Love Taker – Die Regeln der Anziehung - Kate Meader - E-Book

Love Taker – Die Regeln der Anziehung E-Book

Kate Meader

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Beschreibung

Er gehört zu den besten Anwälten – nur kann er auch sein eigenes Herz verteidigen?  Scheidungsanwalt Grant Lincoln hat schon viele Fälle gewonnen, doch die härteste Schlacht steht ihm noch bevor: seine eigene Scheidung. Nicht nur, da seine Frau Aubrey selbst eine der erfolgreichsten Scheidungsanwältinnen Chicagos ist – sondern auch, weil die glühenden Funken der Leidenschaft zwischen ihnen außerhalb des Gerichts noch immer sprühen. Als Aubrey ihn vor der endgültigen Scheidung um einen letzten Gefallen bittet, sieht Grant seine Chance gekommen: Er ist fest entschlossen, seine Frau zurückzugewinnen – und dafür alle Karten auszuspielen …

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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Lene Kubis und Heidi Lichtblau

© Kate Meader 2019

Published by Arrangement with Linda C. O’Dwyer

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Then Came You«, Loveswept, New York 2019

© der deutschsprachigen Ausgabe:

Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Antje Steinhäuser

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Coverabbildung: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

1. KAPITEL

Aubrey

2. KAPITEL

Grant

3. KAPITEL

Grant

Aubrey

4. KAPITEL

Aubrey

5. KAPITEL

Aubrey

Grant

6. KAPITEL

Aubrey

7. KAPITEL

Aubrey

8. KAPITEL

Grant

9. KAPITEL

Aubrey

10. KAPITEL

Grant

Aubrey

11. KAPITEL

Grant

12. KAPITEL

Aubrey

13. KAPITEL

Grant

14. KAPITEL

Aubrey

15. KAPITEL

Grant

16. Kapitel

Aubrey

17. Kapitel

Grant

18. Kapitel

Aubrey

19. Kapitel

Grant

20. Kapitel

Aubrey

21. Kapitel

Aubrey

22. Kapitel

Grant

23. Kapitel

Grant

Aubrey

Epilog

Grant

Dank

Für Laurie Oh

Für deine beständige Unterstützung

1. KAPITEL

Aubrey

Ich hasse Hochzeiten.

Besonders die von Freunden. Aber für den Bräutigam, Max Henderson, und seine Zukünftige habe ich nun mal viel übrig. Charlie ist genau das, was er braucht – clever, stylish und bereit, in direkte Konfrontation mit seinem großen Ego zu gehen. Ein ausgelassenes Fest ist allerdings das Letzte, wonach mir jetzt der Sinn steht. Viel lieber würde ich es mir mit meiner Katze gemütlich machen, einen schönen Glenfiddich schlürfen und mir mehrere Folgen von Inspector Barnaby am Stück ansehen. (Ich bin in Tom Barnaby verschossen, ein ziemlich sicheres Anzeichen für einen Vaterkomplex.)

Aber es würde komisch wirken, wenn ich mich nicht blicken ließe. Max und ich haben gerade erst zu unserem alten freundschaftlichen Ton zurückgefunden – seine Verlobte hat ihren Teil dazu beigetragen –, und ich will ihn wirklich gern unterstützen. Na, notfalls kann ich den beiden nach der Trauung ja kurz meine Glückwünsche aussprechen und mich dann davonstehlen, noch ehe die Tinte auf dem Trauschein trocken ist.

Ich schlüpfe in die Kirche. Sie ist brechend voll, aber ziemlich weit vorn in der vierten Reihe entdecke ich einen freien Platz. Genau dort sitzen Max’ Freunde, vermute ich. Ich hole tief Luft. Und los geht’s! Als ich näher komme, erkenne ich Trinity an ihrer unverwechselbaren Frisur und lasse mich auf den Platz neben sie gleiten.

»Hey, Prinzessin«, sagt Lucas, Trinitys Freund und einer von Max’ Kanzleikollegen, mit einem frechen Grinsen. Ich versuche, nicht an ihm vorbei die Kirchenbank entlangzuschauen. Wenn ich das Problem nicht sehe, existiert es auch nicht. Insofern: Augen zu und durch!

Mit gerunzelter Stirn berührt mich Trinity oberhalb des neonpinken Gipsverbands am Arm, der in der passenden Schlinge liegt. »Alles okay mit dir? Was ist passiert?«

»Ach, ich hab mich einfach saudumm angestellt.« Ich spähe in die Reihe vor uns. Verrückt, dass die Chicagoer auf einer Hochzeit mitten im November so tun, als befänden sie sich auf einem königlichen Pferderennen. Dann linse ich über meine Schulter. »Vielleicht sollte ich mich weiter hinten hinsetzen.«

»Wie ist das passiert?«, lässt sich in diesem Augenblick eine tiefe Stimme vernehmen.

Als ich aufsehe, fällt mein Blick auf Grant Lincoln – Max’ anderen Partner –, der rechts neben Lucas sitzt und mich anstarrt. Genau dort habe ich seit meiner Ankunft tunlichst nicht hingesehen. Wobei, na ja, eigentlich hockt er fast schon auf Lucas’ Schoß, um mir besser auf die Pelle rücken zu können. Sein braunes Haar mit dem leichten Rotstich ist für diese frühe Tageszeit schon ziemlich verstrubbelt. Vielleicht hat ihn der Gedanke, mir zu begegnen, ja nervös gemacht? Doch das merkt man dem Blick aus seinen mitternachtsblauen Augen nicht an, mit dem er mir im Handumdrehen meine Selbstsicherheit raubt.

Wie gemein, dass sein Anblick mir immer noch jedes Mal den Atem raubt.

»Das geht dich nichts an.«

»Wie bist du hergekommen? Es sieht nämlich so aus, als könntest du nicht Auto fahren.«

»Große Stadt, Grant. Viele Taxis.«

An seinem Kiefer zuckt ein Muskel. Wenn ich wegen des Kreuzverhörs nicht so sauer wäre, wüsste ich diesen tanzenden Muskel wirklich sehr zu schätzen. Mein Ex-Mann sieht nicht im klassischen Sinne gut aus. Aufgrund seiner hünenhaften Statur und seiner rauen Stimme und Art behaupten manche sogar, er hätte etwas von einem Schläger, ein Image, das er sich vor Gericht gern zunutze macht. Wenn Grant mich im Arm gehalten hat, habe ich mich immer auf die bestmögliche Art umhüllt gefühlt.

