Lore-Roman 75 - Helga Winter - E-Book

Lore-Roman 75 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

Sonja von Rassmussen ist ein Wildfang. Mit ihrem kurzen Haar und den abgetragenen Männerkleidern sieht sie aus wie ein Junge. Aus Männern aber macht sie sich nichts, vielmehr ist sie mit Leib und Seele bei der landwirtschaftlichen Arbeit und träumt davon, später einmal die Nachfolge ihres Vaters anzutreten und die Führung des Guts zu übernehmen.
Als Martin von Möllendorf, Fabrikantensohn und ein Spielgefährte aus Kindertagen, mal wieder sein Kommen ankündigt, interessiert Sonja das zunächst herzlich wenig. Doch sein Besuch soll eine unvorhergesehene Wendung nehmen, als Martin Sonja einen Antrag macht, vielmehr ein Arrangement anbietet. Die kleine Rassmussen ist zunächst geschockt über seine Offenheit, doch nach etwas Bedenkzeit willigt sie in diese Vernunftheirat ein. Martin ist erleichtert, kann er so dem Wunsch seines Vaters nachkommen und zugleich mit seinem Junggesellenleben weitermachen. Doch er wird schon bald bereuen, dass er sich an die kleine Kratzbürste Sonja gebunden hat, die es gar nicht einsieht, die brave Ehefrau zu spielen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Ehe ist kein Glücksspiel

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: NazarBazar / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9311-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Ehe ist kein Glücksspiel

Schicksalsroman um eine folgenschwere Entscheidung

Von Helga Winter

Sonja von Rassmussen ist ein Wildfang. Mit ihrem kurzen Haar und den abgetragenen Männerkleidern sieht sie aus wie ein Junge. Aus Männern aber macht sie sich nichts, vielmehr ist sie mit Leib und Seele bei der landwirtschaftlichen Arbeit und träumt davon, später einmal die Nachfolge ihres Vaters anzutreten und die Führung des Guts zu übernehmen.

Als Martin von Möllendorf, Fabrikantensohn und ein Spielgefährte aus Kindertagen, mal wieder sein Kommen ankündigt, interessiert Sonja das zunächst herzlich wenig. Doch sein Besuch soll eine unvorgesehene Wendung nehmen, als Martin Sonja einen Antrag macht, vielmehr ein Arrangement anbietet. Die kleine Rassmussen ist zunächst geschockt über seine Offenheit, doch nach etwas Bedenkzeit willigt sie in diese Vernunftheirat ein. Martin ist erleichtert, kann er so dem Wunsch seines Vaters nachkommen und zugleich mit seinem Junggesellenleben weitermachen. Doch er wird schon bald bereuen, dass er sich an die kleine Kratzbürste Sonja gebunden hat, die es gar nicht einsieht, die brave Ehefrau zu spielen …

„Es ist schön, einmal ein paar Tage lang nichts zu tun zu haben“, stellte Alexander von Möllendorf fest und streckte seine langen Beine von sich. „Du bist um dein Leben zu beneiden, Viktor“, fuhr er fort. „Arbeitest den ganzen Tag in frischer Luft, siehst wachsen, was du ausgesät hast …“

„Oder auch nicht, wenn Petrus nicht mitspielt“, berichtigte Viktor von Rassmussen ihn lachend. „Es ist fast ein Witz, denn ich beneide dich oft genug um dein Leben. Da sitzt du in deinem komfortablen Büro, und wenn es regnet, stört es dich nicht, Kälte macht dir auch nichts aus, sie erreicht dich nicht. Während ich armer Stoppelhopser bei jedem Wetter raus muss.“

„Aber der ständige Ärger, den man in solch einer Firma hat. Wenn man sich nicht um jeden Dreck kümmert, dann läuft nichts. Ein Glück, dass Martin so gut eingeschlagen ist. Er entlastet mich sehr gut.“

„Schade, dass du ihn nicht mitgebracht hast.“

„Er kommt am Sonnabend, bis dahin hält er die Stellung in der Firma. Soll er ruhig etwas tun, in seinem Alter wurde uns auch nichts geschenkt. Weil wir gerade von Schenken reden – gieß mir noch einen Schluck ein, Viktor.“

Er hielt dem Hausherrn sein geleertes Glas hin.

„Ich verstehe allerhand von geistigen Getränken, aber einen Likör wie bei dir bekommt man sonst nirgendwo.“

„Kein Wunder, es handelt sich um ein uraltes Familienrezept, und wir stellen ihn selbst her. Ich gebe dir ein paar Flaschen mit.“

Viktor von Rassmussen trank sein Glas in genüsslichen Schlucken leer.

