menschen gibt, die gern arbeiten.«

»Dir könnte das nicht passieren.«

»Dafür bin ich viel zu vernünftig.« Sie hatten inzwischen das Herrenhaus erreicht, in der hallenartigen Diele war es nach der Hitze draußen angenehm kühl.

»Wo willst du hin?«, fragte Angelika, die die Treppe hinaufgehen wollte.

»Nur Geraldine guten Tag sagen, muss mich zurückmelden. Sie hat ja immer Angst, eine von uns würde sich den hübschen Hals beim Reiten brechen.«

Das stimmte, Angelika wunderte sich nur, dass ihre fröhliche Schwester darauf Rücksicht nahm.

»Da seid ihr ja«, stellte Dagmar von Sandstetten fest, als die Zwillinge eine Viertelstunde später das Wohnzimmer betreten hatten.

Lächelnd schaute sie die beiden an. Sie waren auch eine Augenfreude, diese Mädchen, die sich glichen wie ein Ei dem anderen und im Grunde genommen doch so verschieden waren.

Dörthe nahm das Leben leicht, während Angelika im Gegensatz dazu tiefer veranlagt war. Sie wird es im Leben einmal schwerer haben, dachte ihre Mutter.

Baron Sandstetten trat eine Minute später ein, ein gebräunter, hochgewachsener Mann mit hellblondem Haar, der einen sehr zufriedenen Eindruck machte.

»Da seid ihr ja«, stellte er fest.

»Du besitzt eine äußerst gute Beobachtungsgabe«, lobte Dörthe übermütig.

»Sei nicht so frech, Angelika.«

Dörthe lachte ihren Vater aus.

»Natürlich, du bist Dörthe ... Warum müsst ihr euch immer gleich anziehen, verdammt noch mal?«

»Ich finde es so nett«, erwiderte seine Gattin lächelnd.

»Aber ich möchte es nicht«, meldete sich Angelika. »Vati, darf ich mein Haar nicht kurz tragen?«

»Kommt überhaupt nicht infrage«, mischte sich ihre Mutter temperamentvoll ein. »Ihr habt so wunderschönes, langes Haar.«

»Ich möchte, dass man uns auseinanderhalten kann. Ich will nicht immer nur Dörthes Schwester sein, Ich bin Angelika, und ...« Sie brach verzweifelt ab, als sie merkte, dass ihre Eltern und Dörthe sie nicht verstanden. »Für alle bin ich nur ein halber Mensch. Ein Zwilling. Vollständig nur mit Dörthe zusammen. Aber ich bin nicht wie Dörthe!«

»Leider«, meinte ihre Schwester schmunzelnd. »Was für Ideen du hast. Ich finde es prima, dass die Leute uns nicht unterscheiden können.«

»Ich nicht. Bitte, Vati, darf ich mir mein Haar abschneiden lassen?«

»Wenn eure Mutti es nicht will ...«

»Hast du denn hier nichts zu sagen?«, fragte Angelika temperamentvoll.

Das Schmunzeln ihres Vaters wurde breiter.

»Als Ehemann nicht. Sonst vielleicht einiges. Das wirst du erst verstehen, wenn du einmal verheiratet bist, Kleines. In einer guten Ehe bestimmt die Frau, wo es langgeht. Und normalerweise fährt der Mann nicht schlecht dabei.«

»Danke, Henning«, murmelte Baronin Dagmar gerührt.

Ihr Mann nahm ihre Rechte und zog sie an die Lippen.

»Ich weiß eben, was ich an dir habe, Dagmar. Dir verdanke ich zum Beispiel die entzückendsten Mädchen der Welt, auch wenn ich sie nicht auseinanderhalten kann.«

»Bitte, Vati ...«

»Später, Angelika, muss ja nicht heute oder morgen sein. Du bist im Familienrat überstimmt worden, finde dich damit ab.«

»Du verstehst mich nicht. Du warst immer Henning von Sandstetten, aber ich ... ich bin Dörthes Schwester oder Dörthe ist meine Schwester. Kein Mensch kommt auf den Gedanken, dass wir verschieden sind, vollkommen verschieden.«

»Fällt mir schwer, das zu glauben«, versicherte ihr Vater ungerührt. »Heiß heute«, wechselte er das Thema, zog ein Taschentuch und tupfte sich damit die Stirn ab.

