Love me in Autumn. Eine cinnamon spiced Romance - Laurie Gilmore - E-Book + Hörbuch

Love me in Autumn. Eine cinnamon spiced Romance Hörbuch

Laurie Gilmore

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Beschreibung

Heißer Fischer trifft auf süße Buchhändlerin – spicy Romance mit Happy-End-Garantie!

Eine geheime Nachricht in einem Roman in ihrer Buchhandlung weckt Hazels Neugier. Als sie immer mehr Hinweise findet, beschließt sie, der geheimnisvollen Spur zu folgen. Sie braucht nur jemanden, der ihr dabei hilft.

Der attraktive und charmante Fischer Noah ist immer für ein Abenteuer zu haben. Und eine Schnitzeljagd klingt nach einer Menge Spaß. Umso besser, dass die süße Buchhändlerin, in die er seit Monaten verknallt ist, ihn um Hilfe bittet!

Hazel ist nicht auf der Suche nach einer neuen Liebe, aber als die Schatzsuche sie und Noah durch Dream Harbor führt, ist ihre unbestreitbare Chemie genauso heiß wie die ofenfrischen Zimtschnecken, die im Buchladen verkauft werden...

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Zeit:8 Std. 44 min

Veröffentlichungsjahr: 2025

Sprecher:Victoria Schätzle

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Zum Buch:

Hazel sah und hörte nichts, bis jemand mit tiefer Stimme direkt neben ihrem Ohr fragte: »Was liest du denn da?«

Erschreckt schleuderte sie das Buch quer durch den Raum, sodass es in der Leseecke am Fenster aufprallte. Sie drehte sich um, und dort stand Noah Barnett und grinste sie an.

Noah war der Betreiber des einzigen Angeltour-Unternehmens von Dream Harbor. Er war vor ein paar Jahren hergezogen, hatte sich schnell mit Logan angefreundet und kreiste nun wie ein sexy Satellit in der Peripherie von Hazels Leben herum. Sie schüttelte den Kopf. Nur weil jede Frau und mindestens die Hälfte der Männer in der Stadt Noah attraktiv fanden, hieß das nicht, dass sie seinem Charme erliegen würde.

»So gut?«, hakte er nach und lächelte schief.

Oh ja, charmant war er. Charmant genug, dass sein Erfolg bei Touristinnen richtiggehend legendär war. Warum er trotzdem andauernd in ihrem Buchladen herumhing, war Hazel nach wie vor ein Rätsel.

»Du hast mich erschreckt.«

»Hab ich gemerkt.«

Hazels Herz raste, und das nicht nur, weil er sie während der Arbeitszeit beim Lesen von Schundliteratur erwischt hatte. Der andere Grund war, dass … na ja … Noah sie schon wieder so anlächelte.

Zur Autorin:

Laurie Gilmore schreibt knisternde Kleinstadtromane mit schrulligen Stadtbewohnern, gemütlichen Schauplätzen und einer Liebesgeschichte, bei der man ins Schwärmen gerät.

Laurie Gilmore

Love me in Autumn

EINECINNAMONSPICEDROMANCE

Aus dem Englischen von Martina Takacs

HarperCollins

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel The Cinnamon Bun Bookstore bei One More Chapter, London.

© 2024 by Laurie Gilmore

Deutsche Erstausgabe

© 2025 für die deutschsprachige Ausgabe

HarperCollins in der

Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

[email protected]

Covergestaltung von Guter Punkt | Agentur für Gestaltung

Coverabbildung von Nadja Tilke | Guter Punkt, München

E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783749908653

www.harpercollins.de

Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte der Autorin und des Verlags bleiben davon unberührt.

1. Kapitel

Hazel Kelly liebte gute Geschichten. Nur eigene hatte sie nicht zu erzählen. Das wurde ihr gerade in aller Deutlichkeit bewusst, als sie hinter dem Verkaufstresen im Cinnamon Bun Bookstore – dem Zimtschnecken-Buchladen – stand, an genau der Stelle, an der sie die letzten fünfzehn Jahre gestanden hatte.

Okay, nicht ununterbrochen. Sie ging schon nach Hause, wenn sie Feierabend hatte und so, aber das änderte nichts an dem Gefühl, fünfzehn Jahre an ein und demselben Ort verbracht zu haben.

Hazel seufzte und ordnete die Stapel mit kostenlosen Lesezeichen neu, die vor ihr lagen. Es war ein ruhiger Tag, so hell und sonnig, dass die meisten Leute sich lieber draußen aufhielten, anstatt drinnen nach Büchern zu schauen. Auch wenn Hazel das nicht nachvollziehen konnte. Sie würde bei jedem Wetter lieber in den Regalen eines Buchladens stöbern.

Sie liebte es, hier hinter dem Tresen zu stehen, genau dort, wo sie schon während ihres Highschool-Praktikums gestanden hatte – die Sache war nur, dass sich seither auch sonst nichts in ihrem Leben verändert hatte. Derselbe Job, dieselbe Stadt, dieselben Freundinnen und Freunde. Das Einzige, was anders war, abgesehen von dem leichten Ziehen im Rücken morgens beim Aufwachen, war der Name des Buchladens, den ihre Chefin ungefähr alle zwei Jahre änderte.

Hazel war im wahrsten Sinne des Wortes umgeben von wunderbaren Geschichten, Büchern voller Liebe, Abenteuer und Leben, doch sie selbst steckte irgendwie fest.

»Und in zwei Monaten werde ich dreißig«, murmelte sie, ohne sich an jemand Bestimmten zu richten, denn außer ihr war niemand im Laden.

Die Dreißig starrte sie aus der Ferne düster an. Das Datum, der 28. September, war fest in ihrem Kopf verankert. Für manche Menschen, vermutete Hazel, bedeutete dreißig das Ende ihrer wilden, mit aufregenden Geschichten gefüllten Twenties. Es war eine Zeit, in der man zur Ruhe kam, sich niederließ, ernst und erwachsen wurde.

Hazels Problem mit der Dreißig war jedoch anderer Natur.

Sie hatte vergessen, wilde und aufregende Jahre zu haben. Ihre Zwanziger waren … tja, wie waren die gewesen? Ruhig? Verantwortungsvoll? Langweilig! Hazel war im Grunde schon mit fünfzehn in ihren Dreißigern angekommen. Oder eher in ihren Siebzigern, wenn es nach Annie ging, ohne die sie ihre Nase wahrscheinlich gar nicht aus den Büchern bekommen hätte.

Bis jetzt hatte Hazel das nie gestört. Sie mochte ihre Buchhandlung, und sie mochte Kamillentee, Regentage und das Kreuzworträtsel am Sonntagmorgen. Sie mochte ihr ruhiges Leben. Nur jetzt, da die Dreißig ihr die Zunge herausstreckte, fragte sie sich plötzlich, ob sie etwas verpasst hatte. Vielleicht hatte sie vergessen, einige Dinge auszuprobieren. Vielleicht gab es – eine entsetzliche Vorstellung – ein Leben außerhalb ihrer Bücher, das sie längst hätte entdecken sollen.

