Lore-Roman 2 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 2 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Karin Thormann zögert kurz, bevor sie ihr Ja ausspricht. Graf Martins Jawort klingt hingegen fast trotzig, so, als wolle er das Schicksal damit herausfordern. Der Standesbeamte gratuliert ihnen freundlich, kann seine Neugierde aber beim besten Willen nicht verbergen. Immer wieder mustert er verstohlen die Braut. Gestern erst hat er die notwendigen Papiere der Dame bekommen, und er fragt sich, was es damit wohl auf sich hat.

Doch niemand der Hochzeitsgäste kennt die traurige Wahrheit. Niemand ahnt, dass sie nur die zweite Wahl ist, ein billiger Ersatz, um dem Skandal einer geplatzten Hochzeit zu entgehen. Denn noch vor weniger als zwölf Stunden hat Martin seine eigentliche Braut aus dem Schloss gejagt, nachdem er sie als skrupellose Betrügerin entlarvt hat.
Und so stehen nun an diesem Morgen zwei Menschen vor dem Altar, die Fremde füreinander sind ...

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Seitenzahl: 133

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Inhalt

Cover

Impressum

Hochzeit ohne Liebe

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/HTeam

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4805-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Hochzeit ohne Liebe

Berühmter Roman um die heimlichen Tränen einer jungen Braut

Von Ina Ritter

Karin Thormann zögert kurz, bevor sie ihr Ja ausspricht. Graf Martins Jawort klingt hingegen fast trotzig, so, als wolle er das Schicksal damit herausfordern. Der Standesbeamte gratuliert ihnen freundlich, kann seine Neugierde aber beim besten Willen nicht verbergen. Immer wieder mustert er verstohlen die Braut. Gestern erst hat er die notwendigen Papiere der Dame bekommen, und er fragt sich, was es damit wohl auf sich hat.

Doch niemand der Hochzeitsgäste kennt die traurige Wahrheit. Niemand ahnt, dass sie nur die zweite Wahl ist, ein billiger Ersatz, um dem Skandal einer geplatzten Hochzeit zu entgehen. Denn noch vor weniger als zwölf Stunden hat Martin seine eigentliche Braut aus dem Schloss gejagt, nachdem er sie als skrupellose Betrügerin entlarvt hat.

Und so stehen nun an diesem Morgen zwei Menschen vor dem Altar, die Fremde füreinander sind …

„Sie hatten geklingelt, Frau Gräfin?“

Schwester Karin lächelte ihrer Patientin freundlich zu, während sie abwartend neben der weiß lackierten Tür stehen blieb.

Und wieder einmal staunte Gräfin Reichenow über die geradezu klassische Schönheit dieses Mädchens, der auch die strenge Schwesterntracht keinen Abbruch tun konnte.

„Möchten Sie noch eine Brühe haben? Oder verspüren Sie Schmerzen?“

„Nein, danke. Es tut mir leid, dass ich Sie stören musste, Schwester Karin. Sie haben sicherlich sehr viel zu tun.“

„Es ist meine Aufgabe, den Patienten zur Verfügung zu stehen“, gab das junge Mädchen schlicht zurück.

„Eine schwere Aufgabe“, sagte Gräfin Barbara nachdenklich.

Ein kurzes Lächeln huschte über Schwester Karins Züge.

„Eine schöne Aufgabe“, verbesserte sie die Patientin.

„Ich wollte Sie nur bitten, mir eine große Vase zu bringen. Mein Sohn wird nämlich gleich kommen und hat bestimmt viele Blumen für mich.“

„Herzlich gern, Frau Gräfin. Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“

„Nein, danke.“

Ein behutsames Klopfen an der Tür schreckte sie aus ihren Gedanken.

„Herein!“, rief sie, und ihre Stimme klang direkt ein wenig aufgeregt.

Es war tatsächlich Martin, der jetzt die Tür öffnete und auf Zehenspitzen über die Schwelle trat. In der Hand trug er, wie Gräfin Barbara erwartet hatte, einen riesigen Blumenstrauß.

„Du kannst ruhig richtig auftreten, Junge“, rief ihm die Mutter lächelnd entgegen. „Ich bin nicht schwer krank.“

Martin von Reichenow lächelte befangen. Er griff nach der Rechten seiner Mutter und zog sie ehrfurchtsvoll an die Lippen.