Angelika starrte verbissen vor sich hin, während ihre Schwester unbefangen lächelte. Sie war wieder beruhigt, dass ihre Mutter Angelikas verrückten Wunsch abgeschlagen hatte. Sie fühlte sich als Zwillingshälfte rundherum wohl. Es war ihr unmöglich, Angelikas Gefühle und Gedanken zu verstehen oder nachzuempfinden.

Ihre Schwester war schweigsam, während Dörthe beim Essen munter plauderte. Sie wusste immer viel zu erzählen, obwohl sie nicht mehr erlebte als Angelika.

***

»Tust du mir einen Gefallen?«, fragte Dörthe ihre Schwester erwartungsvoll. »Sag nicht gleich Nein«, baute sie vor. »Ist nämlich ein ganz toller Spaß.«

»Worum handelt es sich?«, fragte Angelika zurückhaltend.

»Was für ein Gesicht machst du gleich wieder«, entrüstete sich ihre Zwillingsschwester. »Kein Wunder, dass die Jungen in meinem Tanzkursus alle verrückt nach mir sind, während sie dich nur aus der Ferne bewundern. Wenn du die auch so anguckst wie mich jetzt ...«

»Du wolltest mich etwas fragen?«

»Bin ja schon dabei. Also, du kennst doch den Holger?«

»Ja.«

»Mit dem bin ich für morgen Nachmittag verabredet. Aber jetzt hat Malte mich eingeladen. Ich will aber Holger nicht vor den Kopf stoßen. Er ist ja so weit ganz nett, Malte ist nur viel netter.«

Angelika ahnte, worauf Dörthe hinauswollte, weigerte sich aber noch zu glauben, sie könne mit ihrer Vermutung recht haben.

»Geh du für mich zu Holger. Der merkt es bestimmt nicht. Du, der ist nämlich wirklich nett. Ein bisschen frech, aber das macht nichts. Und wenn er dir einen Kuss gibt, dann ...«

»Was dann?«, fragte Angelika eisig.

»Dann hältst du wenigstens still. Brauchst ihn ja nicht unbedingt wiederzuküssen, wenn du absolut nicht willst. Ich weiß ja, aus so etwas machst du dir nichts. Bin gespannt, wie Malte küsst. Er sieht aus, als würde er gut küssen, findest du nicht auch? Und dass du dich bei Holger nicht verrätst. Lass ihn reden, dann wird schon alles gutgehen. Auf den Gedanken, ich könne ihn versetzen, kommt er ja nicht. Er ist ein bisschen eingebildet, weißt du. Aber sonst wirklich nett.«

»Was du von mir verlangst, ist unmöglich. Ich denke nicht daran! Wenn du nichts mehr von Holger wissen willst, sag es ihm gefälligst.«

»Wäre das doch nur so einfach«, seufzte Dörthe und machte ein bekümmertes Gesicht. »Was ich an Holger habe, weiß ich, und wie Malte ist, muss ich erst noch rauskriegen. Vielleicht gefällt mir Malte ja gar nicht, und deshalb möchte ich mir Holger warmhalten. Und wenn ich ihm jetzt sage, ich ginge mit einem anderen, wird er stocksauer. Und was ist denn schon dabei? Wird sowieso Zeit, dass du mal einen Jungen etwas näher kennenlernst.« Sie lachte glucksend. »Macht wirklich Spaß mit den Jungen ... Man muss bloß aufpassen, dass die nicht frech werden, aber sonst ... Also abgemacht? Um fünfzehn Uhr auf dem Marktplatz. Und viel Spaß. Aber den hast du mit Holger bestimmt. Hoffentlich verliebst du dich nicht in ihn?«

»Dein Herz würde deshalb nicht gerade brechen«, meinte Angelika spöttisch.

»Ich will aber nicht, dass er sich in dich verliebt. Aber wird er auch schon nicht. Du bist überhaupt nicht lustig und ...«

»Gar keine Konkurrenz für meine fröhliche Schwester«, ergänzte Angelika eine Spur bitter.

»Sei nicht eingeschnappt. Kannst ja nichts dafür, dass du ein bisschen langweilig bist. Deshalb findest du später trotzdem einen Mann.«

»Ich spiele da nicht mit.«

»Mein Gott, bist du schwerfällig. Da bietet dir deine liebe Schwester nun die großartige Gelegenheit, auch einmal etwas Aufregendes zu erleben, und dir fällt nur ein, nein zu sagen. Du, der Holger hat schon viele geküsst, und du kannst mir glauben, küssen und küssen, das ist schon ein Unterschied. Aber Malte ist auch kein Anfänger, denke ich.«

»Schämst du dich eigentlich gar nicht?«, fragte Angelika aufgebracht.

