Love Maker – Nach allen Regeln der Verführung - Kate Meader - E-Book

Love Maker – Nach allen Regeln der Verführung E-Book

Kate Meader

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Beschreibung

Er hat klare Regeln – aber für die Liebe lohnt es sich, sie zu brechen Scheidungsanwalt Lucas Wright hält sich an alle Vorschriften, und die wichtigste lautet, sich nie mit einem Klienten einzulassen. Doch gilt das auch für die Schwägerin eines Klienten? Lucas war sich immer sicher, dass bei der Wahl zwischen Liebe oder Pflicht zweifellos der Job gewinnen würde – bis er auf die wunderschöne, schlagkräftige Whisky-Expertin Trinity trifft, deren Schwester er im Auftrag seines Klienten eigentlich ruinieren soll. Je näher er Trinity kommt, desto schwieriger fällt es ihm, seine knallharten Prinzipien aufrechtzuerhalten. Denn die unwiderstehliche Anziehung zwischen ihnen bestätigt, dass die Liebe sich nicht an Regeln hält …

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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Heidi Lichtblau

© Kate Meader 2019

Published by Arrangement with Linda C. O’Dwyer

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Illegally Yours«, Loveswept, New York 2019

© der deutschsprachigen Ausgabe:

Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Antje Steinhäuser

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Coverabbildung: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

1. Kapitel

Lucas

Trinity

2. Kapitel

Trinity

Lucas

3. Kapitel

Trinity

Lucas

4. Kapitel

Lucas

Trinity

5. Kapitel

Trinity

6. Kapitel

Lucas

7. Kapitel

Lucas

Trinity

8. Kapitel

Lucas

Trinity

9. Kapitel

Lucas

10. Kapitel

Trinity

Lucas

11. Kapitel

Trinity

12. Kapitel

Lucas

Trinity

13. Kapitel

Lucas

Trinity

14. Kapitel

Trinity

15. Kapitel

Trinity

Lucas

16. Kapitel

Trinity

17. Kapitel

Lucas

18. Kapitel

Trinity

Lucas

Trinity

19. Kapitel

Trinity

Lucas

20. Kapitel

Trinity

Lucas

21. Kapitel

Trinity

22. Kapitel

Lucas

Trinity

23. Kapitel

Lucas

Trinity

24. Kapitel

Lucas

Trinity

Epilog

Lucas

Dank

Für Jimmy,

das Abenteuer geht weiter!

1. Kapitel

Lucas

Erinnert ihr euch an den Song von Queen mit dem legendären Bass-Riff? Dindin-din-din-din, another one bites the dust … So sieht gerade mein Leben aus. Ich bin in der Library, einem geschmackvollen kleinen Raum im Untergeschoss der Gilt Bar, wo wir einem aus unserer Crew zu einem ordentlichen Abschied verhelfen. James Henderson ist ein Freund von mir und der Bruder von Max, einem Partner in unserer Anwaltskanzlei Wright, Lincoln and Henderson. In ein paar Wochen heiratet er nach einer mehr als stürmischen Romanze. Ich vermute, da ist was unterwegs, aber Jimbo hüllt sich in Schweigen.

Max hat für den Junggesellenabschied eine Whisky-Verkostung organisiert. Ich bin ja mehr der Ale-Trinker, bilde mich aber gern weiter und bin gespannt, welche Unterschiede es zwischen einem Glas mit gelbem Gesöff und einem anderen mit gelbem Gesöff gibt.

»Na, mein Freund, und wann schlagen die Stripteasetänzerinnen denn hier auf?«, frage ich mit meinem frechsten Grinsen.

Max lässt sein perfektes amerikanisches Gebiss aufblitzen.

»Kipp dir ein paar Drinks hinter die Binde, und die Bühne gehört dir, Wright.«

Ich springe auf und wackele mit meinem Prachthintern. »Fuck, das mach ich doch glatt!«

Das bringt die anderen zum Lachen, aber als ich mich umdrehe und wieder setzen will, fällt mein Blick auf eine schwarze Frau, die mich anschaut, als wäre ich verrückt. Was aber viel wichtiger ist: Diese Frau trägt einen Catsuit!

Er schmiegt sich an jede ihrer Kurven – und davon hat sie eine Menge – und bedeckt sämtliche Körperteile, die ich mir normalerweise genauer anschauen würde. Und, verdammt, das ist sexyer, als wenn sie nackt wäre.

Das Einzige, was ich sehe:

Füße in Riemchensandalen und purpurrot lackierte Zehennägel. Was Gutes verheißt, da Purpurrot Königlichkeit (denkt an den inzwischen verstorbenen großartigen Prince) wie auch Weisheit, Würde, Unabhängigkeit, Kreativität, Geheimnis und Magie symbolisiert.

Durchtrainierte Arme mit einem asiatischen Symbol auf einem davon.

Ihr Gesicht. Na klar! Hattet ihr gedacht, sie würde wie Catwoman eine Maske tragen?

Der Reißverschluss des Catsuits ist bis zum Kinn hochgezogen, doch das Allerbeste befindet sich sowieso darüber: ein Gesicht, das, gleich dem Helenas, tausend Schiffe in Bewegung setzen könnte.

Oder Ständer.

Okay, meinen Ständer.

Es ist eher beeindruckend als hübsch, dieses Gesicht. Königlich sogar. Große schokoladenbraune Augen. Wangenknochen, die fast mit meinen konkurrieren. Warme, braune Haut mit goldenen Untertönen. Ein glitzernder Nasenring, der mir sagt, dass sie gern gegen den Strom schwimmt. Und ihre Haare … die gibt es en masse, eine mahagonifarbene Pracht mit kupferfarbenen und roten Strähnchen. Ich könnte fortfahren, doch sie hat sich schnell vom Anblick meiner Tanzeinlage erholt und verteilt nun Papierbögen.

»Hi, Jungs, ich bin Trinity. Willkommen in der Library und zu eurer Whisky-Verkostung.«

Alle erwidern etwas, und ich hasse sie alle dafür, dass sie mit ihr zu reden wagen. Ihre Stimme hat eine natürliche Rauheit, megasexy. Ich versuche, ihre Aufmerksamkeit mit einem meiner umwerfenden Lächeln zu gewinnen, doch sie ist schon unterwegs, um die erste Runde Drinks zu holen.

Ich beobachte sie dabei, eifersüchtig auf jede Interaktion mit anderen. Ich betrachte mich als ausgezeichneten Menschenkenner und bin mir der Vibes, die wir ausstrahlen, überaus bewusst. Die Leute reagieren gut auf Trinitys Energie. Ein schnelles Lächeln und Armtätscheln für jemanden, an dem sie vorbeikommt, ein Winken zu jemandem, der gerade hereinkommt, ein vertrautes Schulterknuffen für einen ihrer Kollegen hinter der Bar.