„Wie fühlst du dich heute Morgen?“, wollte er wissen.

„Sehr gut. Ein paar Gramm leichter als noch vor ein paar Tagen“, scherzte die Gräfin. „Aber nun setz dich, Junge. Die Schwester wird gleich eine Vase bringen. Mir scheint, du hast den halben Blumengarten geplündert.“

„Ich weiß ja, wie sehr du die Kinder Floras liebst“, gab Martin innig zurück. „Hast du auch wirklich keine Beschwerden mehr? Versorgt man dich gut? Es ist schrecklich, dich am helllichten Tage im Bett liegen zu sehen, Muttchen. Du bist sonst morgens immer die Erste und abends immer die Letzte …“

„Umso mehr genieße ich diese paar Tage erzwungener Ruhe“, fiel Gräfin Barbara ihm ins Wort. „Ah, das wird Schwester Karin sein.“ Jemand hatte behutsam an die Tür geklopft.

Martin wandte flüchtig den Kopf, als die weißgekleidete Schwester hereinkam. Dann schaute er wieder auf seine Mutter, auf deren Gesicht ein verträumtes Lächeln lag.

„Das ist mein Sohn“, stellte sie Martin vor, „und das ist Schwester Karin, die mich sehr lieb versorgt.“

Graf Reichenow erhob sich höflich und verneigte sich korrekt. Ein bildschönes Geschöpf, schoss es ihm durch den Kopf, als die Schwester ihm freundlich die Hand reichte.

„Stellen Sie die Blumen bitte in die Vase.“ Mit einer Handbewegung wies Frau Barbara auf den Strauß, den Martin auf das Tischchen gelegt hatte.

„Haben Sie sonst noch einen Wunsch, Frau Gräfin?“

„Nein, ich danke Ihnen sehr. Sie haben die Blumen hübsch arrangiert.“

„Danke, Frau Gräfin.“ Schwester Karin neigte ein wenig den Kopf, und sie ahnte nicht, was für ein unbewusster Stolz in dieser knappen Gebärde lag. Dann verließ sie leise den Raum.

„Wie gefällt sie dir?“, fragte Frau Barbara gespannt.

„Sie scheint recht nett zu sein“, äußerte der junge Mann gleichgültig. „Du scheinst eine Schwäche für sie zu haben. Sie erfüllt ihre Pflicht wohl recht gut, denke ich mir.“

„Sie tut mehr als ihre Pflicht, Martin.“ Die Stimme der Mutter klang ernst. „Sie ist stets freundlich, als läge ihr etwas am Wohlbefinden der ihr anvertrauten Kranken. Das ist ungewöhnlich, denn die meisten erfüllen ihre Pflicht hastig, haben niemals Zeit, lassen einen irgendwie fühlen, dass sie für ihre Arbeit bezahlt werden. Schwester Karin nicht.“

„Du schwärmst ja ordentlich für dieses Wundertier.“ Martin schüttelte den Kopf. „Wann wird man dich entlassen, weißt du es schon?“

„Vielleicht schon in einer Woche. Sag einmal, weshalb schaust du eigentlich ständig auf die Uhr? Hast du heute Morgen noch etwas vor? Dir brennt die Arbeit anscheinend auf den Nägeln.“

„Verzeih, Mutter.“ Martin von Reichenow wirkte sehr verlegen.

***

Hoffentlich treffe ich Cilly auch an, fiel Martin ein, als er sich dem Hauseingang näherte. Sie arbeitete zwar nicht, das hatte sie auf Grund ihres Vermögens nicht nötig, aber es konnte ja sein, dass sie sich zu Einkäufen in die Innenstadt begeben hatte.

Das große, etwas schäbig wirkende Mietshaus, das er jetzt betrat, gehörte Cilly auch. Ihre Eltern hatten es ihr zusammen mit Wertpapieren und Aktien hinterlassen.

Er drückte den Zeigefinger ungeduldig auf den Klingelknopf.

Sie ist da!, jubelte es in ihm, als er das Klappen einer Tür hörte.

„Wer ist da?“, hörte er Cillys Stimme durch die geschlossene Tür.

„Ich bin es, Martin“, antwortete er. „Mach schnell auf, Liebes.“

„Warte einen Moment, ich bin noch nicht angezogen!“

„Das macht nichts, lass mich herein.“ Der Mann hörte, wie der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde, und dann endlich öffnete sich für ihn die Tür.