Doch dieses schwummerige Gefühl, das mich bei dieser Erinnerung überkommen hat, entschwindet sofort durchs nächste Bleiglasfenster, als Grant eine weitere Frage hinausbellt.

»Wie wirst du es an Thanksgiving mit der Heimfahrt halten, Bean? Außer natürlich, du hast auf einmal keine Flugangst mehr.«

Als ich den Spitznamen höre, bleibt mein Herz einen Moment lang stehen. Es ist mindestens zwei Jahre her, seit er mich zum letzten Mal so genannt hat. Es war an dem Tag, als er mir mitgeteilt hatte, dass er das nicht mehr könne. Das mit uns.

»Das ist nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen müsstest«, schieße ich zurück.

»Du fliegst nicht gern?«, fragt Trinity besorgt. Sie ist wirklich furchtbar nett.

»Ähm, nein.« Ich habe sogar riesige Panik davor. »Aber da lass ich mir was einfallen.«

Grant schnaubt. Der Kerl glaubt wirklich, er wüsste alles.

Lucas wedelt mit der Hand zwischen uns hin und her. »Würdet ihr gern nebeneinandersitzen?«

»Ganz sicher nicht!«

»Zur Hölle, nein!«

Ich würde mir eher meinen anderen Arm brechen, als mich freiwillig neben Grant Roosevelt Lincoln zu setzen.

Trinity überredet mich, zum Empfang zu bleiben. Weil Grant nicht denken soll, er hätte mich vergrault, stelle ich mir einfach vor, ich wäre meine Mutter, und setze ein künstliches High-Society-Lächeln auf. Natürlich sitzen Grant und ich am selben Tisch, Lucas und Trinity zwischen uns, die unglaublich süß zusammen sind.

»Also, Prinzessin, spuck’s schon aus«, sagt Lucas, nachdem er Trinity mit einem Stück gerösteter Kartoffel gefüttert hat. »Erzähl uns, wie du dir den Arm gebrochen hast.«

»Ach, du weißt schon. So ein Trottel konnte einfach nicht aufhören, mir dumme Fragen zu stellen. Da bin ich auf ihn losgegangen und habe ihm eine auf den britischen Sturschädel verpasst. Das Übliche eben.«

Lucas verdreht die Augen und genießt meine Stichelei sichtlich. Er ist selbst ein lustiger, egoistischer Brite. »Du musst dir eine bessere Story ausdenken, Aubs. Sag doch, dass du über deine Katze gestolpert bist, während du nackt gestaubsaugt hast.«

»Wieso denkst du, ich hätte eine Katze?«

Grant gibt ein Geräusch von sich, als würde er ersticken. Schön wär’s!

»Möchtest du etwas sagen, Lincoln?«

»Lebt das Vieh noch?«

»Ja, Cat Damon ist quicklebendig, er überlebt aus purer Gehässigkeit.«

»Cat Damon?«, fragt Trinity. »Wie cool!«

»Der Name ist ein Scherz.« Ich linse zu Grant, der den Blick unverwandt auf mich gerichtet hält. »Oder das, was ein gewisser Jemand dafür hält.«

Auch wenn sie Grant ihren Namen verdankt, hat er diese miesepetrige Fellnase nur mit Mühe toleriert, und umgekehrt galt das Gleiche. Die beiden teilten sich meine Zuneigung halt nicht gern. Von Mr Lincolns Gentleman-artigem Auftreten, das seiner Herkunft aus den Südstaaten geschuldet ist, sollte man sich im Übrigen nicht täuschen lassen. Dieser behäbige Riese mit der verführerischen Stimme ist der durchtriebenste Widersacher, den ich kenne. Besonders im Schlafzimmer.

Dreimal für einmal war seine Regel. Sprich, ich bekam für jeden seiner Orgasmen drei. Und wenn er merkte, dass es bei mir nicht klappte, verkniff er sich seinen ebenfalls. Eines Nachts musste ich meinen dritten Orgasmus vortäuschen, weil ich Angst um seine Gesundheit hatte, wenn er nicht endlich kam. Stattdessen bestrafte er mich mit zwei weiteren.

Ich vermisse diese Orgasmusgeschenke von Grant.

Und nicht nur das, ich vermisse auch – o nein, ich will jetzt nicht in rührseligen Erinnerungen versinken.

Der Abend geht weiter seinen Gang. Es gibt herzerwärmende Reden. Den ersten Tanz. Das Anschneiden des Hochzeitskuchens. Es ist wirklich alles wunderschön, und nach einer Weile schmilzt selbst mein griesgrämiges Herz angesichts all der zur Schau gestellten Hoffnung und Liebe dahin. Ich kann mich natürlich nicht einfach verziehen, ohne dem Brautpaar gratuliert zu haben. Also stelle ich mich neben Charlie, während Max von einer Frau, die wie seine Großmutter aussieht, offensichtlich gerade sehr ernsthaft ins Gewissen geredet wird.

»Netter Fang, meine Liebe«, flüstere ich Charlie zu.

»Aubrey!« Sie dreht sich um und umarmt mich, ganz offensichtlich beschwipst vom Leben, von der Liebe und vom Dom Pérignon. »Ich habe schon versucht, mich durch die Massen zu dir und deinem gebrochenen Arm zu kämpfen. Wie ist es denn nun dazu gekommen?«

»Du wirst es nicht glauben«, sage ich geheimnisvoll.

Sie mustert mich, und ich hoffe, dass sie mir aufgrund ihres Alkoholpegels nicht gleich die Art von Ratschlag geben wird, den ich weder will noch brauche. Vielleicht merkt sie, dass ich gerade keine Lust auf tiefschürfende Gespräche habe, denn ihr nächster Satz ist sehr neutral.

