Lustig war's immer - Hans Krankl - E-Book

Lustig war's immer E-Book

Hans Krankl

0,0

Beschreibung

Am Strand von Jesolo führen Hans Krankl und Herbert Prohaska Schmäh über Erfolge und Niederlagen. Sie erzählen ganz persönlich über Begegnungen mit den Größen ihrer Zeit und wie sie die österreichische Geschichte der vergangenen fünfzig Jahre erlebt haben. Mit Witz und Lebensweisheit sprechen die zwei von so unterschiedlichen Dingen wie der Hippie-Ära, dem Austropop, dem Aufwachsen im Gemeindebau und dem Kicken im Park. In ihren Erzählungen tauchen Carlo Ancelotti, Joe Zawinul, Adriano Celentano und Niki Laudaauf. Dabei bleibt kein Auge trocken.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 166

Veröffentlichungsjahr: 2024

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



LUSTIG WAR’S IMMER

Hans Krankl,

Herbert Prohaska:

Lustig war’s immer

Alle Rechte vorbehalten

© 2024 edition a, Wien

www.edition-a.at

Umschlagfotos: Christian Jungwirth

Fotos im Buch:

dpa / picturedesk.com (S. 8/9)

Christian Jungwirth

Lukas Beck

Satz: Barbara Riegler

Redaktion: Romel Velaj, Sophia Volpini

Gesetzt in der Premiera

Gedruckt in Deutschland

1 2 3 4 5 – 27 26 25 24

ISBN: 978-3-99001-751-7

eISBN: 978-3-99001-752-4

HANS KRANKL HERBERT PROHASKA

Lustig war’s immer

Aufgezeichnet vonRainer Pariasek & Eric Sebach

edition a

INHALT

Lang, lang ist’s her

Hans’ & Herberts Lieblingsgeschichten

Zwei Legenden am Stammtisch

Strandgespräche

Wiener Blut

Was Hans und Herbert noch sagen wollen

Vorwort von Rainer Pariasek

Zugegeben: Als die Anfrage seitens des Verlages kam, ob wir nicht Lust hätten, ein zweites Buch zu schreiben, waren wir alle drei zunächst etwas skeptisch.

Ist nicht im ersten Buch »Über das Leben« fast alles gesagt worden?

Schnell aber haben Hans, Herbert und ich uns darauf verständigt, nicht einfach einen zweiten Teil zu machen, sondern ein Buch mit einem gänzlich anderen Charakter, mit einer anderen Grundstimmung, mit einer anderen Leichtigkeit.

Haben Hans und Herbert in »Über das Leben« über Gott und die Welt, über Familie, das Altern und weitere große Themen des Lebens philosophiert – ernsthaft, tiefgründig, ehrlich und authentisch – so ist bei »Lustig war’s immer« der Titel Programm.

Wuchteln, G’schichtln, Anekdoten, Schmähs, Streiche – die vielen verschiedenen Klubs im In- und Ausland, Reisen und unvermutete Treffen, die zahlreichen Mitspieler, Trainer, Betreuer und Weggefährten boten ein schier unerschöpfliches Reservoir.

Natürlich war auch diesmal die Bedingung vom Hans, dass wir zu ihm in seine Sommerresidenz nach Jesolo kommen. Und natürlich sind wir seinem Wunsch auch diesmal gerne nachgekommen.

Am Ende standen drei Tage voller Fröhlichkeit, Heiterkeit und Lachen ohne Ende.

Selbst für mich, der die beiden schon sehr lange kennt, waren einige der köstlichen Anekdoten neu.

Ich hoffe, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, ebenso viel Freude an den Geschichten haben. Und dass Sie sich beim Lesen bildlich und phonetisch vorstellen können, mit welcher fast kindlichen Leidenschaft Hans Krankl und Herbert Prohaska diese Geschichten erzählt haben.

Viel Vergnügen!