Es schien, als würde die Sonne sie durch die Schaufenster hindurch auslachen. Sie hatte gerade eine Auslage mit Strandlektüre für den August fertig gemacht, dabei konnte sie sich nicht erinnern, wann sie selbst das letzte Mal ein Buch mit an den Strand genommen hatte. Sie neigte zu Sonnenbrand, wenn sie länger als zehn Minuten in der Sonne war, was vielleicht ihr aktuelles Problem begünstigt hatte … und womöglich auch einen Vitamin-D-Mangel, den sie vielleicht einmal untersuchen lassen sollte.

Hazel brauchte ein Abenteuer.

Und das möglichst bald.

Oder wenigstens eine gute Geschichte, die sie das nächste Mal in Macs Pub erzählen konnte, wenn sie sich Annies neueste Theorien über Mac und die Pläne, die er gegen sie schmiedete, anhören musste. Oder etwas über Jeanies und Logans Vorhaben, das Farmhaus zu renovieren, falls Jeanie sich endlich dazu entschließen konnte, dort einzuziehen. Nur ein einziges Mal wollte Hazel ihre Freundinnen und sich selbst überraschen. Nur ein einziges Mal wollte sie etwas ganz und gar Hazel-Untypisches tun.

Aber nicht gerade jetzt. Denn eben fiel ihr Blick auf ein schräg stehendes Buch in der Liebesromanabteilung, und es war typisch für Hazel, dass sie hingehen und es richtig hinstellen musste. Abgesehen davon war das natürlich auch ihr Job. Sie ging also zu dem Regal hinüber und schaute unterwegs durch die Tür nach draußen, nur für den Fall, dass jemand gerade vorhatte, hereinzukommen, aber die Straße war wie leer gefegt. Es war ein perfekter Spätsommernachmittag, und es schien, als wäre ganz Dream Harbor zum Baden am Strand, auf einer Wanderung oder an irgendeinem Pool, um die Wärme aufzusaugen, bevor das Wetter umschlug.

Selbst Annie hatte erklärt, dass es ein zu schöner Tag sei, um ihn drinnen zu verbringen. Sie hatte die Sugar Plum Bakery früh geschlossen, um mit ein paar von ihren Schwestern einen Ausflug zu einem Weingut zu machen. Hazel seufzte. Ganz sicher würde sie morgen alles darüber zu hören bekommen, und dann hätte sie selbst nichts zu der Unterhaltung beizutragen, außer der spannenden Geschichte über ein schräg ins Regal geschobenes Buch.

Sie schüttelte den Kopf. Sie musste raus aus diesem Trübsinn. Und was wirkte besser dagegen, als aufzuräumen? Die Abteilung für Liebesromane war in den letzten Jahren exponentiell gewachsen, und zwar dank der Lobbyarbeit des Buchclubs von Dream Harbor, dessen Mitglieder dieses Genre liebten. Hazel wurde bisweilen schon beim Anblick eines Covers rot, aber wenn es gut fürs Geschäft war, hatte sie nichts dagegen einzuwenden.

Das Buch, auf das sie zusteuerte, stand nicht nur schief im Regal, sondern auch am falschen Platz, also zog Hazel es heraus, vermied es, den halb nackten Mann auf dem Cover anzusehen, und wollte es gerade richtig einordnen, als ihr auffiel, dass eine der Seiten an der Ecke nach innen geknickt war.

Hatten die Leute denn gar keinen Respekt? Jemand markierte in einem Buch, das er nicht mal kaufen wollte, eine Seite mit einem Eselsohr? »Das gibt’s doch nicht«, murmelte sie. Beinahe hätte sie noch hinzugefügt: »Was ist nur aus dieser Welt geworden?«, doch da sie ab sofort versuchen wollte, sich weniger wie eine alte Frau zu benehmen, verkniff sie sich den Kommentar.

Sie schlug die betreffende Seite auf und fand eine mit Leuchtstift markierte Zeile. Eine gehighlightete Zeile! In einem ihrer Bücher! Das war völlig inakzeptabel! Unfassbar! Jemand kam einfach hier rein, verunstaltete ein Buch und kaufte es dann nicht mal!

Hazel hätte den Rest des Tages innerlich weitergewütet, hätte nicht die hervorgehobene Zeile ihre Aufmerksamkeit erregt.

Der Satz war nicht besonders gut geschrieben, weder elegant noch tiefgründig. Aber es war, als würde das Buch oder derjenige, der die Zeile markiert hatte, direkt zu ihr sprechen.

Komm mit mir, Mädchen, wenn du ein Abenteuer suchst.

Um ein Haar hätte sie das Buch fallen lassen.

Sie schaute sich im Laden um und erwartete fast, dass jemand sie beobachtete und gleich auslachte. Sicherlich war das eine Art Scherz. Aber wer sollte so was tun? Und wer konnte schon wissen, worüber sie bereits den ganzen Tag nachgrübelte?

Doch der Laden war immer noch wie ausgestorben. Natürlich war er das. Das war nur ein seltsamer Zufall.

Hazel schaute wieder zum Regal. Kein anderes Buch stand schief. Nur dieses eine, das sie immer noch in der Hand hielt. Auf dem Einband war ein Pirat zu sehen, dessen Hemd vom starken Seewind aufgerissen wurde. Auch sein Haar wehte der Wind nach hinten. Gefangene der Liebe lautete der Titel, der sich in Schreibschrift quer über den Umschlag zog.

Plötzlich hatte Hazel den seltsamen Drang, sich irgendwo gemütlich hinzukuscheln und das Buch von vorn bis hinten durchzulesen. Doch sie war ja bei der Arbeit, und dieses Buch fühlte sich irgendwie gefährlich an. Auf keinen Fall wollte sie es direkt hier im Buchladen lesen.

Es schien ihr, als würde sie dieser Mann, dieser erfundene, fiktive Mann, wirklich auf ein Abenteuer mitnehmen.

Wieder schlug sie die Seite mit der markierten Zeile auf und las sie, als könnte sie durch bloßes Anschauen das Rätsel lösen, wer das hier angestrichen und das Buch schief im Regal platziert hatte. Sie war derart in Gedanken, dass sie nicht einmal mitbekam, wie die Ladentür geöffnet wurde.

Hazel sah und hörte nichts, bis jemand mit tiefer Stimme direkt neben ihrem Ohr fragte: »Was liest du denn da?«

Erschreckt schleuderte sie das Buch quer durch den Raum, sodass es in der Leseecke am Fenster aufprallte. Sie drehte sich um, und dort stand Noah Barnett und grinste sie an.

Noah war der Betreiber des einzigen Angeltour-Unternehmens von Dream Harbor. Er war vor ein paar Jahren hergezogen, hatte sich schnell mit Logan angefreundet und kreiste nun wie ein sexy Satellit in der Peripherie von Hazels Leben herum. Sie schüttelte den Kopf. Nur weil jede Frau und mindestens die Hälfte der Männer in der Stadt Noah attraktiv fanden, hieß das nicht, dass sie seinem Charme erliegen würde.

»So gut?«, hakte er nach und lächelte schief.

Oh ja, charmant war er. Charmant genug, dass sein Erfolg bei Touristinnen richtiggehend legendär war. Warum er trotzdem andauernd in ihrem Buchladen herumhing, war Hazel nach wie vor ein Rätsel.