»Die beiden sind als Nächstes fällig, glaube ich.« Sie nickt Richtung Lucas und Trinity, die auf der Tanzfläche zu Tony Bennett schunkeln.

»Wahrscheinlich. Sie haben schwere Zeiten hinter sich und es wie durch ein Wunder geschafft, sie zu überstehen.«

»Ja, wahre Liebe ist harte Arbeit.« Sie hält kurz inne. »Weißt du, ich bin für dich da, falls du …«

»Ich weiß!« Ich setze mein fröhlichstes Clownlächeln auf. Alle denken, mir ginge es wegen meiner Scheidung immer noch hundeelend. Dabei ist sie schon über ein Jahr her, und auch davor kriselte es schon heftig. Ich hatte also jede Menge Zeit, um über Grant hinwegzukommen.

Was ich dagegen nicht ertragen kann, ist das Gefühl des Scheiterns, das mich wie ein Nebel umgibt.

»Okay, Aubs, lass uns tanzen.« Max lässt Charlie links liegen und packt meine freie Hand.

»Und was ist mit deiner Frau?«

Max bleibt stehen, runzelt seine hübsche Stirn und gibt Charlie einen Kuss. »Meine Frau. Nicht zu fassen, wie sehr ich das liebe! Aber mit meiner Angetrauten kann ich ja jeden Abend tanzen, wenn ich will.«

Charlie grinst. »Genau so geht es los.«

Ich lasse mich von Max auf die Tanzfläche führen. »Hast du gut gemacht, Maxie. Bin stolz auf dich.«

»Ich hätte nie gedacht, dass mir das eines Tages gelingt. Wir reden hier immerhin von mir! Dem totalen Heiratsgegner, Schwarzmaler ohnegleichen, der behauptet hat, Ehe sei für Idioten und Hochzeiten seien Produkte geschickter Werbekampagnen.« Charlie ist Hochzeitsplanerin von Beruf, weswegen die unheilige Allianz zu Max, dem Scheidungsanwalt, zunächst eher holperig begann. Doch schon bald hatten sie herausgefunden, dass sie eine Menge gemeinsam hatten.

Ich freue mich wahnsinnig für Max, dass er die Frau gefunden hat, die ihn happy machen wird. Zumindest so lange, bis irgendetwas sie entzweit. Aber ich muss daran glauben, dass es Hoffnung in dieser trüben, dunklen Welt gibt. Vielleicht gehören sie zu den glücklichen Paaren, die es schaffen, zusammenzubleiben.

»Ist alles okay bei dir?«, fragt er. »Ich weiß, du verbringst normalerweise nicht so viel Zeit im selben Raum wie Grant.«

»Ist schon in Ordnung. Wir arbeiten im selben Gebäude, gehen mit denselben Leuten aus und früher waren wir ja richtig gute Freunde. Vielleicht kann es irgendwann wieder so werden.«

»Dafür müsstest du aber überhaupt erst mal mit ihm reden.«

»Ich mache eben kleine Schritte. Und außerdem rede ich jede Menge mit ihm.« Zumindest quer über das Schlachtfeld im Gerichtssaal hinweg. Und zu Hause, wenn ich die Gespräche Wort für Wort noch einmal durchgehe und wünschte, ich hätte dies und jenes gesagt anstatt jenes und dies.

»Und, fährst du zu Thanksgiving nach Hause?«

Ich lehne mich zurück und funkele ihn so streng an, wie ich es von meiner Bostoner Grandma gelernt habe. »Hat Grant gesagt, dass du mich das fragen sollst?«

»Nope. Ich weiß, dass du Fliegen hasst und normalerweise fährst, also frage ich mich, wie du das mit deiner mysteriösen Verletzung hinkriegen willst.«

»Na ja, es gibt ja dieses großen Stahlmaschinen, die man Züge nennt …«

»Es ist nicht erlaubt, Katzen auf Reisen mitzunehmen, die länger als sieben Stunden dauern.«

Ich bleibe unvermittelt stehen. »Woher weißt du das?«

»So wie du, Aubs, verreist auch meine Großtante Dorothy gern mit ihrer Katze …«

»Das denkst du dir doch aus!«

»Meine Großtante Dorothy«, beharrt dieser elende Schwindler auf seiner Geschichte, »verreist ebenfalls gern mit ihrer Katze, wurde aber letztens auf der Strecke zwischen New York und Miami aus dem Verkehr gezogen. Diese felligen Viecher sind in Schlafwagen nämlich nicht erlaubt.«

Ich verenge meine Augen zu Schlitzen. »Wie faszinierend, dass du ausgerechnet diese ganz besonders relevante Information zur Hand hast.«

»Ich bin nun mal ein Kneipenquiz-Champion. Es gibt kein Thema, für das ich mich nicht interessiere …« Er winkt über meine Schulter hinweg.

Ich drehe mich um und entdecke eine ältere Dame, auf deren Schoß eine weiße siamesische Katze sitzt. »Ist das Großtante Dorothy?«

»Ganz genau.«

Das Problem ist, dass ich Thanksgiving letztes Jahr verpasst habe. Ich habe die Vorstellung nicht ertragen, wie ich da in meinem Auto angetuckert komme und nicht nur eine kranke Katze im Gepäck habe, sondern mich auch noch der Ruch des Scheiterns umweht. Meine Brüder und ihre perfekten besseren Hälften würden als leuchtende Beispiele dargestellt, die die althergebrachten Werte der Familie Gates hochzuhalten wissen, während die arme, traurige Aubrey es einfach nicht auf die Reihe bekommt. Es ist nicht so, dass meine gescheiterte Ehe ein Geheimnis wäre – nun, eine Person weiß noch nichts davon –, aber bis jetzt musste ich noch niemandem mit der Herausforderung in die Augen sehen, mich nicht zu verurteilen.

Die Gates’ scheitern nicht, höre ich meine Mutter in ihrem französisch angehauchten Nörgelton sagen, was ziemlich absurd ist, wenn man bedenkt, dass die Ehe meiner Eltern nach dem längsten Auflösungsprozess aller Zeiten gerade auseinanderbricht. Noch dazu sind Grant, mein Ex-Mann, und ich beide Scheidungsanwälte. Ist diese Ironie nicht einfach herrlich?