Cilly Schollberg trug einen Morgenmantel, darunter einen Pyjama. Aber störte das einen verliebten Mann? Martins Augen leuchteten auf, als er sie in den Arm nahm und küsste.

„Ich habe mich so sehr nach dir gesehnt“, raunte er ihr ins Ohr. „Hast du mich auch ein klein wenig vermisst, Liebes?“

„Wer ist denn da?“, fragte eine männliche Stimme aus dem Wohnzimmer. „Wo bleibst du denn so lange, Cilly?“

Martin gab Cilly frei und erstarrte förmlich. Eine fahle Blässe überzog sein Gesicht.

Die junge Dame kaute auf ihrer stark geschminkten Unterlippe.

„Graf Reichenow ist gekommen“, rief sie zurück. „Ich habe Besuch. Mein Vetter … Er ist gerade eben ganz überraschend angekommen … aber ich schicke ihn natürlich sofort weg, sei unbesorgt.“

„Dein Vetter … Ich dachte, du hättest keine Verwandten mehr“, stieß Martin hervor.

„Er war lange fort. Im Ausland. Habe ich dir wirklich nie von ihm erzählt? Aber das ist ja auch nicht so wichtig. Nun komm schon herein und mach nicht solch ein finsteres Gesicht. Es ist doch nichts dabei, wenn mein Vetter mich besucht. Oder bist du etwa eifersüchtig?“

Martin von Reichenow blieb ihr die Antwort schuldig. Er folgte der vorangehenden Cilly, und auf seiner hohen gebräunten Stirn standen ein paar tiefe Falten.

„Das ist Otto Kosicke“, stellte Cilly den Mann vor, der sich in den bequemsten Sessel gelümmelt hatte und anscheinend gar nicht daran dachte, bei Martins Eintritt aufzustehen.

„Hallo.“ Otto Kosicke hob lässig die Rechte, während sein Blick mit unverschämter Dreistigkeit über Martin hinwegglitt. „Hab schon von Ihnen gehört. Sie sind also Cillys Graf. Hast keinen schlechten Geschmack, Mädchen“, wandte er sich gönnerhaft an seine Cousine.

„Hau doch endlich ab!“, zischte Cilly ihm zu.

Sein Fortgang hinterließ im Wohnzimmer ein beklommenes Schweigen.

Cilly nahm das benutzte Glas und wollte es hinaustragen, aber ihre Hände zitterten dabei stark.

„Bist du mir böse?“, fragte sie demütig, als sie aus der Küche zurückkam. „Ich wusste ja nicht, dass du heute Vormittag kommen würdest, sonst hätte ich dafür gesorgt, dass du Otto nicht antriffst. Er gefällt dir nicht?“

„Du brauchst dich für deinen Vetter nicht zu entschuldigen“, fiel Martin ihrem Gestammel ins Wort. „Ich wundere mich nur, dass du mir nie von ihm erzählt hast.“

„Ich … ich fürchtete schon, dass ihr beide euch nicht verstehen würdet … und weil ich dich so schrecklich liebhabe, Martin, hatte ich Angst, dich zu verlieren. Verstehst du mich?“

Etwas wie Rührung stieg in Martin empor.

„Nein“, entgegnete er, und sein offenes Lächeln wischte die grüblerischen Falten von seiner Stirn. „Was geht uns schließlich dein Vetter an?“

Cilly schluckte. „Ich habe Angst, Angst vor deinen Eltern“, sprach sie das aus, was sie wohl schon seit Langem heimlich beschäftigte. „Ich werde ihnen nicht gut genug sein, ich, eine kleine Cilly Schomberg. Ich bin nicht gut genug für dich, ich weiß es selbst, aber … ich habe dich doch nun einmal so schrecklich lieb.“

Martin schüttelte lächelnd den Kopf.

„Meine Eltern werden dich sehr gern haben, Kleines, darum mach dir keine Sorgen. Und wenn die Ernte erst eingebracht ist, werden wir unsere Verlobung feiern. Wenn Mutter zu Hause ist, nehme ich dich auch mit. Ich komme gerade aus dem Krankenhaus. Sie hat die Operation gut überstanden.“

Cilly senkte den Kopf. „Wie lange dauert es noch, bis ihr die Ernte eingebracht habt?“, fragte sie, und ihre Stimme klang sehr traurig. Sie schluckte schwer, und dann liefen ihr ein paar große Tränen über das Gesicht. „Es ist so schrecklich“, schluchzte sie plötzlich und schlug die Hände vor das Gesicht.