»Du hast mich erschreckt.«

»Hab ich gemerkt.«

Hazels Herz raste, und das nicht nur, weil er sie während der Arbeitszeit beim Lesen von Schundliteratur erwischt hatte. Der andere Grund war, dass … na ja … Noah sie schon wieder so anlächelte.

Sie konnte nicht wirklich den Finger darauflegen, woran es lag. Noah war – objektiv gesehen – sehr gut aussehend, das musste sie zugeben. Und er war – objektiv gesehen – nicht ihr Typ. Sie wusste auch ganz genau, dass sie nicht sein Typ war, nicht zuletzt, weil sie in Dream Harbor lebte. Deshalb fand sie es seltsam, dass er sie immer so anlächelte, als wüsste er etwas, was sie nicht wusste.

Annie hatte gesagt, er sei scharf auf sie, aber Hazel wusste, dass das absurd war. Niemand, nicht einmal ihre paar Ex-Freunde, waren scharf auf sie gewesen. Sie war vielleicht niedlich, okay. Aber niedlich auf eine Art wie ein Koala, der ein Nickerchen auf einem Baum machte. Nicht auf die Art, dass man ihr an die Wäsche wollte. Und das war okay. Sie hatte ihren Frieden damit gemacht.

Doch Noah sah sie immer noch auf diese Weise an.

Sie drehte sich um und ging das Buch holen, wobei sie den Einband sorgsam an ihrer Brust verbarg. »Brauchst du etwas?«, fragte sie und versuchte zu ignorieren, dass Noah jetzt lässig an der Theke lehnte und sie dabei beobachtete, wie sie auf ihn zukam.

»Äh … vielleicht?«

»Vielleicht?«

»Ja, ich wollte nur …« Sein Blick huschte von ihrem Gesicht zu den Regalen hinter ihr und wieder zurück. Das war ein typischer Noah-Besuch. Er kam alle zwei Wochen, um sich ein Buch zu kaufen, schien aber nie zu wissen, was genau er wollte.

Annie war der Meinung, das sei der Beweis dafür, dass er scharf auf Hazel sei, aber das überzeugte Hazel nicht. Annie war ebenso der Meinung, dass er vermutlich mitten im Laden die Hose runterlassen müsste, damit sie endlich überzeugt wäre, aber Hazel hoffte sehr, dass dies nie passieren würde.

»Ich brauche nur was Neues zum Lesen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und spannte dabei die Unterarme an. Das wärmere Wetter sorgte dafür, dass man weniger Kleidung trug, und so waren viele seiner Tattoos zu sehen. Hazel bekam rote Wangen beim Anblick der halb nackten Meerjungfrau, die sich um seinen linken Bizeps wand.

Das war ein Mann mit Geschichten. Sogar so vielen, dass er sie auf seinem Körper verewigt hatte.

Hazel räusperte sich. »Hat dir das letzte Buch, das ich dir mitgegeben habe, gefallen? Der Fluch von Blut und Wölfen?«

Noah nickte. Sein kupferfarbenes Haar schimmerte im Licht des Spätnachmittags. »Ja, es war toll.«

»Super. Ich hab gerade den zweiten Band reinbekommen. Hol ich dir.«

Eigentlich hatte sie allein gehen wollen, aber Noah folgte ihr in die Fantasy-Abteilung und brachte seinen berauschenden Duft von Sonne und Salz mit. Hazel hatte noch nie zuvor bewusst den Duft eines Mannes wahrgenommen. Annie würde das sicher als Beweis dafür werten, dass sie ihrerseits scharf auf Noah war.

Und das wäre … dumm? … vergeblich? Abenteuerlich.

»Hier ist es.«

Noah stand ganz nah, als sie sich umdrehte, und so wäre sie beinahe an seine breite Brust geprallt.

»Hoppla.«

»Entschuldigung!«

Beide Bücher fielen zu Boden, und Hazel ging in die Hocke, aber Noah war schneller und hatte bereits die Hand auf dem halb nackten Piraten, bevor sie das Buch aufheben konnte.

»Hm, Gefangene der Liebe?«, fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue.

Sie hockten jetzt beide im Gang, so dicht beieinander, dass Hazel seinem Blick nicht ausweichen konnte. »Es ist nicht meins. Ich meine, ich lese es nicht. Ich wollte es nur richtig einordnen.«

Noah lächelte noch breiter. »Hört sich gut an.« Er schlug die Seite mit dem Eselsohr auf. »Ich dachte, du würdest es nicht lesen?«

»Ich … äh … na ja …«

Sein Blick landete auf der markierten Zeile. »Komm mit mir, Mädchen, wenn du ein Abenteuer suchst.«

Oh nein, wenn Noah diesen Satz mit seiner tiefen Stimme las, machte das etwas mit ihr … etwas Heißes. Was war heute nur los?! Hazel schüttelte den Kopf. »Ich wollte es nur richtig ins Regal stellen«, wiederholte sie, schnappte sich das Buch und stand auf, bevor Noah mehr lesen und alles noch schlimmer machen konnte.

»Aber jemand hat etwas darin markiert.« Er stand ebenfalls auf, und Hazel fühlte sich wie ein Zwerg neben ihm. Warum musste er so groß sein und so gut riechen? Er verwirrte sie damit, und das passte ihr nicht.

»Ich weiß.«

»Jemand hat diesen Satz also einfach angestrichen und das Buch dann wieder ins Regal geschoben?«

»Ja.«

»Komisch.«

»Eben, und er hat es nicht mal an den richtigen Platz gestellt.« Sie huschte an ihm vorbei, vermied dabei tunlichst den Kontakt mit seinem großen, gut riechenden Körper, und begab sich wieder in die relative Sicherheit des vorderen Ladenbereichs.

Noah folgte ihr. »Ist fast so, als wollte derjenige, dass du’s findest.«

Hazel bremste und drehte sich zu ihm um. Wieder wären sie fast zusammengestoßen, aber Noah stoppte ebenfalls. »Wie kommst du denn darauf?«

Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Scheint ja ein Hinweis zu sein oder so.«

»Ein Hinweis?« Hazel verengte die Augen. »Noah, willst du mich verarschen?«

»Dich verarschen?« Er sah ehrlich verwirrt aus, aber Hazel kaufte ihm das nicht ab.

»Ist das irgendein Scherz von dir, dass du dich an meinen Büchern vergreifst? Wenn du das gemacht hast, musst du es bezahlen.« Sie wedelte mit dem Buch vor seiner Nase herum.

Er zog die Augenbrauen hoch.

»Natürlich nicht. Ich würde mich nie an dir … also, und ganz bestimmt nicht an deinen Büchern vergreifen.« Er machte mit den Fingern ein kleines »X« auf seiner Brust. »Ich schwöre bei meinem Herzen. Fischerehrenwort.«

Jetzt hob Hazel die Augenbrauen. »Fischerehrenwort? Ich glaube, so was gibt es nicht.«

»Jetzt schon.«

»Hmm.«

»Aber ich finde trotzdem, dass es ein Hinweis sein könnte.«

»Weshalb sollte mir jemand einen Hinweis hinterlassen?«

Er zuckte wieder mit den Schultern, aber seine hellbraunen Augen glänzten vor Aufregung. »Für ein Abenteuer, schätze ich.«

Ein Abenteuer.

Noah grinste, und Hazels Herz schlug schneller. Das Buch in ihren Händen rief nach ihr – vielleicht war es ja wirklich ein Hinweis.