Rainer Pariasek, September 2024

Rainer Pariasek mit Hans Krankl und Herbert Prohaskain Jesolo, Juli 2024

Heiterkeit bei der WM 1978: Herbert Prohaska und Hans Krankl auf einer Bootstour durch Buenos Aires

Lang, lang ist’s her

Von Bubenstreichen, Flirtversuchen und kleinen Geheimnissen

Über das Aufwachsen im Gemeindebau

HERBERT: Fußballspielen war schon als Bub alles für mich, darin sind wir uns wieder einmal ziemlich ähnlich. Mein Vater war Arbeiter, die Mutter Aufräumerin. Hätte mein Großvater nicht etwas zur Miete unserer Zwei-Zimmer-Wohnung beigesteuert, wäre es finanziell eng geworden. Vom Urlaubfahren in den Ferien war keine Rede, also bin ich mit den Freunden aus dem »Bau« Hasenleiten kicken gegangen, so oft es ging. Ein Klo hatten wir in der Wohnung, aber kein heißes Wasser. Abends hat Opa am Herd Wasser gewärmt, damit sich alle im Lavour waschen konnten, so gut es ging. Ich war jeden Abend hundemüde vom Fußballspielen. Schließlich habe ich bereits als Zehnjähriger zum Teil gegen Zwölf- oder Fünfzehnjährige gespielt, je nachdem, wo gerade ein Platz in einer Mannschaft frei war. Die Grätzl, also die Stadtviertel, sind gegeneinander angetreten, der Siegespreis war eine Literflasche Cola, die Verlierer mussten am Ende zusammenzahlen. Habe ich gegen Ältere gespielt, musste ich besonders flink sein und auch einiges einstecken. Sehr oft haben die Spiele nicht auf einer Wiese stattgefunden, sondern auf Erdboden mit Steinen und Splitt. Wehe, ein Jüngerer hätte nach einem Foul geweint, weil er sich das Knie aufgeschlagen hat. Ich habe einmal kräftig am Bein geblutet und wollte schreien, so weh hat es getan. Aber ich machte keinen Mucks, weil ich sonst wohl nie wieder mitspielen hätte dürfen.

HANS: Da ging’s um die Ehre, logisch. Wer wollte schon ein Weichei sein? Ich habe mich auch ordentlich angestrengt und im Park oft »Servierer« gespielt, also über die gesamte Breite hin und her geflankt, und zwischendurch hatten wir Matches mit den anderen Grätzlbuben. Ich gehörte zum Loquaipark, und der hat etwa gegen den Esterházypark gespielt. Acht gegen acht. Gekickt haben wir bis zum Einbruch der Dunkelheit. Im Sommer ging’s bis neun am Abend, im Winter so lange, bis im Loquaipark die Laternen angingen. Dann rannte ich nach Hause. Aufgewachsen bin ich in einem hundert Jahre alten Haus in Mariahilf, in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit wunderschönem Innenhof. Unser WC war am Gang. Natürlich war mir alles rundherum egal, weil ich nur Fußballspielen im Kopf hatte. Heim von der Schule, Mittagessen, die Aufgabe hingefetzt, ab in den Park, so ging das die ganze Woche, Tag für Tag. Ich verrat dir noch was: Um ein Haar wäre ich nicht Stürmer und Rapids Jahrhundertspieler geworden, sondern Tormann. Wenn ich mitspielen durfte, haben mich die Älteren gern ins Goal gestellt, weil bekannt war: Der Hansi schmeißt sich auf den Boden, wenn es sein muss, egal ob auf Steine oder Beton. So verrückt war ich, musst du dir vorstellen. Ich behaupte noch heute, Torhüter haben einen Vogel. Ich meine das aber nicht so böse, wie es klingt, du musst gar nicht so schauen! Zum Glück habe ich die Kurve gekratzt und bin Mittelstürmer geworden.

Über die Eltern

HERBERT: Ehrlich, eine schönere Kindheit als in Simmering hätte ich mir nicht vorstellen können, obwohl ich alles andere als im Wohlstand aufgewachsen bin. Wenn kein Fernseher dasteht, kann er dir auch nicht fehlen, so einfach ist das. Gleichzeitig habe ich gespürt: Sowohl meine Eltern als auch der Großvater, der bei uns wohnte, tun alles, damit es mir gutgeht. Und die eine oder andere Dummheit habe ich mir schließlich auch geleistet. Beim Badengehen in Schwechat jagte ich meinem Vater gerne einen Schrecken ein. Ich wusste, er kann nicht schwimmen, und bin deshalb ins tiefe Becken gesprungen, um ihm Angst zu machen, weil er mir im Notfall nicht hätte helfen können. In Gefahr war ich nicht, weil ich aus dem tiefen Wasser gleich ins seichte hinübertauchte und mich dort hinter anderen Kindern versteckte. Während mein Vater also am Beckenrand nervös nach mir Ausschau hielt, lachte ich mir ins Fäustchen. Total idiotisch, ich weiß. Ich war 13 oder 14 Jahre alt und gut schwimmen konnte ich damals noch nicht. Wenn ich nach einiger Zeit aus dem Wasser stieg, konnte ich meinem Vater die Erleichterung ansehen. Ein bissl böse war er klarerweise auch, was ich heute gut verstehen kann. Ich sag dir eins: Hätten meine Töchter dasselbe mit mir gemacht, wäre ich vermutlich tausend Tode gestorben.

