Maddrax 559 - Christian Schwarz - E-Book

Maddrax 559 E-Book

Christian Schwarz

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Beschreibung

Während sich Pilâtre de Rozier in der Parallelwelt aufhält, sind Matt und Aruula mit den beiden Daa'muren am Kratersee unterwegs. Hier hoffen sie jene Kristalle zu finden, die die einzig wirksame Heilung vom Dunklen Keim versprechen. Matt will die Suche bei dem Drakullendorf beginnen, zu deren Einwohnern sie bereits Kontakt hatten. Doch Je'lynn, der Dorfvorsitzende, ist erschrocken über ihr Vorhaben und weist sie zurück. Die Herrin vom See würde nicht dulden, sich an dem Schatz zu vergreifen.
Die Gefährten ignorieren die Warnung - und stoßen auf ein Erbe der Vergangenheit, das im Jahre 2510 in einem Bunker in Novosibirsk seinen Anfang nahm ...


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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Der Schatz im Kratersee

Epilog

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Mensch¬heit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht...

Während es Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlägt, hat der Kampf gegen den Streiter dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich einen Weg in die Heimat finden, haben sie nur wenig Zeit, die Katastrophe abzuwenden. Zwar gelingt es, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums, das in der Folge an besonderen Punkten aufbricht – dort wo die Nachfahren der Menschheit, die Archivare, in der Zeit zurückgereist sind, um technische Artefakte der Vergangenheit zu sammeln. Nun tauchen an den Bruchstellen Areale verschiedener Parallelwelten auf.

Zusammen mit dem Pflanzenwesen GRÜN gelingt es unseren Helden, mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse zu versiegeln – bis eine Bruchstelle kollabiert, die nicht auf die Archivare zurückgeht, GRÜN und den Organismus beinahe tötet und ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in die Gegenwart versetzt. Kaiser Pilâtre de Rozier, der dort regiert, hat den Austausch beobachtet – und dass das Luftschiff seines Sohnes Victorius darin verschwand, während der See durch eine gewaltige Stadt ersetzt wurde. Matt und Aruula stellen fest, dass die Menschen aus dem Areal einen »bösen Keim« verbreiten; dieselbe Kraft, mit der sich auch Aruula über den Kontakt mit GRÜN infiziert hat. Als der Anführer der Dunklen, Shadar, ihr die telepathischen Kräfte rauben will, befreit er sie ungewollt von dem Keim.

Nun wollen Matt und Aruula den Tachyonen-Organismus einsetzen, um das Portal zu öffnen, doch das Wesen ist aus der Stasiskugel verschwunden! Sie vermuten Colonel Kormak dahinter, doch der kann die Schuld auf seine Assistentin Vasraa abwälzen und sie anschließend »entsorgen»... so denkt er jedenfalls. In Wahrheit überlebt sie aber und sinnt auf Rache.

Inzwischen wird die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur von den Dunklen angegriffen; nur Pilâtre entkommt mit einer Roziere. Da treffen die befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein. Sie haben durch das Portal den Todesschrei eines Wandlers empfangen und machten sich auf die gefahrvolle Reise nach Afra.

Ira hat unterwegs eine Präsenz des Wandlers gespürt, der sie nun nachgehen und auf einen Daa'muren treffen, der einen Kristall mit dem Geist seines Sohnes hütet. Beim Kampf mit einem Dunklen zerbricht der Kristall – und sie stellen fest, dass die Splitter den Dunklen Keim aus einem Infizierten saugen können! Pilâtre will nun schnellstens hinüber in die Parallelwelt, doch er muss sich gedulden; erst gilt es, mehr Kristalle zu bergen. Dazu machen sich Matt, Aruula und die Daa'muren zum Kratersee auf...

Der Schatzim Kratersee

von Christian Schwarz

Bunker Noovisk, Ruland, 2510

»Kurwa mać«, stieß Boriss Makarov andächtig hervor, »wenn das kein Stöffchen nach meinem Geschmack ist ...« Eine Handvoll weißer Kristalle lagen vor dem Chemiker auf dem Labortisch. »Ich sage dir, Eigoor, das Zeug hier ist mein Meisterwerk, hochexplosiv, das knackt sogar einen AMOT. Damit können wir die Arschlöcher vom Bunker Moska endlich unter Druck setzen.« Er klatschte begeistert in die Hände.

