Lore-Roman 6 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 6 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Buchstäblich von einem Tag auf den anderen verliert Irmtraut Baroness von Olthusen ihre sichere und behagliche Existenz. Ihr Vater hat leichtsinnig spekuliert und alles verloren. Sie stehen praktisch vor dem Nichts. Zwei Menschen, die nun versuchen müssen, ihr Leben unter völlig veränderten Umständen zu meistern. Für Irmtraut ist es eine Umstellung, die ihr nicht leichtfällt, hat sie doch in ihrem Leben nie arbeiten müssen.
Schließlich überwindet sie ihren Stolz und tritt eine Stellung als Zimmermädchen im Grand Hotel an. Und dort trifft sie den Sohn des Mannes, der an ihrem Unglück schuld ist. Oh, wie sie ihn verabscheut!

Doch eines Tages bietet ihr das Schicksal die Möglichkeit, ihm heimzuzahlen, was er ihr angetan hat ...

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Seitenzahl: 139

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Inhalt

Cover

Impressum

Zimmermädchen im Grand Hotel

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag/Anne von Sarosdy

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5096-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Zimmermädchen im Grand Hotel

Erfolgsroman um die Schicksalswende im Leben einer Baroness

Von Ina Ritter

Buchstäblich von einem Tag auf den anderen verliert Irmtraut Baroness von Olthusen ihre sichere und behagliche Existenz. Ihr Vater hat leichtsinnig spekuliert und alles verloren. Sie stehen praktisch vor dem Nichts. Zwei Menschen, die nun versuchen müssen, ihr Leben unter völlig veränderten Umständen zu meistern. Für Irmtraut ist es eine Umstellung, die ihr nicht leichtfällt, hat sie doch in ihrem Leben nie arbeiten müssen.

Schließlich überwindet sie ihren Stolz und tritt eine Stellung als Zimmermädchen im Grand Hotel an. Und dort trifft sie den Sohn des Mannes, der an ihrem Unglück schuld ist. Oh, wie sie ihn verabscheut!

Da bietet ihr eines Tages das Schicksal die Möglichkeit, ihm heimzuzahlen, was er ihr angetan hat …

„Deine Zeitung, Paps.“

Wie jeden Morgen reichte Irmtraut ihrem Vater die Tageszeitung, und wie jeden Morgen in den letzten Wochen griff der alte Herr mit einer Hast danach, als fürchte er, etwas Wichtiges zu versäumen.

Er schlug sofort den Wirtschaftsteil auf, obwohl er, wie es seine Tochter vermutete, nicht das Geringste mit Finanzmachenschaften zu tun hatte.

„Lass deinen Kaffee nicht kalt werden“, mahnte sie liebevoll, als ihr Vater mit den Blättern raschelte. „Möchtest du ein Marmeladenbrötchen oder lieber Wurst?“

Es machte ihr Freude, den Vater nach dem frühen Tode der Mutter zu betreuen.

„Meine Brille!“ Der alte Herr fingerte nervös über die Taschen seiner Hausjacke.

„Hier, direkt vor deiner Nase.“ Sie zeigte auf das Lederetui, das neben seiner Kaffeetasse auf dem hübsch gedeckten Frühstückstisch lag.

Baron von Olthusen zerrte die Brille aus dem Futteral und setzte sie sich auf die Nase. Sein gesundes, rötliches Gesicht hatte sich verfärbt, totenbleich starrte er an seiner Tochter vorbei gegen die Wand.

Seine Tochter schaute ihn besorgt an. „Soll ich dir deine Tropfen holen?“

Sie machte sich am Schrank zu schaffen, aber der alte Herr knurrte, er brauchte keine Tropfen.

Er stemmte sich aus dem Sessel hoch, überzeugte sich durch einen Griff zur Krawatte automatisch, dass sie korrekt saß, und ging dann ein wenig gebückt und sehr müde zur Tür.

„Habe noch etwas zu erledigen“, erklärte er heiser.

„Aber, Vater, dein Frühstück … Du hast noch gar nichts gegessen, bitte, wenigstens ein Brötchen musst du essen!“ Irmtraut wollte ihn am Arm zurückhalten, aber ihr Vater schüttelte ihre Hand geradezu grob ab.

„Lass mich zufrieden!“

Jeder rühmte die Höflichkeit und den Takt des alten Herrn – solch ein Ton war neu und ungewohnt, ein Alarmzeichen, das Irmtraut nicht zu deuten wusste.