Das Lied endet, aber Max hält mich noch so lang fest, bis das nächste beginnt.

»Ich habe dich vermisst, Aubs.«

»Das sagst du nur, weil es wahr ist.«

Er lächelt und ich frage mich, warum wir einander nie attraktiv gefunden haben. Max ist ein echter Charmeur, aber er hat mein Herz nie zum Flattern gebracht. Nicht wie – oje!

Grant Roosevelt Lincoln, raus aus meinem Kopf!

»Ich freue mich so für dich. Ehrlich.« Meine Stimme klingt etwas brüchig.

Max drückt mich an sich. »Wenn er dich betrogen hat, bringe ich ihn um«, flüstert er mir zu.

»Nein. Das war’s nicht.« Es war komplizierter. Ehrlich gesagt, ist Grant der netteste Mensch auf Erden, auch wenn ich noch so über ihn herziehe. Viel zu nett für jemanden wie mich.

Max’ Lippen zucken. Er wüsste zu gern mehr! »Ich habe nie aufgehört, dein Freund zu sein. Ich weiß, es war schwer, weil Grant und ich zusammenarbeiten. An unserer Freundschaft hat das trotzdem nie etwas geändert.«

Max hat versucht, mich aus der Reserve und zurück in sein Leben zu locken, aber ich habe es nicht ertragen, meinen Schmerz mit irgendjemandem zu teilen. Es hat lang gedauert, bis ich wieder bereit für Gesellschaft war. Aber jetzt kann ich endlich mein Post-Grant-Roosevelt-Lincoln-Leben beginnen.

»Danke, Maxie. Wir gehen bald mal zusammen essen, versprochen.«

Ich drücke seine Hand und verschwinde.

2. KAPITEL

Grant

Sie telefoniert neben dem Eingang der Lobby des Drake-Hotels. Ihr pechschwarzes Haar fließt offen ihren Rücken hinab und das blutrote Cocktailkleid betont jede Kurve ihrer zierlichen Gestalt. Wie vertraut mir diese Kurven noch sind – und das, obwohl ihr der Wintermantel wie ein Cape über den Schultern hängt.

Ich wüsste zu gern, wie sie sich die Verletzung an ihrem Arm zugezogen hat. Noch so etwas, das mich wieder in ihren Bann zieht. Wenn das mal nicht die perfekte Verkörperung von Rotkäppchen ist! Das macht mich vermutlich zum Wolf, aber wir wissen ja alle, wie die Sache ausgegangen ist, oder etwa nicht?

Gar nicht gut für ihn, nämlich.

Da Aubrey meine Nähe nur schwer erträgt, bemühe ich mich sehr, ihr aus dem Weg zu gehen, sofern unser Job es nicht erfordert. Zumindest habe ich das nach unserer Scheidung ein Jahr lang so gehalten.

Auch wenn es mir dabei das Herz zerreißt. Aber wir haben jetzt immerhin schon ein ganzes Jahr ohne einander geschafft. Eigentlich sogar schon länger, weil wir offiziell getrennt sein mussten, ehe wir unsere Verbindung auflösen konnten. Allein dieses Wort, »auflösen« – als könnte man den Schmerz so lange mit Wasser verdünnen, bis es uns nicht mehr gibt.

Ist doch alles Bullshit!

In den vergangenen Monaten sind wir uns bei verschiedenen Anlässen begegnet, zweimal davon als gegnerische Seiten vor Gericht. Seit ihre Kanzlei zwölf Stockwerke unter meine gezogen ist, arbeiten wir sogar im selben Gebäude. Mein Herzschmerz hat dadurch ein wenig nachgelassen und ich hoffe, bei ihr ist es irgendwann auch so weit.

Einen Moment später beendet sie den Anruf und blickt auf ihr Telefon. Ich kenne diese Geste: Sie hat gerade mit ihrer Mutter Marie-Claire gesprochen. Bei dem Gedanken an die Geschichte der beiden verspüre ich einen Stich in der Brust. Plötzlich ist mein Bedürfnis, bei ihr zu sein, stärker als der Wunsch, ihr nicht wehzutun. Was Aubrey betrifft, war ich schon immer ein Egoist.

»Du gehst schon?«

Ihre Schultern versteifen sich und als sie sich mir zuwendet, weiß ich schon, was ich gleich zu sehen bekomme: ihre Bostoner Coolness, die ihr so gut steht. Unterdessen inhaliere ich ihren Duft. Als könnte ich ihn in meiner Lunge speichern und so die nächsten Tage davon zehren. Jedes Mal fühlt es sich an wie das erste Mal.

»Ich dachte, ich könnte mich verziehen, bevor alle auf die Tanzfläche stürmen.«

»Aber du hattest doch immer so tolle Moves drauf!«

Sie mustert mich, ohne zu lächeln. Natürlich ist ihr klar, dass ich ihr wehtun könnte, fragt sich wahrscheinlich aber gerade, ob ich ein Motiv dafür hätte. Ich mache es ja auch nie absichtlich, doch manchmal ist es wohl schon zu viel, jemanden auch nur anzuatmen.

Sie entspannt sich sichtlich. »Ich tanze besser als du, das steht immerhin fest. Mit dir blamiert man sich auf der Tanzfläche auf ganzer Linie.«

Ich schmunzele. »Ich brauch eben Platz, um mein Talent zur Geltung bringen zu können.«

»Jepp, dein Talent.« Sie lächelt zögerlich, als probierte sie es nach langer Zeit zum ersten Mal wieder aus. Sofort geht mir das Herz auf. Es ist Ewigkeiten her, seit sie mich mit diesem Strahlen bedacht hat.

Ich genieße den Anblick, solange ich noch die Gelegenheit dazu habe. »Soll ich dich nach Hause fahren?«

»Ich nehme einfach ein Taxi.« Sie macht einen Schritt zurück Richtung Drehtür.

Ich folge ihr nach draußen, wo ich dem Mann vom Parkservice ein Zeichen gebe und ihm mein Ticket reiche, ehe Aubrey Einwände erheben kann. Er mustert uns kurz und hält dann die Beifahrertür meines Autos auf.

