Mami 1745 – Familienroman - Annette Mansdorf - E-Book

Mami 1745 – Familienroman E-Book

Annette Mansdorf

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. »Wann gehen wir denn endlich auf den Spielplatz, Mami?« Simon sah seine Mutter an und hüpfte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Ann-Katrin mußte ihn leider noch eine Weile vertrösten, obwohl sie selbst auch gern aus dem Haus gegangen wäre. Sie fühlte sich wie eine Gefangene. »Tut mir leid, Schatz, aber wir müssen noch warten, bis der Arzt bei deiner Großmutter war. Sie fühlt sich nicht gut, das habe ich dir doch erzählt.« »Aber Maria ist doch da.« Die Haushälterin kümmerte sich um alles, vor allem natürlich um das Wohl und Wehe ihrer Chefin Livia von Krampe. Aber in diesem Fall fühlte sich Ann-Katrin verpflichtet, selbst im Haus zu bleiben, bis der Arzt ihr bestätigen konnte, daß es nichts Ernstes war. Livia von Krampe, ihre Schwiegermutter, würde es nicht anders erwarten. »Ich muß hierbleiben, Schatz. Geh noch ein wenig in dein Zimmer zum Spielen. Ich sage dir dann Bescheid, wenn wir gehen können.« Simon zog mürrisch ab. Er hatte sich auf den Abenteuerspielplatz gefreut. Im Haus durfte er nicht laut sein und herumtoben, weil seine Großmutter dann immer Kopfschmerzen bekam. Dabei war der Garten riesig. Nicht einmal Freunde konnte er mitbringen, es sei denn, sie waren ganz, ganz leise. Da machte das Spielen keinen Spaß. Ann-Katrin sah ihrem Sohn nach und dachte wieder einmal daran, wie sehr er seinem Vater ähnelte.

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Mami – 1745 –

Armes reiches Kind

Annette Mansdorf

»Wann gehen wir denn endlich auf den Spielplatz, Mami?«

Simon sah seine Mutter an und hüpfte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.

Ann-Katrin mußte ihn leider noch eine Weile vertrösten, obwohl sie selbst auch gern aus dem Haus gegangen wäre. Sie fühlte sich wie eine Gefangene.

»Tut mir leid, Schatz, aber wir müssen noch warten, bis der Arzt bei deiner Großmutter war. Sie fühlt sich nicht gut, das habe ich dir doch erzählt.«

»Aber Maria ist doch da.«

Die Haushälterin kümmerte sich um alles, vor allem natürlich um das Wohl und Wehe ihrer Chefin Livia von Krampe. Aber in diesem Fall fühlte sich Ann-Katrin verpflichtet, selbst im Haus zu bleiben, bis der Arzt ihr bestätigen konnte, daß es nichts Ernstes war. Livia von Krampe, ihre Schwiegermutter, würde es nicht anders erwarten.

»Ich muß hierbleiben, Schatz. Geh noch ein wenig in dein Zimmer zum Spielen. Ich sage dir dann Bescheid, wenn wir gehen können.«

Simon zog mürrisch ab.

Er hatte sich auf den Abenteuerspielplatz gefreut. Im Haus durfte er nicht laut sein und herumtoben, weil seine Großmutter dann immer Kopfschmerzen bekam. Dabei war der Garten riesig. Nicht einmal Freunde konnte er mitbringen, es sei denn, sie waren ganz, ganz leise. Da machte das Spielen keinen Spaß.

Ann-Katrin sah ihrem Sohn nach und dachte wieder einmal daran, wie sehr er seinem Vater ähnelte. Carsten war jetzt seit einem Dreivierteljahr tot. Er hatte einen Motorradunfall gehabt. Zwei Tage später war er an den Folgen gestorben. Noch immer fühlte sie das Entsetzen, als sie die Nachricht erhalten hatte. Livia hatte einen Nervenzusammenbruch bekommen, so daß Ann-Katrin sich zusätzlich noch um sie hatte kümmern müssen. Aber wahrscheinlich hatte das auch geholfen, den Schock besser zu überstehen, denn da war ja Simon gewesen, der noch gar nichts von dem Schrecklichen verstanden hatte. Daß sein Papa nicht mehr wiederkommen würde, hatte er begriffen aber trotzdem in der folgenden Zeit immer wieder nach ihm gefragt.

