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Wählt Stahlratte!
Stahlratte hat erst die Erde und dann die gesamte Galaxis gerettet - doch jetzt ist endlich Zeit, die Flitterwochen nachzuholen! Mit seiner Familie macht Jim di Griz Urlaub auf Paraiso-Aqui, einem paradiesischen Planeten, der von einem Diktator regiert wird. Dieser unterdrückt sein Volk mit brutalsten Methoden und lässt sich in manipulierten Wahlen immer wieder aufs Neue im Amt bestätigen - bis die Stahlratte gegen ihn antritt ...
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Seitenzahl: 327
Veröffentlichungsjahr: 2014
HARRY HARRISON
MACHT STAHLRATTE ZUM PRÄSIDENTEN!
Roman
»Fällt dir ein besonderer Trinkspruch ein?«, fragte ich und schaute genau zu, wie der Ober unsere Gläser mit kostbar funkelndem Wein füllte.
»Und ob!«, erwiderte meine geliebte Angelina, hob das Glas und blickte mir über den Rand tief in die Augen. »Auf meinen Mann Jim diGriz, der soeben das Universum gerettet hat. Mal wieder.«
Ich war gerührt. Besonders das Mal wieder tat es mir an. Da ich von Natur aus ungemein bescheiden bin, ist es stets ein Vergnügen, eigene Anschauungen über meine Talente unaufgefordert bestätigt zu bekommen. Zumal wenn solche Worte von einer Person gesprochen werden, die so reizend, charmant, intelligent und gefährlich-skrupellos ist wie meine Angelina. Da sie außerdem bei der leidigen Affäre mit den Schleimbrocken dabei gewesen war und aktiv eingegriffen hatte, als ich sie daran hinderte, unsere Galaxis zu erobern, schätzte ich ihre Äußerung noch mehr.
»Zu freundlich von dir«, murmelte ich. »Aber die Wahrheit darf nicht verschwiegen werden. Nun ist aber alles ausgestanden, und wir wollen die unerfreulichen Dinge vergessen, auf die Siege trinken – und das beste Essen genießen, das wir in diesem Lokal bekommen können.«
Wir ließen die Gläser klingen und tranken ausgiebig. Über die Schulter meiner Frau blickend, bewunderte ich die orangerote Blodgett-Sonne, die hinter einem purpurnen Stadtpanorama versank und mit ihren Strahlen auf dem draußen verlaufenden Kanal hübsche Spiegelungen erzeugte. Und aus den Augenwinkeln behielt ich die beiden Schlägertypen im Auge, die diskret unseren Tisch überwachten. Ich kannte die Burschen nicht – wusste aber, dass sie in den feuchten Achselhöhlen dicke Kanonen hängen hatten.
Ich war allerdings entschlossen, mir nicht die Stimmung verderben zu lassen! Angelina und ich plauderten, tranken Wein und aßen reichlich von dem Curry-Mastodon. Ein Violinquartett spielte, die Dunkelheit brach herein, wir ließen uns Zeit mit Kaffee und Likör – und Angelina nahm einen winzigen Spiegel aus der Tasche und zog ihre Lippen nach.
»Du weißt natürlich, dass da am Eingang zwei miese Typen sitzen, die uns seit der Vorspeise genau beobachten.«
Ich nickte und zog seufzend mein Zigarrenetui. »O ja, meine Liebste, leider. Ich habe aber den Mund gehalten, weil ich fürchtete, sie würden uns das Essen verderben.«
»Unsinn! Ein bisschen Würze schadet nie.«
»Du vollkommenste aller Frauen!«, schwärmte ich und zündete mir lächelnd die Zigarre an. »Dieser Planet ist durchdrungen von Langeweile. Da ist mir alles willkommen, was auch nur das geringste Interesse weckt.«
»Ich bin froh, dass du so denkst …« Sie blickte in den Spiegel. »Denn sie sind auf dem Weg hierher. Kann ich dir irgendwie helfen? Ich bin allerdings schlecht gerüstet, denn ich hab' nur diese winzige Abendtasche bei mir. Ein paar Granaten, eine Handvoll Sonarbomben, nichts Bedeutsames.«
»Ist das alles?«, fragte ich, und meine Augenbrauen stiegen dem Haaransatz entgegen. Meine Angelina erstaunt mich immer von neuem.
»Nein. Dieser Lippenstift ist eine Einmal-Pistole und wirkt noch auf fünfzig Meter tödlich …«
»Brauchen wir nicht«, sagte ich hastig. »Es sind doch bloß zwei. Lehn dich zurück und schau zu! Ein bisschen Bewegung fördert die Verdauung.«
»Vier. Die Kerle haben sich Freunde mitgebracht.«
»Trotzdem stehen meine Chancen besser.«
Nun hörte ich bereits die dröhnenden Schritte hinter mir – und entspannte mich. Nach der Gewichtigkeit des Auftretens zu schließen, konnte es sich nur um Polizisten handeln. Mit Verbrechern hatte ich hie und da meine Probleme. Die Ortspolizei aber war harmlos. Von der schaffte ich vor dem Frühstück eine ganze Schwadron und hatte trotzdem noch Lust aufs Mittagessen. Die Schritte verstummten, und der stämmigere der beiden erschien vor mir. Ich spannte meine Muskeln an, als er in die Tasche griff – und atmete auf, denn er zog nur ein goldenes Abzeichen heraus, das schnuckelig mit Edelsteinen verziert war.
»Ich bin Captain Kretin von der Polizei Blodgett. Während Sie, so vermute ich, der Mann sind, der unter dem Tarnnamen Edelstahlratte arbeitet …«
Tarnname, soso! Wie ein Verbrecher aus seiner Kartei! Zornig knirschte ich mit den Zähnen, hob die Hände und zerbrach meine Zigarre vor seinem Gesicht. Er riss die Augen auf – und machte sie wieder zu, als ihm das Schlafgas aus der zerbrochenen Zigarrenphiole in die haarigen Nasenlöcher stieg. Ich nahm sein Abzeichen – schließlich hatte er es mir geben wollen – und wandte mich zur Seite, während er mit dem Gesicht in die Zuckerschale krachte.
Ich setzte die Drohung fort, wobei ich den Zeigefinger starr ausgestreckt hielt – eine tödliche Waffe, die seinen korpulenten Kollegen unmittelbar hinter dem Knieferknochen traf. Es liegen dort Nervenstränge, die, trifft man sie genau in der Mitte, augenblicklich Bewusstlosigkeit auslösen. Und ich traf nicht daneben. Er legte sich säuberlich über seinen fetten Freund.
Das weitere wartete ich gar nicht erst ab. »Zweiundzwanzig!«, rief ich Angelina zu und machte mich auf den Weg zur Küchentür. Aber schon erschienen dort zwei weitere Polizisten auf der Schwelle. Und der Haupteingang war von den Überlebenden des ursprünglichen Quartetts blockiert.
»In der Falle!«, rief ich und aktivierte den Sonarschriller an meiner Gürtelschnalle. Einige andere Gäste schrillten darauf ihrerseits los, denn die Vibrationen erzeugten Schreckensgefühle. Hübsche Sache. In dem entstehenden Durcheinander wollte ich durch den Notausgang entwischen, der von einem Wandvorhang verdeckt wurde.
Nur verdeckte der Vorhang nicht nur den Notausgang. Zwei weitere Beamte standen mir im Weg. Nun wurde es langsam ärgerlich. Ich sprang auf einen langen Banketttisch und tänzelte kunstvoll darauf entlang, wobei ich mit einer Präzision zutrat, die mein Alter Lügen strafte: kein Geschirrteil ging zu Bruch. Dieser Vorstellung folgten weiteres Geschrei und Gerufe, bis ich dann am Ende anlangte und mich umwandte – dem Fenster den Rücken zudrehend.
Ich saß in der Falle. Jeder Ausgang war versperrt, und die Gesetzeshüter rückten vor wie Panzer.
»So einfach ist das nicht!«, brüllte ich. »Bessere Bullen als ihr haben versucht, den aalglatten Jim diGriz zu fangen! Ohne Erfolg! Lieber ein sauberer Tod als ein schmutziges Gefängnis!«
Ich machte meine süße Angelina aus, die hinter den Reihen der Angreifer stand und mir zum Abschied einen Handkuss zuwarf. Ich winkte ein letztes Mal, während ich die Beinmuskeln anspannte und nach hinten sprang.
»So endet die Saga der Edelstahlratte!«, rief ich.
Meinen Worten folgte das Klirren von Glas, denn ich brach durch das Fenster und wirbelte in die Nacht hinaus.
Und stürzte. Und drehte und wendete mich unterdessen. So dass ich sauber in das Wasser des Kanals eintauchte und in schwungvollem Bogen davongeführt wurde. Erst einige Meter entfernt und im Schutz der Dunkelheit kam ich wieder an die Oberfläche.
Es war der glückliche Abschluss eines angenehmen Abends. Während ich im Bruststil gelassen durch die Nacht schwamm, summte ich vor mich hin; wenigstens einige Sekunden lang hatte ich Freude auf diesen langweiligen Planeten gebracht. Widerstrebend hatte sich die Polizei auf ein paar Bewegungsübungen eingelassen; jetzt konnten sich die Beamten beruhigen und jene endlosen Berichte abfassen, die ihnen so am Herzen liegen. Die Zeitungen würden – zur Abwechslung – mal etwas Interessantes melden können, und die Bevölkerung würde fasziniert von den aufregenden Ereignissen des Abends erfahren. Eigentlich sollte man mich wie einen Wohltäter der Menschheit behandeln – nicht wie einen Verbrecher. Aber es gibt nun mal keine Gerechtigkeit; da ich das wusste, schwamm ich gemessen weiter.
Nummer 22 war ein Schutzhaus in einem der unschöneren Bezirke Blodgetts. Angelina wusste, was die Nummer bedeutete, und würde dorthin kommen. Und die Gefahr, dass meine nasse Kleidung Aufmerksamkeit erregen würde, soweit überhaupt Leute so verrückt waren, sich auf diese gefährlichen Straßen zu wagen, beurteilte ich als gering: das Haus hatte einen Geheimzugang, der in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt begann. Ihn benutzte ich jetzt passenderweise. Im Haus selbst hinterließ ich eine Fährte feuchter Sachen, die ins Badezimmer führte, wo eine heiße Dusche mich entspannte und aufmunterte. Ich hatte bereits frische Sachen an und nippte gerade an einem belebenden Drink, als Angelina durch den konventionelleren Eingang trat.
»Ein bemerkenswerter Abgang«, sagte sie.
»Ich hatte gehofft, dass er dir gefallen würde«, bemerkte ich und hob den Finger. »Mein Schatz, du hast versehentlich die Tür offen gelassen.«
»Nicht versehentlich, Liebster«, antwortete sie. Und schon dröhnte eine angreifende Polizistenhorde hinter ihr über die Schwelle.
»Verrat!«, kreischte ich und sprang auf. »Et tu, Brute?«
»Ich werd's dir erklären«, sagte sie und kam auf mich zu.
Ich bin zwar gut, aber so gut nun auch wieder nicht. Das bloße Gewicht der Übermacht genügte, mich am Boden festzuhalten. Die beiden ersten Angreifer sackten bewusstlos zu Boden, wie auch die nächsten zwei. Doch schon hatte mich jemand in den Schwitzkasten genommen, und während ich mich aus dem Griff zu befreien versuchte, schnappte sich ein anderer Polizist mein Fußgelenk. Und so weiter. Vor Wut brüllend, einem Riesen vergleichbar, der von Ameisen überwältigt wird, fiel ich dem Ansturm zum Opfer. Meine letzte Tat bestand darin, den rechten Arm lange genug freizukämpfen, um das juwelenbesetzte Polizeiabzeichen aus der Tasche zu ziehen und quer durchs Zimmer Angelina vor die Füße zu werfen.
»Hier!«, intonierte ich. »Das hast du dir verdient! Nicht als Souvenir, wie ich vorhatte, sondern als schmückendes Symbol für deine neue, verräterische Allianz mit der Polizei!«
»Nett gesagt!«, rief sie, hob das Ding auf, machte einen Schritt vorwärts und versetzte mir einen hart geschlagenen Uppercut auf die Kinnspitze. »Und das ist dein schmückendes Symbol, weil du deiner Frau misstraust. Lasst das Geschöpf los!«
Die Hände, die mich festhielten, ließen los, und ich sank betäubt zu Boden. Angelinas Kinnhaken haben es in sich. Als die herumwirbelnden Konstellationen verschwunden waren und ich wieder sehen konnte, bekam ich gerade noch mit, wie sie dem Polizisten neben sich das Abzeichen zurückgab.
»Dies ist Captain Kretin«, erklärte sie, »der schon vorhin mit dir sprechen wollte. Bist du nun endlich bereit zuzuhören?«
Ich brummte etwas vor mich hin, das nicht mal ich verstehen konnte, torkelte zum nächsten Stuhl, rieb mir das Kinn und hatte unheimlich Mitleid mit mir selbst.
»Wie ich Ihrer charmanten Frau schon erklärt habe, Mr. diGriz«, legte der Captain los, »bitten wir Sie lediglich um die Mithilfe bei Ermittlungen. Ein Mann ist brutal ermordet worden …«
»Ich war es nicht! Zu der Zeit befand ich mich nicht in der Stadt! Ich will meinen Anwalt sprechen …«
»Jim, Liebling, hör dir doch endlich an, was dieser nette Polizist zu sagen hat!«
Die Art und Weise, wie sie das Liebling betonte, vermittelte mir das Gefühl, Eiswasser liefe durch meine Adern. Ich klappte den Mund zu. Es kann tödliche Folgen haben, meine Angelina zu provozieren.
»Sie haben das missverstanden. Niemand hat Sie im Verdacht. Wir benötigen lediglich Ihre Hilfe bei dem Versuch, diese scheußliche Missetat aufzuklären. Es ist seit hundertunddreizehn Jahren der erste Mord auf Blodgett, wir sind also nicht gerade geübt in solchen Dingen.«
Der Captain zog sein Notizbuch zu Rate und fuhr mit langweilender, monotoner Stimme fort: »Am frühen Nachmittag, gegen 13.00 Uhr, gab es im Zaytoun-Bezirk dieser Stadt, unweit Ihrer Wohnung, einen Aufruhr. Zeugen sagen aus, dass sich drei Männer im Laufschritt vom Schauplatz des Verbrechens entfernten. Die Polizei wurde gerufen und fand das Opfer des Überfalls vor, auf das brutal eingestochen worden war. Der Mann starb, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen. Seine Taschen waren leer, seine Brieftasche fehlte, er besaß keinerlei Ausweis. Während der anschließenden Leichenschau aber wurde ein Stück Papier in seinem Mund gefunden. Das ist es.« Er hielt einen zerknüllten Fetzen empor, und ich griff vorsichtig danach.
In ungelenken Buchstaben stand darauf: EDLSTALRATA.
»Die Person, die das geschrieben hat, steht mit der Rechtschreibung aber auf Kriegsfuß«, brummte ich, noch immer etwas angeschlagen von Angelinas zierlicher, aber durchschlagender Faust.
»Eine bemerkenswerte Beobachtung«, sagte sie, nachdem sie mir über die Schulter geschaut hatte. Ihr Tonfall war alles andere als freundlich. Der Polizist salbaderte weiter:
»Wir vertreten die Theorie, das Opfer habe sich mit Ihnen in Verbindung setzen wollen. Wenn das der Fall ist, dürfte der Mann, als er angegriffen wurde, das Papier in den Mund gesteckt haben, damit die Angreifer es nicht bei ihm fänden. Hier ist sein Bild. Wir würden gern die Identität des Toten feststellen.«
Er reichte mir die Aufnahme. Ich stellte blinzelnd meine Augen scharf und schaute mir die Szene an. Es war deprimierend. Ich weiß, wie Leichen aussehen, so dass mir dieser Aspekt keine Mühe machte. Es war eine gute Holographie in dreidimensionalen Farben, klar und scharf. Immer wieder drehte ich das Gebilde in der Hand – und gab es zurück.
»Das ist ja alles sehr interessant«, bemerkte ich, »aber ich habe diesen Mann wirklich und wahrhaftig noch nie gesehen.«
Die Beamten hätten mir am liebsten nicht geglaubt, doch schließlich blieb ihnen nichts anderes übrig. Sie waren sichtlich der Überzeugung, dass ich sie anlog – obwohl ich die reine Wahrheit sagte. Nach etlichen weiteren sinnlosen Fragen zog die Ordnungsstreitmacht ab, wobei sie drei Uniformierte mitnahm, die noch nicht wieder zu sich gekommen waren. Ich ging an die Bar, um uns ein starkes Getränk zusammenzumixen, da es nun doch ein ziemlich anstrengender Abend geworden war. Doch als ich mich mit den Gläsern in der Hand umdrehte, entdeckte ich kaum einen Zentimeter von meinem linken Augapfel entfernt die Spitze eines scharfen Küchenmessers.
»Also, was hast du da eben über mich als Verräterin gesagt?«, fragte Angelina mit warm-kalter Stimme – Honig über Eis.
»Meine Liebste!«, japste ich und wich zurück. Das Messer aber bewegte sich mit und veränderte seine Position in Bezug auf mein Auge nicht. Der Schweiß brach mir aus, während ich geschickt zu lügen begann. »Wie kannst du so herzlos sein? So wenig verständnisvoll? Als die Polizei erschien, war ich natürlich sicher, dass sie dich gefangen hatte, dich gezwungen hatte, sie gegen deinen Willen hierherzuführen. Da nannte ich dich eine Verräterin, damit die Beamten denken mussten, du hättest mit der Tat, derer man mich beschuldigen wollte, nichts zu tun. Ich wollte dich damit nur schützen, mein Liebstes!«
»O Jim, ich war ja so grausam zu dir!« Das Messer klapperte zu Boden, und schon legte sie die Arme um mich, und ich jonglierte verzweifelt, damit ich ihr die Drinks nicht über den Rücken goss. Ihre Arme waren kräftig, ihre Umarmung heißblütig, ihre Küsse leidenschaftlich. Und ich kam mir vor wie eine miese Ratte.
»Na, na«, keuchte ich, als wir endlich Luft holen mussten. »Ist doch nur ein Missverständnis. Jetzt wollen wir uns den Drinks widmen und herauszufinden versuchen, was hier eigentlich läuft.«
»Hast du wirklich die Wahrheit gesagt? Du hast den Toten nie vorher gesehen?«
»Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit! Ich weiß, dass ich damit eine alte Regel gebrochen habe, der Polizei niemals etwas mitzuteilen, das ihr im geringsten weiterhelfen kann. In diesem Fall aber kann es nicht schaden. Der Mann ist mir völlig fremd.«
»Dann wollen wir feststellen, wer er ist.« Sie holte die Holografie hinter dem Sofa hervor, wo sie sie versteckt hatte. »Dies konnte ich dem Captain aus der Tasche klauen, als er ging. Es besteht kein Anlass, die hiesige Polizei in die Angelegenheiten des Spezialkorps hineinzuziehen. Ich setze mich sofort mit dem hiesigen Agenten in Verbindung.«
Natürlich hatte sie recht. Zweifellos besaß diese Affäre Aspekte, die weit über diesen Hinterhofplaneten hinausreichten. Da die Identitätsunterlagen auf dieser Welt unangenehm komplett waren, musste der Mann von auswärts kommen. Und daraus ergab sich die Konsequenz, dass der Fall in die Zuständigkeit der legendären, galaxisweit arbeitenden, professionellen, überlegenen und allesumfassenden Polizeimacht gehörte, die als Spezialkorps bekannt war – deren wichtigstes Mitglied ich bin, wie ich in aller Bescheidenheit hinzufügen darf.
»Zur Identifizierung brauchen wir mehr als das Bild«, sagte ich und gab es Angelina zurück. »Der Agent soll zu uns kommen. In einer Stunde bin ich wieder da und bringe ihm alles, was er für seine Ermittlungen braucht.«
Vor dem Abmarsch schob ich mir ein kleines Werkzeugetui in die Tasche. Das städtische Leichenschauhaus war nicht weit entfernt – daran sehen Sie, wie mies die Gegend wirklich war –; ich brach durch ein rückwärtiges Fenster ein und überwand ohne Zeitverlust drei verschlossene Türen. Ich knacke Schlösser wie andere mit den Fingerknöcheln knacken.
Ich zog die Kühlschublade heraus und besah mir die Leiche. Die vage Hoffnung, dass er mir gekühlt-leibhaftig bekannter vorkommen würde, verflog. Das Rätsel war und blieb ein Rätsel. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich Haut- und Haarmuster genommen und dem Mann Schmutz unter den Fingernägeln hervorgekratzt hatte. Seine Kleidung war von der Polizei sorgfältig registriert und nummeriert worden. Ich machte sie ausfindig und verschaffte mir ebenfalls Proben. Und weitere Brocken, die ich von den Schuhen kratzte. Danach verschwand ich auf dem Weg, auf dem ich gekommen war – und niemand erfuhr von meinem Erscheinen und Verschwinden. Dieser kleine Einsatz lief so reibungslos, dass ich praktisch gleichzeitig mit dem Spezialkorpsagenten eintraf, der ebenfalls den Toiletteneingang benutzte.
»Schönes Wetter heute, Mr. diGriz«, sagte er und ordnete seine Kleidung.
»Es ist ja immer schön auf Blodgett, Charley. Deshalb hasse ich es hier. Wann geht die nächste Kuriersendung zum Hauptquartier ab?«
»In wenigen Stunden. Die wöchentliche Tasche. Ich überbringe sie persönlich.«
»Bestens. Nehmen Sie diese Behälter mit. Sagen Sie dem Labor, es soll die Muster in jeder denkbaren Richtung untersuchen. Hier ist ein Bild des kürzlich Verstorbenen, von dem die Proben stammen. Verschaffen Sie mir Gen-Tests, Pollentests, Blutgruppenbestimmung, eine Ethnotypisierung, einfach alles, was man sich vorstellen kann. Ich will wissen, wer dieser Mann ist … äh … war. Wenn er nicht identifiziert werden kann, will ich erfahren, woher er kam. Er hat mich gesucht – und den Grund hätte ich gern gewusst.«
Die Antwort kam überraschend schnell. Kaum drei Tage später klingelte es an der Haustür; ich schaute in den Scanner und sah den guten alten Charley vor mir. Ich ließ ihn ein und griff nach der versiegelten Kiste, die er bei sich hatte. Er entwand sie meinem Griff und kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. Ich knurrte tief in der Kehle, und er wurde sichtlich nervöser.
»Ich habe meine Befehle, Mr. diGriz, von unserem Supremo Inskipp, dem Befehlshaber.«
»Und welche Entschuldigung hat dieser nette Mann vorzubringen?«
»Er sagt, Sie hätten auf das Geheimkonto des Korps gefälschte Schecks ausgestellt, und er will die fünfundsiebzigtausend Kredits zurückhaben, ehe er weitere Informationen liefert an so einen heruntergekommenen Gauner wie …«
»Sie nennen mich einen heruntergekommenen Gauner!«
Er wieherte vor Angst und versuchte sich meinen zupackenden Fingern zu entziehen.
»Nein! Sie haben mich missverstanden! Nicht ich habe das gesagt, sondern Inskipp. Ich gebe seine Worte nur wörtlich wieder, wie befohlen.«
»Der Überbringer schlechter Nachrichten hat meistens sein Leben gleich mit verwirkt«, fauchte ich, und meine Finger zuckten vor Zorn. Wieder griff ich nach dem Mann, aber da tauchte plötzlich Angelina auf und stellte sich zwischen uns. Sie hielt Charley einen Scheck hin.
»Hier ist das Geld, das wir uns vom Konto geliehen hatten. Ein simpler Buchungsirrtum, meinen Sie nicht auch?«
»Und ob! Mir passiert das manchmal auch.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und reichte ihr die Kiste. »Wenn Sie dies Ihrem Mann geben wollen, ich muss weiter. Ein voller Tag, haha.« Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und ich nahm Angelina den Koffer aus der Hand, wobei ich so tat, als bemerkte ich das zornige Blähen ihrer Nasenflügel nicht.
»Das ist es also«, sagte ich und presste den Daumen auf den Sicherheitsverschluss. Der Koffer ging auf, ein Bildschirm erwachte zum Leben und wurde hell. Inskipps deprimierende Visage füllte die Fläche, und ich ließ den Koffer beinahe fallen. Angelina musste meinen Ausdruck gesehen haben, denn sie nahm mir die Last ab und stellte sie auf den Couchtisch. Das Inskipp-Bild starrte mich mürrisch an und wedelte mit einem Stück Papier herum.
»Sie müssen damit aufhören, der Organisation Geld zu klauen, diGriz. Das macht sich schlecht als Vorbild für die Truppe. Ihre letzte Unterschlagung werden Sie ja wohl zurückgezahlt haben, weil Sie diese Aufzeichnung sonst nicht sähen. Ich rede überhaupt nur noch mit Ihnen, weil wir großes Interesse an Paraiso-Aqui haben.«
»Was ist denn Paraiso-Aqui?«, fragte ich laut.
Das Fernsehbild nickte weise. »Sie fragen sich bestimmt, was denn Paraiso-Aqui ist.« Wie selbstgefällig und sicher dieser Mann doch war! Und wie leicht war es, seinen Boss zu hassen! Besonders wenn er einem mehrere Schritte voraus war. »Aber ich sag's Ihnen. Es ist die Heimat des Ermordeten, den das Labor für Sie identifizieren sollte. Sie erhalten hiermit den Auftrag hinzufliegen und sich umzusehen. Dann kehren Sie zurück und machen mir Meldung. Wenn Sie die beigefügten Unterlagen studieren, dürfte Ihnen unsere Interessenlage schnell klarwerden.«
Das Bild verschwand, der Bildschirm wurde dunkel. Ich ließ das Gerät wieder in seiner Vertiefung verschwinden und ergriff den Umschlag, der darunter gelegen hatte.
»Sehr interessant!«, sagte ich, während ich die gedruckten Seiten durchblätterte.
»Inwiefern?«
»Weil ich nicht nur den Mann nicht kenne, der mich aufsuchen wollte, sondern auch den Namen seiner Heimatwelt noch nie gehört habe.«
»Nun ja … dagegen werden wir wohl was unternehmen müssen, wie?«
»Und ob!«, sagte ich und erwiderte ihr Lächeln. »Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und Inskipps Anweisungen zu befolgen. Ob es uns gefällt oder nicht, wir werden diesem geheimnisvollen Planeten einen Besuch abstatten müssen.« Angelina nickte, und wir grinsten uns auf das Idiotischste an. Wohl wissend – ohne zu ahnen, wieso –, dass die derzeitige Periode friedvoller Langeweile zu Ende ging. Die Zukunft lockte mit neuen Verheißungen. Ich spürte es in den Knochen. Etwas sehr Ungewöhnliches und Interessantes bahnte sich an.
Der Reiseprospekt war schwer, fühlte sich angenehm an und bot auf dem Umschlag bedeutungsschwere Texte. »Besuchen Sie die sonnige Vollkommenheit der Ferienwelt Paraiso-Aqui!«, las ich vor.
Angelina, die neben mir saß, zitierte aus einem dünnen und nüchterner gehaltenen Band, der passenderweise einen schwarzen Einband trug: »Paraiso-Aqui ist ein Planet, der während der ersten galaktischen Expansion besiedelt und erst kürzlich wiederentdeckt wurde. Bekannt ist er insbesondere wegen seines Regierungssystems, welches das korrupteste in der Galaxis genannt werden kann.«
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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