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Freya von Haines ist glücklich. Sie besitzt einen Mann, den sie liebt, und ein Kind, an dem sie abgöttisch hängt. Doch von einem zum anderen Tag wird ihr Glück jäh zerstört. Ihr Mann bittet sie um die Scheidung, das Kind wird ihr weggenommen. Ihr Flehen, ihr wenigstens das Kind zu lassen, verhallt ungehört.
Freya ist verzweifelt. Sie findet keine Erklärung für das, was geschehen ist. Sie ahnt nichts von der Intrige ihres Schwiegervaters, dem eine verbrecherische Frau viel Geld versprochen hat, wenn es ihm gelingt, seinen Sohn von seiner Familie zu trennen.
In Freyas Verzweiflung mischt sich mehr und mehr eine heiße Sehnsucht nach ihrem Kind. Um es nur einmal wiederzusehen, fasst sie einen Entschluss, der eine Kette dramatischer Ereignisse auslöst ...
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Lasst mir mein Kind
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Falcona/shutterstock
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6008-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Lasst mir mein Kind
Dramatischer Roman um eine junge Mutter und ihren folgenschweren Entschluss
Von Ina Ritter
Freya von Haines ist glücklich. Sie besitzt einen Mann, den sie liebt, und ein Kind, an dem sie abgöttisch hängt. Doch von einem zum anderen Tag wird ihr Glück jäh zerstört. Ihr Mann bittet sie um die Scheidung, das Kind wird ihr weggenommen. Ihr Flehen, ihr wenigstens das Kind zu lassen, verhallt ungehört.
Freya ist verzweifelt. Sie findet keine Erklärung für das, was geschehen ist. Sie ahnt nichts von der Intrige ihres Schwiegervaters, dem eine verbrecherische Frau viel Geld versprochen hat, wenn es ihm gelingt, seinen Sohn von seiner Familie zu trennen.
In Freyas Verzweiflung mischt sich mehr und mehr eine heiße Sehnsucht nach ihrem Kind. Um es nur einmal wiederzusehen, fasst sie einen Entschluss, der eine Kette dramatischer Ereignisse auslöst …
„Morgen kommt dein Papa zurück, freust du dich auch so?“
Freya Baronin von Haines schwenkte übermütig ihren Jungen in der Luft herum, der sich diese Behandlung jauchzend gefallen ließ.
„Manchmal bekomme ich förmlich Angst, du könntest Rasmus einmal fallen lassen!“
Gräfin Larnow blickte nachdenklich auf ihre Tochter, die ihr ganzes Herz an den Gatten gehängt hatte. Stefan war allerdings auch ein Mann, der Liebe erwecken konnte. Seine hochgewachsene Gestalt, die straffe Haltung und besonders sein Charakter ließen ihn jedem sympathisch werden.
Das Glück ihrer Tochter schien also vollständig zu sein, und dennoch hatte sie manchmal ein Gefühl, als ob es auf Sand gebaut wäre. Kam es vielleicht daher, weil der alte Baron, Stefans Vater, ihre Tochter nicht als Frau des Sohnes anerkennen wollte?
Immer wenn ihr Schwiegersohn zu ihm fuhr – ungefähr alle sechs Wochen für einen Tag –, verstärkten sich ihre Befürchtungen. Stefan war bei seiner Rückkehr stets verstimmt und etwas gereizt und brauchte einige Tage, um seine Seelenruhe wiederzufinden.
„Du siehst so nachdenklich aus, was ist mit dir?“, fragte Freya in ihre Gedanken hinein. „Halte doch bitte einen Moment den Jungen, ich will ihm nur ein neues Höschen holen.“
Die Patschhände des Kleinen, die unbeholfen durch ihr Gesicht fuhren, lenkten sie ab und ließen sie ihre Befürchtungen vergessen. Hätte sie allerdings die Unterredung hören können, die Baron Haines zur gleichen Zeit in seinem Wohnzimmer mit einer eleganten Frau hatte, so hätte sie allerdings Grund zur Besorgnis gehabt.
„Wir verstehen uns also, Herr Baron? Sie bekommen ein zinsfreies Darlehen von fünfzigtausend Mark am Tag der Scheidung Ihres Sohnes. Wie Sie die Ehe trennen, soll mir gleichgültig sein, es muss nur in den nächsten drei Monaten geschehen.“
„Gnädige Frau, Sie werden mit mir zufrieden sein. Mein Plan steht fest. In wenigen Wochen wird die Ehe geschieden werden, und wenn Sie es geschickt anfangen, sind Sie die Nachfolgerin dieser Frau, die mein Sohn leichtsinnigerweise geheiratet hat.“
Sheyla Dorfield erhob sich und streckte dem Baron die Hand entgegen.
„Ich verlasse mich ganz auf Sie. Auf Wiedersehen.“
Tief beugte sich Haines über die Hand der eleganten Frau, die wie ein rettender Engel in sein Leben getreten war und ihm helfen wollte, die drückende Last der Schulden zu mindern. Allmählich ließen sich die Gläubiger nicht mehr vertrösten. Einige drohten sogar mit einer Anzeige. Sein Ruf stand auf dem Spiel.
Noch war es nicht zu spät. Sein Sohn musste eben diese Frau, die ihn anscheinend wahnsinnig liebte, heiraten. Freyas Zukunft konnte er dann ja finanziell sicherstellen. Den Jungen musste er zu sich nehmen – etwas unangenehm für die zukünftige Frau, aber nach dem Familiengesetz nicht zu vermeiden.
Der alte Lebemann rieb sich die Hände, als sich die Tür hinter seiner Besucherin geschlossen hatte. Nun musste er nur noch dafür sorgen, dass Stefan die Scheidung einreichte. Aber auch dafür war bereits Vorsorge getroffen. Er öffnete seine Brieftasche und betrachtete die Bilder, die Freya in einer eindeutigen Situation mit einem anderen Mann zeigten.
Fast wollte ihm sein Sohn leidtun, als er die Fotos ansah. Was für ein Schlag mussten sie für ihn sein! Sein Stolz würde die Demütigung nie verwinden können, Freya würde für immer aus seinem Leben gelöscht.
Warum sollte Stefan nicht mit dieser Amerikanerin glücklich werden? Vielleicht würde er ihm noch einmal dankbar sein, dass die Ehe mit der armen Freya getrennt worden war. Eine reiche Frau bot ihm doch ganz andere Möglichkeiten …
„Es muss sein“, murmelte er, „ich tue es doch nur für meinen Sohn, damit er es im Leben leichter hat als ich.“
Er selbst hatte das väterliche Erbe in kurzer Zeit durchgebracht und fühlte sich vom Schicksal verfolgt, als die Geldquelle, die er zuerst für unerschöpflich hielt, auch einmal versiegte. Und dann begann er, Schulden zu machen. Sein alter Name, der in hohem Ansehen stand, verschaffte ihm auch den nötigen Kredit – bis vor Kurzem.
Seine missliche Lage hatte sich aber herumgesprochen, und er musste entweder bezahlen oder Geld besorgen. Beides schien ihm unmöglich, bis er in einer Gesellschaft die schöne Sheyla kennengelernt hatte, die ihm den Vorschlag machte, die Ehe seines Sohnes durch seine Geschicklichkeit zu trennen. Ein hoher Lohn winkte ihm. War er tatsächlich hoch genug?
Er zuckte zusammen, als sein Sohn den Raum betrat und ihn fröhlich begrüßte.
„Du siehst so ernst aus, als hättest du mir eine schlechte Nachricht mitzuteilen“, scherzte Stefan und ahnte nicht, wie recht er mit der Vermutung hatte.
Das Gesicht des Vaters überzog sich mit einer ungesunden Blässe.
„Es ist heiß heute, ich fühle mich gar nicht wohl“, sagte der Baron wahrheitsgemäß, denn sein Lebenswandel hatte sein Herz stark in Mitleidenschaft gezogen. „Ich bin froh, wenn es am Abend kühler wird.“
„Dann bin ich schon in Osterlinde.“
Stefan blickte sehnsüchtig aus dem Fenster auf die Straße. Wie schön war es jetzt auf dem Gut, wo alles grünte und blühte! Er verstand den Vater nicht, der es hier in der Stadt aushielt. Keine Stunde länger als unbedingt nötig bemaß er seinen Aufenthalt, war häufig schon in der Nacht gereist, nur um keine Zeit unnötig zu verlieren.
„Mir ist ein anonymer Brief ins Haus geflattert, der …“ Baron Haines brach zögernd ab, als er den verächtlichen Gesichtsausdruck seines Sohnes sah.
„Briefe dieser Art sollte man ungelesen in den Ofen werfen, sie sind nichts anderes wert. Leute, die nicht den Mut haben, zu ihren Taten zu stehen, sind mir das Verächtlichste auf der Welt.“
„Ich stimme dir natürlich in jeder Beziehung bei, meine aber … in diesem Fall … es waren auch noch Fotos dabei.“
„Wovon sprichst du eigentlich?“ Stefan verstand die Verlegenheit seines Vaters nicht. „Ist es denn etwas so Unangenehmes, was dieser unbekannte Freund – so hat er den Wisch doch bestimmt unterschrieben – uns zu sagen hat?“
„Du musst dich mit dem Inhalt beschäftigen, denn er geht in erster Linie dich an, obwohl er an mich gerichtet war.“
Kopfschüttelnd nahm Stefan das Schreiben aus der Hand des Vaters entgegen. Seine Miene wurde beim Lesen eisig, und zum Schluss legte er es mit verächtlicher Gebärde auf den Tisch.
„Lieber Vater, es ist ganz klar, dass diese Anschuldigungen gegen Freya vollkommen aus der Luft gegriffen sind. Nie und nimmer würde sie mich betrügen, ich vertraue ihr wie mir selbst.“
„Und die Fotos?“ Baron Haines hielt seine Brieftasche in die Höhe und klopfte gewichtig auf das Leder. „Ich war anfangs genauso skeptisch wie du, aber die Bilder. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“
Stefan wurde bleich, als er in das ernste Gesicht des Vaters schaute.
„Zeig schon her!“
„Es ist vielleicht doch besser, du siehst sie nicht an …“, versuchte der alte Baron jetzt eine scheinbare Ausflucht, obwohl sein Herz innerlich triumphierte.
Ohne ein Wort der Erwiderung nahm ihm Stefan die Brieftasche aus der Hand und öffnete sie. Mit ruhigen Fingern zog er die Fotos heraus und drehte sie um.
Doch dann zuckte er zusammen. Die Situationen, in denen seine Frau sich auf diesen Bildern befand, waren tatsächlich eindeutig.
Seine Hand begann zu zittern, je länger er sie betrachtete. Das war die Frau, auf deren Treue er sich so fest verlassen hatte. Aber die Bilder logen nicht! Freya lachte diesen Mann an, der sie in den Armen hielt.
Wie gut kannte er diesen Gesichtsausdruck voller Liebe, mit dem Freya den anderen anschaute! So hatte sie ihn angelacht, wenn er von seinen Reisen zurückkehrte, sie in die Arme nahm. Und das gleiche Lächeln fand sie also auch für einen anderen! Wie mochte sie mit diesem Mann über ihn und seine Vertrauensseligkeit gelacht haben, wenn er den Rücken gewandt hatte!
Der alte Baron Haines beobachtete mit angehaltenem Atem seinen Sohn. Er erschrak über die plötzliche Veränderung seiner Gesichtszüge, die auf einmal grau und verfallen aussahen. In wenigen Minuten war er um Jahre gealtert.
Sein Schweigen bedrückte ihn. Er hatte mit einem Wutausbruch gerechnet, mit Verwünschungen und wilden Anklagen, aber nicht mit dieser seltsamen Starre, die ihm unverständlich war – und unheimlich.
„Was sagst du dazu?“ Der Baron musste sich erst räuspern, bevor er wieder sprechen konnte. „Ich finde, diese Bilder … also, nie hätte ich Freya so etwas zugetraut, obwohl ich, wie du weißt, nie allzu viel von ihr gehalten habe.“
Mit abwesender Miene griff Stefan nach seinem Hut, den er bei seinem Eintritt achtlos auf den Tisch geworfen hatte, und verließ das Zimmer. Er brauchte Ruhe, um das Furchtbare zu verarbeiten und sich über die künftigen Schritte klar zu werden.
Baron Haines blickte seinem Sohn mit zusammengekniffenen Augen nach. Das Gefühl des Triumphes wollte sich nicht so recht einstellen, als er sich an das Gesicht seines Sohnes erinnerte.
Selbst der schlechteste Mensch hat noch so etwas wie ein Gewissen, und Baron Haines musste die fünfzigtausend Mark, die sein Schurkenstreich ihm einbrachte, mit seiner Seelenruhe bezahlen. Er befand sich nun in den Händen einer Frau, die vollkommen gewissenlos war. Nie durfte sein Sohn erfahren, wie die Bilder zustande gekommen waren, die seine Liebe vernichtet hatten.
Würde Sheyla Dorfield schweigen, wenn die Ehe vielleicht doch nicht so glücklich wurde, wie sie erhoffte? Haines biss die Zähne zusammen. Für diese Überlegungen war es jetzt zu spät. Er konnte nicht zurück.
***
„Wo mag Stefan nur bleiben? Es ist ihm doch nichts geschehen?“
Voll banger Sorge ging Freya in der Stube hin und her.
Noch nie war es vorgekommen, dass Stefan sich verspätet hatte.
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, eine Verspätung kommt leicht mal vor. Sollst sehen, gleich tritt dein Mann ins Zimmer, und alles ist gut“, beschwichtigte die Mutter ihre ängstliche Tochter.
Ein schüchternes Lächeln stahl sich um die Lippen der jungen Frau.
„Du hast recht, Mutter, aber ich kann nichts daran ändern, dass ich so ängstlich bin. Die letzten beiden Tage werde ich von bösen Ahnungen heimgesucht und spüre förmlich, dass ein Unglück auf uns zukommt.“
„Du bist ein Dummchen. Was soll schon geschehen? Stefan ist doch kein Kind und kann auf sich achten. Am liebsten würdest du ihn anbinden und nie von dir fortlassen. Beherrsche dich, du bist doch alt genug!“
Gräfin Larnows Stimme klang etwas ärgerlich, denn sie hatte überhaupt kein Verständnis für die Gefühle der jungen Frau.
„Du magst recht haben, aber ich kann nun einmal nicht aus meiner Haut heraus. Das Warten wird auch nicht mehr lange dauern, in einer Stunde trifft der letzte Zug in Osterlinde ein. Ich werde zum Bahnhof fahren.“
Sie ließ sich nicht von dem Kopfschütteln der Mutter stören, ließ den kleinen Wagen anspannen und war zehn Minuten später schon unterwegs.
Mit brennenden Augen starrte sie die Wagenreihe entlang. Ihr Blick blieb an den Abteilen der ersten Klasse hängen, aus denen Stefan herauskommen musste. Sie öffneten sich nicht. Stefan war auch mit diesem Zug nicht gekommen! Er würde heute überhaupt nicht mehr kommen können – blieb fort, ohne sie benachrichtigt zu haben!
Ein wehes Schluchzen stieg ihr in die Kehle, als sich der Zug wieder in Bewegung setzte. Müde wandte sich die junge Frau um und ging zu ihrem Gefährt zurück.
„Nach Hause“, befahl sie mit matter Stimme und ließ sich in die Polster sinken.
Die Mutter stellte keine Frage, als sie in das Gesicht der heimkehrenden Tochter blickte. Es sagte auch ohne Worte genug.
Bald schon trennten sich die Damen und suchten ihre Schlafräume auf. Aber beide lagen noch lange wach. Irgendetwas lag wie ein Schatten über ihnen, sie wussten nicht was, aber es war fast greifbar deutlich.
***
„Du willst also die Scheidung einreichen?“
Stefan nickte zu den Worten des Vaters, der ihn lauernd anblickte.
„Was bleibt mir sonst übrig? Eine Fortsetzung der Ehe kommt nicht infrage, also …“
„Und wem willst du die Vertretung deiner Sache übergeben? Ich kenne einen Rechtsanwalt, der die leidige Angelegenheit mit Diskretion aus der Welt schaffen würde. Falls du dich noch nicht entschieden hast, schlage ich dir vor, Doktor Marbohm mit deiner Vertretung zu beauftragen. So hast du die Gewähr, dass alles schnellstens und bestens geregelt wird.“
Ungeduldig erwartete der Baron die Antwort seines Sohnes. Ein unparteiischer Vertreter würde vielleicht noch ein Haar in der Suppe finden, während der vorgeschlagene Rechtsanwalt für seine Skrupellosigkeit bekannt war.
Unschlüssig zögerte Stefan einen Moment. Er hatte an diese formellen Dinge noch gar nicht gedacht. Aber der Vorschlag des Vaters war ihm im Grunde sehr recht.