HANS: Ähnlich große Sorgen hat sich wohl auch mein Vater gemacht, als ich mit 14 Jahren gemeinsam mit Freunden ein Ländermatch im damaligen Praterstadion besuchte. Nach Matchende hatte einer meiner Spezis kein Geld mehr für eine Straßenbahnkarte und ich beschloss, ihn auf dem Heimweg zu begleiten. Es war spätabends gegen halb elf, als wir endlich bei seiner Wohnung ankamen und ich die letzten Meter bis zu mir nach Hause in Angriff nehmen konnte. Als ich um die Ecke bog, stand mein Vater bereits mit hochrotem Kopf auf der Straße. »Warte, was passiert, wenn du heimkommst«, rief er mir wütend entgegen. Ich war mir sicher, es würde eine Tracht Prügel geben, und beschloss, auf der Straße zu warten, bis er sich beruhigt hatte. Später gesellte sich sogar meine Mutter zu mir, und ich erklärte ihr, was der Grund für meine Verspätung war. Wir hofften beide, dass mein Vater bald zur Ruhe kommen würde. Irrtum! Als ich eine Stunde später in mein Zimmer schlich, wartete er bereits und es gab die unvermeidlichen Watsch’n. »Mach das nie wieder«, drohte er. Heute kann ich’s ihm nicht verdenken, denn mir ist klar, wie groß seine Sorge gewesen sein muss, mir könnte etwas Ernsthaftes zugestoßen sein.

HERBERT: Wobei die Zeiten sich ja komplett geändert haben: Heutzutage hat beinahe jedes Kind ein Handy und ruft an, wenn Unvorhergesehenes passiert. Damals hättest du zwar zu einer Telefonzelle gehen können, aber man wollte ja nicht vor den Freunden blöd dastehen, ich kenne das. Apropos: Dumm aus der Wäsch’ geschaut habe ich zumeist, wenn die Mutter mit mir zum Friseur ging. Auf dem Weg dorthin bettelte ich, sie möge meine Haare nicht zu kurz schneiden lassen. »Mach dir keine Sorgen, Berti«, versuchte sie mich zu beruhigen. Aber als ich dann mit diesem berühmten Umhang auf dem Sessel saß, schwante mir Böses. Meine Mutter deutete dem Friseur, wo er überall Hand anlegen müsste, und ich bin in hübscher Regelmäßigkeit mit einer Stoppelfrisur nach Hause getrottet. Ich war sauer, das kannst du mir glauben!

HANS: Frag mich nicht, wie es mir beim Haarschneider ergangen ist! »Hansi, du musst zum Friseur«, befahl der Vater. Und ich marschierte zu einem Typen, den ich gehasst habe. »Der Vater schickt mich«, sagte ich im Salon, »bitte nicht zu kurz und hinten ein Packl lassen, also gerade abschneiden.« Dem wurde Folge geleistet, aber als mein Vater abends heimkam, gab’s Zores. »Hansi, was soll das?«, fragte er, und am nächsten Tag saß ich in Begleitung der Mutter neuerlich beim Figaro. »Nehmen Sie gleich die Maschine«, fackelte die Mutter nicht lange. Ratzfatz waren die Federn weg und der Hinterkopf kurz geschoren. Wenn ich daran denke, wie wichtig mir die Haarpracht vor mehr als fünfzig Jahren war und wie sehr ich mittlerweile meinen Kurzhaarschnitt liebe, muss ich schmunzeln. Wenn ich im Sommer in Jesolo im Salon meines Freundes Luciano sitze, grinst der und fragt nur: »Stile estate?« Und ich antworte: »Si, tutto estate!« Ja, schön kurz, im Sommer-Look.