Martin von Reichenow stand diesem Ausbruch fassungslos gegenüber.

„Was ist denn so furchtbar?“, fragte er.

„Ich wollte es dir schon bei unserem letzten Zusammentreffen sagen … aber ich hatte einfach Angst davor … Ach, Martin, jetzt wirst du bestimmt schlecht von mir denken.“

„Warum sollte ich wohl?“, fragte der Mann konsterniert. „Nun sprich schon, was bedrückt dich? Du weißt doch, wenn ich dir helfen kann, dann tu ich es bestimmt.“

„Ich weiß, dass du es so meinst, wie du sagst“, stieß Cilly hervor, „aber … nein, ich kann es einfach nicht aussprechen, ich schäme mich ja so.“ Sie riss sich los und warf sich auf die Couch. Sie vergrub den Kopf weinend in das bunte Kissen.

„Nun sag endlich, was dich bedrückt!“, fuhr Martin sie an. Allmählich spürte er, dass ihre Stimmung ihn ansteckte.

„Ich bekomme ein Kind von dir!“, gestand Cilly mit spröder, wie gebrochen klingender Stimme.

***

Gräfin Barbara schüttelte nur den Kopf, als Martin ihr Zimmer betrat.

„Wo brennt es denn?“, fragte sie amüsiert über seine schlecht verhehlte Ungeduld.

„Muttchen … ich möchte bald heiraten“, platzte Martin ohne jede Einleitung hervor. Er zog sich einen Stuhl an die Seite des Bettes und ließ sich nieder. „Ich war gerade bei Cilly, und sie hat mir gestanden, dass sie ein Kind erwartet. Du wirst einsehen, dass wir jetzt nicht mehr lange warten können. Was hältst du davon, wenn wir die Hochzeit schon in vier Wochen feiern? Bis dahin hast du dich schon wieder völlig erholt.“

Gräfin Reichenow schloss verstört die Augen. Mit beiden Händen umklammerte sie die Bettkanten, als brauche sie einen festen Halt.

„Wer … wer ist sie?“, presste Frau Barbara tonlos hervor.

„Das netteste Mädchen der Welt“, gab Martin prompt zur Antwort. „Übrigens ist sie eine Waise. Sie hat ihre Eltern vor ein paar Jahren verloren und lebt jetzt von den Zinsen eines kleinen Kapitals.“

„Martin, ich weiß nicht, das will mir nicht gefallen. Ein Graf Reichenow muss ein Mädchen heiraten, weil es ein Kind von ihm erwartet … das hat es in unserer Familie noch nicht gegeben.“

„Einmal muss es ja das erste Mal sein“, scherzte Martin unbekümmert. „Oder fällt es dir so schwer, dich mit dem Gedanken abzufinden, bald Großmutter zu werden?“

„Also gut, bring mir dieses Mädchen.“

***

Als Schwester Karin die Tür des Krankenzimmers hinter sich schloss, wunderte sie sich über Martin von Reichenows Geschmack. Auch sie hatte sich die Frau seiner Wahl ganz anders vorgestellt, nicht so stark zurechtgemacht wie dieses Mädchen, das er seiner Mutter so strahlend präsentierte.

„Haben Sie einen Moment Zeit?“, riss eine Stimme sie aus ihrem Grübeln.

Erschreckt blieb Karin stehen.

„Ich habe Sie gar nicht gesehen, Herr Oberarzt“, stieß sie hervor.

„Das habe ich mir schon gedacht“, gab Dr. Günther zurück. „Kommen Sie einen Moment in mein Zimmer, ich habe einiges mit Ihnen zu besprechen.“ Seine Stimme klang irgendwie gehetzt, als sei etwas Unangenehmes vorgefallen.

Er öffnete ihr die Tür und ließ ihr den Vortritt in sein Zimmer.

„Sie haben doch heute Abend frei?“, fragte er.

„Ab achtzehn Uhr. Warum? Brauchen Sie mich noch, Herr Oberarzt?“

Einen Moment runzelte Karin Thormann die Stirn. Sie hatte sich eigentlich vorgenommen, an ihrem freien Abend ins Kino zu gehen, aber wenn es natürlich nicht möglich war, würde sie auch jederzeit auf diese kleine Entspannung verzichten.