»Ganz tüchtig, ich verberge das nur«, gab Dörthe übermütig zurück. »Warum sollte ich mich schämen, wenn ich mein junges Leben genieße? Sagt unsere Geraldine doch immer, genießt euer junges Leben, Alltagspflichten lernt ihr noch früh genug kennen. Du musst bloß aufpassen, dass Holger nichts merkt. Aber die Jungen sind ja alle ein bisschen doof, die halten uns nie auseinander.«

»Ich mache da nicht mit, begreif das! Du spielst mit Holgers Gefühlen. Das ist ... unfair. So etwas tut man einfach nicht.«

»Mein Gott, manchmal bist du einfach schrecklich, Angelika. Du redest wie eine Gouvernante. Man muss tun, wozu man Lust hat. Das Leben ist zu kurz, um es sich durch öde Pflichten vermiesen zu lassen. Ich verstehe dich manchmal einfach nicht. Also um drei Uhr. Du brauchst nicht pünktlich zu sein. Holger ist gewohnt, dass er auf mich warten muss. Wahrscheinlich wird er dir vorschlagen, mit dir ins Wäldchen zu gehen. Hinterher lädt er dich dann ins Café ein. Lass ihn nur ruhig ordentlich bezahlen, er bekommt genügend Taschengeld.«

»Im Wäldchen ...?«

»Wird meine kleine Schwester zum ersten Mal geküsst. Deshalb gehen doch alle immer dorthin.«

»Ich nicht. Hast du denn überhaupt kein Gewissen, Dörthe?«

»Keine Predigten, bitte. Ich kann doch Malte nicht absagen. Dumm, wenn man zwei am Band hat. Aber bevor man einen abserviert, muss man erst wissen, ob der andere besser ist. Das verstehst du doch?«

»Nein, das verstehe ich überhaupt nicht. Ich weiß nur, dass Holger sich in dich verliebt hat.«

»Na und? In mich haben sich viele verliebt. Und zur Gesellschaft in dich mit, weil sie denken, du wärst genauso nett wie ich. Wenn die uns auseinanderhalten könnten ... « Sie lachte unbeschwert. »Du musst nur aufpassen, dass Holger nicht zu frech wird. Dass er nicht aufs Ganze geht, verstehst du?«

»Ach, hast du da noch keine Erfahrungen?«

»So fragt man Leute aus. Also ehrlich, ich hab' Angst, dass ich ein Kind kriege, sonst ... Was wollen wir anziehen?«

»Ich mache da nicht mit. Sieh zu, wie du mit deinen Männern fertigwirst. Du kennst meine Einstellung.«

»Ich kenne sie, aber ich verstehe sie nicht. Du musst einfach Ja sagen, Angelika. Schon in deinem eigenen Interesse. Mal musst du anfangen, dich mit Jungen zu beschäftigen.«

»Warum?«

»Warum?«, wiederholte Dörthe konsterniert. »Weil es Spaß macht. Du sitzt zu Hause rum, hilfst Geraldine, liest langweilige Bücher ... Wenn du so weitermachst, wird mal ein richtiger Blaustrumpf aus dir.«

»Was für eine entsetzliche Aussicht«, erwiderte Angelika ungerührt.

»Du bist hübsch, nein, du bist schön, weil du mein Ebenbild bist, aber trotzdem wirst du es schwer haben, mal einen Mann zu finden, der dich heiratet. Angelika, du musst dich ändern, das sagen alle. Es sind deine schönsten Jahre ...«, zitierte sie wieder einmal Mamsell Geraldine. »Ich denke, wir ziehen unsere blauen Kleider an. Malte hat gesagt, blau stände mir gut zu meinen Augen. Er macht überhaupt viel nettere Komplimente als Holger.«

»Ich werde dich nicht vertreten, versteh das endlich. Es gibt Dinge, mit denen man einfach keinen Scherz treibt.« Energisch schüttelte Angelika den Kopf und ging dann hinaus.