»Andere zuerst« – das ist die Schwingung, die ich bei Trinity erspüre. Welchen Eindruck ich wohl auf sie gemacht habe? Laut der Zeitschrift Chicago bin ich ein »Chi-Town-Hottie auf dem Weg nach oben« – so lautete der Ausdruck zwar nicht, könnte er aber – aka einer der besten und intelligentesten Scheidungsanwälte der City. Und noch immer Single, Ladys! Schnell bekomme ich das Etikett des naseweisen Emporkömmlings verpasst. Des vergnügungssüchtigen Briten. Solche Unterstellungen kontere ich gern mal mit einem Zitat von Rilke und Konsorten. Mir macht man so schnell nichts vor.

Zurück in unserer Umlaufbahn stellt Trinity ein Tablett mit Gläsern auf den Tisch, die jeweils einen Finger hoch mit Whisky gefüllt sind.

»Als Erstes solltet ihr die Farbe prüfen«, erklärt sie. »Dreht eure Papierbögen zur leeren Seite um und haltet den Whisky dagegen. Ihr könntet dann Blassgold zu sehen bekommen, Stroh, Bernstein …«

»Pisse«, werfe ich ein, da ich offenbar an verbalem Durchfall leide. Als mich alle böse anfunkeln, verbessere ich mich: »Verzeihung, Urin!«

Die wunderbaren dunklen Augen Trinitys verengen sich etwas und sie verkündet: »Das ist keine Standardfarbe.«

»Sorry, den kann man wirklich nirgendwohin mitnehmen!«, erklärt James, der Bräutigam in spe, auch wenn er sich das Lachen nur mühsam verkneifen kann.

»Wie bist du zu einer Whisky-Expertin geworden, Trinity?«, erkundige ich mich, da ich unbedingt eine Verbindung zu ihr herstellen möchte.

»Jahrelanges Training. Als Nächstes bewertet ihr die Klarheit und Viskosität …«

Derart abgefertigt, folge ich ihren Anweisungen. Natürlich muss ich zu allem meinen Senf dazugeben. Meine sogenannten Freunde sollten mich auffordern, die Klappe zu halten, aber es ist, als wäre ein Hydrant der Dummheit aufgedreht worden und ich könnte ihn nun nicht mehr zudrehen.

Den Bogen fülle ich folgendermaßen aus und füge auch noch einen Kommentar an – gratis!

Aussehen: Ich bleibe bei Urin, weil ich so gut damit ankam.

Duft: Motorenöl mit Anklängen von Vanille und Kohl. Sicher, warum nicht?

Geschmack: Umami. Ich weiß zwar nicht, ob das korrekt ist, aber ich sage das Wort so gern. Sprecht mir nach, Kinder.

Umami.

Ich vermute, das ist ohnehin alles Unsinn, da eines der Duftprofile »Heftpflaster« lautet. Das kann ja wohl nicht stimmen, oder?

»Warum zur Hölle sollten wir etwas trinken, das nach Band-Aids schmeckt?« Nicht, dass dieser spezielle Whisky es täte – denke ich –, doch nun, da ich noch mal davon probiere, schmecke ich eine medizinische Note heraus, die mir zuvor nicht aufgefallen war. »Wieso sollte das jemanden ansprechen? Es behauptet doch auch niemand, dass Wein nach Heftpflaster schmeckt …«

»Heftpflaster?« Max zieht eine Augenbraue nach oben.

»Heftpflaster, Wundpflaster …« Ich schwenke mein Glas, sodass der verbleibende Rest überschwappt. »Im Land meiner Vorväter wird es Band-Aid genannt, Maxie. Versuch mal, auf dem Laufenden zu bleiben. Wenn jemand sagen würde: ›Nippen Sie einmal von diesem siebenundzwanzig Jahre gereiften Whisky, er hat einen wunderbaren Band-Aid-Geschmack‹, würde sich doch jeder normale Mensch tout de suite aus dem Staub machen. Von der Geschmacksrichtung ›Waldboden‹ ganz zu schweigen.«

Meine Tirade gegen die Tyrannei der Geschmacksprofile von Whisky hat die gesamte Gruppe verstummen lassen. Ich blicke auf und entdecke, dass Trinity mich auf eine Art anfunkelt, die Bewegung in meine Hose bringt!

»Gib es zu, Love, das ist alles völliger Bockmist, oder?«

Einen Moment sieht sie mich abwägend an und findet mich eindeutig in jeder Hinsicht unterbelichtet. »Nein, tatsächlich handelt es sich um Wissenschaft. Scotch, aus Schottland, weißt du, wird aus gemälzter Gerste hergestellt, sprich: aus in Wasser eingeweichter und über Torffeuer gedörrter Gerste. Torf besitzt chemische Komponenten, die sich Kresolen nennen, die wiederum eine Unterkategorie von Phenolen beziehungsweise Karbolsäure ist, die sich auch in Produkten wie etwa Sagrotan, Permanentmarkern oder …«

»Band-Aids findet«, sage ich, denn das ist mir tatsächlich bekannt.

»Band-Aids«, bestätigt sie, eindeutig nicht erfreut darüber, dass ich das letzte Wort haben musste.

Ich benehme mich unmöglich, aber ich kann einfach nicht anders. Ich stehe nun mal auf lässig zur Schau gestellte Beschlagenheit, und im Verein mit Trinitys selbstbewusster Schönheit macht mich das nervös. Oder sagen wir: albern, denn nervös macht mich rein gar nichts.

»Gentlemen, ich hole mal die nächste Runde.« Sie betont das Wort Gentlemen, um anzudeuten, dass ich damit eindeutig nicht gemeint bin. »Trinken Sie unterdessen viel Wasser.«

Sobald sie außer Hörweite ist, dreht sich Max mit erhobenen Händen zu mir.

»Wenn du gerade versuchen willst, sie zu beeindrucken, dann verkackst du es aber ordentlich.«

»Meinst du?« Mit dem Blick folge ich ihr zur Bar. Sie ignoriert mich dabei demonstrativ, das kleine Biest. »Ich dachte, ich kriege sie gerade herum.«

»Verrat ihr doch die Farbe deines letzten Stuhlgangs«, murmelt Grant. »Das würde ihr garantiert gefallen!«

Alle lachen, zumal der Ausspruch von dem gewöhnlich so wortkargen Grant stammt. Er ist mein anderer Partner in der Kanzlei, auch wenn sich er und Max näherstehen, da sie zusammen studiert haben. Grant kommt aus Georgia, sieht aus wie ein Vollstrecker der russischen Mafia und ist eher langsam und methodisch drauf. Das perfekte Gegenstück zu meiner aufgedrehten Persönlichkeit.

Trinity, Love, mach dich darauf gefasst, erobert zu werden.

Trinity

Reiche Macker, die nicht von ihrem ausschweifenden Studentenleben lassen wollen, in schicken, überteuerten Anzügen. Im Fall einer Zombie-Apokalypse wären diese Typen als Erste dran.