„Paps, ich begleite dich.“

„Lass mich doch endlich zufrieden!“ Der Mann schob sie zurück, fast konnte man schon sagen, dass er sie zurückstieß, dann zog er die Tür mit hartem Ruck ins Schloss.

Verstört ließ Irmtraut, meistens nur Irm genannt, sich in einen Sessel fallen und schlug die Zeitung auf. Die Aktien der Bayerischen Farbwerke waren gestiegen, der Auftragsbestand der deutschen Werften, so berichtete das Blatt sei überaus zufriedenstellend …

Seit wann interessierte sich ihr Vater für solche Wirtschaftsberichte? Sie hatten keine Aktien, nur ihr hübsches Haus mit dem großen Garten und das kleine Kapital, von dessen Zinsen sie lebten.

Es war nicht viel Geld, aber für bescheidene Ansprüche reichte es vollkommen. Irmtraut studierte die beiden Seiten Zeile für Zeile. Sie fand nichts, was ihr die Veränderung des Vaters erklärt hätte.

Er wird es mir sagen, wenn er zurückkommt, dachte sie, räumte den Frühstückstisch ab und setzte in der kleinen Küche das Wasser für den Abwasch auf den Gasherd.

Bald schon siegte ihr natürlicher Optimismus. Sie summte eine Melodie, als sie das gesäuberte Geschirr in den Schrank räumte. Sie griff gerade nach dem Staubtuch, als die Türklingel anschlug.

Zehn Uhr morgens! Vielleicht der Postbote, denn kein Besucher würde es doch wagen, so früh zu kommen. Sie irrte sich allerdings. Ihre Freundin Margot, mit der zusammen sie die Höhere Töchterschule besucht hatte, stand draußen und lächelte sie ein wenig verlegen an.

„Du siehst, dass die ganze Erziehung bei mir nicht gefruchtet hat“, entschuldigte sie sich für ihren frühen Überfall. „Hättest du dennoch für ein armes Mädchen eine Tasse Kaffee übrig?“

„Komm herein. Wie geht es dir? Ich habe so lange nichts von dir gehört. Du bist ja eine Schönheit geworden, Margot!“

Das zierliche Persönchen mit dem dunklen Haar und den sehr großen, ebenfalls dunklen Augen, schüttelte den Kopf, dass ihre kurzgeschnittenen Locken nur so flogen.

„Schön wäre es“, erwiderte sie und seufzte drollig. „Mit dir kann man ja nicht konkurrieren, Irm. Es wundert mich, dass dich noch kein Filmproduzent entdeckt hat.“

„Davor mögen mich die Götter bewahren“, antwortete ihre Freundin. „Mir reicht das Leben hier, ich wünsche es mir nicht besser.“

„Das glaube ich.“ Margot schaute sich bewundernd in der geräumigen Diele um. „Hier kann man es aushalten. Du warst eben vorsichtig bei der Wahl deiner Eltern.“

Sie ließ sich in einen Sessel plumpsen und streckte ihre schlanken, wohlgeformten Beine behaglich weit von sich.

„Wie geht es dir? … Dumme Frage eigentlich“, fiel sie sich selbst ins Wort. „Gut natürlich. Leuten mit Geld geht es immer gut, wenn sie nicht gerade krank sind. Und selbst dann geht es ihnen besser als uns armen Schluckern.“

Sie traf ihre Feststellungen ohne eine Spur Neid, ein Charakterzug, der sie Irmtraut schon während der Schulzeit ganz besonders sympathisch gemacht hatte.

Margot Knipping war die Tochter einfacher Handwerker, die Mühe gehabt hatten, ihrem Kinde den Besuch einer Oberschule zu ermöglichen.

„Du wolltest von dir erzählen“, erinnerte Irmtraut gespannt. „Wie ich sehe, hast du dir noch keinen Mann eingefangen.“

„Leider ist noch keiner an mir kleben geblieben“, erklärte Margot und seufzte, „und das, obwohl ich seit Kurzem nur in allerbesten Kreisen verkehre. Millionäre, Politiker und Filmschauspieler sind mein täglicher Umgang. Leider sind die Männer verheiratet. Und wenn nicht, dann haben sie nicht die Absicht, mich mit der Ehe zu beglücken.“

„Wo arbeitest du?“ Irmtraut fand ihre Einleitung vielversprechend.