Heute war der Schmerz zwar noch nicht gewichen, aber erträglich geworden. Ann-Katrin hatte viel über ihre Ehe nachgedacht. Sie war nicht einmal sicher, ob sie auf Dauer gehalten hätte, denn dadurch, daß Carsten darauf bestand, in der großen Villa seiner Mutter zu wohnen, war die Ehe sehr belastet gewesen. Livia ließ auch Ann-Katrin nicht gehen, obwohl sie ihre Schwiegertochter gar nicht mochte. Daraus hatte sie nie einen Hehl gemacht. Sie bestand jedoch darauf, Simons Erziehung zu überwachen. Wahrscheinlich würde sie einen zweiten Carsten aus ihm machen wollen.

Carsten hatte ganz unter der Fuchtel seiner Mutter gestanden, aber es war ihm gut dabei ergangen. Er hatte immer über reichlich Geld aus der Firma verfügt, in der er offiziell arbeitete, in Wirklichkeit jedoch meistens durch Abwesenheit glänzte. Der tüchtige Geschäftsführer meisterte die Arbeit viel besser, als er das je gekonnt hätte. Sein Interesse war das Motorradfahren, die Reisen, die er für die Firma durchgeführt hatte, und das Sammeln von Antiquitäten, mit denen er dann seine Mutter beglückte.

Manchmal war sich Ann-Katrin wie ein Vogel im goldenen Käfig vorgekommen. Sie hätte gern einen eigenen Haushalt gehabt, eine Wohnung, in der Simon unbeschwert aufwachsen und laut sein durfte…

Wieder einmal überfiel sie der Wunsch, einfach ihre und Simons Sachen zu packen und bei Nacht und Nebel das Haus zu verlassen. Einfach so – ohne Angabe einer Adresse. Das war natürlich nicht möglich, Livia hatte zumindest das Recht, ihren Enkel regelmäßig zu sehen. Außerdem bot sie ihm Möglichkeiten, die Ann-Katrin niemals gehabt hätte. Zwar war sie die Erbin ihres Mannes, doch da er offiziell laut Livia nichts besessen hatte, konnte sie mit diesem Titel nicht viel anfangen. Sie müßte sich eine Arbeit suchen und Simon in einen Ganztagskindergarten geben. Damit übte Livia natürlich einen gewaltigen Druck auf sie aus.

»Gnädige Frau, der Herr Doktor ist jetzt da«, meldete Maria.

Sie lächelte nur, wenn sie Livia von Krampe gegenüberstand. Bei Ann-Katrin hielt sie es nicht für der Mühe wert. Weil ihre Chefin die junge Frau nicht mochte, mochte sie sie auch nicht.

»Ich komme.«

Der Mann, der in der Halle wartete, war nicht der Arzt, der regelmäßig zu Livia von Krampe kam. Ann-Katrin sah ihn fragend an.

»Sie kommen zu meiner Schwiegermutter? Ist Dr. Turm nicht da?«

»Ich mache die Vertretung für ihn, Frau von Krampe. Dr. Turm ist erkrankt. Mein Name ist Carlos Schweizer.«

»Ach so. Gut, Herr Dr. Schweizer, wenn ich dann bitte vorgehen dürfte?«

Er lächelte und nahm seine Arzttasche auf. Ann-Katrin war sich seiner Blicke in ihrem Rücken bewußt. Sie ging ein wenig unsicher, was sie sogleich ärgerte. Nur weil es nicht der alte Hausarzt, sondern ein junger, gutaussehender war, mußte sie nicht gleich so reagieren…

Sie hatte nicht viel Gelegenheit, mit Leuten ihres Alters zusammenzusein. Livia weigerte sich, abends auf ihren Enkel aufzupassen. Auch Maria wohnte im Haus, aber sie zu fragen, wäre Ann-Katrin gar nicht in den Sinn gekommen. Also blieb sie fast immer zu Hause, es sei denn, sie mußte ihre Schwiegermutter zu irgendwelchen Theaterpremieren oder ähnlichem begleiten, zu denen diese nicht allein gehen wollte. Dann war Maria natürlich bereit, die Aufgabe eines ›Babysitters‹ zu übernehmen.