Dörthe lief ihr nach. »Das finde ich gemein«, klagte sie ihre Zwillingsschwester an. »Du verstehst überhaupt keinen Spaß. Was soll ich denn bloß tun?«

»Das hättest du dir früher überlegen müssen, bevor du dich mit zwei Jungen gleichzeitig verabredest.«

»Konnte ich denn ahnen, dass du so wenig Spaß verstehst? Du, das vergesse ich dir nicht. Komm du nicht mal an und bitte mich um einen Gefallen.«

»Die Gelegenheit wirst du nicht so schnell bekommen.«

Das war so richtig, dass Dörthe nichts zu erwidern wusste. Es stimmte ja, Angelika äußerte ihr gegenüber nie eine Bitte. Aber dass sie sich auch noch etwas darauf einbildete ...

»Als Schwester bist du manchmal wirklich ein Kreuz«, warf sie Angelika an den Kopf. Sie blieb auf einer Treppenstufe stehen, als sie begriff, dass es ihr nicht gelingen würde, Angelika umzustimmen.

Könnte ich nur verstehen, weshalb sie da nicht mitspielt, dachte sie. Sie an Angelikas Stelle hätte nicht gezögert, die Schwester zu vertreten. Wäre doch ein grandioser Spaß gewesen.

»Alte Spielverderberin«, knurrte sie, als sie die Tür ihres Zimmers mit einem Knall ins Schloss warf.

***

»Man könnte glauben, eine königliche Prinzessin käme zu Besuch«, äußerte Dörthe ein paar Jahre später. »Da wird hervorgeholt, was Küche und Scheuer zu bieten haben. Und alles bloß, weil Angelika uns die Ehre ihres Besuches gibt.«

»Ist das nicht ein Grund zur Freude?«, fragte Geraldine streng.

»Doch, natürlich. Mein großes Vorbild kommt, die tüchtige, fleißige, zuverlässige Angelika.«

»Jawohl, das ist sie«, bestätigte Geraldine nachdrücklich. »Und würden Sie sich etwas mehr Mühe geben, Fräulein Dörthe ...«

»Ich will nicht so sein wie Angelika, immer nur arbeiten, nur streben. Kein Wunder, dass die das Abitur damals so blendend bestanden hat.«

»Während Sie gerade noch so durchgerutscht sind«, ergänzte Geraldine streng. Dabei hatte sie Dörthe auch in ihr mütterliches Herz geschlossen, fand nur, dass die Eltern sie zu sehr verwöhnten.

Dörthe lebte nach wie vor in den Tag hinein, dachte nicht im Traum daran, etwa einen Beruf zu erlernen oder sich wenigstens im Haus zu betätigen. »Was soll mal aus Ihnen werden?«, fragte die Mamsell seufzend.

»Eine glückliche und zufriedene junge Frau«, erwiderte Dörthe prompt, nahm die füllige Mamsell in den Arm und gab ihr einen Kuss. »Sag schon ehrlich, im Grunde genommen bist du doch ganz zufrieden mit mir. Auch wenn ich kein Muster an Fleiß und Klugheit bin. Männer mögen sowieso keine klugen Frauen.«

»Dumme Männer.«

»Hast du schon einmal einen intelligenten Mann kennengelernt?«, fragte Dörthe übermütig. »Wenn intelligente Männer mit einer hübschen Frau zusammenkommen, dann hakt bei ihnen oben etwas aus.«

»Was soll nur mal aus Ihnen werden?«

»Das fragtest du bereits, und inzwischen hat sich meine Antwort nicht geändert. Angelika will diesmal ihre Semesterferien bei uns verbringen.«

»Sie ist ja eine sehr fleißige Studentin.«

»Die einmal ein glänzendes Examen machen wird. Bestimmt wird aus unserer Baroness mal eine Baroness Doktor.«

»Das wäre doch schön. Ihre Eltern sind sehr stolz auf Fräulein Angelika.«

»Natürlich, können sie doch auch. Ich hab' immer ein bisschen Respekt vor ihr, aber vielleicht ist sie inzwischen etwas menschlicher geworden, vielleicht hat sie auch einen netten Mann kennengelernt, der ihr beigebracht hat, worauf es im Leben ankommt. Ich freu' mich schon auf unseren Sommerball. Wird bestimmt toll.«

»Ja, wenn er auch viel Arbeit macht ...«

»Na und?«, fragte Dörthe leichthin. Sie hatte mit den ganzen Festvorbereitungen nichts zu tun, darum kümmerten sich Geraldine und ihre Mutter. »Was hatten wir früher immer einen Spaß miteinander. Auch wenn Angelika manchmal ein Spielverderber war. Im Grunde genommen war sie eigentlich immer sehr nett.«