Zumindest würde es eine gute Geschichte abgeben.

2. Kapitel

Noah war scharf auf Hazel Kelly. Das überraschte ihn fast genauso sehr, wie es sie zu überraschen schien, aber es war so. Sie war ganz anders als die Frauen, mit denen er bisher zusammen gewesen war. Heute zum Beispiel. Mit dem locker sitzenden Hemd, das sie in die High-Waist-Hose gesteckt hatte, den zierlichen Goldkettchen um den Hals und den niedlichen flachen Schuhen sah sie … tja, sie sah viel zu gut für ihn aus. Sie sah klug und kultiviert aus. Ganz zu schweigen von den weichen Locken um ihr Gesicht und der Art, wie sie die Brille auf der Nase hochschob, während sie ihn wie eine unbekannte Spezies betrachtete.

Es hatte ihn schwer erwischt.

Richtig schwer.

Und das war ihm bisher noch nie passiert. Noah mochte Frauen. Sehr. Und er war – zumindest bisher – ziemlich gut darin, sie für sich zu gewinnen. Aber so was hatte er noch nie empfunden. Was suboptimal war, denn er war ziemlich überzeugt davon, dass Hazel nicht dasselbe empfand.

Für gewöhnlich sah sie ihn so an wie jetzt. Als würde sie nicht schlau aus ihm. Zumindest dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Er wusste nicht, wie viel deutlicher er noch werden konnte. Alle zwei Wochen kam er her, ließ seinen Charme spielen und flirtete, was das Zeug hielt, um ihre Gunst zu gewinnen, aber offenbar funktionierte es nicht.

Dafür hatte er in den letzten Monaten mehr Bücher gelesen als in seinem ganzen Leben zuvor, und das war immerhin ein Vorteil.

Wahrscheinlich sollte er einfach ehrlich sein und sie um ein Date bitten oder so. Bei Logan hatte es geklappt, irgendwann jedenfalls, und jetzt hatte der seine Jeanie, und sie waren wahnsinnig glücklich miteinander und alles.

Aber bei Hazel und ihm war es etwas anderes. Hazel war etwas anderes. Sie war völlig unbekanntes Terrain für ihn.

»Ein Abenteuer?«, fragte sie und holte ihn damit aus seinem Gedankenkarussell, das sich darum drehte, wie niedlich sie und wie unbeholfen er selbst war.

»Ja. Keine Ahnung. Vielleicht hinterlässt dir jemand Hinweise wie bei einer Schnitzeljagd oder so.«

»Hmm.« Hazel runzelte die Stirn, und eine kleine Falte bildete sich zwischen ihren Brauen. »Unwahrscheinlich.«

»Vielleicht, aber unwahrscheinliche Dinge passieren andauernd.«

Zum Beispiel, dass du irgendwann mal mit mir ausgehst.

Fast hätte er es ausgesprochen und sie gefragt, aber da war sie schon hinter dem Tresen und bongte sein neues Buch ein.

»Ist das alles?«

»Äh … Ja, das ist alles.«

»Einundzwanzig fünfundneunzig, bitte.«

Es war längst nicht alles, aber Noah reichte ihr seine Karte. Es war unmöglich, dass diese kluge, hinreißende Frau mit ihm ausgehen würde. Es gab einen Grund, warum er mit Mädchen anbandelte, die nur den Sommer über hier waren, Touristinnen und One-Night-Stands. Noah war für einen Spaß gut, für eine Liebelei. Nicht für ernsthafte Frauen wie Hazel Kelly.

Sie reichte ihm sein Buch, und seine Finger streiften ihre. Sie sah ihn einen Moment lang an, und in diesem Moment glaubte Noah fast, dass sie den Funken auch spürte. Doch dann wandte sie den Blick ab und verabschiedete sich, und seine Füße trugen ihn zur Tür.

Frauen wie Hazel Kelly waren nichts für ihn. Zumindest war er klug genug, um das zu wissen.

Er trat aus dem Buchladen in die Hitze des Tages. Es war der erste sonnige Tag nach einem verregneten Juli, und die Stadt hatte direkt wieder in den Sommermodus geschaltet. Der Sommer in Neuengland war kurz. Wenn man sich nicht sofort hineinstürzte, verpasste man ihn komplett. Obwohl es August war, trugen die meisten Geschäfte in der Main Street noch immer den Schmuck der Feierlichkeiten zum 4. Juli aus rot-weiß-blauen Bannern und Flaggen. Der Sommer war schon immer Noahs Lieblingsjahreszeit gewesen. Sommer hatte Strand bedeutet, Eis essen ohne Ende und keine Schule. Freiheit. Er war nie gut in der Schule gewesen, vor allem, weil man da so viel sitzen musste. Das lag ihm nicht. Ebenso wenig lag es ihm, lange an einem Ort zu bleiben. Nachdem er von zu Hause weggegangen war, war er nirgendwo länger als ein oder zwei Monate geblieben, hatte immer wieder seinen Kram gepackt und war weitergezogen, wenn ihm langweilig wurde. Aber irgendetwas an Dream Harbor hielt ihn hier. Zumindest für den Augenblick.

Noah überlegte kurz, ob er im Pumpkin Spice Café einen Eistee trinken sollte, aber er war ziemlich erschöpft und wollte lieber nach Hause und ein Nickerchen machen. Für seine erste Tour des Tages war er um 4 Uhr aufgestanden und hatte den Morgen damit verbracht, einer Gruppe von Stadtjungs das Angeln beizubringen. Leider kamen die meisten Aufträge von Typen, die nichts über Wasser, Boote oder Fische wussten, und es war seine Aufgabe, ihnen das Gefühl zu geben, es doch zu tun.

In Wirklichkeit machte Noah die meiste Arbeit selbst und sorgte dafür, dass die Fische gefangen, geputzt und zum Heimtransport verpackt wurden, während sich die Jungs in der Sonne die Kante gaben. Aber er konnte von dem Geld leben und war auf dem Wasser, kein schlechter Deal also. Jedenfalls besser, als das Fischerei-Imperium seiner Familie oben an der Nordküste zu übernehmen. Seine Schwestern hatten ohnehin mehr Talent dafür, das Unternehmen zu führen. Es war nicht nötig gewesen, dortzubleiben, um das unter Beweis zu stellen, auch wenn er sich immer noch schuldig fühlte, weil er weggegangen war. Aber das hatte weniger mit dem Geschäft als mit den Menschen zu tun. Auch das wusste er, aber er war noch nicht bereit, sich dem zu stellen.

Noah war nicht der Typ dafür, ein Unternehmen zu führen. Nicht ein so großes. Seine Eltern hatten aus ihrem kleinen Fischereibetrieb im Lauf der Jahre ein Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen gemacht, das Hunderte von Restaurants im ganzen Land mit Fisch und Meeresfrüchten belieferte. Seit seine Eltern in den Ruhestand gegangen waren, hatten seine älteren Schwestern die Jobs der Geschäftsführerin und der Finanzchefin übernommen. Und Noah war weggelaufen.

Er wischte sich beim Gehen den Schweiß von der Stirn, und die vertraute Mischung aus Schuld und Scham überkam ihn. Man konnte seine Familie nicht endlos enttäuschen. Er hatte in dieser Hinsicht schon in jungen Jahren eine beachtliche Quote erreicht. Irgendwann war es dann an der Zeit gewesen, das Handtuch zu werfen und zu verschwinden.