»Ein sehr schönes Haus«, meinte Dr. Schweizer anerkennend, während er Ann-Katrin in den ersten Stock folgte, in dem die Privaträume von Livia von Krampe lagen.

»Ja, es ist schön«, erwiderte sie etwas lahm, um ihn nicht ohne Antwort zu lassen.

Ann-Katrin empfand das Haus als kalt. Auch wenn es noch so kostbar eingerichtet war. Ein Haus, in dem nicht gelacht wurde, in dem keine Kinder herumtoben durften, lebte für sie nicht.

Als sie an der Tür zum Schlafzimmer ankamen, klopfte Ann-Katrin und wartete auf das ›Herein‹. Dann öffnete sie die Tür ein Stück, um zu sehen, ob ihre Schwiegermutter bereit war, den Arzt zu empfangen.

»Der Vertreter von Dr. Turm ist jetzt da, Livia.«

»Der Vertreter? Was für ein Vertreter?«

»Dr. Turm ist erkrankt. Er hat uns Dr. Schweizer geschickt.«

»Na gut. Er soll hereinkommen. Dr. Turm würde es nicht wagen, mir einen unfähigen Quacksalber zu schicken.«

Ann-Katrin schämte sich ein wenig, daß der Arzt das gehört hatte, doch Dr. Schweizer machte ein gleichmütiges Gesicht. Er bedankte sich, als Ann-Katrin zur Seite trat und ging in das Zimmer hinein. Ann-Katrin wollte schon die Tür schließen, als ihre Schwiegermutter sie zum Bleiben aufforderte.

»Ich habe heute leichte Kopfschmerzen. Und mir ist ein wenig schwindelig«, teilte sie dann dem Arzt mit ihrer befehlsgewohnten Stimme mit.

»Und sonst nocht etwas? Fieber? Schüttelfrost…«

»Nein, natürlich nicht, dann hätte ich es erwähnt, nicht wahr?«

»Sicher. Aber wegen der genannten Beschwerden hätten Sie doch auch in die Praxis kommen können, gnädige Frau. Ich dachte, es läge ein Notfall vor.«

Ann-Katrin hielt die Luft an. Offenbar hatte Dr. Turm ihm nicht gesagt, wen er vor sich hatte. Gleich würde Livia einen Anfall bekommen. Sie haßte es, wenn jemand ihre Bedeutung nicht anerkannte.

»Ich bin Privatpatientin und für das, was ich an Arztkosten zahle, kann ich mir einen eigenen Leibarzt halten.«

»Das mag sein, gnädige Frau, aber ich würde es nicht sein. Mein Wartezimmer ist voll. Sie haben leicht erhöhten Blutdruck, in Ihrem Alter nicht erstaunlich. Nehmen Sie Tabletten?«

Er packte die Blutdruckmanschette wieder ein und ahnte nicht, daß er einen zweiten Fehler begangen hatte. Livia wollte immer noch gern als Frau in den besten Jahren angesehen werden. Das hatte er grob mißachtet.

»Mein Alter hat damit nichts zu tun. Tun Sie jetzt etwas, oder soll ich mir jemanden anderen holen?« sagte sie scharf.