»Im Fall einer Zombie-Apokalypse gäbe es niemanden mehr, dem wir für fancy Whisky-Tastings völlig überzogene Preise berechnen könnten«, erklärt Gideon, mein Kollege und engster Kumpel. Anscheinend habe ich meine Beobachtung laut vor mich hin gemurmelt.

»Du glaubst also nicht, dass Zombies ein edles Tröpfchen zu schätzen wüssten?«

Schmunzelnd streicht er sich über den Hipsterbart. Ich bin kein Fan davon, liebe den Kerl aber trotzdem.

»Ich glaube, dass uns unsere Feinschmeckergaumen in der neuen Weltordnung nichts bringen werden. Da heißt es töten oder getötet werden, Trin. Aber du siehst ja eh aus wie Lara Croft in deinem« – er deutet auf mich in meiner ganzen Catsuit-Pracht – »was auch immer du da anhast. Ich werde mich einfach Schutz suchend hinter dir verstecken!«

Damit entlockt er mir ein Lachen, dabei ist das bei mir derzeit Mangelware. Vierunddreißig Jahre alt, doch ich scheine nicht in die Gänge zu kommen: weder in puncto Karriere noch Liebesleben, ja, nicht einmal was meine Familienbeziehungen angeht. Ich muss an meine Schwester Emily denken und verspüre einen Hauch nur zu vertrauten schlechten Gewissens. Sie liegt gerade mit ihrem Mann in Scheidung, einem echten Ekelpaket. Ich bemühe mich, sie zu unterstützen, doch auf meiner Schulter sitzt ein kleiner Teufel und möchte die ganze Zeit Ich hab’s dir doch gesagt! schreien.

Ich fülle für die zweite Runde der Junggesellenparty jeweils kleine Probemengen in Whisky-Gläser. Augenblicklich sind Whisky-Verkostungen in gewissen Kreisen ausgesprochen hip, und ich sollte mich freuen, da ich eine Nischenfrau in einer Nischenbranche bin. Eine Schwarze in einem äußerst weißen, äußerst männlichen Umfeld. Die Blicke, mit denen ich bedacht werde, wenn ich einen Verkostungsraum betrete, reichen von Hä? bis hin zu Abscheu.

Meine Schwester versteht meine Berufswahl nicht. Genauso gut könnte ich »im Stehen pinkeln«, meint sie. Klar, durch meinen Job hänge ich eher mit Typen ab – und damit ist weniger Drama angesagt –, andererseits verzichte ich auf das Drama, das meine Schwester zu verfolgen scheint, wirklich sehr gern!

Allerdings hätte ich nichts gegen ein wenig Action einzuwenden …

Ich werfe einen Blick zu der Junggesellenparty und entdecke, dass er zu mir schaut: Hottie Brit. Sofort wende ich meinen Blick ab, bekomme aber noch mit, wie er den Mundwinkel selbstzufrieden nach oben zieht. Er denkt, er hätte mich am Haken.

Alle sehen sie entsetzlich gut aus, selbst der Typ mit den Ringkämpferqualitäten. Jemand hat ihn Grant genannt, glaube ich. Die beiden Brüder Max und James Henderson kenne ich bereits aus der Zeit, als ich noch oben in der Gilt Bar hinter dem Tresen stand. Max ist Scheidungsanwalt, ich schätze also, ein paar der anderen sind auch so etwas in der Art. Bei ihrem Erscheinen ist mir der redselige Brite als Erster aufgefallen, weil: Wie denn auch nicht? Wangenknochen hat er wie der junge Jonathan Rhys Meyers. Haare wie später Harry Styles. Der Anzug ist … na ja, von Anzügen habe ich keine Ahnung, aber dieser ist eindeutig teuer. Zudem glänzt er wie Haifischhaut. Ob sich das glitschig anfühlt, wenn man ihn am Arm berührt?

Dann hat er den Mund aufgemacht, und das erste Wort war Pisse.

Sein Akzent ist mir erst aufgefallen, als er Urin hinzusetzte und das auf die britische Art aussprach. Hut ab, dass er Pisse einen exotischen Klang geben kann!

Er wirkt jünger als der Rest, sowohl von seinem Verhalten als auch von der liebevollen Nachsicht her, die die anderen ihm gegenüber an den Tag legen. Als wäre er ein durchgeknallter Irrer in ihrer Obhut, der kleine Bruder, den man nicht aus den Augen lassen darf, weil man nie weiß, was er als Nächstes anstellt oder sagt. In der Hinsicht bin ich durch meine Schwester ausgelastet genug. Da brauche ich diese Dynamik bestimmt nicht mit einem Mann.

Schade, denn mir wird allein schon davon ganz anders, ihm beim Reden zuzuhören …

Der Abend schreitet programmgemäß voran. Wann immer ich am Tisch der Junggesellenparty haltmache, wartet Hottie Brit mit einem weiteren shakespearehaften Monolog auf.

Der Letzte: »Leder und Teer? Ich liebe es, wenn mein Drink nach dem Boden der Tasche eines Biker-Messengers schmeckt.«

Jedes Mal formt Max daraufhin mit dem Mund ein lautloses »Tut mir leid« in meine Richtung, dabei prallt es eh an mir ab – man legt sich schnell ein dickes Fell zu, wenn man in Bars arbeitet –, und das gleich noch mehr, als mir Max, bevor er mit der Truppe abzieht, ein paar Hundertdollarscheine in die Hand drückt.

»Es hat einen Riesenspaß gemacht, Trinity«, sagt er. »Und das mit Lucas tut mir leid.«

Damit scheint er wohl diesen Briten zu meinen. »Kein Problem. Freut mich, dass ihr euren Spaß hattet.«

Leicht gequält verzieht er das Gesicht. »Jetzt geht’s weiter zur Abba-Nacht mit den Bachelorettes. Der Spaß fängt also gerade erst an!«

Ich lache wirklich, anstatt nur so zu tun wie bei den meisten Kunden. Max Henderson würde einen netten Ehemann abgeben, und nachdem er in der Scheidungsbranche arbeitet, vermutlich auch einen netten Ex-Ehemann. Als sich die Gruppe verzieht, sieht Hottie Brit – Lucas – noch mal zurück, doch ich drehe mich einfach weg.

Auf deine hübschen Wangenknochen falle ich nicht herein!

»Ich leg mal eine Pause ein«, erkläre ich Gideon, der sein Okay gibt. Es ist früher Juli, und normalerweise würde ich auf die Hintergasse hinaustreten, nicht um eine zu rauchen, sondern um etwas frische, leicht müllgeschwängerte Luft zu schnappen, während ich mein Insta checke und mich für den Rest meiner Schicht wappne.

Heute Abend allerdings nicht. Nach dem Vorfall schon seit Wochen nicht mehr.