Über die Schule

HERBERT: Wichtiger als die Frisur war es für die Eltern, dass wir in der Schule durchkommen, und diesen Wunsch habe ich ihnen in der Hauptschule Simmering problemlos erfüllen können. Ein Schuljahr wiederholen wollte ich keinesfalls, das wäre ein verlorenes Jahr gewesen. Aber mit vierzehn wäre ich einmal beinahe von der Schule geflogen. Pass auf: Ich und ein paar andere Schüler schießen in der Pause im Klassenzimmer einen nassen Schwamm durch die Gegend. Gerade als ich in Aktion bin, schaut der Religionslehrer bei der Tür herein, kommt auf mich zu und gibt mir, ohne ein Wort zu sagen, eine Ohrfeige. Zu allem Überdruss musste ich mit roter Backe noch zum Herrn Direktor, der meine Mutter hereinbestellte und mir mit dem Rauswurf drohte. Zum Glück stand meine Mutter aber auf meiner Seite. »Sie wollen meinen Sohn rauswerfen? Wissen Sie was, ich gehe zur Polizei und zeige den Vorfall an!« Damit hatte der Direktor offenbar nicht gerechnet und gab sich im Handumdrehen versöhnlich. »Also gut: Herbert bleibt an der Schule, und Sie vergessen die Anzeige.« Meine Mutter war einverstanden. Alles paletti. Mit dem nassen Schwamm hat mich jedenfalls nie mehr jemand gesehen, und die Schule habe ich nach Plan abgeschlossen. Religion ist sowieso nie mein Lieblingsfach gewesen. Wusstest du, dass ich einige Zeit im Schulchor gesungen habe? Wirklich, kein Schmäh! Mein Klassenvorstand erzählte, es werde Nachwuchs gesucht, und ich habe eines gleich gekneißt: Wer im Chor singt, kriegt für Auftritte immer wieder unterrichtsfrei. Statt drei Stunden Deutsch zu büffeln, wäre ich mit dem Chor unterwegs. Das fand ich super, sehr super sogar! Ich meldete mich also zum Vorsingen an. Gewünscht war das Lied »Rote Rosen am Hügel, rote Beeren am Hang«. Genau diese beiden Sätze sang ich dann, den weiteren Text kannte ich nicht. Ich habe einfach weitergeträllert. Na, was glaubst? Die haben mich genommen! Die Frau Chorleiterin meinte zwar, vom Text hätte ich keine Ahnung, aber die Stimme sei brauchbar. In der Folge ging ich fleißig zu den Proben, während meine Klassenkameraden sich mit Matheaufgaben plagten. Wir sind in der Weihnachtszeit sogar in Pensionistenheimen oder bei Schulveranstaltungen aufgetreten. Ich erinnere mich vor allem daran, wie besessen unsere Musiklehrerin dirigierte. Bei manchen Auftritten musste ich mich beherrschen, um nicht loszuprusten.

HANS: Du als Sängerknabe? Ich hau mich ab! Im Chor zu singen, wäre nichts für mich gewesen, und in die Schule bin ich auch nicht gerne gegangen. In Turnen war ich gut, am Reck, an den Ringen, bei den Parcoursläufen, beim Kicken sowieso. Aber sonst? Physik war mir nie wichtig, Mathematik habe ich gehasst. Einem Fünfer zu entkommen, war mein einziges Ziel, und dafür habe ich geschummelt, was das Zeug hielt. Wenn meine Mutter in der Hauptschule in die Sprechstunde kam, sagten die Lehrer immer dasselbe: »Hansi wird durchkommen, aber er macht nur das Notwendigste.« Es hat zum Glück gereicht. Ich war nie in Gefahr, mir einen Nachzipf einzuhandeln. Da fällt mir ein: Geografie mochte ich, Geschichte auch. Vor allem die römische und griechische, was wohl an unserem Geschichtslehrer lag, der super vortragen konnte. Dem habe ich aufmerksam zugehört. Bei unseren Kindern haben meine Frau und ich in der Schulzeit jedenfalls nie Druck ausgeübt. Durchzukommen war auch bei ihnen das Motto. Inge und ich sind stolz darauf, wie ambitioniert Sandra, Johann und Maria heute ihr Berufsleben bestreiten.