»Ich kann ohne eine gründliche Untersuchung nicht einfach irgendein Medikament verschreiben. Dr. Turm hat lange kein EKG gemacht. Kommen Sie bitte morgen in die Praxis, dann holen wir das nach. Anschließend können wir überlegen, was zu tun ist. Wahrscheinlich reicht eine Diät und Verzicht auf Alkohol, um das wieder in Ordnung zu bringen.«

Damit hatte er das dritte Tabu gebrochen. Livia würde sich ihren Wein niemals verbieten lassen. Sie bezog ihn von einem Weingut in Frankreich und trank jeden Abend zwei bis drei Gläser.

Armer Dr. Schweizer, dachte Ann-Katrin voller Sympathie, er ahnt noch gar nicht, daß er hier nie wieder erscheinen durfte und Livia von Krampe seine Sprüche natürlich nicht auf sich beruhen lassen würde. Hoffentlich hatte Dr. Turm genügend Rückgrat, um ihm die Vertretung nicht wegzunehmen.

»Mir scheint, Sie verstehen nicht sehr viel von Ihrem Fach. Sonst wüßten Sie, daß Rotwein für das Herz sehr gut ist!«

»Das mag sein. Aber Voraussetzung ist ein gesunder Körper.«

Sie maßen sich mit Blicken.

Ann-Katrin schaute vorsichtshalber aus dem Fenster. Sie wollte in den Disput nicht hineingezogen werden.

»Nun gut. Ich werde sehen«, hörte sie ihre Schwiegermutter sagen.

»Dann verabschiede ich mich wieder. Im Moment besteht mit Sicherheit keine Gefahr, wenn Sie sich an das halten, was ich gesagt habe. Ich erwarte Sie dann morgen in der Praxis.«

Ann-Katrin folgte ihm aus dem Zimmer und zeigte ihm das Bad, wo er sich die Hände wusch. Noch immer sah er völlig gelassen aus. Wußte er nicht, daß er sich soeben eine Feindin gemacht hatte?

»Ihre Frau Schwiegermutter ist beeindruckend stark, nicht wahr?«

»In ihrem Willen, meinen Sie?«

»Ja, sicher.«

»Ja, das ist sie. Aber ich weiß nicht, ob es klug war, sie…«

»Ich bin Arzt und kein Diplomat. Das Wartezimmer ist voller Kranker, die mich zum Teil dringend brauchen. Ich mache keine Spielchen mit.«

»Ich meinte es nur gut.«

»Ich weiß. Aber Sie sollten das nicht bedienen. Man zieht dann immer den Kürzeren.«

Woher wußte er, daß Ann-Katrin unter ihrer Schwiegermutter zu leiden hatte? Es hätte doch auch sein können, daß sie es besonders gut hatte…

»Sie sehen etwas blaß aus, Frau von Krampe. Ich denke, Sie fühlen sich nicht sehr wohl.«

Er hatte ohne Zweifel Mut. Ann-Katrin war beeindruckt, obwohl sie es vorzog, auf seinen Einwurf nicht zu antworten. Er würde ihr nicht helfen können.

»Mama, kann ich jetzt endlich zum Spielplatz?«

Simon stand in der Halle und schaute von seiner Mutter zum Arzt.

»Ja, mein Schatz, gleich können wir gehen. Ich muß nur noch schnell fragen, ob deine Großmutter noch etwas braucht.«

»Och… immer noch nicht!«

»Du kannst sicher gleich spielen gehen, mein Junge.«

Dr. Schweizer lächelte Simon zu, der das Lächeln sofort erwiderte.

Ann-Katrin reichte dem Arzt die Hand.

»Vielen Dank, daß Sie sich herbemüht haben, Herr Doktor.«

»Gern geschehen.«

Er sah sie noch einmal prüfend an. Ann-Katrin wich seinem Blick aus und schloß die Tür hinter ihm.

*

Natürlich regte sich Livia sehr auf. Sie hielt Ann-Katrin noch eine gute Viertelstunde auf, doch dann traf Ann-Katrin eine mutige Entscheidung.

»Tut mir leid, Livia, reden wir bitte heute abend weiter. Ich muß mit Simon auf den Spielplatz gehen, ich hatte es versprochen. Du hast ja Maria, falls du etwas brauchst.«

»Ich bin gar nicht dafür, daß der Junge dort spielt! Die Kinder dort sind kein Umgang für ihn.«

»Das sehe ich anders, Livia.«

Livia von Krampe zeigte deutlich, was sie von diesem Widerspruch hielt. Sie kniff die Lippen zusammen und trommelte mit den beringten Fingern auf die Rosenholztischplatte.

Ann-Katrin verließ sie. Sie wußte, daß sie heute abend ignoriert werden würde, doch das ließ sich dann eben nicht ändern. Simon hatte auch seine Rechte, und eines davon war, daß sie sich um ihn zu kümmern hatte. Es war entschieden die fröhlichere Gesellschaft.

Dr. Schweizer ging Ann-Katrin nicht aus dem Kopf. Es imponierte ihr, daß er seinen Beruf so ernstnahm und sich nicht von einer verwöhnten alten Frau beeindrucken ließ. Aber sicher würde sie ihn nicht wiedersehen, denn das Haus durfte er bestimmt nicht mehr betreten.

Simon tobte mit zwei anderen Jungen auf der Rutsche herum. Er kreischte vor Vergnügen.

Ann-Katrin lächelte. Wie gut, daß er unter seiner Großmutter nicht litt. Er war stark, stärker als sein Vater. Von ihr hatte er das allerdings auch nicht, aber möglicherweise von ihrer Mutter, die Ann-Katrin nach dem frühen Tod des Vaters ganz allein hatte aufziehen müssen, und das unter schwierigen Umständen.

Das war auch so ein Punkt, den Livia verachtete.

Ann-Katrin kam aus keiner ›guten‹ Familie. So sah Livia es jedenfalls. Eine gute Familie war in ihren Augen reich oder adlig, aber am besten beides.

Daß Carsten sie überhaupt hatte heiraten dürfen, war schon ein kleines Wunder. Das war vermutlich das erste, und einzige Mal gewesen, daß er sich gegen seine Mutter durchgesetzt hatte. Er war sehr verliebt in Ann-Katrin gewesen, die in allem das Gegenteil seiner Mutter war. Livia war groß und dunkelhaarig, Ann-Katrin zierlich und blond mit blauen Augen. Ihr Wesen war eher sanft, wo Livia knallhart war. Sonst hätte sie die Firma sicher auch nicht so gut verwalten können, nachdem der Ehemann gestorben war. Das mußte Ann-Katrin anerkennen, vom Geschäft verstand sie wirklich etwas.

»Mama, sieh mal!«

Simon kletterte freihändig die Stufen zur Rutsche hinauf. Er winkte ihr zu.

»Vorsicht, Schatz! Halt dich lieber fest.«

»Brauch ich nicht«, rief er vergnügt.

Wie es passierte, konnte Ann-Katrin nicht sehen. Vielleicht blieb er an einer der Metallstufen hängen, oder er rutschte mit dem Fuß hindurch.

Sein Schrei hallte über den Spielplatz, als er rückwärts die Stufen herunterfiel und unten im Sand liegenblieb. Gott sei Dank war er noch nicht sehr weit geklettert.

Ann-Katrin lief zu ihm. Sein Fuß war verdreht. Er schien gebrochen zu sein. Simon war ganz weiß im Gesicht. Einmal kam das sicher durch den Schreck, aber dann auch durch die Schmerzen.

»Warte, mein Schatz, ich hebe dich vorsichtig auf…«

»Lassen Sie ihn lieber liegen. Wir sollten einen Unfallwagen holen«, riet ihr eine andere Mutter, die ebenfalls angelaufen kam.

»Ja, das ist vielleicht besser. Könnten Sie…«

»Ja, ich gehe vorn zur Telefonzelle.«

Ann-Katrin hockte sich neben Simon in den Sand und nahm seinen Kopf vorsichtig in den Schoß.

»Nicht weinen, mein Schatz. Es wird wieder gut. Mama ist ja hier…«