Seine kleinen Angeltouren hingegen konnte er selbst managen. Er plante sie ganz allein und führte sie selbst durch. Und das hieß, dass er niemanden im Stich lassen musste, wenn seine Firma den Bach runterging. Das war sehr viel einfacher.

Er lief weiter durch den Ort und dachte an seine Schwestern und dass er sie anrufen sollte, an Hazel und an die Touren, die er für den Rest der Woche geplant hatte. Er ließ seinen Gedanken freien Lauf, und nach und nach gelang es ihm, die Erinnerung an seine vergangenen Fehler loszulassen.

Als die Hütten in Sicht kamen, kreisten seine Gedanken wieder allein um Hazel und das Buch, das sie in der Hand gehalten hatte, und darum, ob sie wohl auf Typen mit Booten stand. Zufällig war er nämlich ein Typ mit Boot. Vielleicht sollte er sie doch um ein Date bitten.

Noah kletterte über die Felsen zum Sand. Früher hatte es hier einen Weg von der Straße zum Strand gegeben, aber der war im Lauf der Jahre verfallen, sodass man jetzt über große Steine und Betonbrocken klettern musste, um zum sandigen Teil der Küste zu gelangen. Aber das machte Noah nichts aus. Der öffentliche Strand, der ein paar Kilometer entfernt lag und viel leichter zugänglich war, war an einem Tag wie diesem voller Menschen, doch hier war es immer ruhig.

Als er den Sandstrand erreicht hatte, streifte er die Schuhe ab und grub die Füße hinein, was ihn gleich entspannte.

Vor ein paar Jahren, als Noah in Dream Harbor gelandet war, hatte er eine Zeit lang auf seinem Boot gewohnt, bis er an einem vergessenen Strandabschnitt eine Reihe alter Fischerhütten gefunden hatte, die sich – da war er sich ganz sicher – gut für Kurzzeit-Vermietungen eignen würden, wenn man sie nur instand setzte. Also hatte er vor etwa einem Jahr angefangen, eine davon zu renovieren. Sein eigenes kleines Projekt, wobei er ständig erwartet hatte, dass jemand kommen und ihm sagen würde, dass dies nicht erlaubt sei. Aber bis jetzt war das nicht geschehen.

Also übernachtete er inzwischen manchmal heimlich hier. Die meiste Zeit aber wohnte er in der Wohnung über Macs Bar, und soweit die neugierigen Stadtbewohner wussten, war diese Wohnung sein Zuhause. Irgendwann einmal würde er Bürgermeister Pete Kelly von seiner Idee erzählen und versuchen, diese alten Hütten zu kaufen. Vielleicht.

Vielleicht war es auch eine dumme Idee. Dumme Ideen hatte er in seinem Leben schon reichlich gehabt.

Womöglich würde er auch wegen Hausbesetzung inhaftiert werden. Er war sich nicht sicher, aber im Moment gefiel es ihm hier. Er öffnete die Tür des kleinen Häuschens und betrat den kühlen Innenraum. Die Meeresbrise, die durch die vorderen Fenster hereinkam, sorgte dafür, dass es drinnen selbst an einem heißen Tag wie heute angenehm war. Die Häuschen würden eine bessere Isolierung brauchen, wenn jemand über den Winter bleiben wollte, aber Noah hatte bereits das Dach geflickt und den Fußboden neu verlegt. Zum Glück war er als Kind oft mit seinem Großvater unterwegs gewesen und hatte ihn mit Fragen gelöchert. All die Tricks und Tipps seines Großvaters hatten sich schließlich als nützlich erwiesen.

Das ganze Haus maß vielleicht knapp vierzig Quadratmeter, großzügig gemessen, aber es bot Platz für eine Küchenzeile, ein Doppelbett und ein Badezimmer mit Dusche und Toilette, die älter waren als er selbst und nicht besonders vertrauenerweckend aussahen.

Noah warf sein neues Buch aufs Bett und holte sich ein kaltes Bier aus der Kühlbox in der Küchenzeile. Abgesehen von den Arbeiten im Bad war die Elektrik das Einzige, was er noch nicht selbst reparieren konnte, darum ging es hier, was das betraf, noch immer recht provisorisch zu, aber da es hier so friedlich war, störte ihn dies nicht besonders. Das Rauschen der Wellen erfüllte das Haus, und Noah wusste, dass er einschlafen würde, noch bevor er das Buch überhaupt aufgeschlagen hätte.

Er trank einen Schluck Bier, streckte sich auf der Matratze aus, die ihm als Bett diente, und ließ seine Gedanken wieder zu Hazel wandern. Was würde sie von diesem Haus und seiner Idee halten? Würde sie das alles und auch ihn lächerlich finden? Er hatte nicht lange Zeit, darüber nachzudenken, denn der Schlaf übermannte ihn, und prompt träumte er davon, eine gewisse Buchhändlerin zu kidnappen und mit seinem Boot zu entführen.

3. Kapitel

Wieder stand ein Buch schief. Und verkehrt herum. Hazel weigerte sich hinzuschauen. Es war ihr egal. Es war nur ein falsch einsortiertes Buch, das ein Kunde achtlos ins Regal gestellt hatte. So etwas passierte dauernd.

Alex würde sich später in ihrer Schicht darum kümmern. Hazel hatte Wichtigeres zu tun, zum Beispiel die Buchbestellung für den nächsten Monat vorzubereiten und die Lesungen für September zu planen. Schließlich war sie die Geschäftsführerin. Alex oder Lyndsay konnten die Bücher aufräumen oder die neue Angestellte, die sonntags kam – oder sonst irgendjemand, nur nicht sie.

Verdammt, jetzt hatte sie wieder hingeschaut.

Der letzte Vorfall mit dem verdrehten Buch lag zwei Tage zurück, und Hazel hatte offiziell beschlossen, dass es sich um ein seltsames Vorkommnis handelte, das definitiv nichts mit ihr zu tun hatte und sich auch definitiv nicht wiederholen würde. Und jetzt das. Noch eins.

Jemand wollte sie provozieren.

Die Erinnerung an Noahs Gesicht blitzte in ihrem Kopf auf. Seine begeisterte Miene, als er meinte, es könne sich um einen Hinweis handeln. Sie hatte seinen Enthusiasmus schnell gedämpft. Zu schnell. Die Enttäuschung war seinem hübschen Gesicht abzulesen gewesen, als sie die Idee rigoros verworfen hatte.

Danach hatte sie sich schlecht gefühlt, aber … ein Hinweis? Im Ernst? Das war doch absurd. Und nur, weil sie über ihre eigene Festgefahrenheit gegrübelt hatte und dann Noah mit all seiner verwirrenden Attraktivität hereingeschneit war, hieß das ja nicht, dass plötzlich geheime Botschaften in ihren Büchern standen. Das wäre doch verrückt.

Hazel trommelte mit den Fingern auf den Tresen. Ein weiterer ruhiger Tag. Lasen die Leute denn im Sommer gar nicht? Sie ordnete die bereits ordentlich liegenden Lesezeichen und nippte an ihrem Tee.