Während ich drinnen in sicherer Nähe des hinteren Büros stehe, schicke ich eine Nachricht an meinen Neffen Chase ab: Was geht?

Als Antwort erhalte ich ein augenrollendes Emoji. Fünf Minuten sich duellierender Emojis später gehe ich wieder hinein, und mir fällt beinahe die Kinnlade runter, als ich sehe, wer an der Bar sitzt.

Hottie Brit ist zurückgekehrt. Oder war er nie weg?

Noch hat er mich nicht entdeckt, und ich nutze die Gelegenheit, ihn mir in Ruhe anzuschauen. Er hat seine langen Finger um ein Pintglas geschlungen, die wir hier nicht oft zu sehen kriegen. Die Library ist eigentlich für ihre raffinierten Cocktails bekannt. Sein dunkles, zu langes Haar ist zerzaust, als hätte es zum Zügeln seiner überschüssigen Energie herhalten müssen. Eine kleine Narbe, die eine seiner Augenbrauen zweiteilt, macht ihn ein bisschen weniger hübsch, dafür aber wesentlich interessanter.

Selbst wenn er still dasitzt, vibriert die Luft um ihn herum. Ganz so, als würde jeden Augenblick ein Broadway-Musical beginnen.

Mit einem Blick sagt mir Gideon, dass ich nur etwas zu sagen brauche, und Hottie Brit fliegt raus. Ich lächele, um ihn wissen zu lassen, dass ich die Sache im Griff habe. Vielleicht ist HB nicht meinetwegen geblieben, doch insgeheim weiß ich, dass es so ist. Bei dem Gedanken beschleunigt sich mein Puls. Es ist eine Weile her – eine lange, einsame Weile –, dass jemand derart Attraktives sich für mich interessiert hat.

Nachher werde ich mich davontragen lassen und mich mit Fantasien in Stimmung bringen, in denen ein britischer Akzent eine Rolle spielt.

Sobald HB mich sieht, schaltet er sein Handy aus und legt es mit dem Display nach unten auf die Bar. Was mich eigenartig rührt.

»Hello, again! Lucas Wright zu Ihren Diensten!« Seltsam förmlich bietet er mir die Hand.

Das verblüfft mich so sehr, dass ich tatsächlich seine Hand schüttele. Wow, fühlt sich das gut an! »Trinity Jones. Im wahrsten Sinne des Wortes zu Ihren Diensten.«

Sein schiefes Lächeln lässt seine Augen aufleuchten, unterstreicht seine Wangenknochen und sendet Lustsignale in meinen ausgesprochen vernachlässigten Unterleib. Seine Augen sind so blau wie ein Blue-Curacao-Cocktail, und zwar einer mit einem Brennen im Nachklang.

Noch immer hat er meine Hand nicht losgelassen. »Ich bin eigentlich kein Whisky-Trinker, daher meine …«

»… gewisse Widerborstigkeit bei der Verkostung?«

»Über Dinge, die man nicht versteht, macht man sich doch gerne lustig, nicht? Für einen netten Pint bin ich aber immer zu haben.« Seine Selbstironie bringt mich kurz aus dem Konzept, und während ich noch darüber nachgrübele, wie kalkuliert sie ist, beugt er sich leicht zu mir. »Heißt das etwa, wir können keine Freunde sein?«

Meine Einstellung ihm gegenüber ist alles andere als freundschaftlich, allerdings auch nicht feindselig. Sie ist mir jedenfalls nicht geheuer, denn ich spüre ein Kribbeln in meinem Magen und ein Schlingern in meinem Brustkorb. Ersteres führe ich auf Anziehung zurück, Zweiteres … hm, da bin ich mir noch nicht sicher.

Ich lasse seine Hand los. »Jemand wie du hat doch bestimmt viele Freunde!«

»Man kann nie genug Freunde haben, Trinity.«

»Oder freundliche Barkeeperinnen kennen, bei denen man seine Sorgen abladen kann.«

Er wirft einen Blick zu Gideon hinüber, der uns aus halbsicherem Abstand beobachtet, bereit, beim ersten Anzeichen von Problemen einzuschreiten. »Also Baumbart da drüben schaut ja nicht so freundlich drein.«

Baumbart? Das trifft es perfekt. Ich kann es gar nicht erwarten, Gideon davon zu erzählen. »Er ist nur fürsorglich. Wir passen aufeinander auf.«

HB hält abwehrend die Hände hoch. »Ich wurde gewarnt!« Dann winkt er Gideon zu und erntet dafür einen finsteren Hipsterblick. Ich muss grinsen, drehe mich aber weg und schnappe mir ein Barhandtuch, ehe Lucas es sehen kann. Zu leicht kann ich es ihm schließlich nicht machen.

»So, Trinity, ich möchte dir ein Angebot machen.«

»Ach ja?«

»Jepp. Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass man so eins öfter bekommt, wenn man hier arbeitet.« Er deutet – leicht überschwänglich – im Raum herum. In diesem Typen stecken Entertainer-Gene. Singen und tanzen kann er garantiert auch.

»Ich habe schon ein paar … Angebote bekommen.«

»Darauf wette ich. Von schmierigen, übergriffigen alten Lustmolchen, die nicht imstande sind, Augenkontakt herzustellen, und die ganze Bar vollsabbern.« Er starrt demonstrativ auf eine Stelle, die einen halben Meter unterhalb meines Gesichts liegt.

Ich deute auf meine Brust. »Äh, müsstest du nicht hierher gucken?«

Er grinst. »Ich führe die Lüsternheit lediglich zu ihrem logischen Schluss. Der Lüstling ist so betrunken, dass er nicht mal mehr richtig lüstern kann.«

»Ich glaub ja nicht, dass lüstern ein Verb ist.«

»Wenn ich das Wort verwende, schon.«

Das ergibt keinen Sinn, doch ich lache, freiheraus und aufrichtig, und fange aus dem Augenwinkel Gideons Blick auf. Ihm passt das Ganze nicht. Egal! Schließlich kann ich über witzige, heiße, Unsinn redende Briten lachen, wenn ich möchte. Deshalb lasse ich noch lange nicht zu, dass er sich seinen Weg in mein Bett schäkert. Es ist einfach nett, sich ausnahmsweise mal im Visier eines attraktiven Mannes zu befinden.

»Ja, Trinity, was nun dieses Angebot angeht …«

»Hmm.« Davon will ich eigentlich noch gar nichts hören, wenn ich doch die Jagd gerade so genieße.

»Machst du auch Privatverkostungen?«

Die Frage wirkt wie ein Eimer kaltes Wasser. Dabei hatte sich HB gerade so geschickt angestellt!