»Ohohoh!« Eigoor hob beschwörend die Arme. »Sei bitte vorsichtig, Buumbuum. Du weißt, wie empfindlich das Zeug ist.«

»Ach was, nicht in diesem Mischverhältnis«, erwiderte Makarov mit einer abfälligen Geste. »Ich habe das im Griff. Schau mal.« Mit der flachen Hand schlug er auf den Tisch. Die beiden Männer begriffen nicht einmal mehr, dass das die direkte Fahrkarte ins Jenseits gewesen war.

Hoch über Tuurk, 2551

Sie waren schon seit vier Tagen in der Luft. Matthew Drax schaute sinnend auf das karge felsige Land, das tief unter der RIVERSIDE dahinzog. Laut der elektronischen Bordkarte auf dem Steuerungsdisplay handelte es sich um die ehemalige Türkei. Damit wäre die Hälfte schon mal geschafft, ging es ihm durch den Kopf. Er tippte auf die Bordkarte. Ihre Route erschien als grüner Strich. Er begann in Ostafrika, genauer am Victoriasee, und endete am westlichen Kratersee, tief in Russland also.

Etwas mehr als die Hälfte sogar, sinnierte Matt weiter gegen die Eintönigkeit und wachsende Langeweile der langen Reise an. Knappe sechstausenddreihundert von insgesamt zehntausendachthundert Kilometern. Wir sind jetzt schon mehr als tausend am Stück geflogen; es wird's wieder Zeit für eine Pause, würde ich sagen.

Dazu kam, dass die Ausdünstungen der beiden Echsenwesen im hinteren Teil des Cockpits nicht gerade den Duft von Rosen verbreiteten. Die Klimaanlage war damit überfordert; da half nur Dauerlüften.

»Krallen weg!«, erklang Gal'hal'iras Stimme hinter Matt, als er den Gleiter in den Sinkflug drückte. »Erinnere dich daran, dass du es warst, der unsere Beziehung auf ziemlich üble Art beendet hat«, sprach die Daa'murin weiter. »Glaub nicht, dass du mich betatschen darfst, bloß weil dir langweilig ist.«

»Es war keine Absicht«, zischte Grao, der zweite Daa'mure an Bord. »Ich finde Weibchen mit einem derart starken Schuppenproblem generell wenig attraktiv.«

Matt grinste breit. Es kam nicht oft vor, dass sich Grao in Humor flüchtete.

»Hast du nicht mal gesagt, dass du jede Schuppe an mir liebst?«, säuselte Ira. »Leugne es nicht!«

Der kurze Dialog weckte Aruula, die auf dem Kopilotensitz vor sich hin gedöst hatte. Sie streckte sich und gähnte. »Legen wir eine Pause ein, Maddrax? Meine Beine sind schon so steif wie eine verkohlte Lischette.« Sie schnupperte und fügte hinzu: »Etwas frische Luft wird uns guttun.«

Matt nickte. »Wir sind schon im Sinkflug.«

Der Aufenthalt am Boden dauerte eine knappe halbe Stunde, dann waren sie wieder in der Luft. Matt wollte noch mindestens bis zum Einbruch der Dunkelheit weiterfliegen. Das waren weitere zwei Stunden Langeweile.

Aruula schaute nach vorne und bewegte lautlos die Lippen. »Was machst du da?«, fragte Matt neugierig.

»Ich danke Wudan, dass er uns den Weg gezeigt hat, wie wir diejenigen heilen können, in vom Dunklen Keim befallen sind«, antwortete die Kriegerin. »Und bitte ihn um Beistand, dass wir möglichst viele Kristalle am Kratersee finden.«

Matt nickte. »Die Bewohner von Château-à-l'Hauteur zu heilen, wird nicht genügen. Jeden Tag fallen mehr Menschen dieser Seuche zum Opfer. Wir werden eine Menge Kristallsplitter brauchen, um das zu stoppen.«

»Was glaubst du, Ira, wie viele Kristalle gibt es am und im Kratersee noch?«, wandte sich Aruula an die Daa'murin hinter ihr.