„Im Grand Hotel. Als Zimmermädchen übrigens, damit du dir keine Illusionen machst. Man stellt Ansprüche, weißt du? Zwei Fremdsprachen sind das Mindeste, was man verlangt, denn die hohen Gäste haben Geld, und wer Geld hat, braucht keine Fremdsprachen zu lernen. Das bleibt den Armen überlassen.“

„Zimmermädchen?“ Irmtraut verzog ihr Näschen.

„Genau das. Aber so schlimm, wie du es dir offensichtlich vorstellst, ist es nicht. Man verdient recht gut, Trinkgelder fließen, wenn auch nicht zu reichlich. Ich muss sie mit dem Etagenkellner und mit der guten Cäcilie teilen. Es ist ein Jammer.“

„Du scheinst dein Geschick mit Würde zu tragen“, spottete Irmtraut. „Jedenfalls siehst du nicht aus, als müsstest du am Hungertuch nagen.“

„Findest du mein Kostüm schick?“ Margot schaute an sich herab. „Dafür muss ich einen ganzen Monat arbeiten. Aber es macht Spaß, endlich selbst Geld zu verdienen. Und vielleicht angle ich mir ja noch einen reichen Mann. So etwas soll es ja geben. In Filmen habe ich es schon oft gesehen“, spottete sie.

„Du bist unverbesserlich. Warte einen Moment, ich koche uns schnell eine Tasse Kaffee.“

Irmtraut eilte in die Küche, Margot folgte ihr.

„Wo steckt dein alter Herr?“, fragte sie. „Er hat sich doch nicht noch das Arbeiten angewöhnt?“

„Nein, du weißt, dass wir von unseren Zinsen leben“, wies Irmtraut diese Vermutung zurück.

Sie konnte sich ihren Vater in einer abhängigen Stellung nicht denken, denn er war ein Grandseigneur vom Scheitel bis zur Sohle, ein Mann, der gelernt hatte, Geld auszugeben, aber nicht, es zu verdienen.

Sie war seine Tochter und lebte in einer ganz anderen Vorstellungswelt als Margot, die mit beiden Beinen auf dem Boden der Wirklichkeit stand. Aber dennoch waren sie Freundinnen.

„Wenn man vom Wolf spricht!“ Margot hatte sich auf den Küchentisch gesetzt und wies burschikos auf das Fenster. „Jünger geworden ist er inzwischen übrigens auch nicht.“

Irmtraut erschrak, als sie der Richtung ihres Blickes folgte. Das, was Margot umschrieb, wirkte auf sie nahezu erschreckend. Ihr Vater ging gebückt. Zum ersten Mal sah Irmtraut, dass er sich schlecht hielt. Der Mann, der den Kopf sonst stolz und selbstbewusst im Nacken trug, hatte ihn heute gesenkt. Irgendetwas hatte in der Zeitung gestanden, das ihn so völlig aus der Fassung gebracht hatte.

Irmtraut fieberte seiner Aufklärung geradezu entgegen. Sie hörte die Haustür ungewohnt laut klappen, den Schritt des Vaters auf den Fliesen der Diele dann im Wohnzimmer, durch den Teppich gedämpft.

Sie hörte ihn an den Schrank gehen, ein Glas klirren. Das Mädchen schüttelte den Kopf, stieß die Küchentür auf und sah, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Ihr Vater goss sich ein ganzes Glas voll Kognak, trank es aus, und dann goss er ein zweites voll.

Vier Gläser trank er, setzte die Flasche hart auf den polierten Tisch und ließ sich in einen Sessel fallen. Die linke Hand legte er vor die Augen, als könne er das helle Tageslicht nicht ertragen.

„Ich glaube, es ist besser, ich gehe“, wisperte Margot ihrer Freundin zu. „Dein Vater sieht nicht aus wie ein Mann, der darauf brennt, Besuch zu haben. Lass dich doch einmal bei mir sehen. Ich wohne im Grand Hotel, und jeden Montag habe ich frei. Wirst du kommen?“

„Ja, bestimmt“, versprach Irmtraut. Durch die Hintertür verließ Margot das Haus, während Irmtraut in das Wohnzimmer hinüberging.

„Paps“, sagte sie leise.

Ein Stöhnen war seine ganze Antwort.

***

Irmtraut beugte sich zu ihrem Vater hinab.

„Was ist geschehen?“, fragte sie drängend. „Du musst es mir sagen, Vater, ich … ich kann dir vielleicht helfen …“

„Mir kann niemand helfen“, klagte der alte Herr mit versagender Stimme. „Es ist zu spät, hätte ich mich doch nie auf die Sache eingelassen!“

„Auf welche Sache?“

„Ich habe spekuliert. Es war ein todsicherer Tipp, ich hätte unser Vermögen verdoppeln können …“

„Und du hast etwas verloren?“ Irmtraut atmete erleichtert auf, denn sie hatte mit Schlimmerem gerechnet. „Das macht doch nichts, Paps. Ich werde arbeiten gehen, und unser Haus ist ja Gott sei Dank schuldenfrei.“

Der alte Herr mied ihren Blick. „Ich habe nicht etwas verloren“, erklärte er. „Ich habe alles verloren!“

„Alles?“, wiederholte Irmtraut beklommen. „Was heißt das? Das Haus …“

„Ich habe es beliehen … Ich wollte, dass du es gut hast, unser Vermögen war nicht groß, du solltest eine gute Partie machen können …“ Er stöhnte noch einmal. „Und nun haben wir alles verloren. Unser Geld, das Haus … nichts ist uns geblieben. Ich kann noch froh sein, dass wir wenigstens keine Schulden haben. Noch nicht!“

Seine Tochter war noch nicht imstande, die Bedeutung seiner Worte in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen. Sie hatten alles verloren? Etwas in ihr sträubte sich, die furchtbare Wahrheit einzusehen. Der Vater sah schwarz, er war verzweifelt, aber ganz so schlimm, wie er es machte, konnte es doch nicht sein.

„Wie ist denn alles gekommen?“, fragte sie ruhig. „Wer hat dir überhaupt diesen Tipp gegeben?“

„Du kennst ihn nicht. Er heißt Steding, ein Bankmensch. Er hat ein großes Haus in Frankfurt. Ich habe ihn im Club kennengelernt. Er suchte wohl nur einen Dummen, und ich bin auf ihn reingefallen.“

„Reg dich nicht auf, Vater.“ Irmtraut gab ihm eine Zigarette und zündete sie ihm selbst an. „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Vielleicht lässt dieser Mensch mit sich reden. Er ist doch schließlich ein Ehrenmann.“

„Das habe ich auch geglaubt. Jetzt weiß ich es besser. Er hat mir seine Aktien verkauft. Verstehst du, er wollte sie loswerden.“

Irmtraut begriff, dass sie sich am besten selbst um alles kümmerte. Ihr Vater schien nicht in der Verfassung zu sein, irgendeinen vernünftigen Entschluss zu fassen.

„Wo treffe ich diesen Steding?“, fragte sie entschlossen.

„Er wohnt im Grand Hotel. Aber glaube nicht, dass du mit ihm reden könntest. Ich habe alles versucht, ihn umzustimmen, aber … er hat nur gelacht. Verstehst du … ausgelacht hat er mich!“

„Das Lachen wird ihm schon noch vergehen“, drohte seine Tochter. „Bleib solange hier, Vater, bis ich zurückkomme. Wir essen heute etwas später.“

„Ich habe sowieso keinen Appetit“, versicherte ihr Vater glaubwürdig. „Er wohnt Zimmer Nummer dreiundvierzig.“

„Danke.“ Irmtraut nahm sich eine Taxe, um möglichst schnell zum Hotel zu kommen. Sie stürmte in die Halle.

„Ich möchte zu Herrn Steding!“, fuhr sie den Empfangschef heftig an, als der Mann sich nach ihren Wünschen erkundigte. „Und sagen Sie mir nicht, er sei nicht zu sprechen!“

Sie ließ den verdutzten Angestellten einfach stehen und lief die breite Treppe hinauf. Als Irmtraut die Tür mit der Zahl dreiundvierzig erreicht hatte, holte sie tief Luft und betrat das Zimmer, ohne vorher anzuklopfen.

Steding saß auf der Kante des Bettes und zog gerade seine Schuhe an. Er hob kurz den Kopf, und schon auf den ersten Blick fand Irmtraut das Urteil ihres Vaters bestätigt: Ein Geschäftsmann ohne Herz war dieser Steding.

Sie glaubte, nie in kältere und abschätzendere Augen geblickt zu haben als in die des Mannes, der ihren Vater ruiniert hatte.

„Was wollen Sie?“, knurrte der Bankier sie an. „Habe keine Zeit!“ Er knotete sein Schnürband zu und erhob sich.

Er war groß, ein massiger, selbstbewusster Mann, mit dem bestimmt nicht zu spaßen war.