Über die Sturm-und-Drang-Zeit

HERBERT: Die Schulzeit war auch unsere Sturmund-Drang-Zeit, nicht wahr? Darüber können wir beide wahrscheinlich genug Blödsinn erzählen. Aber genau wie du, Hans, hatte ich einen strengen Vater, der darauf achtete, wann ich etwa mit 15 Jahren abends heimkam. Ich habe Fußball gespielt, war Kfz-Mechanikerlehrling und zum ersten Mal schwer verliebt. Aber um 23 Uhr hatte ich zu Hause zu sein, da verstand Prohaska Senior keinen Spaß. Ich weiß noch, nach einem Rendezvous im ersten Bezirk begleitete mich meine Freundin bis nach Hause. Sie durfte nämlich länger ausbleiben. Weil ich zu spät dran war, rief mein Vater aus der Entfernung: »Um die Uhrzeit kommst du erst!« Mein Gott, war das peinlich, ich habe mich unglaublich geniert. Aber das war typisch für ihn. Bei der kleinsten Verspätung zog er sich nochmals an und wartete auf der Straße, um mich in aller Öffentlichkeit abzukanzeln. Dabei war am frühen Abend in Tanzlokalen oder Diskotheken tote Hose. Wenn gegen 22.30 Uhr die ersten Gäste eintrudelten und es richtig losging, musste ich immer schon heimfahren.

HANS: Das war alles andere als lässig, kann ich mir vorstellen, und hat engeren Kontakt zu den Mädels sicher ziemlich erschwert. Bei mir passierte das erste Anbandeln im wahrsten Sinne des Wortes beim Volkstanzen. Meine Hauptschule traf sich mit verschiedenen Mädchen-Klassen, und dann haben wir mit bunten Bändern in Reih und Glied getanzt. Klingt fürs Erste fad, ich weiß. Wenn wir die Mädels auffordern sollten, artete das aber meist zu tumultartigen Szenen aus. Jeder der Burschen wollte ein hübsches Mädchen zum Tanz holen, und dabei wurde ordentlich geschupft und gerempelt. »Geh weg, ich war schneller«, wollte ich mir mein Recht erkämpfen, mit der Schönsten zu tanzen, nachdem ich die Reihe der Mädels durchgegangen war und ein blitzschnelles Ranking gemacht hatte: okay, zuerst zur Blonden, sonst zur Schwarzhaarigen oder zur Brünetten. Es war das reinste Kasperltheater, sag ich dir. Die Mädels haben nur gegrinst.

HERBERT: Sie haben euch für Idioten gehalten, ist doch klar. Ich nehme mich aber nicht aus, habe mich mit fünfzehn auch zum Deppen gemacht. Ich spielte bei Ostbahn XI, arbeitete bereits in der Kfz-Werkstätte und hatte vor allem ältere Freunde, also ab zwanzig Jahren aufwärts. Das war meistens lässig, aber nicht immer. Zum Beispiel als wir an einem Sonntagnachmittag zum Fünf-Uhr-Tee im Volksgarten auftauchten. Das Motto: Mädels aufreißen, was sonst? Acht von zehn Gästen seien weiblich, versprach einer meiner Spezis. Los war bei diesem Tanznachmittag tatsächlich einiges, aber kaum eine der Frauen war jünger als fünfundzwanzig. Kein Wunder, dass die meisten mit mir nichts anzufangen wussten und ich mir einen Korb nach dem anderen holte. Ich sehe das heute noch vor mir. Ich komme an einen Tisch, frage höflich: »Gestatten?«, und höre nur: »Nein, danke!« In derselben Tonart ging’s weiter. »Gestatten?«, und wieder: »Nein, danke!« Es war zum Verzweifeln. Ich fühlte mich als Mann, die Frauen hielten mich für einen Rotzbuam. Bei meinem nächsten Versuch habe ich rechtzeitig gemerkt, dass zwei Ladys bereits kicherten und bin kurzerhand in Richtung Klo abgebogen. Zu meinem Glück hat sich irgendwann doch eine Frau erbarmt und ist mit mir tanzen gegangen. Du kannst dir denken, die habe ich bis zum Heimgehen nicht mehr aus den Augen gelassen.