„Wenn du meinst? Mir ist es völlig gleichgültig, wer es für mich erledigt. Die Beweise gegen Freya sind ja so erdrückend, dass die Scheidung keine Schwierigkeiten machen wird. Ich möchte am liebsten mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.“
„Ich werde versuchen, dich nach Möglichkeit mit allem zu verschonen“, versprach Haines, dem die Entwicklung der Dinge gar nicht gelegener kommen konnte. „Wenn du es wünscht, fahre ich auch für dich nach Osterlinde und regle alle Fragen mit Freya selbst.“
Stefan nickte gleichgültig. „Ich wäre dir sehr dankbar, denn ich möchte Freya auf keinen Fall wiedersehen. Schlage ihr eine angemessene Rente vor und vereinbare die Übergabe des Kindes an uns. Dann kann sie ja mit ihrem Liebhaber glücklich werden! Sie wird sich sicher freuen, mich auf so einfache Art und Weise loszuwerden.“
„Ich fahre morgen“, war alles, was Baron Haines erwiderte.
Keinen Blick hatte er für seinen Sohn, der zusammengesunken im Sessel saß. Die Zeit heilt alle Wunden, besonders schnell die der Liebe, glaubte er auf Grund seiner eigenen Erfahrungen schließen zu können.
***
Freya zuckte erschreckt zusammen, als der Diener Kaspar ihr die Karte überreichte. Ihre Ahnung hatte sie also nicht getrogen, jetzt würde die Unglücksnachricht sie treffen.
Mit wankenden Knien eilte sie in den Salon.
„Was ist geschehen, sprich, was ist mit Stefan?“ Ihre weit aufgerissenen Augen in dem bleichen Gesicht zeigten einen ungeheuren Schrecken.
Der alte Baron Haines richtete sich auf und wollte seine Rede beginnen, als dieser Blick, der an ein waidwundes Reh erinnerte, ihn traf. Das Wort erstarb ihm auf den Lippen.
„Nun sprich doch schon, spanne mich doch nicht so auf die Folter!“, flehte Freya mit brechender Stimme. Hilflos streckte sie ihm die Hände entgegen. Sie konnte sich kaum noch auf den Füßen halten, begann schon zu taumeln.
Ihr Schwiegervater sprang hinzu und führte die sich schwach Sträubende zu einem Sessel.
„Nun beruhige dich doch und fasse dich!“
Sein künstlich aufgebauschter Zorn war verflogen, und genau wie bei seinem Sohn kamen ihm auch jetzt wieder Zweifel, ob der Preis das frevelhafte Spiel lohnte.
Freya hatte den Kopf auf die Lehne des Sessels gelegt und schluchzte leise vor sich hin. Der besorgte Ton seiner Stimme hatte ihr alles verraten. Wenn Haines schon so zu ihr sprach, der sonst immer hart und so unhöflich gewesen war, musste mit Stefan etwas Schlimmes geschehen sein. Stefan war tot.
Verlegen und keines Wortes mächtig stand Haines neben der zusammengesunkenen Gestalt. Es zuckte ihm in den Fingern, über ihr Haar zu streicheln und sie zu trösten. Wie leicht wäre es doch für ihn, diese jetzt von Tränen verdunkelten Augen aufstrahlen zu lassen, dieses verzweifelte junge Menschenkind wieder fröhlich zu machen!
„Verdammtes Geld“, murmelte er und biss die Zähne zusammen. Es half nichts, er musste das begonnene Spiel zu Ende bringen.
„Was ist mit Stefan?“ Stoßweises Schluchzen erschütterte den jungen Leib Freyas, als sie die Frage kaum vernehmbar hinausstieß. „Was ist mit Stefan?“, wiederholte sie noch einmal und blickte ihn an. Unendlicher Schmerz sprach aus ihren leidgeprüften Zügen. „Du kannst es mir ruhig sagen, ich bin auf das Schlimmste gefasst.“
Haines musste sich abwenden und seine Rührung gewaltsam unterdrücken. Er räusperte sich anhaltend.
„Mit Stefan ist nichts, er ist gesund, aber …“ Seine Stimme versagte.
„Gott sei Dank“, stieß Freya aus tiefstem Herzen hervor. „Stefan lebt!“ Eine unendliche Erleichterung sprach aus ihrer Stimme. „Ich hatte schon gedacht …“ Sie wagte nicht, das Furchtbare auszusprechen.
„Stefan lebt, aber …“