Vielleicht braucht er Inspiration. »Ich habe immer Lust, die Liebe zu Hochprozentigem zu verbreiten.«

Er nickt. »Ausgezeichnet. Ich kenne nämlich eine Frau, die wirklich, wirklich auf dich abfahren würde.«

Mein Hirn kommt quietschend zum Stillstand, stolpert ein paar Schritte und knallt gegen meinen Schädel. Autsch!

»Eine Frau?«

»Richtig. Sie ist zwar manchmal schlecht drauf, und es ist irgendwie eigenartig, da sie die Ex-Frau eines Freundes ist, doch sind wir immer noch befreundet, auch wenn ich es hasse, mich auf eine Seite zu schlagen, vor allem, wenn gute Freunde im Spiel sind. Na, auf jeden Fall bist du genau ihr Typ, und ich habe ihr gesagt, ich würde da was arrangieren, und …«

Er verstummt, weil ich ihm Dreiviertel eines Ale-Pints über den Kopf gegossen habe.

»Hey!« Er steht theatralisch auf und schüttelt den Kopf wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt – das ebenfalls theatralisch –, mit dem Erfolg, dass etliche Tropfen auf einem finster dreinblickenden Mann zwei Barhocker rechts von ihm landen.

»Perversling!«, zische ich.

»Hä? Wieso das denn?«

»Du lernst eine Frau gerade erst kennen, und dann bietest du ihr einen … Dreier an?« Ich denke, genau das hat er vorgeschlagen, doch kaum ist es heraus, kommen mir Zweifel.

Lucas beugt sich über die Bar und schnappt sich ein Handtuch, eine geschulte Bewegung, die ahnen lässt, dass er nicht zum ersten Mal Alkoholisches über den Kopf geschüttet bekommen hat. »Mein Angebot an die Frau, die ich gerade kennengelernt habe, ist rein geschäftlicher Natur. Eine Anwaltskollegin möchte für Frauen aus der Rechtsbranche ein After-Work-Event organisieren, und ich dachte mir, das wäre doch eine gute Idee!«

Ich erstarre, entsetzt über jedes Wort und meine Aktion von vor zwanzig Sekunden. »Aber du hast doch gesagt, ich wäre ihr Typ!«

»Stimmt. Beide seid ihr krasse Profis und absolut beschlagen in eurem Fach.«

Ohne auf das Kompliment einzugehen, setze ich zu einer Verteidigung an. »Ich hab gedacht …«

»… dass ich mich auf die Art an dich heranmachen will? Und als Taktik eine andere Frau mit ins Spiel bringe? Um irgendein schmutziges Treffen zu arrangieren?«

Mit jeder seiner Fragen wird mir klarer, dass ich mich gerade megamäßig zum Affen gemacht habe.

O Gott, wie habe ich die Signale nur so falsch deuten können? Aber weshalb dann das Geplänkel, das Lächeln, die Blicke? Ich könnte es auch meinem Gemütszustand dieser letzten Monate seit dem Vorfall zuschreiben. Seither sehe ich überall Gespenster, wittere Enttäuschungen.

Gideon erscheint rund dreißig Sekunden zu spät und packt HB an der Schulter. »Okay, raus!«

Lucas reibt sich mit dem Handtuch seinen Anzug ab. »Ich geh mich jetzt sauber machen und warte, bis Sie sich wieder beruhigt haben, Ms Jones.« Er löst sich aus Gideons Griff, wirft mir einen ausgesprochen verdienten bösen Blick zu und steuert die Toilette an.

Gideon macht ein verwirrtes Gesicht. »Was war das denn gerade?«

»Du warst ein bisschen zu spät dran damit, meine Ehre zu verteidigen, Dude.«

»Ich stand immerhin auf der anderen Seite der Bar. Sobald ich das Wort Perversling hörte, habe ich in den Spiderman-Modus geschaltet.«

»War ja klar.« Ich zucke die Achseln. »Kann allerdings gut sein, dass ich da was missverstanden habe. Bin ja schon ein Weilchen aus dem Spiel.«

Als Lucas nach ein paar Minuten noch immer nicht zurück ist, mache ich mich auf den Weg zu den Toiletten. Nicht, dass er am Ende heult, ohnmächtig geworden ist oder sich gerade eine Line Koks reinzieht! (So was erleben wir hier alles.) Im Flur davor laufe ich ihm in die Arme. Das vom Bier verklebte Haar und sein Eau de Ale sollten wirklich von seiner Hotness ablenken. Aber keine Spur!

Ich steige mit einem »Sorry!?« ins Gespräch ein.

»Klingt mir ein bisschen zu sehr nach einer Frage!«

Aha, noch immer auf Drama eingestellt. »Äh, du hast mich reingelegt. Wenn ich für jedes Machst du Privatverkostungen, das ich hier zu hören bekomme, ein Fünfcentstück bekäme, müsste ich hier nicht mehr arbeiten.«

Da ist dieses leichte Zucken des Mundwinkels. Ich schlage ihn mit dem Barhandtuch, das ich bei mir habe. »Du wolltest, dass ich das denke!«

»Ach was. Na okay, vielleicht. Ich habe mir nur einen kleinen Spaß erlaubt. Dabei hätte mir klar sein sollen, dass eine Frau wie du die Waffen einsetzt, die ihr zur Verfügung stehen.«

»Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, als könnten meine Waffen deinen je das Wasser reichen.« Ich verenge die Augen, obwohl ich sie eigentlich ganz weit aufreißen möchte, um seine ganze Pracht in mir aufzunehmen. Wie unfair das Leben manchmal ist! »Bist du ein Rechtsanwalt wie Max?«

»Nicht wie Max. Besser als Max.«

Er meint das tatsächlich ernst. Wir grübeln eine Weile darüber nach, bis ich das Schweigen breche.

»Du wolltest mir also wirklich einen Job vermitteln?«

»Das will oder vielmehr wollte ich, bevor du dich für die Bierduschen-Option entschieden hast. Aubrey ist eine Anwaltsfreundin von mir, die für unsere Kolleginnen manchmal After-Work-Networking-Events organisiert. Weinverkostungen sind da gang und gäbe, insofern dachte ich, deine Variante könnte mal eine nette Abwechslung für sie sein.«

Wieso eigentlich nicht? Außerdem könnten die Whisky-Women-and-Song-Events, die ich auf den Weg zu bringen versuche, dadurch zu Frischblut kommen.

»Das ist nett von dir. Wenn du meine Karte immer noch weiterreichen möchtest …« Ich ziehe den Reißverschluss meines Catsuits ein Stück auf, hole aus meinem BH eine Karte hervor und reiche sie ihm.

»Cool.« Er fährt mit dem Daumen über die Karte, als ob er die Wärme der Haut absorbieren wolle, der sie noch vor Kurzem so nahe war. Dann steckt er sie in die Brusttasche seines Anzugjacketts und klopft darauf, einmal, zweimal. Bei dem Gedanken an diese sinnliche Verbindung zwischen uns erschauere ich.