„Ich bin Irmtraut von Olthusen“, erklärte die junge Dame. „Und ich bin gekommen, um …“

„Um mir meine Zeit zu stehlen“, fiel Karl Steding ihr ins Wort. „Für mich ist Zeit Geld, meine Liebe. Lassen Sie mich allein, ich empfange nur angemeldete Besucher.“

„Sie haben meinen Vater ruiniert! Wissen Sie gar nicht, was das bedeutet? Er hat alles verloren, was er besaß!“

„So?“, fragte der Mann gelassen. „Dann hätte ihr Herr Vater besser aufpassen müssen!“ Mit schiefem Grinsen steckte er sich eine pechschwarze Zigarre in den Mund.

„Sie haben ihn vorsätzlich hereingelegt!“, schrie Irmtraut ihn an.

Karl Steding trat vor den Spiegel und kämmte sich sein schütteres Haar. Der Auftritt rührte ihn nicht, denn seiner Meinung nach war er vollkommen im Recht. Niemand hatte Baron von Olthusen gezwungen, die Papiere zu kaufen. Wer nichts von Spekulationen verstand, sollte gefälligst die Finger davon lassen.

„Ich habe eine Konferenz. Sie entschuldigen mich wohl, meine Dame.“ Er nickte ihr lässig zu und ging zur Tür.

Für ihn war der Fall erledigt – für Irmtraut noch lange nicht.

Sie setzte sich auf das Bett und wartete. Einmal musste dieser Kerl zurückkommen, und sie würde so lange auf ihn einreden, bis er nachgab. Wahrscheinlich verstand der Bankier nicht, was für sie auf dem Spiel stand, denn er konnte doch nicht im Ernst beabsichtigen, sie um ihr Heim zu bringen.

Jemand klopfte. „Herein!“, rief Irmtraut automatisch. Sie schaute zur Tür, und ihre Augen wurden groß und ungläubig.

Margot trat ein. Sie trug ein schwarzes Kleid mit einer weißen Schürze und ein kleines Häubchen.

„Gestatten, gnädige Frau, dass ich … Du?“, fiel sie sich ins Wort und schüttelte den Kopf. „Wie kommst du denn hierher?“ Sie legte ihr Staubtuch auf den Tisch und blieb vor Irmtraut stehen.

„Ich warte.“

„Etwa auf den Steding?“ Margot setzte sich auf den Tisch und baumelte mit ihren schlanken Beinen. „Willst du etwas von dem? Hoffentlich kein Geld, dann ist Warten nämlich vergebens. Der Mann ist für seine Knauserigkeit bekannt. Er gibt höchstens zwanzig Pfennig Trinkgeld, wenn er abfährt.“

„Ich denke, du hast heute frei.“ Irmtraut wollte nichts mehr von Stedings hartem Charakter hören, sie brauchte eine Aufmunterung, einen tröstlichen Zuspruch, aber keine Entmutigung.

„Ich vertrete eine erkrankte Kollegin. Überstunden werden hier großzügig bezahlt. Und nun muss ich etwas tun. Auf Wiedersehen also!“ Damit ging Margot hinaus.

Irmtraut wartete weiter, und da sich der Bankier nicht mehr sehen ließ, blieb ihr nichts anderes übrig, als das Hotel zu verlassen.

Als sie verbittert auf der Straße stand, schaute sie unwillkürlich auf das Hotel zurück und sah ihre ehemalige Schulkameradin eilig durch die Halle gehen, einen Staubsauger in der Hand. Zimmermädchen, dachte sie …

Und dann riss sie sich zusammen, ging an dem Portier vorbei und setzte sich selbstsicher in die Halle.

Als Margot wenig später erneut vorbeikam, winkte sie ihr zu. Ihre Freundin blieb verwundert stehen. Irmtraut sah, dass der Geschäftsführer auf sie zutrat und ihr etwas sagte. Margot knickste und eilte dann an ihren Tisch.

„Gnädiges Fräulein wünschen mich zu sprechen?“, fragte sie förmlich, weil sie den Blick des Geschäftsführers auf ihrem Rücken spürte.

„Margot, ist bei euch noch ein Posten frei? Ich möchte mich als Zimmermädchen bewerben.“

Ihre Freundin schluckte und setzte den Staubsauger auf den dicken Teppich.

„Willst du mich auf den Arm nehmen?“

In gedrängter Kürze schilderte Irmtraut ihr die veränderte Lage.

„Vielleicht schaffe ich es“, schloss sie verzagt, als sie Margots Lächeln bemerkte.