»Er denkt, wir wären zusammen«, murmelt Aubrey.

»Anscheinend kommen wir immer noch so rüber.«

Power-Pärchen mit Seifenopernqualitäten. So hat Max uns während unseres Jurastudiums immer genannt. Für ihn waren wir ein Vorzeigepaar, dem die Welt zu Füßen lag und dem eine so strahlende Zukunft bevorstand, dass wir Sonnenbrillen tragen mussten.

Ich gebe dem Typen vom Parkdienst ein Trinkgeld. »Es ist nur eine Autofahrt, Aubrey.«

Sie blinzelt mich an und ich ahne, welche innerlichen Hürden sie überwinden muss, bevor sie sich auf diesen Versuch einlassen kann. Doch schließlich nimmt sie wortlos auf dem Beifahrersitz Platz.

Vom Drake zu ihrer Wohnung in Lincoln Park sind es mit dem Auto nur zehn Minuten. Ich zerbreche mir den Kopf darüber, wie ich sie am besten nutze. Als wir uns in den Verkehr auf dem Lake Shore Drive einfädeln, ergreift sie das Wort.

»Glaubst du, die beiden schaffen es?«

»Die Chancen stehen fifty-fifty, würde ich sagen.«

»Ach, Max’ Chancen stehen besser, glaube ich. Er wird sich richtig ins Zeug legen.«

Oha, kaum verhohlene Kritik! Ich dachte auch mal, ich müsste mich nur genug reinhängen, bis ich merkte, dass zu scheitern die einzige Möglichkeit ist, nicht den Verstand zu verlieren. Allerdings hat sie recht, was Max angeht. Obwohl er mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurde, hat er mit reiner Willenskraft so einige Schwierigkeiten überwunden.

»Was ist eigentlich aus dieser Frau geworden? Die, die du zu Max’ Grillparty mitgebracht hast?«

Sie war nicht du. »Das hat nicht funktioniert.«

»Na ja, nach mir liegt die Messlatte ja auch ziemlich hoch.«

»Das kannst du laut sagen.«

Sie lacht auf, leise und sanft. Vielleicht freut sie sich darüber, wie unbekümmert unser Gespräch ist. Verdammt, wir sprechen über Dates mit anderen Leuten! Auf jeden Fall mal ein Fortschritt. Solange wir es bei Small Talk belassen, tun wir einfach so, als könnte uns die Vergangenheit nichts anhaben.

Trotz des kühlen Novemberwetters sind ihre sensationellen Beine nackt, sodass durch das hochgerutschte Kleid nun viel zu viel bloße Haut enthüllt wird. Mein Penis wird hart bei der Vorstellung, wie ich mit der Hand diesen Schenkel hinaufstreiche, ihre Beine spreize und ihr dort, wo sie es immer am liebsten hatte, unendliche Lust verschaffe.

»Wie geht es Marie-Claire?« Nur ein Gespräch über ihre Mutter kann mich jetzt noch von meinen schmutzigen Gedanken abhalten.

»War es so offensichtlich, dass ich mit ihr telefoniere?«

Ich biege in die Fullerton Avenue ein. »Du straffst deine Schultern dann immer auf eine ganz bestimmte Art.«

»Ach, sie ist wieder mal ziemlich durch den Wind. Die Scheidung von meinem Vater macht ihr zu schaffen, gleichzeitig genießt sie das Drama aber auch. Mich nervt’s! Und außerdem möchte sie eine Party für Libby schmeißen und macht mit den Vorbereitungen alle um sie herum verrückt.«

Aubreys Großmutter Libby wird am Samstag des Thanksgiving-Wochenendes neunzig. In zwei Wochen also.

»Den alten Vogel habe ich immer gern gemocht. Wie geht’s ihr?«

»Sie hat sich vor einiger Zeit die Hüfte gebrochen. Das hat sie ganz schön ausgebremst.«

»Schwer vorstellbar, dass das bei ihr überhaupt möglich ist.«

»Sie weiß noch nichts – von uns.«

Meine Hände krampfen sich um das Lenkrad.

»Es ist gleich dahinten rechts«, sagt sie, als bräuchte ich zur Adresse meiner Ex-Frau eine Wegbeschreibung. Ich halte vor ihrem Wohnhaus, das vom Art déco inspiriert ist und bestens zu Aubreys glamouröser Abstammung passt.

»Aubrey …«

Auf ihren Wangen erscheinen rote Flecken. »Na ja, sie hatte gesundheitliche Probleme und wir wollten sie nicht unnötig aufregen. Die Scheidung meiner Eltern ist für alle sehr aufreibend und du weißt ja, wie gern sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich wollte Libby letztes Thanksgiving persönlich von der Trennung erzählen, aber dann konnte ich nicht heimfahren, weil mein Kater eine Nieren-OP hatte. Diesmal muss ich es ihr aber wirklich erzählen.«

Die ganze Erklärung ist in einem Rutsch aus ihr herausgesprudelt.

»Es wundert mich, dass deine Mutter die Neuigkeiten nicht längst herausposaunt hat. Sie ist doch bestimmt überglücklich, dass wir nicht mehr zusammen sind.« Marie-Claire war immer der Meinung, ich sei ein totaler Nichtsnutz und ihrer Tochter in Anbetracht ihres Hintergrundes nicht im Geringsten würdig.

»Ich habe darauf bestanden, es ihr selbst zu erzählen. Aber jedes Mal, wenn wir telefonieren, fragt Libby nach dir und liegt mir damit in den Ohren, wie gern sie dich hat.« Als ich grinse, verdreht sie die Augen. »Da hab ich’s einfach nicht über mich gebracht. Und jetzt muss ich mit dem Zug fahren, aber …«

»Du kannst die Katze nicht auf eine solch lange Reise mitnehmen.«

»Weiß eigentlich jeder außer mir über die Katzenbeförderungsvorschriften der Bahn Bescheid?«

Es passt gar nicht zu Aubrey, so schlecht informiert zu sein. »Tja, auf jeden Fall wirst du wohl mit dem Auto fahren müssen.« Ich deute auf ihre Schlinge. »Wie ist das noch mal passiert?«

Sie ignoriert die Frage. »Ich schätze mal, du fährst für die Feiertage nach Hause?«

»Das ist der Plan, ja.«

Früher haben wir jedes Jahr abgewechselt. Mal Feuer, mal Eis sozusagen – und damit meine ich nicht bloß die unterschiedlichen Klimazonen. Wenn man die Feiertage bei den Lincolns verbringt, steht man nicht ständig unter Beschuss. Bei meiner Familie konnte sich auch Aubrey endlich entspannen.