„Hast du eigentlich nie daran gedacht, deinen Likör im Großen herzustellen?“, fragte er dann.

„Wie meinst du das?“

„Ganz einfach, indem du eine Fabrik errichtest. Um diesen Likör wird man sich reißen. Natürlich muss man vorher kräftig die Werbetrommel rühren, sonst kann man heutzutage nichts mehr verkaufen, aber wenn es sich einmal herumgesprochen hat, wie gut er schmeckt …“

„Erstaunlich, gerade letzte Woche habe ich noch mit Constanze darüber gesprochen. Leider geht es nicht. Dafür braucht man mehr Geld, als ich besitze.“

„Ein paar hunderttausend Mark wären für den Anfang natürlich erforderlich. Aber wenn die Sache erst läuft, bist du von deiner Landwirtschaft unabhängiger.“

Viktor von Rassmussen lachte. „Ein paar hunderttausend Mark“, stieß er hervor. „Du sagst das so, als handele es sich um eine Kleinigkeit. Ich habe kein Bargeld, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang, und deshalb …“

Viktor von Rassmussen zuckte die Schultern.

„Keine Bank wird mir auf solch ein Projekt hin Geld leihen, und das kann man den Leuten nicht einmal übelnehmen. Weiß man denn, ob die Sache wirklich klappt?“

„Was hältst du eigentlich von Martin?“

Dieser Themawechsel kam Viktor von Rassmussen sehr überraschend, und entsprechend erstaunt sah sein Gesicht auch aus.

„Sehr viel, das weißt du doch. Wie kommst du gerade jetzt darauf?“

Alexander von Möllendorf schob sein leeres Glas auf dem Tisch hin und her.

„Es ist eine Idee … Sie geht mir schon länger im Kopf herum.“ Er beugte sich vor und sprach mit gedämpfter Stimme weiter. „Es wird Zeit, dass Martin heiratet. Und … du hast eine sehr hübsche und verständige Tochter …“

„Du meinst, die beiden …?“ Im ersten Impuls schüttelte Viktor von Rassmussen den Kopf. „Sie kennen sich kaum, und von Liebe kann überhaupt nicht die Rede sein.“

„Was heißt schon Liebe? Beide sind vernünftig, und … es würde mir natürlich ein Vergnügen sein, deine Likörfabrik zu finanzieren, wenn Sonja meine Schwiegertochter wird. Das Geld bleibt dann ja sozusagen in der Familie. Weißt du, ich habe eine Schwäche für deine Tochter. Gibt es in ihrem Leben einen Mann, der …?“

„Nein, ganz bestimmt nicht. Sie macht sich überhaupt nichts aus Männern.“

„Es ist ein Vorschlag … rede mal mit ihr. Mit Martin kann man auskommen. Für sein Alter ist er sehr vernünftig. Es wäre mir nur lieb, würde er etwas solider werden. Nicht, dass er jetzt gerade herumsumpft, aber er hat ständig Affären … Kann man ihm ja auch nicht übelnehmen. Er sieht gut aus, den Mädchen gefällt er … Aber er sollte allmählich vernünftiger leben.“

„Eine phantastische Idee, Sonja und dein Sohn … Darauf bin ich überhaupt noch nicht gekommen, Alexander. Aber ob die Kinder mitspielen werden?“

„Man muss sie fragen. Warum nicht? Ich sehe keinen vernünftigen Grund, der gegen solch eine Verbindung spricht. Lass uns darauf noch einen Schluck trinken. Und auf deine künftige Fabrik. Mit solch einem Likör kannst du ein reicher Mann werden.“

Der Gutsbesitzer lächelte schief. Er braucht mich nicht mit Geld zu ködern, dachte er. Er würde nie bereit sein, auf Sonja einen Druck auszuüben, nur damit er das Kapital zur Errichtung einer Fabrik bekam. Andererseits war Martin von Möllendorf ein Mann nach seinem Herzen.

„Ich werde heute Abend noch mit Constanze darüber sprechen.“

***

„Wo ist meine Tochter?“, fragte Constanze von Rassmussen.

Wanda, die Köchin, Mamsell und guter Geist des Hauses war, erwiderte mürrisch:

„Wo soll die schon sein? Draußen natürlich. Und das bei dem Wetter. Ich möchte wetten, sie hat sich bei dem Schauer nicht einmal untergestellt, und wenn sie sich was wegholt … Gnädige Frau, Sie müssen unbedingt etwas tun, so kann es doch nicht weitergehen.“

Frau Constanze seufzte. „Das sagen Sie so leicht. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll.“

„Sie lebt wie ein Junge, und das ist nicht richtig. Sie kann nicht einmal ein Spiegelei braten.“

„Irrtum.“ Sonja von Rassmussen, ihr Gesprächsthema und Sorgenkind, hatte die Tür schwungvoll aufgerissen und die letzten Worte noch gehört. „Zu verhungern brauche ich mal nicht, Wanda.“

„Wie sehen Sie bloß wieder aus!“ Die Mamsell schüttelte entsetzt den Kopf. „Schauen Sie nur mal in den Spiegel, Fräulein Sonja. Wie eine aus dem Wasser gezogene Katze. Sollte mich gar nicht wundern, wenn Sie morgen mit einer Lungenentzündung im Bett liegen.“

„Ein bisschen Regen macht mir nichts aus“, versicherte Sonja. „Die Felder konnten ihn gut gebrauchen. Es wurde allerhöchste Zeit, dass es mal regnete.“

„Wanda hat recht, du musst dich wirklich schnell umziehen, Sonja“, mischte sich Frau Constanze ein. „Dass du dein Haar so kurz trägst …“

„Wie ein Junge“, knurrte Wanda dazwischen. „Wenn Sie das schön finden, Fräulein Sonja … Ein Mädchen, das auf sich hält, möchte doch hübsch aussehen. Wie wollen Sie bloß mal einen Mann bekommen, wenn Sie so herumlaufen“, seufzte Wanda.

„Ich will keinen Mann.“

„Unsinn, alle Mädchen wollen einen Mann, machen Sie mir doch nichts vor. Nur die miesen behaupten das Gegenteil, weil ihnen die Trauben zu hoch hängen. Wenn ein Mann die haben wollte, die würden sofort Ja sagen. Gnädige Frau, finden Sie nicht auch, dass Fräulein Sonja das Haar länger tragen müsste? Von hinten sieht sie aus wie ein Junge.“

„Wenn du wüsstest, wie gern ich ein Junge wäre“, äußerte Sonja, und einen Moment wirkte ihr Gesicht verbissen.

Es war ein herbes Gesicht, das nur selten lächelte, aber damit hatte Wanda sich schon abgefunden. Nur das Fräulein Sonja so ungern Kleider trug, das konnte sie überhaupt nicht verstehen. Am liebsten lief die Tochter des Gutsherrn in Hosen umher.

Es gab ja Hosen, die auch an einer Frau hübsch aussahen, aber solche Hosen besaß Sonja nicht. Es waren alles alte Hosen, die häufig schon ihre ursprüngliche Farbe verloren hatten. Und dazu trug sie praktische Schuhe oder Reitstiefel.

„Morgen kommt übrigens Martin …“, fiel Frau Constanze ein.

Sonja verzog unwillkürlich das Gesicht. „Erwarte bitte nicht, dass ich mich dem hohen Herrn zuliebe fein mache.“

„Auf jeden Fall wirst du ein Kleid tragen. Du bist ein Mädchen, weshalb versuchst du das immer wieder zu leugnen? Du bist sogar ein hübsches Mädchen.“

„Wenn sie wollte, gnädige Frau, wenn sie wollte“, warf Wanda verbissen ein. „Wenn Sie weiter so rumlaufen, dann werden Sie bestimmt einmal eine alte Jungfer. Und für die Reue ist es dann zu spät. Warum gehen Sie nicht einmal tanzen?“

„Weil ich keine Lust habe. Und mit wem auch?“

„Also, wenn es nur das wäre, Tänzer würden Sie genug finden. Sie … müssten den Herren nur ein klein bisschen entgegenkommen, Fräulein Sonja. Sie können so furchtbar abweisend sein. Ich weiß ja, dass Sie es im Grunde genommen gar nicht so meinen, aber die jungen Herren, woher sollen die das wissen? Die müssen ja denken, Sie wären immer so und deshalb …“

„Die jungen Herren … Du hast keine Ahnung, wie langweilig die sind“, stieß Sonja aufgebracht hervor. „Was für blöde Komplimente sie machen. Und warum? Nur weil ich eine Rassmussen bin.“

„Nun übertreiben Sie aber. Als Kind waren Sie immer so nett und lieb, Fräulein Sonja, da hatten wir alle so richtig unsere Freude an Ihnen. Aber seit einigen Jahren … Wenn Sie mich fragen, es ist ein Jammer. Und Ihre Eltern sind auch nicht glücklich darüber.“

„Sie tragen ihr schweres Los mit Fassung“, beruhigte Sonja die Mamsell. „Aber ich werde tatsächlich ein Bad nehmen, sonst bekomme ich einen Schnupfen. Bis gleich dann.“

„Und ziehen Sie sich etwas Hübsches an, wenigstens zum Essen“, rief Wanda ihr nach. „Sie müssten mal ein Machtwort sprechen, gnädige Frau. Wenn morgen der Herr von Möllendorf kommt … er ist so nett und sympathisch und noch nicht verheiratet.“

Frau Constanze machte einen verblüfften Eindruck.

„Hat mein Mann schon mit Ihnen darüber gesprochen?“, fragte sie mit verständlichem Erstaunen.

„Worüber?“, wollte Wanda ebenso erstaunt wissen.

Constanze von Rassmussen lächelte gezwungen.

„Nichts, Wanda.“

Natürlich hatte Viktor mit der Mamsell nicht über seine Pläne gesprochen, wie wäre er auch dazu gekommen? Es war nur ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass Wanda ausgerechnet den jungen Möllendorf als Heiratskandidaten in Betracht zog.

„Aber wenn Fräulein Sonja weiterhin so rumläuft, ich glaube nicht, dass er überhaupt merkt, wie nett sie ist. Zuerst gucken die Männer doch immer auf das Äußere, die eigentlichen Werte, die merken sie erst später, wenn überhaupt. Und Fräulein Sonja ist doch hübsch.“

„Sie will nicht hübsch sein. Ich weiß auch nicht, warum, Wanda.“

„Ich glaube, ich weiß es. Weil einer sie mal enttäuscht hat. Und seitdem will sie von den Männern nichts mehr wissen.“

Als Sonja von Rassmussen eine Viertelstunde später herunterkam, trug sie zu ihrer alten Hose eine sehr weit geschnittene Bluse.

Wo sie die Sachen bloß immer auftreibt, dachte Wanda. Sie presste die Lippen wütend aufeinander. Sie warf einen flehenden Blick auf Frau von Rassmussen.

„Zieh dich um, zieh dir ein Kleid an, Sonja, in diesem Aufzug kannst du dich nicht an den Tisch setzen. Was soll Herr von Möllendorf nur von uns denken?“

„Er muss ja glauben, im Armenhaus zu sein“, sekundierte Wanda ihrer Herrin. „Helfen Sie Fräulein Sonja doch, ein passendes Kleid auszuwählen“, schlug sie listig vor.

Das Mädchen seufzte gekonnt. „Ihr beide seid schrecklich hartnäckig. Ist es denn wirklich so wichtig, was man anhat? Die Bluse ist so praktisch.“

„Aber sie sieht hässlich aus. Eine Vogelscheuche, der man sie anziehen würde, die würde sich schämen.“

Sonja lachte, und unwillkürlich verzog auch Wanda das Gesicht. Dabei hatte sie ihre Bemerkung todernst gemeint.

„In einer halben Stunde ist das Essen fertig. Gehen Sie mit rauf, gnädige Frau. Sie müssen dünne Strümpfe tragen, Sie haben schließlich schöne Beine. Andere Mädchen würden wer weiß was darum geben, hätten sie so gerade, schlanke Beine. Und Sie zeigen sie nicht mal.“

„Meinst du, Herr von Möllendorf sei an meinen Beinen interessiert?“, fragte Sonja ernsthaft.

„Der nicht. Aber überhaupt. Sie sollten meine Tochter sein, Fräulein Sonja, dann würden Sie anders aussehen. Und so wild reiten ließe ich Sie auch nicht. Die wildesten Pferde sind Ihnen gerade recht, bis Sie sich eines Tages das Genick gebrochen haben.“

„Komm mit nach oben.“ Frau Constanze wusste zwar, dass die Mamsell recht hatte, mochte ihre Vorwürfe aber nicht länger mit anhören. Die Vorwürfe galten schließlich auch ihr.

„So, jetzt siehst du wirklich hübsch aus“, stellte sie zufrieden fest, als ihre Tochter ein paar Minuten später in ein helles Sommerkleid geschlüpft war. Sie stand hinter Sonja und knöpfte das Kleid auf dem Rücken zu. „Findest du deinen Anblick nicht auch netter?“

Das Mädchen schnitt seinem Spiegelbild eine Grimasse. „Nein.“

„Das glaube ich dir nicht. An und für sich steht dir das kurze Haar, wenn du ein Kleid trägst. Es macht einen aparten Typ aus dir. Du siehst freilich ein bisschen intellektuell aus.“

„Schreckt das nicht die Männer ab?“, fragte Sonja spottend.