Verflixt noch mal.

Hazel marschierte los in die Liebesromanabteilung, um das Buch zu richten und ihm eventuell gründlich die Meinung zu sagen, weil sie heute so eine verrückte Lady war. Sie zog es heraus und fand eine umgeknickte Ecke, genau wie zuvor bei dem anderen Buch. Also konnte sie es nicht einfach ins Regal zurückstellen, zumal, wenn auch hier Text angestrichen war. Sie konnte schließlich kein verunstaltetes Buch verkaufen.

Sie musste es überprüfen.

Herb und aromatisch zerplatzten die Blaubeeren in ihrem Mund. Sie schmeckten nach Sommer und Neuanfang.

Hazel erinnerte sich unmittelbar daran, wie sie als Kind Blaubeeren gepflückt hatte, und an die süße Geschmacksexplosion der Früchte auf ihrer Zunge, an das Absuchen der Sträucher nach reifen Beeren und das Eis, das ihr Vater ihr immer auf dem Heimweg gekauft hatte. Sie schloss die Augen und lehnte sich an das Regal. Wann war sie das letzte Mal Blaubeeren pflücken gegangen?

»Na, Mittagsschläfchen bei der Arbeit?«

Hazel riss die Augen auf, als sie Annies Stimme hörte. Sie musste aufhören, sich bei seltsamen Aktionen in der Liebesromanabteilung erwischen zu lassen. Schnell schob sie das verräterische Buch zurück ins Regal und wandte sich zu ihren Freundinnen um.

»Aber nein, natürlich nicht.«

»Wir haben dir Mittagessen mitgebracht.« Annie ließ sich in ihren bequemen Lieblingssessel am Fenster fallen.

»Und Eistee« Jeanie hielt ihr einen Becher hin, und Hazel griff schnell danach, froh über die Ablenkung.

»Danke.«

»Alles in Ordnung?«, fragte Annie. Ihr blonder Pferdeschwanz fiel ihr über die Schulter, als sie den Kopf neigte und Hazel musterte. Sie waren seit der neunten Klasse befreundet – seit Hazels Familie hergezogen war – und Annie kannte sie ein bisschen zu gut.

»Ja. Alles prima.« Hazel schnappte sich die andere Hälfte von Annies Sandwich und setzte sich ihr gegenüber. Sie streifte die Schuhe ab und zog die Füße unter sich. Normalerweise hätte sie darauf bestanden, im Hinterzimmer zu essen, aber der Laden war leer, also war es egal.

»Sicher? Du siehst irgendwie komisch aus.«

»Du siehst irgendwie komisch aus.«

Annie streckte ihr die Zunge heraus, und Jeanie kicherte.

»Die Hitze macht sie immer etwas unleidlich«, flüsterte Annie an Jeanie gewandt, als könnte Hazel sie nicht hören.

»Sie macht mich nicht unleidlich, es ist nur nicht mein Lieblingswetter.«

»Hazel hasst die Sonne. Sie ist wie ein Vampir.«

»Bin ich nicht! Ich bin nur lieber drinnen. Ich bin eben eine Hauskatze.«

Jeanie lachte wieder und sah von einer zur anderen. Es war nicht zu übersehen, dass die beiden schon ewig befreundet waren. »Na ja, wenn du eine Hauskatze bist, dann willst du vielleicht nicht mitkommen, aber ich habe Logan überredet, dass er heute Abend ein Gartenfeuer macht.«

»Ein Gartenfeuer?«

»Oder Lagerfeuer. Was auch immer. Jedenfalls wird es S’Mores geben.«

»Und Drinks?«, fragte Annie.

»Drinks auch.«

»Super, bin ich dabei. Und du, kleine Stubenkatze? Schaffst du es, ein paar Stunden rauszugehen, um mit deinen Freunden Spaß zu haben?« Annie wollte sie nur aufziehen, aber ihre Worte trafen Hazel dennoch. Dachten ihre Freundinnen wirklich, sie könnte nicht einmal ein Lagerfeuer aushalten?

Sie zog die Stirn kraus. »Klar schaffe ich das.«

»Perfekt!«, rief Jeanie und klatschte in die Hände, und Hazel wurde bewusst, worauf sie sich gerade eingelassen hatte. Ungeziefer, Rauch und Dreck. Und höchstwahrscheinlich Noah, der immerhin Logans Freund war. Bei dem Gedanken an den Fischer fühlte sie ein Ziehen im Bauch.

Mist.

Jetzt war es zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Jeanie hatte eben den Rest ihres Sandwichs eingepackt und war schon auf dem Weg zur Tür. »Ich muss los. Ich habe Crystal mit dem Mittagsansturm allein gelassen, aber wir sehen uns ja später. So gegen acht!«

Hazel winkte ihr fahrig hinterher, bevor sie sich wieder Annie zuwandte, die ihre blonden Brauen hob. »Ist bei dir wirklich alles in Ordnung?«

Hazel seufzte. Natürlich war es das nicht. Sie hatte eine Art Midlife-Crisis. Oder eine Quarterlife-Crisis? Gab es das? Wie auch immer, jedenfalls dachte sie darüber nach, sich auf eine Schnitzeljagd zu begeben – inspiriert von jemandem, der Bücher verunstaltete –, und das nur, um an ihrem dreißigsten Geburtstag etwas vorweisen zu können. Das kam ihr nicht gerade in Ordnung vor, aber sie war auch nicht in der Stimmung, Annie jetzt schon einzuweihen.

»Jaja, mir geht’s gut. Ich bin nur ein bisschen beunruhigt, weil so wenig Kunden kommen.«

Annie sah sich in dem leeren Laden um. »Darüber würde ich mir nicht zu viele Sorgen machen, Haze. Nach dem langen nassen Juli brauchen alle erst mal Bewegung, aber dann kommen sie schon wieder.«

Hazel nickte. »Ja, vermutlich hast du recht.«

Annie lächelte und reichte ihr einen frisch gebackenen Cookie – ein Friedensangebot.

Sie aßen den Rest ihres Lunchs in einvernehmlichem Schweigen, aber Hazels Aufmerksamkeit glitt immer wieder zu einem gewissen Buch, den Blaubeeren und dem Rest des Sommers, der sich dunstig, heiß und weit offen vor ihr erstreckte.

***

Hazel war bereits von nicht weniger als fünfzehn Mücken gestochen worden, und egal, wo am Feuer sie saß, der Rauch wehte ihr immer ins Gesicht. In der einen Hand hielt sie ein lauwarmes Bier und in der anderen ein S’More, das aus einem Schokoriegel und einem verbrannten Marshmallow bestand, die zwischen zwei Cracker geklemmt waren. Sie tat so, als würde es ihr Spaß machen.

Es machte ihr keinen.

Gerade kam Noah, sonnengebräunt und sommersprossig, zu ihnen herüberspaziert, und prompt hatte sie wieder dieses komische Gefühl im Bauch.

»Hey, Leute.« Er hob die Hand zum Gruß und bekam Hallorufe aus der munteren Runde zurück.