»Gib die Katze doch einfach in Pflege und nimm den Zug.«

»Na klar«, sagt sie. Nicht, weil sie mir zustimmt, sondern weil sie nicht länger darüber reden möchte. Das ist Aubreys Art, eine Diskussion zu beenden.

»Danke fürs Heimbringen.«

Sie steigt aus dem Auto und hinterlässt einen Hauch ihres Parfüms sowie einen Mann mit einer Erektion und einer Idee.

3. KAPITEL

Grant

»Es sollte an diesem Punkt nicht relevant sein, dass der Geschlechtsverkehr mit der Hilfe von Elektrowerkzeugen vollzogen wurde, Euer Ehren.«

Eines muss ich der Richterin Jamieson schon lassen: Sie zeigt sich kein bisschen überrascht über die jüngste Entwicklung meines Falls. Stattdessen wendet sie sich von der gegnerischen Anwältin ab, die gerade dieses ziemlich waghalsige Aussage getätigt hat, und bohrt ihren erbarmungslosen Blick in mich.

»Mr Lincoln, ich tendiere dazu, der Anwältin der Klägerin zuzustimmen. Für mich ist nicht ersichtlich, weshalb die Sexualpraktiken ihrer Klientin in diesem Fall eine Rolle spielen sollten.«

Ich bereite mich darauf vor, zu demonstrieren, weshalb dieser Fakt sehr wohl von Bedeutung ist. »Euer Ehren, die Frau meines Klienten hat sich selbst als Pollyanna …«

»Einspruch, das ist eine vorschriftswidrige Beschreibung«, unterbricht mich die gegnerische Anwältin.

»Als würde Butter nicht schmelzen …« Noch ehe sie erneut Einwand erheben kann, drücke ich es noch einmal anders aus. »Als eine Frau mit einem sehr konventionellen Geschmack bezüglich ihrer Sexualität wäre sie doch wohl die letzte Person, die ein Video von sich aufnehmen würde, in dem sie von einem Sexspielzeug penetriert wird, das an eine Kettensäge angeschlossen ist.« Ich wende mich direkt an die gegnerische Anwältin. »Dennoch hat sie sich dafür entschieden, meinen Klienten als Perversling darzustellen, weil er Affären mit mehreren Partnerinnen hatte, was wir bereits festgehalten haben. Mrs Dalton, oder vielleicht sollte ich ihren Künstlernamen verwenden, Shannon Hardwood, ist nicht die Frau, die sie vorgibt zu sein.«

Der gegnerischen Anwältin fallen beinahe die hübschen grauen Augen aus dem Kopf.

»Schön, dann hat sie eben ein Hobby. Haben Sie vielleicht ein Problem mit den Freizeitaktivitäten meiner Klientin? Oder sind Sie der Meinung, ihre sexuellen Präferenzen sollten noch schärfer verurteilt werden als die eines Mannes?«

»Oh, mit den Hobbys Ihrer Klientin habe ich keinerlei Probleme.«

Aubrey wendet sich an die Richterbank. »Daher möchte ich den Gerichtshof darum bitten, diese Videodatei nicht als Beweismaterial zuzulassen. Es handelt sich lediglich um das Zeugnis einer Frau, die …«

Alle lehnen sich nach vorn.

»… die nach der sexuellen Erfüllung sucht. Auf die eine jede Frau überall auf der Welt ein Recht hat.«

Ich schnaube. Richterin Jamieson funkelt mich eisig an.

»Entschuldigen Sie bitte, Euer Ehren. Ob eine Frau ein Recht auf sexuelle Erfüllung hat oder nicht, ist nicht gesetzlich festgelegt.«

Die Richterin räuspert sich. »In der Tat«, erwidert sie trocken. »Ms Gates' hochtrabende Behauptung in puncto Frauenrechte in diesem Gebiet sind ja schön und gut, aber dieses Thema fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Gerichts. Wofür ich allerdings sehr wohl verantwortlich bin, ist die Relevanz dieses Videos und der Vorlieben von Mrs Dalton für den Verlauf des Prozesses. Wenn Sie jetzt lediglich das Sexual- oder Fehlverhalten der einen gegen das der anderen Partei aufrechnen wollen, wird das nicht funktionieren.«

Das Grinsen der gegnerischen Anwältin verwandelt sich in ein selbstzufriedenes Lächeln.

»Haben Sie zu der Sache mit dem Video noch etwas hinzuzufügen, Mr Lincoln?«, fragt die Richterin.

»Das habe ich tatsächlich, Euer Ehren. Wie ich bereits sagte: Ich habe nichts dagegen einzuwenden, dass Mrs Dalton aka Shannon Hardwood Aktivitäten ausübt, die ihr immense Befriedigung verschaffen.« Ich drehe den Kopf leicht in Richtung Aubrey. »Ich habe allerdings sehr wohl etwas dagegen, wenn eine Beklagte mit besagter sexueller Erfüllung Geld verdient und das in ihrem Finanzbericht keinerlei Erwähnung findet.«

Jetzt leuchten ihre Augen silberfarben auf. Hab ich dich, Bean.

Aber auch wenn ich sie am liebsten den ganzen Tag ansehen würde, vielleicht sogar gern darüber nachdächte, wie ich ihre Augen in flüssiges Quecksilber verwandeln, diesen kurvigen Körper zum Surren bringen und sie zum Wimmern und zum lustvollen Schreien animieren könnte, so ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

Ich konzentriere mich wieder auf die Richterin, die es überhaupt nicht gutheißt, dass ich sie gerade aus dem Prozess ausschließe. Aber wenn Aubrey und ich im Gerichtssaal richtig heftig miteinander streiten, dann vergessen wir schon mal alles um uns herum.

»Euer Ehren, Mrs Dalton aka Shannon Hardwood hat ihr Einkommen durch ihr ›Hobby‹ leider nicht bei der Bundessteuerbehörde gemeldet.«

»Können Sie dieses Einkommen nachweisen?«

»Das kann ich, Euer Ehren. Zusammen mit der aktuellen Steuerrückzahlung – das Ehepaar ist gemeinsam veranlagt.« Ich reiche dem Justizangestellten Kopien des Reports meines Finanzsachverständigen. Eine bekommt Aubrey, eine die Richterin. »Wie Sie sehen können, hat Mrs Dalton aka Shannon Hard…«

»Wir kennen ihren Namen mittlerweile, Mr Lincoln«, unterbricht mich Aubrey und überfliegt den Bericht sichtlich genervt.

»Ms Hardwood hat im vergangenen Jahr mit ihrem Streamingkanal für Erwachsene an die achtzigtausend Dollar verdient. Ein Einkommen, das sie der Bundessteuerbehörde nicht gemeldet und auch im Rahmen der finanziellen Offenlegung, die während des Ermittlungsverfahrens erforderlich war, nicht aufgeführt hat.«

»Verlogene Drecksschlampe!« Das war mein Klient.

»Schlappschwänziger Bastard!« Das war Aubreys Klientin.

Die Richterin hebt kurz den Blick von dem Bericht. »Wenn die Anwälte bitte ihre Klienten zügeln könnten?«

»Ja, Euer Ehren«, murmeln wir beide und besänftigen die ehemaligen Turteltäubchen.

Während wir darauf warten, dass die Richterin die Lektüre des Berichts beendet, linse ich zu Aubrey. Sie hält die Tischkante so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiß hervortreten. Aubrey arbeitet für Kendall, eine der größeren Firmen in Chicago, der eine ganze Schar von Gerichtsmedizinern und wissenschaftlichen Mitarbeitern zur Verfügung steht. Aus irgendeinem Grund ist ihr diese wichtige Information über ihre Klientin entgangen – auch wenn ich zugeben muss, dass diese sich alle Mühe gegeben hat, sie auf einem Schwarzgeldkonto zu verstecken. Aber eben nicht gut genug für meinen Assistenten.

»Anwalt, bitte treten Sie vor.«

Ich schlendere nach vorn, während im selben Rhythmus wie mein Pulsschlag das Klacken von Aubreys Absätzen ertönt. Sie braucht sie, weil sie sonst wie eine Zwergin zu der Richterin aufschauen müsste. Ich bin fast versucht, ihr eine Räuberleiter anzubieten. Aber dann würde sie mir wahrscheinlich einen dieser spitzen Absätze in meinen Fuß rammen.

»Es sieht nicht gut für die Unterhaltsforderung Ihrer Klientin aus, Ms Gates«, sinniert die Richterin Jamieson. »Die neue Sachlage wird auch Auswirkungen auf die Aufteilung des Vermögens haben.«

»Euer Ehren, wir hätten gern Zeit, den Bericht genauer zu untersuchen und unsere eigenen Nachforschungen anzustellen.«

»Leugnet Ihre Klientin denn, Einkommen unterschlagen zu haben?«

»Nein, Euer Ehren, aber wir hätten gern Zugang …«

Ich schweige, während die Richterin und Aubrey darüber diskutieren, ob der Fall hiermit erledigt oder ob die neue Information höchstens eine leichte Unebenheit auf der Straße ist. Ich liebe es, Bean beim Streiten zuzuhören. Selbst jetzt, wo sie mit dem Rücken zur Wand steht, ihre Klientin sozusagen die Hosen runterlassen musste und ihr Fall in Scherben liegt, ist ihr Talent schlicht atemberaubend. Ich fühle mich fast schlecht, dass Bean sich jetzt in dieser Position befindet. Aber nicht schlecht genug, um ihr gegenüber nachsichtig zu sein.

Ihr Duft erfüllt meine Lunge. Natürlich beginnt mein Schwanz augenblicklich zu zucken und mein Herz schlägt schneller. Eigentlich sieht sie aus wie ihr übliches, wohlgeordnetes Selbst – die gepflegte Frisur, ihr perfekter roter Schmollmund, der dunkelblaue Nadelstreifenanzug, der ihre Geheimwaffe ist –, aber ihre Augenringe sind mir nicht entgangen. Sie hat nicht gut geschlafen. Sie hatte schon immer Schlafprobleme und meine Finger, mein Mund und mein Schwanz waren die Kur dafür.

Aber ich kann ihr jetzt nicht helfen.

Wir schlafen nicht mehr im selben Bett, leben nicht mehr im selben Haus. Irgendwie sind unsere perfekten Leben auseinandergefallen und ich sehe sie nur noch dann, wenn sie die Ex-Frau eines meiner Klienten vertritt. Oder bei merkwürdigen Begegnungen wie auf Max’ Hochzeit am letzten Wochenende.

Für diese Tage lebe ich.

Versteht mich nicht falsch. Es tut weh, in der Nähe meiner Ex-Frau zu sein. Es tut weh, zu wissen, dass sie in meiner Welt noch existiert, aber nur in der Peripherie. Dennoch ist es noch schlimmer, sie gar nicht mehr zu sehen.

Ich blicke auf und merke, dass die Richterin mit mir spricht. »Mr Lincoln?«

»Ja, Euer Ehren?«

»Klären Sie das außerhalb des Gerichtshofs?«

Mein Herz verhärtet sich und das Pflichtgefühl meinem Klienten gegenüber macht sich bemerkbar. »Mein Klient würde es vorziehen, wenn wir die Angelegenheit jetzt abschließen könnten. Mrs Dalton aka Shannon Hardwood hat eindeutig versucht, meinen Klienten und das Gericht in die Irre zu führen, indem sie einen substanziellen Teil ihres Einkommens verschwiegen hat. Von daher sollte die Unterhaltsforderung abgelehnt werden.«

»Ich neige dazu, Ihnen zuzustimmen, Mr Lincoln. Aber dass Sie das Video heute direkt vor Gericht präsentiert haben, ohne es der gegnerischen Anwältin vorher zur Verfügung zu stellen, ist eine Spur zu protzig für meinen Geschmack. Ich mag diese Art von Nervenkitzel zwar, aber nicht auf Kosten des Prozesses. Ich vertage, um Ihnen beiden die Chance zu geben, die Sache zur Zufriedenheit aller zu klären.« Sie scheucht uns beide davon.

»Glück gehabt«, murmele ich, sodass nur Aubrey mich hören kann.

»Idiot!«

Ich grinse mit zusammengebissenen Zähnen. »Sie bekommt keinen Cent, Aubrey, aber wir gestehen euch eine hübsche kleine Dreingabe zu, um die Übereinkunft zu versüßen.«

Sie bleibt an dem Tisch stehen, über den sie mich gerade noch ziehen wollte, die Hand auf die Hüfte gestemmt, die Augen silbern funkelnd. Ihre Brüste heben und senken sich, ein Zeichen dafür, dass sie wütend ist – und angeturnt. Als wir früher vor Gericht miteinander gezankt haben, war der Sex danach wahnsinnig gut. Manchmal haben wir es nicht einmal aus dem Gerichtsgebäude geschafft. Die Waschbecken auf der Damentoilette haben die perfekte Höhe, und Aubreys Höschen hat so wunderbar an meinem Penis gerieben, als ich in sie eingedrungen bin. Das ist mein absoluter Lieblingsort.

»Was bietest du uns an?«, fragt sie mich ein wenig atemlos.

Ich lehne mich nach vorn und streife mit meinen Lippen über ihr Ohr. Sie erschauert und ich stelle mir vor, dass sie die Lippen zusammenpressen muss, um nicht aufzustöhnen.

Ich weiß, dass das nur Wishful Thinking ist. Aubrey sieht mich nicht so. Nicht mehr.

»Sie kann die Werkzeuge behalten.«

Aubrey

Sie kann die Werkzeuge behalten. Soll das ein Witz sein?

Bei jedem anderen hätte ich kurz gekichert und scherzhaft mit dem Zeigefinger gedroht, aber nicht bei Grant. Ich kann nicht fassen, dass wir beim Hintergrundcheck gepatzt haben – wir, damit meine ich Kendall. Die angeblich erstklassige Kanzlei, für die ich arbeite. Es werden Köpfe rollen …

Kendall belegt zwei Stockwerke eines Hochhauses in der Chicagoer City, hat knapp hundert Angestellte und einen fantastischen Ruf.

Grants Kanzlei, die er gemeinsam mit seinen Partnern Max und Lucas betreibt, liegt zwölf Stockwerke darüber im selben Gebäude. Es ist ein kleiner, persönlicher Betrieb, der sich nur um Belange im Bereich des Familienrechts kümmert, hauptsächlich um Scheidung. Kendall erinnert mehr an die Kanzlei in dem Film L. A. Law und hat überall seine Finger mit im Spiel. Und ich bin der Arnie Becker der Einrichtung, weil ich die Familienrechts-Abteilung leite. Außerdem bin ich die jüngste Mitarbeiterin.

Nicht, dass das meine Mutter interessieren würde.

Mit dreißig sollte ich mich eigentlich nicht mehr verzweifelt nach der Anerkennung meiner Mutter sehnen. Während sie einigermaßen zufrieden mit meiner Tätigkeit als Anwältin ist, verabscheut sie meine Spezialisierung aufs Familienrecht. Scheinbar haftet diesem Gebiet in ihren Augen etwas Unschickliches an – besonders Scheidungen. Im Zuge dieser Prozesse müssen Leute nämlich ihre schmutzigen Geheimnisse lüften und das hat die Familie Gates gar nicht gern. Meiner Mutter wäre es lieber, wenn ich mich auf Unternehmenseinheiten konzentrieren würde. (Ich könnte ihr erzählen, dass der Supreme Court beschlossen hat, dass Unternehmen auch Menschen sind, aber das würde sie als reine Besserwisserei abtun.)

Als ich den Aufzug des Gerichts betrete, bemühe ich mich darum, nicht an das Telefongespräch zu denken – wobei ›Gespräch‹ es nicht ganz trifft, es war eher ein Monolog –, das ich mit meiner Mutter nach Max’ Hochzeit geführt habe. Aber es ist schwer, diese kultivierte Stimme zu ignorieren, die mir immer wie ein Teufelchen auf meiner Schulter vorkommt.

»Mason wird auf der Party sein, Aubrey. Er hat gerade ein Haus auf Cape Cod gekauft.«

»Und du erzählst mir das, weil …«

»Er ist wieder Single.« Meine Mutter senkte ihre Stimme. »Und auf der Suche.«

Soll er von mir aus doch einfach an sich hinuntergucken und seinen dünnen Penis bewundern!

»Eigentlich bin ich noch nicht wieder auf Beutezug.«

»Es würde unvermeidbare Fragen zu dem … Fehler, den du gemacht hast, als du jemanden … wie Grant geheiratet hast … ein wenig abmildern, chérie.«

Muss sie immer auf meinem Ex herumhacken? Ich unterdrücke ein Knurren. »Ich habe nie von dir verlangt, das mit unserer Scheidung für dich zu behalten wie ein schmutziges Geheimnis. Erzähl nur bitte Libby nichts davon, ehe ich nicht selbst mit ihr sprechen konnte. Aber die verlässt ihren Turm ja sowieso nie.« Meine Großmutter war quasi eine Einsiedlerin. »Und keine Kuppelaktionen bitte. Ich komme wegen Gran nach Hause.«

Es fällt mir immer noch schwer zu glauben, dass meine Mutter es geschafft hat, meine Scheidung vor ihren moralinsauren Bostoner Freunden geheim zu halten. Ich stehe kurz davor, große Schande über meine Familie zu bringen – noch größere als bisher. Ich war schon immer das schmutzige Geheimnis der Gates’. Bin gesegnet mit ihrem Namen, auch wenn ich ihn gar nicht richtig verdient habe.

Ende der Leseprobe