»Warte mal, ich gebe dir auch meine.« Mit der Hand streift er den Bund seiner Hose und öffnet – zack! – den Hosenstall.

Öffnet. Den. Hosenstall.

Momentchen mal! Er wird doch nicht … Nein, nein, nein. Das kann nicht sein!

Bedächtig, ganz bedächtig zieht er den Reißverschluss nach unten.

Hier? Nein, nein, nein, nicht hier!

»Da bewahrst du deine Visitenkarten auf?«

»Nope.« Er lacht schallend. »Das war nur eine kleine Retourkutsche.«

Mir klappt der Mund auf. Hätte er weitergemacht, wenn ich nicht … Puh, keine Ahnung. Seine Unberechenbarkeit finde ich cool. Und das, obwohl ich mich nach so einigen unerwarteten Wendungen in meinem Leben eigentlich nach Beständigkeit sehne. Für manche bin ich eine Art Fels in der Brandung, daher kann ich es mir gar nicht leisten, mich mal … so richtig auszuleben.

Aber verdammt, mit Lucas Wright würde ich es gerne tun.

»Ich werde es dir nicht einfach machen, Trinity.«

»Ach, nein?« Visionen von Lucas, der es mir nicht einfach macht – es mir tatsächlich sogar sehr hart macht –, wirbeln durch mein sexhungriges Hirn.

»Hast du wirklich gedacht, ich würde dich um ein Date bitten?« Er macht eine ausholende Bewegung. »In einer Bar? Einfach so?« Die Klischeehaftigkeit der Idee scheint ihn zu entsetzen.

Einmal mehr überrumpelt, schlucke ich. Er ist nicht interessiert. Überhaupt nicht.

So allmählich verliere ich wirklich mein Bauchgefühl.

Ich lache es weg. »Du glaubst ja nicht, was ich schon alles erlebt habe.«

»Das dachte ich mir schon, deshalb bitte ich dich auch nicht um eine Verabredung. Zumindest noch nicht. Du bist dir unsicher, was mich angeht, Trinity. Findest mich zu jung, zu flatterhaft oder zu albern. Denkst, ich bin aalglatt und ein bisschen jungenhaft. Nun, was immer du denkst, ich hab’s bestimmt schon eine Million Male gehört. Möchtest du wissen, was ich denke?«

»Du wirst es mir vermutlich verraten.«

»Ich denke … dass wir gut daran täten zu warten.«

Ich kann mich kaum noch zurückhalten, ihn anzubrüllen, einfach mit mir zu schlafen. Diese herumschwirrenden Signale, die ihre Ziele verfehlen, verwirren mich ziemlich.

Er neigt den Kopf und sieht mir tief in die Augen. Mein Herz schlägt Purzelbäume. Ein weiteres Klopfen auf seine Brusttasche, als wäre meine Karte ein Talisman, und mein Puls fängt bei dem Gedanken, wie nahe sie seinem Herzen ist, an zu rasen. Dämlich, wirklich.

Doch sein nächster Move ist gar nicht dämlich. Sondern gefährlich. Denn er fährt mit einem seiner langen Finger an meinem Kinn entlang. Seine Augen weiten sich, seine Nasenflügel blähen sich.

»W-was tust du?«

»Bin mir noch nicht sicher.«

Küss mich.

Sage ich es? Ich habe die Angewohnheit, Selbstgespräche zu führen und meine geheimsten Gedanken laut auszusprechen. Noch hat er seine Lippen nicht auf meine gedrückt, ich schätze also, ich habe es nicht getan. Doch etwas geschieht hier. Er küsst mich mit seinen Augen, verführt mich mit seiner Intensität, mit jedem scharfen Atemzug, um den er fast schon ringt.

Kurz umfasst er mein Kinn und schlingt dann seine Hand um meinen Nacken. Mir wird ganz anders, und ich nehme alles übermäßig wahr. Seine vollen Lippen. Seine Augenbrauennarbe. Die verschmitzten kobaltblauen Augen. Die Supermodel-Wangenknochen. Ein Hauch von Rostrot in seinem leichten Bartschatten.

Die Tatsache, dass wir uns erst noch küssen müssen …

Und doch ist mir ganz anders. Meine Brüste fühlen sich schwer an, zwischen meinen Beinen ist es heiß und feucht. Was erregte Vorfreude so alles mit einem macht!

»Trinity?«

»Ja?« Ich aale mich im warmen Schein meiner Fantasien.

»Ich finde immer noch, wir sollten warten.« Der Schein verblasst und schockgefriert. Ehe ich protestieren kann, setzt er hinzu: »Sobald wir nämlich anfangen, gibt es für mich kein Halten mehr.«

»Sobald wir was anfangen?« Ich bringe die Worte kaum heraus. Ja verflixt!

»Den Ritt unseres Lebens, Trinity.«

Er schenkt mir ein weiteres Lächeln, das mich benommen zurücklässt. Ich habe keine Ahnung, was hier geschieht, aber ich fühle mich wuschig und sehr, sehr unzufrieden mit meinem Lucas-freien Leben.

»Wir sehen uns, Whisky-Woman.«

Und dann ist er weg.

2. Kapitel

Trinity

»Ich habe Wein dabei!«

An der Haustür schwenke ich die Flasche Pinot Noir vor dem Gesicht meiner Schwester herum und warte darauf, dass sich darauf ein Lächeln ausbreitet. Derzeit wandern Emilys Mundwinkel nur selten nach oben, weshalb ich innerlich frohlocke, als sich ihre Miene tatsächlich erhellt.

Sie hält die Tür auf, um mich einzulassen. »Ich hab Ari gerade ins Bett gebracht und bin bereit für Wein und Wehleidigkeit.«

Oh, dafür bin ich so was von hier! Auch habe ich nichts dagegen, dass ihre Fünfjährige schon schläft. Arianna ist ein kleiner Teufel, getarnt als engelsgleiches Unschuldslamm, und ich bin die Einzige, die das Böse dahinter lauern sieht.

»Wo ist mein Lieblingsneffe?«

»In seinem Zimmer. Und grübelt.«

Oh-oh. Chase ist normalerweise ein ziemlich verträgliches Kind. Doch die Trennung hat allen zugesetzt.

Ich reiche meiner Schwester den Wein. »Mach den auf, Ems. Ich geh mal schnell hoch und sage Hi.«

Zunächst werfe ich einen Blick in Ariannas Zimmer. Sie stößt flattrige Atemzüge aus, und so bezaubernd das auch klingt, falle ich doch nicht darauf herein.