Hazel saß zwischen Annie und Jacob aus dem Buchclub, die beide auf Campingstühlen hockten, während sie mit einem alten Küchenstuhl vorliebnehmen musste, der ihrer Ansicht nach jeden Moment den Geist aufgeben konnte. George aus der Bäckerei stand mit seinem Bier am Feuer und röstete ein Marshmallow. Isabel, Jeanies andere Buchclubkollegin, hatte sich etwas von der Gruppe entfernt, um zu Hause anzurufen und nachzufragen, ob die Kinder auch wirklich ohne sie eingeschlafen waren. Alle schienen glücklich und entspannt. Offenbar wurde niemand sonst bei lebendigem Leib ausgesaugt.

Logan kümmerte sich konzentrierter und planvoller um das Feuer, als Hazel es für nötig hielt, aber selbst er schien mit dem Verlauf des Abends mehr als zufrieden zu sein. Annie hatte recht. Der Sommer machte sie unleidlich.

»Hey, Noah!« Jeanie umarmte Noah, der sich ein Bier aus der Kühlbox genommen und zur Gruppe gesellt hatte. »Schön, dass du es geschafft hast.«

»Äh, ja, natürlich, für ein S’More würde ich so ziemlich alles tun.«

Hazel hatte gedacht, sie sei ausreichend im Schatten verborgen, aber irgendwie trafen sich ihre Blicke, und er verzog den Mund zu diesem verwirrenden Lächeln. Sie wandte den Blick ab und konzentrierte sich auf ihr S’More, das zugegebenermaßen trotz des leicht verkohlten Geschmacks ziemlich gut war. Als sie wieder aufblickte, sah Noah ihr dabei zu, wie sie den Marshmallow-Schleim von ihren Fingern leckte.

»Hey, Noah, ich würde dich gern mal was fragen«, wurde er durch Annie von Hazels Fingern abgelenkt, Gott sei Dank, denn Hazel war kurz davor gewesen, so wegzuschmelzen wie das Marshmallow an ihren Fingern.

»Ja?« Er hob eine Augenbraue und grinste jetzt so wie immer, wenn er sich amüsierte. Hazel achtete lieber wieder auf ihre klebrigen Finger statt auf sein Gesicht.

»Wie kommt es eigentlich, dass du nie stinkst?«

Jacob lachte laut auf. »Was ist das denn für eine Frage, Annie?«

»Na, er verbringt doch den ganzen Tag auf einem stinkenden Fischkutter, aber er riecht nie nach Fisch!«

»Willst damit sagen, dass er lügt, was seinen Job angeht?«, fragte Jacob, bevor er die Bierflasche ansetzte.

Annie zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht, aber es ist schon irgendwie verdächtig.«

Noah lachte. »Na ja, ich finde, duschen funktioniert verdammt gut.«

Annie verengte die Augen und musterte ihn. »Du musst eine wirklich starke Seife benutzen.«

»Ich schrubbe mich richtig fest ab.« Er zwinkerte ihr zu, und Annie lachte.

Jetzt lachten auch alle anderen, bis auf Hazel, die all ihre geistige Energie aufwendete, um sich nicht vorzustellen, wie Noah sich, nackt und eingeseift, in der Dusche abschrubbte.

»Was habe ich verpasst?«, fragte Isabel, die gerade wieder in den Kreis um den Feuerschein trat.

»Ach, wir diskutieren nur Noahs Duschgewohnheiten«, antwortete Annie und zeigte mit ihrem Bier in Richtung Noah. Der streckte die Arme von sich, als wollte er, dass Isabel seine Sauberkeit bewunderte.

Sie schien nicht sonderlich beeindruckt, was seltsam war, denn Hazel hätte schwören können, dass die Hitze um das Feuer zunahm, als die Ärmel von Noahs T-Shirt sich um seine Oberarme spannten.

»Wow, seit Monaten mein erster Abend ohne die Kinder, und wir reden darüber, wie Noah duscht?«

»Ich bin auch dafür, dass wir das Thema wechseln«, murmelte Logan, der neben dem Feuer gehockt hatte und sich nun erhob. Jeanie drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

»Wie wäre es mit unserer Buchauswahl für August?«, fragte Jacob, und Logan stöhnte auf.

»Wir reden jetzt nicht mehr über Noah unter der Dusche, sondern über schlüpfrige Bücher?«

Jeanie kicherte. »Genau.«

»Wir brauchen etwas Sommerliches. Oooh, vielleicht Piraten!« Isabel bekam leuchtende Augen bei der Idee.

Noah begegnete Hazels Blick mit einem schelmischen Grinsen. »Hazel hat neulich ein interessantes Piratenbuch gelesen.«

»Ich habe es nicht gelesen, sondern nur ins Regal zurückgestellt.«

Er zuckte mit den Schultern. »Es sah ganz gut aus.«

»Wie heißt es?« Jacob lehnte sich vor, jetzt ganz Ohr für dieses schmutzige Piratenbuch, und Noah schaute Hazel immer noch an. Noch dazu landete eine weitere Mücke auf ihrem Oberschenkel. In was für einer Hölle war sie hier nur gelandet?

»Entführte Liebe … Oder nein, das war es nicht … Gejagt? Gefangen? Gefesselt vom Piraten?«

Oh. Mein. Gott. Wenn Noah noch ein Wort über dieses Buch oder die Piraten sagte, würde sie ihn mit ihrem Marshmallow-Spieß erstechen.

»Es heißt Gefangene der Liebe«, stieß sie hervor und war froh, dass ihre erhitzten Wangen im Halbdunkel verborgen blieben.

»Na, das klingt doch perfekt!« Jeanie klatschte in die Hände.

»Ich wette, dass die Piraten ziemlich übel gerochen haben.«

Jacob gab Annie an Hazel vorbei einen Klaps auf die Schulter. »Verdirb mir bloß die sexy Piraten nicht!«

Während der Rest der Gruppe sich über die Sauberkeit von Piraten ausließ, sah Noah sie immer noch an, als wüsste er, dass sie das Buch mit nach Hause genommen und von vorn bis hinten verschlungen hatte – und dass der Pirat, den sie sich dabei vorgestellt hatte, ganz anders aussah als der auf dem Cover …

»Ich muss dann mal …« Hazel stand etwas zu ruckartig auf, sodass ihr Stuhl umkippte. »… äh … aufs Klo.« Das musstest du aber jetzt nicht öffentlich ankündigen!

»Sei nur vorsichtig auf dem Weg zum Haus. Es wird langsam dunkel, und die Bobs sind schon wieder getürmt«, sagte Jeanie. Sie lächelte entschuldigend.

»Alles klar.« Hazel trat aus dem Lichtkreis um das Feuer und ließ das Lachen ihrer Freunde hinter sich. Die Sonne stand inzwischen so tief am Himmel, dass die Vertiefungen und Gruben der Weide unter langen Schatten verborgen waren. Toll, jetzt breche ich mir entweder einen Knöchel, oder ich werde von Ziegen angegriffen.

Sie kannte den Weg von der hinteren Wiese zum Haus von Logans Großeltern gut genug, um ihn in der Dunkelheit zu finden, schließlich kam sie schon seit Jahren hierher. Aber in ihrem jetzigen Zustand wäre es nicht verwunderlich, wenn sie in einem Graben landete. Oder, noch schlimmer, von Logans kostbarer Hühnerschar zu Tode gepickt wurde.