»Genau kann ich das nicht sagen«, antwortete die Daa'murin. »Es könnten aber Tausende sein.«

»Hm.« Aruula nickte. »Trotzdem – bei der Größe des Sees ist das wie die Suche nach der Nadel im Misthaufen, wie Maddrax immer sagt.«

»Heuhaufen«, korrigierte er grinsend. »Mach's nicht schlimmer, als es ist.«

Ira wandte sich an Matt und tippte ihm kurz mit einer Kralle auf die Schulter. »Weißt du schon, wie wir die Speichereinheiten finden sollen? Da sie nicht mehr strahlen, können Grao und ich sie auch nicht orten, das ist dir doch bewusst?«

»Ist es.« Matt nickte. »Natürlich habe ich eine Idee: Wir fliegen zum Dorf der Drakullen. Die sollten sich dort bestens auskennen.«

Aruula starrte ihn mit hochgezogenen Brauen an. Matt konnte ihr die Skepsis nicht verdenken. Auch er erinnerte sich noch lebhaft an den feindseligen Empfang im Dorf vor einigen Monaten.*

»Wir wissen von Ydiel, dass die Drakullen ihre Eier nun wieder ohne die Hilfe der Kristalle ausbrüten können«, erläuterte Matt seinen Plan. »Das heißt, dass sie sie nicht mehr brauchen.«

»Aber das ändert nichts daran –«, begann Aruula.

»Ich weiß«, unterbrach Matthew sie. »Die Drakullen mögen keine Menschen. Aber Daa'muren werden sie akzeptieren, schließlich waren die mal ihre Herren. Deswegen sollen Grao und Ira die Verhandlungen mit ihrem Oberhaupt Je'lynn führen. Sicher sind sie dazu bereit, die nutzlos herumliegenden Kristalle an uns abzugeben. Oder Je'lynn kann uns zumindest sagen, wo wir welche finden. Mit etwas Überredungskunst und ein paar Geschenken sollte sich das doch machen lassen.«

»Keine schlechte Idee«, mischte sich Grao in das Gespräch ein. »Wir werden es jedenfalls versuchen.«

Aruula war immer noch nicht überzeugt. »Auch wenn uns die Drakullen all ihre Kristalle geben, wird es nicht ausreichen. Außerdem ist es fast unmöglich, sie zu zerkleinern. Der Kristall von Ordu'lan'balat war beschädigt; nur deshalb konnte ein Schwerthieb ihn aufsplittern. Hast du dafür auch schon eine Lösung, Maddrax?«

Matt seufzte. Natürlich wusste er, dass die Daa'murenkristalle beinahe unzerstörbar waren. Xij hatte es damals in Euree mit einem hohen, durchdringenden Ton geschafft.* Gegen mechanische Gewalteinwirkung hatten sich intakte Kristalle bisher als absolut resistent erwiesen, gegen Laserbeschuss und andere Misshandlungen ebenso.

»Darüber machen wir uns dann Gedanken, wenn wir die Kristalle haben«, erwiderte er und verspürte dabei ein leichtes Ziehen im Magen. Kommt Zeit, kommt Rat. Im Moment hatte er nicht die leiseste Ahnung, wie sie das bewerkstelligen sollten.

Bunker Noovisk, 2510

Die Orgie war in vollem Gange. Im und um ein Schwimmbecken herum vergnügten sich nackte Paare und Gruppen unter schummrigem Rotlicht. Großzarin Nadeschda ließ sich gerne von den teils abartigen Spielen inspirieren; ihre Blicke waren überall. Sie selbst ritt gerade keuchend auf ihrem Adjutanten Ruslan, als unvermittelt der Boden zu zittern begann.

»So haben wir's noch nie getrieben! Die Wände wackeln schon!«, schrie Ruslan Kuusnov gegen das Gekreische an und knetete ihre Brüste noch fester.

Nadeschda packte die Gelenke ihres Liebhabers und riss seine Arme unsanft beiseite. Dann tippte sie auf das Display ihres Universalkommunikators.

Schlagartig erlosch die holografische Animation. Die schummrige Schwimmbeckenlandschaft machte einem üppig eingerichteten Schlafzimmer Platz. Strahler beleuchteten das an der Wand stehende Baldachinbett, in dem sich das einsame Liebespaar gerade aufhielt.

»Das sind nicht wir, du Vollidiot«, fuhr die Großzarin ihren Liebhaber an, während sie ihre Bemühungen endgültig einstellte, sich mit beiden Händen auf seiner Brust abstützte und lauschte. »Ein Erdbeben?«, murmelte sie. »Das gab es in dieser Gegend noch nie.«

»Hoffentlich hat Buumbuum Boriss keinen Mist gebaut«, unkte der Adjutant und grinste schräg.

»Schon wieder vorbei«, gab Nadeschda zurück und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen.

»Dann können wir ja weitermachen. Ich bin so heiß. Aktivierst du bitte das Holo wieder?«

»Nichts da.« Sie funkelte ihn an, während sie den Oberkörper durchstreckte und von ihm stieg.

Die Instinkte der Bunkerkommandantin waren legendär. Sie sagten ihr, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Nackt am Bettrand sitzend, aktivierte sie ihren Universalkommunikator am linken Handgelenk erneut und rief General Antonowitsch Laasko. Der meldete sich fast umgehend. »Ist etwas passiert, General?«, fragte Nadeschda.

Laasko verzog sein feistes Gesicht mit dem grauen Rundbart. »Ich wollte Sie gerade informieren, Großzarin«, antwortete er mit seiner viel zu hohen Stimme, die, wenn er aufgeregt war, fast quiekte wie ein Piig. »Da scheint etwas in der Laborsektion passiert zu sein. Eine Explosion. Ich bin bereits auf dem Weg dorthin.«

Die Großzarin spürte, wie sich ihr Magen auf höchst unangenehme Weise verkrampfte. »Ich komme«, erwiderte sie knapp und schlüpfte in ihre graue Uniform mit den fünf roten Sternen über der linken Brust. Dann legte sie das Koppel mit der Laserpistole an, rückte die goldene Schnalle exakt über ihren Bauchnabel und setzte dann ihr schwarzes Barett auf. Die schulterlangen, weizenblonden Haare quollen etwas unordentlich darunter hervor; die einzige Nachlässigkeit, die sie sich leistete.

»Wir holen das doppelt und dreifach nach«, versprach sie ihrem enttäuscht dreinschauenden Adjutanten, während sie aus dem Zimmer stürmte. Dabei wandte sie den Kopf ab, um sein dümmliches Grinsen nicht sehen zu müssen.

Ruslan war wirklich ein Vollidiot, aber ein überaus nützlicher. Für ein bisschen Sex machte er alles. Er hatte sogar Fedor Ossipov beseitigt, ihren einzigen ernsthaften Konkurrenten um die Nachfolge des alten Großzaren Iljuschin, der zum Schluss gar nichts mehr auf die Reihe bekommen hatte.

Als Nadeschda den Gang vor dem Zimmer betrat, fand sie sich unvermittelt in einem atemberaubenden Panorama wieder. Über die breite Bugrinsky-Brücke lief sie direkt auf ein langgestrecktes, mintfarbenes Gebäude zu, das in seinen Dimensionen an einen Palast erinnerte. Es war aber der Bahnhof von Novosibirsk, wie die Stadt vor dem Kometeneinschlag geheißen hatte.

Tief unter ihr wälzte sich die graubraune Flut des Ob träge durch das breite Flussbett. Zahlreiche Schiffe fuhren darauf und hinterließen gischtende weiße Kielwellen.

Links und rechts des Flusses erstreckte sich das Häusermeer der Stadt bis fast an den Horizont. Immer wieder ragten Hochhäuser und andere bewundernswerte Gebäude heraus. Durch die Straßen schoben sich Tausende von Menschen und seltsam antik anmutende Fahrzeuge.

Die Holotechniker des Bunkers hatten ganze Arbeit geleistet und mittels alter Filme und Fotos Hunderte dieser animierten Holografien mit Stadtpanoramen geschaffen. Ein Zufallsgenerator projizierte sie in verschiedene Bereiche des Bunkers, unter anderem hierher, wo sich die Daatschen der Führungselite befanden. So war immer Abwechslung gewährleistet.

Die Holos waren mit sogenannten Mechanotastern gekoppelt, die den visuellen Effekt durch verschiedenste Wahrnehmungsebenen aufpeppten. Im Moment spürte Nadeschda kühlen Wind im Gesicht, der mit ihren Haaren spielte. Zudem hörte sie leise Umgebungsgeräusche und bekam den typischen Geruch algendurchsetzten Wassers in die Nase.

Das alles nahm sie dieses Mal nur am Rande wahr. Die Worte des Generals beunruhigten sie zutiefst. Sie eilte auf das riesige halbrunde Haupttor des Bahnhofs zu, das die Brücke zu schlucken schien. Der prächtig gestaltete Vorplatz war voller Menschen, durch die sie teilweise hindurchging und die sich dann kurz auf ihrem Körper abbildeten.

Als sie durch das Bahnhofstor trat, erlosch die Holografie schlagartig und machte einer nüchternen Halle mit massiven Betonwänden Platz. Vor ihr erstreckte sich die Aufzugsbatterie. Der Expressaufzug mit den goldenen Knöpfen, der der Führungselite des Bunkers vorbehalten war, rauschte in die neunte Etage hinab, wo die Labore lagen. Als sich die Aufzugstür öffnete, erwartete sie General Laasko mit fünf seiner Stabsoffiziere. Und das Chaos.

Überall sah sie Feuerkämpfer in Schutzanzügen, die schweres Gerät in die Tiefen der verschiedenen Labortrakte schafften. Meedos schoben die ersten Schwerverletzten auf Rollwagen durch die Tür. Das alles geschah in beinahe gespenstischer Lautlosigkeit, weil die laute, hektische Kommunikation, die dabei ganz sicher stattfand, vom Helmfunk geschluckt wurde.

»Statusmeldung, General«, verlangte die Großzarin.

Laasko konnte sie nicht leiden und hielt sie für eine Fehlbesetzung im Großzarenamt, das wusste sie genau. Dementsprechend schwer fiel es ihm, sich von ihr Befehle erteilen lassen zu müssen.

Er kniff die Augen leicht zusammen und zögerte einen Moment, dann nickte er zackig. »Jawohl, Großzarin. Nach den vorläufigen Informationen hat es den gesamten hinteren Labortrakt erwischt. Chemische und biochemische Sektion – alles vernichtet. Die Explosion scheint aber von der Waffenentwicklung ausgegangen zu sein...«

»Buumbuum Boriss?«, fragte Nadeschda in ihr eigenes Entsetzen hinein und dachte an ihren Adjutanten, dessen Scherz sich nun höchstwahrscheinlich als grausame Wahrheit entpuppte.

»Wir wissen noch nichts Genaues, Großzarin, natürlich nicht«, antwortete Laasko mit einem vorwurfsvollen Unterton in der Stimme. »Aber wir müssen tatsächlich davon ausgehen, dass eines der Waffenexperimente von Oberst Boriss Makarov aus dem Ruder gelaufen ist.«

»Aus dem Ruder gelaufen, so«, zischte die Großzarin. »Haben Sie mir nicht erst neulich versichert, dass Oberst Makarov alles im Griff hätte?«

Der General fixierte sie mit kalten Augen. »Damals schien es so, Großzarin. Aber auch ich habe keine Glaskugel, mit der ich in die Zukunft schauen könnte.«

Bevor der Streit eskalieren konnte, erschien Zobel Nikitin, der Oberkommandant der Feuerkämpfer, und kam schnurstracks auf die Gruppe zu. Er nahm den Helm ab. Ein schweißbedecktes bleiches Gesicht mit Vollbart und krummer Nase erschien.

»Großzarin, General, wenn ich Sie hier gerade vorfinde, das... das müssen Sie unbedingt sehen«, stieß er schwer atmend hervor. »Ich lasse Ihnen Anzüge kommen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach er bereits in seinen Kommunikator.

»Was müssen wir unbedingt sehen?«, fuhr Nadeschda ihn an. Sie hasste es, wenn einfach über ihren Kopf entschieden wurde. Dazu hatte jetzt niemand mehr das Recht.

»Verzeihen Sie mir, Großzarin«, erwiderte Nikitin unerschrocken. »Ich weiß ja selbst nicht, was ich davon halten soll.«

Zwanzig Minuten später drangen sie in den Schutzanzügen in den Labortrakt vor. Plötzlich raubte ihnen schwerer schwarzer Rauch die Sicht, der durch die darin enthaltenen Chemikalien hochgiftig war, wie erste Messungen ergaben.

Sie wateten durch kniehohen Löschschaum, der sich wie ein Leichentuch über die Szenerie legte. Überall suchten Rettungsteams mit Körperwärmescannern nach Überlebenden, manche wühlten regelrecht im Schaum.

Die Verwüstungen wurden immer größer, je weiter sie vorankamen. Einige Labore schienen regelrecht in ihre Einzelteile zerlegt worden zu sein; Nadeschda glaubte riesige Blutlachen zu sehen. Hier war die Gewalt der Explosion so groß gewesen, dass die Löschschaumdüsen nicht mehr zum Einsatz gekommen waren. Es hatte sie zu schnell zerrissen; das Löschpulver schien in der enormen Hitze verdampft zu sein.