Ich klopfe an Chase’ Tür. »Hey, steck deinen Pimmel weg. Ich komme rein!«

Als Antwort ertönt ein Schnauben, das man als Lachen oder aber als Bestätigung meiner Vermutung auslegen könnte. Als ich den Kopf zur Tür hereinstecke, liegt er auf dem Bett und liest einen Comic. Meine sensible Sommelièrenase stellt sich auf unvermeidlichen Jungsmief ein. Vermutlich ist Chase’ Zimmer typisch für einen Vierzehnjährigen, der sowohl das Marvel- als auch das DC-Universe (ich weiß schon: krass) mag und einen künstlerisch-sportlichen Vibe hat. Attraktive spanische Fußballspieler und halb nackte Rapperinnen machen sich gegenseitig den Platz an der Wand streitig.

»Hey, Tante Trin!«

»Hey, Whisky-Chaser, was geht?«

»Mach nur Hausaufgaben.« Auf dem aufgeklappten Laptop scheint ein Word-Dokument geöffnet zu sein. Eigentlich sollte er seine Ferien genießen, aber in den letzten Monaten des Schuljahres fiel er ziemlich ab und muss den Sommer über nun einiges nachholen.

»Einen Bericht über Comics?«

Er lächelt. Sein Lächeln ist einfach irre, und er kann es so unvermittelt aufblitzen lassen, dass man sich danach fragt, ob man es sich nicht nur eingebildet hat. Es ist das Lächeln seines Dads, Brians. Ein paar Sommersprossen sprenkeln seine Wangen. Seine kupferbraunen Haare sind so zerzaust, als hätte er sie sich bei den Hausaufgaben gerauft.

»Ich mach nur grad eine Pause, bevor ich mich wieder dransetze. Ich muss die Beziehung von Roosevelt und Churchill analysieren.«

»Oh, da kann ich helfen. Alte weiße Kauze, die sich viel über, äh, Zigarren unterhalten.«

Er tut so, als würde er etwas auf dem Laptop tippen. »Genau das habe ich noch gebraucht!«

»Klappe, Frechdachs!« Ich setze mich zu ihm aufs Bett. »Hast du deinen Dad letztens mal gesehen?«

Die Luft kühlt ab. »Letzte Woche ist er zum Fußballtraining gekommen. Danach ist er mit mir einen Chocolate Malt trinken gegangen. Als wäre ich noch sechs.«

»Hey, ich bin vierunddreißig, und du wirst nicht erleben, dass ich zu einem Chocolate Malt Nein sage.«

Er zuckt die Achseln. »Es ist bloß komisch. Ich meine, er tut ja nicht mal …« Er verstummt.

»Er tut was nicht?«

»Ach, nichts.« Er fährt mit dem Finger das Cover des Comicheftes nach. Es ist Wonder Woman, die aussieht, als sei sie bereit, dem Schurken ordentlich einzuheizen.

»Läuft sonst noch was?«

Ein weiteres Achselzucken. Früher war er gesprächiger, aber er ist in diesem heiklen Alter, in dem er nicht zu freundlich sein will. Die Situation der Eltern hilft da auch nicht, und ich versuche, Unterstützung zu bieten, ohne mich einzumischen. Und dabei tue ich normalerweise nichts lieber als das.

»Hättest du Lust, dir am Samstag mit mir einen Film anzusehen? Es gibt einen neuen Ant Man.« Aus Sorge, er könnte mir einen Korb geben, halte ich den Atem an.

»Der unterbewertetste Superheld.«

»Er ist ziemlich klein«, räume ich ein, und das bringt uns beide zum Lachen.

»Wir müssten am Nachmittag gehen. Am Samstagvormittag habe ich ein Fußballspiel, auch wenn ich wohl nicht groß zum Einsatz komme. Hab in letzter Zeit echt mies gespielt.«

Eigentlich war Chase auf dem Feld immer ein Crack, aber vermutlich durchläuft er gerade eine Phase gelangweilten Widerstands.

»Vielleicht komme ich ja und schau zu. Sind da irgendwelche heißen Single-Dads am Start?«

Er verdreht die Augen. »Eher wohl verzweifelte Ehefrauen, die in den Coach verschossen sind.«

»Dann komme ich definitiv!« Ich kneife ihn in die Wange, weil er das hasst, und mache mich auf den Weg zurück zu meiner Schwester. Sie steht mit einem gezahnten Steakmesser, einer aufgerissenen Packung Dubliner Käse und einer Schachtel Ritz im Wohnzimmer.

»Stilvoll«, sage ich, und wir kichern beide.

Emily – oder Ems, wie ich sie gern nenne, wenn sie mich nicht gerade sauer macht – ist eine zierliche, blonde Porzellanpuppe, der man, nun, da sie zweiunddreißig geworden ist und mit Brian die Hölle durchmacht, allmählich das Alter ansieht. (Fürs Protokoll: Ich habe mit sechzehn mein erstes graues Haar entdeckt und greife seitdem zur größten Verschleierungstaktik in der Geschichte der Haarwissenschaften.) Wir könnten nicht unterschiedlicher sein: ich mit meiner grobknochigen Robustheit, braunen Haut und meinem rebellischen Haar und sie, die aussieht wie eine Kreuzung aus Baby Spice und Disney-Prinzessin.

Ganz richtig: verschiedene Väter.

Meiner starb, als Mom im sechsten Monat war, ein Bootsunfall mit fünfundzwanzig. Gleich nach meiner Geburt heiratete sie Evan, einen Freund meines Dads, und achtzehn Monate darauf brachte der Klapperstorch Emily zu uns. Evan und meine Mom trennten sich, als ich elf war. Er war ein guter Stiefdad, doch seine erste Liebe war immer Emily. Es tat ein bisschen weh, aber inzwischen bin ich darüber hinweg.

Sobald es nur noch wir drei Girls waren, kam ab und an ein »Onkel« vorbei, um zu sehen, ob es passen könnte, doch keiner von ihnen blieb. Mom ermutigte uns immer ziemlich »wir selbst zu sein«, was der Code war für Trinity, ich habe eine Verabredung, und du musst auf deine Schwester aufpassen. Die Behauptung, ich würde Emily gluckenhaft behüten, ist eine gewaltige Untertreibung. Der Altersunterschied mag nicht mal zwei Jahre betragen, aber ich habe sie quasi großgezogen. Als Teenager passte ich ständig auf, dass ihr nichts zustieß, sie ihre Hausaufgaben ordentlich machte, Rüpel sie in Ruhe ließen und sich keine falschen Jungs an sie heranmachten. Klar, an der Peripherie befand sich Mom, doch an sich führte ich den Jones-Haushalt mit eiserner Hand.

Dann starben meine Mom und mein Stiefvater bei einem Autounfall, nachdem sie überraschend beschlossen hatten, es noch mal miteinander zu versuchen. Ich war neunzehn, Emily siebzehn, und beide waren wir am Boden zerstört.