Hazel schauderte und eilte zum Haus. Sie musste eigentlich gar nicht aufs Klo, nur möglichst weit weg von gut riechenden Fischern und blutrünstigen Insekten, also schien ihr dies ein guter Plan zu sein.

Sie ging ins Haus und traf im Wohnzimmer auf Nana und Grandpa Henry, die vor dem Fernseher dösten. Als sie eintrat, schreckten sie auf.

»Oh, bist du das, Hazel Kelly?«

»Ja, ich bin’s, Nana. Wie geht es dir?«

»Ach, gut, gut. Es ist noch Essen im Kochtopf, falls du Hunger hast.«

»Aber das will doch niemand haben, Liebes.« Henry tätschelte liebevoll Nanas Bein, und Estelle warf ihm einen bösen Blick zu.

Hazel lächelte. Es war, als wäre sie gerade mit Logan von der Highschool nach Hause gekommen. Sie hatten einander vor langer Zeit als Ersatzgeschwister adoptiert, da sie beide keine richtigen hatten.

»Ich bin proppenvoll mit S’Mores. Eigentlich wollte ich nur kurz ins Bad.«

»Schon gut, Liebes. Sag Bescheid, wenn du noch etwas brauchst.«

Hazel nickte und ging durch den Flur zu dem kleinen Badezimmer neben der Küche. Es hatte immer noch dieselbe verblasste Tapete und denselben blau gefliesten Boden. Sie schaute in den Spiegel und fand das gleiche Spiegelbild vor wie damals in der Highschool-Zeit.

Oder vielleicht war es ein bisschen anders. Ein bisschen älter.

Aber sie fühlte sich noch genauso.

Dieselbe alte Hazel.

Konnte man sich an Dinge erinnern, die man nicht getan hatte? Als Hazel in Logans altem Badezimmer stand, konnte sie nicht anders, als sich an alles zu erinnern, was sie nicht gemacht hatte. Zum Beispiel, dass sie kein einziges Mal die Schule geschwänzt hatte, weil sie stets fürchtete, etwas Wichtiges zu verpassen. Oder dass sie sich in der Highschool-Zeit nur ein einziges Mal betrunken hatte, und zwar hier auf der Farm, und sich dann so schuldig gefühlt hatte, dass sie es Nana gleich gestehen musste.

Auch während des Studiums war sie zu Hause geblieben. Sie war nicht in Clubs gegangen, hatte nie einen One-Night-Stand gehabt und war auch nie festgenommen worden.

Okay, der letzte Punkt war vielleicht gut so, aber die Sache war, dass sie nie leichtsinnig gewesen war, nicht mal ein kleines bisschen.

Im Großen und Ganzen mochte sich Hazel. Sie mochte ihr Leben. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass etwas fehlte. Dass all diese Fehlstellen in ihren Erinnerungen sich in so etwas wie Bedauern verwandelten. Bedauern, das sie nicht mit in ihre Dreißiger nehmen wollte.

Sie dachte an Noahs Lächeln und die schief stehenden Bücher und das Blaubeerpflücken. Vielleicht musste sie nicht länger feststecken. Vielleicht konnte sie in den nächsten zwei Monaten Spaß haben. Sie konnte doch sicher Spaß haben, oder? Dafür war der Sommer schließlich da, nicht wahr?

Sie ging durch die Küche und nahm die Flasche Wein vom Tisch, die Jeanie dort vergessen haben musste. Die Dielen knarrten unter ihren Füßen.

Spaß. Abenteuer. Ein winziges bisschen Leichtsinn.

Sie konnte das.

Noch heute Abend würde sie damit beginnen.

Als sie durch die Küchentür trat, die in Grandpa Henrys Garten führte, fand sie sich einer unerwarteten Überraschung gegenüber. Blaubeersträucher! Sie hatte vollkommen vergessen, dass es diese Blaubeersträucher auf Logans Farm gab. Sie stand im Randbereich des Gartens, während die Dämmerung über den Himmel herankroch, und fühlte sich genau so alt, wie sie war. Sie war nicht mehr auf der Highschool oder dem College. Sie konnte nicht zurück und die Vergangenheit verändern, und das wollte sie eigentlich auch gar nicht. Aber in den Monaten vor ihrem Geburtstag wollte sie aus sich herausgehen. Sie wollte alles loslassen. Wollte jung und lustig sein und in ihren Zwanzigern leben, bevor es zu spät war.

Vielleicht hatte sie einfach zu viel Holzrauch eingeatmet, aber die Tatsache, dass sie genau dort gelandet war, wohin die schiefen Bücher sie geführt hatten, war ein allzu deutliches Zeichen, um es zu ignorieren. Die Bücher waren der Schlüssel zu ihrem Abenteuer. Es war an der Zeit, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.

4. Kapitel

Noah fand Hazel ein wenig betrunken in dem kleinen Garten. Die Luft roch nach Erde und Lagerfeuer. Es war bereits stockfinster, und Hazel saß am Rand des Gartens mit einer halb leeren Weinflasche in der Hand.

»Hey, wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Wir dachten schon, du wärst von den Ziegen gefressen worden.«

Hazel blickte zu ihm auf. »Es stand in dem Buch.«

Vielleicht war sie doch betrunkener, als er dachte. »Was stand im Buch? Bist du sicher, dass es dir gut geht? Soll ich Annie holen?«

Hazel rümpfte die Nase und zog ihn neben sich auf den Boden hinunter. »Da war noch ein Buch.« Sie sah ihn an, als müsste er wissen, wovon sie sprach, aber das tat er definitiv nicht, und wenn er ehrlich war, dachte er gerade nur daran, wie nah sie ihm war und wie süß sie roch und dass sie Shorts trug, was er an ihr noch nie gesehen hatte, und die schöne weiche Haut an ihren Beinen und …

»Noch eine Spur!«, raunte sie ihm zu, als ginge es um ein Geheimnis. Er wollte gern Geheimnisse mit Hazel Kelly haben. »Ich habe noch ein Buch mit einem Hinweis gefunden.«

»Oh! Richtig. Der Hinweis im Buch.«

»Ja.« Sie nickte wild, und ihre Locken hüpften um ihre Schultern. »Es ging darum, Blaubeeren zu essen, und schau!« Sie hob die Blätter einer nahe wachsenden Pflanze hoch und legte die frischen Früchte darunter frei. »Blaubeeren.« Ihr Ton war leise, verschwörerisch, als enthielten diese Beeren eine Art Antwort für sie.

»Das ist … cool.« Es war keine angemessene Antwort, aber Hazel nickte wieder und pflückte eine Beere.

»Sie schmecken auch richtig gut.« Sie führte die Frucht an die Lippen und steckte sie sich in den Mund. Noahs Welt blieb mit einem Ruck stehen. Das Einzige, was in diesem Moment existierte, waren Hazels Mund, ihr kleiner glücklicher Seufzer und die Glühwürmchen, die leuchtend um ihren Kopf schwirrten.

Sie schloss die Augen, während sie die Beere aß, und Noah starrte sie einfach an. Wer nicht sah, dass Hazel verdammt heiß war, musste blind sein.

»Willst du welche?«, fragte sie, und ihre Augenlider flatterten wieder auf. Sie pflückte ein paar weitere Beeren und legte sie ehrfürchtig auf seine Handfläche.

»Danke«, sagte er. Es klang erstickt, und er räusperte sich.