Dr. Günther gestattete sich ein leicht ironisches Lächeln.

„Ich habe heute Abend nämlich auch frei“, teilte er ihr mit. „Und einen Wagen besitze ich auch. Sie brauchen doch erst morgen Nachmittag in der Klinik zu sein?“

„Ja, das stimmt, aber ich verstehe nicht …“, stieß Karin hervor.

„Verstehen Sie mich wirklich nicht?“, fragte Dr. Günther ironisch. „Also gut, dann lade ich Sie hiermit in aller Form ein, mit mir einen Ausflug aufs Land zu unternehmen. Auch ich brauche erst morgen Nachmittag wieder hier zu sein.“

Unwillkürlich schüttelte Karin den Kopf.

Die Falten auf Dr. Günthers Stirn vertieften sich.

„Haben Sie etwas Besseres vor, Schwester Karin?“, fragte er schroff.

„Ich wollte eigentlich ins Kino …“

„Darauf können Sie leicht verzichten, ein Film läuft Ihnen nicht davon. Ich beobachte Sie schon seit Langem, und ich muss Ihnen sagen, dass Sie mir gefallen. Sogar sehr gut gefallen“, fügte er noch bekräftigend hinzu.

„Ich … ich möchte doch lieber ins Kino.“

Der Arzt verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich liebe es gar nicht, wenn man meine Wünsche nicht respektiert, Schwester Karin. Ich erwarte Sie um achtzehn Uhr dreißig unten vor dem Portal. Sie steigen am besten an der nächsten Ecke in meinen Wagen. Vergessen Sie nicht, Nachtkleidung mitzunehmen.“

„Herr Doktor …“ Karin war totenblass geworden. „Ich … ich mache mir gar nichts aus Ausflügen.“

Dr. Günther lächelte ironisch. „Sie werden es lernen, daran Geschmack zu finden, meine Liebe. Ich glaube fast, Sie müssen noch vieles lernen. Ich werde mich bemühen, Ihnen ein guter und geduldiger Lehrer zu sein. Also, bis heute Abend dann.“ Er drückte seine Zigarette aus, nickte Karin zu und verließ sein Zimmer.

Sie schreckte ordentlich zusammen, als an die Tür geklopft wurde und ein junger Assistenzarzt seinen Kopf durch den Spalt hereinschob.

„Ach, Sie sind es, Schwester Karin. Ich suche den Oberarzt. Wissen Sie zufällig, wo er sich aufhält?“

„Nein. Er … er war vor einem Augenblick noch hier …“

Der Assistenzarzt stutzte und kam ganz in das Zimmer herein. Er nickte verständnisvoll und grinste breit.

„Hat einen guten Geschmack, unser Herr Oberarzt“, äußerte er zynisch. „Jetzt sind Sie also dran. Ich hätte nicht gedacht, dass auch Sie Lust haben, in seinen Harem einzutreten. Immerhin wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.“

Er war draußen, bevor Karin ihn für seine frechen Worte zur Rechenschaft ziehen konnte. Sieht man mir denn schon an, dass Dr. Günther es auf mich abgesehen hat?, fragte sie sich ratlos. Verzweifelt presste sie die Hände zusammen. Die Worte des Arztes hatten ihr klargemacht, wie alle über sie denken würden, wenn sie Dr. Günthers Einladung annahm.

Und da regte sich ihr ganzer Stolz. Ich werde ihn warten lassen, beschloss sie. Er hat kein Recht, einfach über mich zu verfügen, auch, wenn er während der Abwesenheit des Chefs die Leitung der Klinik übernommen hat.

***

Oberarzt Dr. Günther erwartete sie am Fuß der Treppe, und sein Gesicht verriet, was Karin erwartet hatte.

„Ich habe gestern eine Verabredung mit Ihnen getroffen“, stellte er fest, ohne ihr einen Gruß zu gönnen. „Und Sie sind nicht gekommen. Was haben Sie mir zu sagen?“

„Ich hatte keine Lust, Herr Oberarzt“, bekannte Karin tapfer. Sie hatte sich entschlossen, ihn nicht zu belügen. „Ich eigne mich nicht für Abenteuer solcher Art. Es tut mir leid, Herr Oberarzt.“

Einen Moment verzerrte sich das Gesicht des Mannes in blindem Zorn.