Emily reicht mir ein Glas Wein. »Wie geht’s Seiner Hoheit?«

»Sie ist miesepetrig. Es gibt nichts Schlimmeres, als im Sommer für die Schule pauken zu müssen.«

»Na ja, er muss eben viele Lücken füllen.« Sie trinkt einen Schluck aus ihrem ohnehin schon halb leeren Glas. »Ich weiß, das letzte halbe Jahr war die Hölle für Chase, aber das war es für uns alle.«

»Stimmt.« Ich nehme sie an der freien Hand und führe sie zum Sofa. »Was gibt’s Neues?«

»Brian hat gerade den Rechtsanwalt gewechselt, weil … oh, keine Ahnung. Nun hat er irgendein Schlitzohr an seiner Seite, das ihn auffordert, auf das alleinige Sorgerecht zu pochen.«

Ich reiße den Kopf hoch. »Was? Aber ich habe gedacht, wir, äh, du wolltest ein gemeinsames Sorgerecht! Schließlich arbeitet Brian immer sehr lang und macht so viele Geschäftsreisen. Wie zur Hölle will er da für die Kinder da sein?«

»Weiß der Himmel. Meine Rechtsanwältin meint, das sind bloß Psychospielchen. Eine Verwirrungstaktik, sodass ich schließlich dankbar bin, wenn er mir ein Almosen gibt. Brian befürchtet, ich könnte sein Geld für« – sie deutet theatralisch auf den Couchtisch – »Käse ausgeben!«

Wir prusten beide los, da Brian ein notorischer Geizhals ist. Er leitet eine Restaurant-Investmentgruppe, die in und um Chicago zwölf Highend-Unternehmen besitzt. Der Mann verdient prächtig, aber Gott bewahre, dass irgendetwas von dem Geld an seine Familie fällt.

Ich sehe mich in dem perfekten Wohnzimmer in ihrem perfekten Lincoln-Park-Stadthaus um, in dem es blitzsauber ist, allerdings nicht, weil Emily gern alles in Schuss hält, sondern weil sie eine Haushälterin hat, die außer Haus wohnt und herkommt, um die Mahlzeiten zuzubereiten und sich ganz allgemein um ihre Bedürfnisse zu kümmern. Eine andere Welt.

»Er möchte, dass wir in eine günstigere Gegend wie etwa Uptown oder Edgewater ziehen.« Sie flüstert die Namen der angrenzenden Viertel, als würde es sich um Barackensiedlungen handeln und man, wenn man sie lauter ausspräche, irgendwelche zwielichtigen Hobos herbeilocken würde. »Mein Pilates-Unterricht ist ja gleich hier um die Ecke. Wo soll ich denn da bitte in Edgewater hin?«

Himmel noch mal! »Nun, ich wohne dort. Seit Kurzem gibt es dort fließend Wasser und Strom. Sogar einen Bauernmarkt haben wir!«

Sie lächelt reuevoll. »Sorry. Ich bin bloß so sauer auf ihn. Das hier ist das Zuhause meiner Kinder, und er will es uns einfach nehmen. Als würden sie nicht eh schon genug durchmachen.«

Ich schenke ihr nach und trinke dann selbst einen Schluck. Schweigend sinnieren wir darüber, wie mies einem das Leben doch manchmal mitspielen kann.

»Meine Rechtsanwältin meint, ich sollte mir einen Job suchen.«

Emily hat – oder hatte – eine Nanny für Ari, bis sie eines Tages heimkam und Brian dabei erwischte, wie er sich dem neunzehnjährigen Au-pair aus Dänemark für seine außerordentliche Performance erkenntlich zeigte. Wenn ihr wisst, was ich meine. Trotz Nanny hat Emily nie gearbeitet, weshalb der Vorschlag, sich einen Job zu suchen, sie in Angst und Schrecken versetzt. Sie hat Brian mit siebzehn kennengelernt, war nach drei Monaten schwanger und heiratete ihn nach sechs. Sie ist clever, witzig und freundlich, hat aber eigentlich nie gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen.

Daran bin ich nicht ganz unschuldig. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass sie aufs College geht. Damals war Brian noch nicht so vermögend wie jetzt, aber es hätte schon Mittel und Wege gegeben. Ich hätte geholfen, obwohl ich Brian hasste – hasse –, und zwar abgrundtief!

Aber wir können die Vergangenheit nicht ändern, nur die Zukunft. Ems muss in ihrem Leben einen Neustart hinlegen.

»Es ist ja kein so schrecklicher Gedanke, sich einen Job zu suchen, oder?«

»Natürlich nicht. Es ist nur … was habe ich denn schon für Möglichkeiten?« Sie schiebt ihr Weinglas vor. »Vielleicht in derselben Bar arbeiten wie du?«

»Das ist ein Abendjob. Abends musst du aber hier sein.«

Sie zwinkert. »Muss ich das?«

»Na, für die Kinder.«

»Stimmt.« Sie sackt direkt vor meinen Augen in sich zusammen.

Ich lege einen Arm um sie. »Mach dir keine Sorgen. Wir kriegen das hin! Und jetzt sag mir mal, was deine Anwältin darüber erzählt hat, dass Pfeife das alleinige Sorgerecht haben will.«

Bei der Erwähnung von Brians Spitznamen lächelt sie grimmig. »Dass die Rechte der Väter jetzt total gehypt werden. Früher hätte die Mutter das alleinige Sorgerecht quasi automatisch zugesprochen bekommen, doch inzwischen seien die Gerichte vollständig aufgewacht.«

»Aufgewacht?«

»Ja, aufgewacht …« Sie kneift die Augen zu. »Aufgeweckt? Das ist etwas, das Chase heute Morgen gegrunzt hat, während er sein Müsli gemampft hat.«

»Aufgewacht. Du meinst aufgewacht.«

»Hab ich doch gesagt!«

Ich gluckse, weil wir so unterschiedlich sind. Mir hat das immer gefallen, doch in letzter Zeit wünschte ich, sie würde mir etwas mehr ähneln. Wäre selbstbewusster. Sie hat so lang in dieser Lincoln-Parker-Yummy-Mummy-Blase gelebt, immer wurde ihr alles in ihrem Leben abgenommen.

Die Trennung von Brian hat sie ein klein wenig wachgerüttelt.

»Vielleicht sollte ich mir auch einen anderen Rechtsbeistand suchen. Meine jetzige Anwältin wirkt so gelangweilt, wenn wir uns unterhalten. Als wären ihr meine Probleme völlig egal. Ich glaube nicht, dass sie sich wirklich ins Zeug legt. Ich muss dieses Haus behalten!«

»Du brauchst auch ein Schlitzohr.« Ich muss an diese mördermäßigen Scheidungsanwälte denken, die vor zwei Tagen in der Bar aufschlugen. Noch habe ich von der Freundin von Hottie Brit, die dieses Networking-Event für Anwältinnen auf die Beine stellen will, nichts gehört. Von HB selbst genauso wenig.

»Sobald wir nämlich anfangen, gibt es für mich kein Halten mehr.«

Ende der Leseprobe