„Nur die Dummen und die ohne Selbstbewusstsein. Ich glaube, Martin wirst du gefallen. Er ist sehr tüchtig. Wenn sein Vater ihn schon lobt, dann bedeutet das etwas. Wir wundern uns, dass er noch nicht verheiratet ist.“

„Das spricht für seine Intelligenz, finde ich. Wäre ich ein Mann, ich würde vor fünfzig nicht heiraten. Es gibt so viele nette Mädchen, warum sollte man sich an eine binden? Das ist doch Wahnsinn. Und die Praxis zeigt, dass es auch nie gutgeht. Sie haben eine Ehefrau und wechselnde Freundinnen nebenbei.“

„Ich finde es gar nicht nett, wenn du so zynisch redest. Dein Vater zum Beispiel hat mich nie betrogen“, stellte Frau Constanze empört fest.

„Weil du unter den Frauen die große Ausnahme bist, Mutti. Wäre ich ein Mann, dich würde ich auch nicht betrügen.“ Sonja zwinkerte ihr zu, und Frau Constanze wusste wieder einmal nicht, ob Sonja ihre Worte ernst gemeint hatte.

„Die Möllendorfs haben viel Geld. Er ist eine ausgezeichnete Partie.“

„Willst du mich auf ihn ansetzen?“, fragte Sonja lachend. „Soll ich versuchen, ihn einzufangen?“

„Nein, du sollst dich nur ein bisschen netter benehmen, weiter wollen wir nichts. Ist das denn zu viel verlangt?“

„Reg dich nicht auf, Mutti, das ist die ganze Sache nicht wert. Martin hat es nicht nötig, ein Mädchen wie mich anzuschauen. Er kann ganz andere haben. Schönheiten. Und wetten, dass er sie hat?“

„Du redest sehr frivol. Martin hat gar keine Zeit für ein ausgedehntes Privatleben. Sein Vater schenkt ihm in der Firma nichts, im Gegenteil, er nimmt ihn härter ran als andere.“

„Mag sein …“ Sonja zuckte gleichmütig die Schultern.

Martin von Möllendorf interessierte sie herzlich wenig. Sie war nun einmal kein Mädchen, das auf Männer wirkte, und schon längst war sie darüber nicht mehr traurig. Früher einmal war das anders gewesen. Da hatte sie oft vor dem Spiegel gestanden und sich angeschaut. Und sich hübsch gefunden.

Bis einer ihr sagte, sie sei für ihn nicht hübsch genug. Ganz nett, aber nicht gut genug für ihn. So etwas vergisst ein Mädchen nicht, das hinterlässt eine Wunde, die sich ein Leben lang nicht schließt.

Herr von Möllendorf machte ein erstauntes Gesicht, als sie mit der Mutter zusammen ins Esszimmer kam. Er hatte sie noch nie im Kleid gesehen. Und dann lächelte er zufrieden. Eine Schönheit war sie nicht, die kleine Rassmussen, aber auf jeden Fall ein aparter Typ.

***

„Er kommt.“ Wanda hatte schon seit einer halben Stunde am Küchenfenster gestanden und hinaus geschaut.

Leni, ihre Hilfe, grinste über das ganze sommersprossige Gesicht.

„Man könnte fast meinen, Sie warteten auf Ihren Schatz“, stellte sie fest. Und bezog dafür prompt einen Anraunzer.

Sie rieb sich die schmerzende Wange.

Wanda beachtete sie nicht länger. Der junge Herr von Möllendorf sah wirklich gut aus, war ein Bild von einem Mann, sehr lang, breit in den Schultern, schlank in den Hüften, und er bewegte sich mit der lässigen Grazie eines trainierten Sportlers. Der Wind spielte in seinem Haar, und Wanda musste unwillkürlich an Frauenhände denken, die es zerzausten.

Ein Bild von einem Mann – und deshalb kein Mann für Fräulein Sonja. Der stellte andere Ansprüche, der konnte jede bekommen, die er haben wollte. Auf eine Kratzbürste, die am liebsten in Männerkleidern herumlief, war er nicht angewiesen.

Der Mann, der jetzt mit langen Schritten auf das Haus zuging, ahnte nicht, was für einen Sturm sein Erscheinen in der Küche hervorgerufen hatte. Unter dem Arm trug er eine Aktentasche.

Vom Fenster ihres Zimmers aus beobachtete Sonja ihn, und ihr Gesicht wirkte jetzt noch strenger als sonst. Sie mochte ihn nicht, obwohl er so gut aussah. Richtiger gesagt, sie mochte ihn nicht, weil