HANS: Du armer Teufel! Mein Mitleid wäre dir sicher gewesen. Mir ist dafür mit sechzehn bei einer Disco in Hietzing was Urpeinliches passiert. Dort habe ich mich am Wochenende öfter mit gleichaltrigen Freunden von Rapid beim Tanznachmittag getroffen. Wir haben geblödelt, etwas getrunken und vor allem geschaut, ob die eine oder andere fesche Frau auftaucht. Das perfekte Cha-Cha-Cha-Tanzen war uns nicht wichtig, wie du dir denken kannst. Als ich mich am frühen Abend zwischen Tanzfläche und Schiebetür am Eingang umsehe, trifft mich auf einmal der Schlag. Zwischen den Gästen tauchte meine Mutter auf. Ich war perplex und habe sie geistesgegenwärtig zurück auf die Straße gedrängt. »Was machst du hier?«, bin ich sie angefahren. Und sie erwiderte nur: »Hansi, Hansi, du hast deine Wohnungsschlüssel vergessen!« Jessas, mehr habe ich nicht gebraucht. »Gib mir den Schlüssel«, sagte ich und streckte ihr panisch die Hand hin. »Und pfiat di.« Gott sei Dank drehte sich meine Mutter schnurstracks um und ging wieder heim. So eine Blamage, vor meinen Spezis! Du kannst dir vorstellen, wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe.

HERBERT: Na klar kann ich das! Mir ist etwas Ähnliches in einem Kino in Simmering passiert. Das war ein erotisches Kino mit Soft-Pornos, wie sie heutzutage bezeichnet werden. »Nicht fummeln, Liebling« und »Engelchen oder die Jungfrau von Bamberg« haben sie dort gezeigt, mit der feschen Gila von Weitershausen. An diesem Nachmittag lief jedenfalls irgendein Sexfilm, und ich schaute mich auf der Straße verstohlen um, ehe ich mit zwei Freunden reinging. Wir sitzen in der zweiten Reihe, alles super. Irgendwann drehte ich mich im Dunkeln um und traute meinen Augen nicht: In Reihe vier saß mein Vater und genoss offenbar ebenfalls die Vorstellung. Beim Rausgehen war es ihm klarerweise peinlich, als ich wissen wollte, warum er sich diesen Film anschaut. Einen Moment lang wusste mein Vater nicht so recht, was er antworten sollte. Und dann meinte er allen Ernstes: »Ich dachte, die würden etwas ganz anderes zeigen.« Herrlich, oder? Und das Beste war sein Nachsatz: »Herbert, zu Hause erzählen wir aber nichts davon!« Ich habe verschwörerisch genickt, und dieser Nachmittag blieb unser Geheimnis.

HANS: Hätte ich auch so gemacht! Klar, Kinogehen war in der Jugend was Besonderes und, du weißt schon, immer dazu geeignet, dem schönen Geschlecht ein wenig näherzukommen. Mein Jugendfreund Günter Leber und ich sind gerne mit unseren Freundinnen in ein Kino gegangen und dann am Balkon gesessen, wo es gemütlich und menschenleer war. Günter nahm zwei Karten in der vierten Reihe ganz links, ich in der vierten Reihe ganz rechts. Blöd nur, dass uns die Platzanweiserin meistens durchschaute und trocken kommentierte: »Aha, Balkon, vierte Reihe. Ihr seid also nur zum Schmusen hergekommen.« Günter und ich haben einen hochroten Schädel gekriegt, uns das Vergnügen aber nicht nehmen lassen. Weißt du, wer damals meine Freundin war? Inge, sie war sechzehn. Ich war achtzehn. Und heuer sind wir 51 Jahre verheiratet. Apropos Heirat: Mit zwanzig war ich Ehemann und hatte deshalb beim Präsenzdienst eine sogenannte Heimschläfer-Genehmigung. Als Heeressportler musste ich morgens um sieben bei der Standeskontrolle sein und durfte mit dem Auto sogar im Kasernenhof parken. Um halb sieben bin ich also mit meinem Lotus Europa vorgefahren. Ein gelber Zweisitzer, ein Schmuckstück. Dieser Wagen hat regelrecht Musik gemacht: »Wumm, wumm, wumm«, und am Parkplatz habe ich noch ordentlich Gas gegeben, damit jeder in der Kaserne wusste: Der Hansi ist da! Alle schauten beim Fenster runter, echt leiwand. Nach drei Monaten habe ich den Wagen wieder verkauft, weil der Hund im Winter nicht und nicht anspringen wollte.

HERBERT: