Kein Vater für Conny? - Cornelia Waller - E-Book

Kein Vater für Conny? E-Book

Cornelia Waller

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Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! »Also, dann auf Wiedersehen, Kleines, und ich wünsche dir einen guten Heimflug!« Der hochgewachsene dunkelhaarige Mann nahm das zierliche blonde Mädchen in die Arme und küßte es. Astrid schloß die Augen und schmiegte sich an seine Brust. Eine unerklärliche Traurigkeit stieg in ihr auf, sie wünschte, dieser Kuß würde nie enden. Doch es half nichts, der Flug war aufgerufen, sie mußte sich beeilen. »Wirklich auf Wiedersehen?« fragte sie, als Guido Brambeck sie freigab. »Aber sicher, Dummerle«, lächelte er, und seine weißen Zähne blitzten in dem tiefgebräunten Gesicht. »In zwei Wochen bin ich ja auch wieder in Hamburg, dann rufe ich dich an, okay?« Sie nickte und griff nach ihrem Handgepäck. »Bis bald also. Und danke für die zauberhaften Tage, Guido.« »Und ich danke dir dafür«, murmelte er und strich ihr eine Locke aus der Stirn. Astrid ging, und als sie nach ein paar Schritten umdrehte, hob er die Hand und winkte. Sie winkte zurück und wandte sich dann hastig wieder um. ­Tränen trübten ihren Blick, und das sollte er nicht sehen. Am Ende hielt er sie noch für ein überspanntes Gäns­chen, wo sie sich doch schon sobald wiedersehen würden! Im Flugzeug bekam sie einen Fensterplatz.

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Leseprobe: Gaston, der Sohn des Diplomaten

Der betäubende Duft der in verschwenderischer Fülle blühenden Rosen strömte durch das offene Fenster des Schreibzimmers, in dem Irene von Wellentin an ihrem zierlichen Schreibtisch aus Rosenholz saß und den Brief ihrer Jugendfreundin Claudine Arnoud nun schon zum zweiten Mal las. Als sie ihn zusammenfaltete und in das hellblaue Kuvert zurücksteckte, dachte sie an die Zeit mit Claudine in dem Genfer Internat. Was waren das doch für herrliche, unbeschwerte Jahre gewesen! Damals hatten sie noch geglaubt, das Leben bestünde nur aus einer Reihe von glücklichen Tagen. Gemeinsam hatten sie Zukunftspläne geschmiedet, wobei Claudine immer den Wunsch geäußert hatte, die Frau eines Diplomaten zu werden, um an seiner Seite fremde Länder kennenzulernen. Dieser Wunschtraum hatte sich bei ihr tatsächlich erfüllt, aber ob sie so glücklich geworden war, wie sie erhofft hatte, das schien fraglich zu sein. Nach ihrem Brief zu schließen, verlief ihr Leben recht problematisch. Vor ungefähr sechs Jahren hatte Irene von Wellentin Claudine zum letzten Mal in Paris getroffen, in der Zeit, als es in ihrer Ehe eine Krise gegeben hatte. Doch damals hatte auch ihre Freundin alles andere als einen ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck gemacht. »Mutti, ich bin da!«, riss eine helle Kinderstimme Irene von Wellentin aus ihren Träumereien. Kati, jetzt zehn Jahre alt, stürmte mit strahlenden Augen ins Zimmer und rief voller Freude: »Mutti, stell dir vor, ich habe den besten Klassenaufsatz geschrieben und eine Eins bekommen. Was sagst du dazu?« »Das freut mich sehr, mein kleiner Liebling«, lobte Irene von Wellentin die Kleine mit einem weichen mütterlichen Lächeln. Kati bereitete ihr nur Freude, und sie bereute es keine Stunde, das Mädchen adoptiert zu haben. Unendlich dankbar war sie dem Schicksal, dass es ihr dieses Kind zugeführt hatte. Noch heute erschauerte sie, wenn sie daran dachte, welche entsetzliche Angst sie ausgestanden hatte, als Hanna Ebert, Katis leibliche Mutter, eines Tages aufgetaucht war und ihre Rechte auf das Kind geltend gemacht hatte. Glücklicherweise hatte die Gier nach Geld Hanna Eberts Mutterliebe bei Weitem überwogen. Niemals würde sie, Irene, vergessen, was ihr Mann damals für sie getan hatte.

Mami Bestseller – 41 –

Kein Vater für Conny?

Aber einer hat die Mami doch so lieb

Cornelia Waller

»Also, dann auf Wiedersehen, Kleines, und ich wünsche dir einen guten Heimflug!« Der hochgewachsene dunkelhaarige Mann nahm das zierliche blonde Mädchen in die Arme und küßte es.

Astrid schloß die Augen und schmiegte sich an seine Brust. Eine unerklärliche Traurigkeit stieg in ihr auf, sie wünschte, dieser Kuß würde nie enden. Doch es half nichts, der Flug war aufgerufen, sie mußte sich beeilen.

»Wirklich auf Wiedersehen?« fragte sie, als Guido Brambeck sie freigab.

»Aber sicher, Dummerle«, lächelte er, und seine weißen Zähne blitzten in dem tiefgebräunten Gesicht. »In zwei Wochen bin ich ja auch wieder in Hamburg, dann rufe ich dich an, okay?«

Sie nickte und griff nach ihrem Handgepäck. »Bis bald also. Und danke für die zauberhaften Tage, Guido.«

»Und ich danke dir dafür«, murmelte er und strich ihr eine Locke aus der Stirn.

Astrid ging, und als sie nach ein paar Schritten umdrehte, hob er die Hand und winkte. Sie winkte zurück und wandte sich dann hastig wieder um. ­Tränen trübten ihren Blick, und das sollte er nicht sehen. Am Ende hielt er sie noch für ein überspanntes Gäns­chen, wo sie sich doch schon sobald wiedersehen würden!

Im Flugzeug bekam sie einen Fensterplatz. Sie schluckte krampfhaft, konnte aber nicht verhindern, daß ihr nun doch ein paar Tränen über die Wangen kullerten.

»Ja, ja, der Abschiedsschmerz«, hörte sie ihre Nachbarin mitfühlend sagen. Eine stark geschminkte Enddreißigerin, ein wenig zu sehr auf jung gemacht. »Vergessen Sie ihn, Kleine. Urlaubsbekanntschaften sind nicht von Dauer, ich spreche aus Erfahrung.« Sie verzog bitter den tiefrot geschminkten Mund.

Astrid trocknete hastig ihre Tränen. »Aber es gibt doch wohl auch Ausnahmen«, erwiderte sie gepreßt.

»Das dachte ich am Anfang auch immer, aber selbst wenn man sich zu Hause noch ein paar Mal wiedergetroffen hat, ist es am Ende doch im Sand verlaufen. Der eine wohnt im Norden, der andere im Süden, und man kann sich nicht so oft sehen oder…«

»Wir wohnen aber beide in Hamburg«, fiel Astrid ihr ins Wort.

»Glauben Sie wirklich dieser blendend aussehende Typ, von dem Sie sich gerade abschiedet haben, wird für den Rest seines Urlaubs allein bleiben?« Ihre Sitznachbarin lächelte spöttisch. »So einer kann doch an jeden Finger eine haben, und auf Ibiza gibt es um diese Zeit hübsche Mädchen wie Sand am Meer, die es so einem Mann doch so leicht machen.«

Astrid warf ihr einen zornigen Blick zu. Wenn diese alte Schachtel selbst schlechte Erfahrungen gemacht hatte, mußte sie anderen mit ihrem Pessimismus nicht auch noch das Herz schwermachen.

»Ich weiß, was Sie denken«, sagte die jetzt, »aber vielleicht werden Sie noch einmal an mich denken, obwohl ich es Ihnen wirklich nicht wünsche.«

Astrid antwortete nicht. Sie zog die Illustrierte aus ihrer Tasche, die Guido ihr auf dem Flughafen noch gekauft hatte, und vertiefte sich darin. Zumindest tat sie so, denn sie betrachtete nur gleichgültig die Bilder darin, während ihre Gedanken zurückwanderten.

Gleich am dritten Urlaubstag hatte sie Guido Brambeck kennengelernt. In einem der kleinen Straßencafés hatte er sich an ihren Tisch gesetzt, sie waren ins Gespräch gekommen und hatten gleich munter geflirtet. Sie war zutiefst beeindruckt, daß dieser gutaussehende Mann, dem alle Frauen nachblickten, sich für sie zu interessieren schien, wo es hier wirklich attraktive Mädchen in Hülle und Fülle gab. Es war nicht so, daß Astrid an Minderwertigkeitskomplexen litt. Daß sie hübsch war, hatten ihr schon andere Männer gesagt, und der Blick in den Spiegel sagte es ihr auch. Das hübscheste in ihrem feingeschnittenen Gesicht mit der kleinen geraden Nase und dem weichgeschwungenen Mund waren ihre mandelförmigen Augen, die so grün wie ein Bergsee und von einem Kranz langer dunkler Wimpern umgeben waren. Über ihrer Erscheinung lag der Schmelz der Jugend, denn sie war gerade neunzehn, und oft schätzte man sie jünger.

Auch Guido hatte sie siebzehn geschätzt und sich gewundert, daß sie ganz allein in Urlaub gefahren war. Er hatte die ältere Dame, die zuerst an ihrem Tisch gesessen hatte, für ihre Mutter gehalten, wie er lachend erklärt hatte. Und das zeigte Astrid, daß er sich keineswegs zufällig an ihren Tisch gesetzt haben konnte, sondern sie offenbar schon eine Weile im Auge gehabt hatte. Das schmeichelte ihr ebenso wie seine bewundernden Blicke und der Charme, mit dem er sich um sie bemühte.

Plötzlich bedauerte sie nicht mehr, daß ihre Freundin Ulla, die sie eigentlich hatte begleiten wollen, wegen einer Blinddarmoperation ins Krankenhaus gemußt hatte. Zunächst hatte sie den Urlaub sogar absagen wollen, aber er war gebucht, und ohne triftige Gründe konnte sie so kurz vorher nicht mehr zurücktreten.

»Du lernst auf Ibiza bestimmt Leute kennen«, hatte Ulla, die bereits einmal dort gewesen war, versichert. »Sollst sehen, vielleicht bist du noch ganz froh, daß ich nicht mitkommen konnte.«

Aber Astrid war ziemlich skeptisch losgeflogen, denn es lag ihr nicht, schnelle Kontakte zu schließen wie Ulla, die damit nie Schwierigkeiten hatte. Im nachhinein schien es ihr, als habe es so sein sollen.

Bis über beide Ohren hatte sie sich in Guido Brambeck verliebt, mit dem sie sich am nächsten Tag am Strand verabredet hatte. Von da waren sie unzertrennlich gewesen. Ohne lange zu überlegen, hatte sie Guidos Einladung angenommen, mit ihm auf seiner Jacht um die Insel zu schippern. Als er ihr erzählt hatte, daß er ein Segelboot besitze, hatte sie sich eine kleine Jolle vorgestellt und war aus allen Wolken gefallen, als sie das elegante Boot mit allem Komfort gesehen hatte. Inzwischen wußte sie, daß Guidos Vater eine Fabrik besaß und die Brambecks zu den oberen Zehntausend von Hamburg gehörten. Guido hatte Jura studiert und erholte sich gerade vom Schreiben seiner Doktorarbeit.

Natürlich war ihr von Anfang an bewußt gewesen, was für eine Kluft zwischen ihnen bestand. Was war denn eine kleine Friseuse gegen den Sohn einer solchen Familie!

Astrid hatte nach der Mittelschule eine Lehre als Friseuse begonnen, um ihrer verwitweten Mutter nicht länger auf der Tasche zu liegen. Später, so hatte sie sich gesagt, könnte sie dann immer noch Maskenbildnerin werden, denn sie wollte unbedingt etwas Kreatives machen, besaß alle Voraussetzungen dafür. Doch vor einem Jahr war die Mutter gestorben, sie war nun ganz auf sich gestellt gewesen. Ihr Chef hatte ihr nach der Gesellenprüfung angeboten, weiter bei ihm zu arbeiten, und sie hatte zugesagt und darauf verzichtet, gleich die Ausbildung zur Maskenbildnerin anzufangen. Immerhin war der Salon einer der besten in Hamburg. Sie arbeitete gern dort und verdiente nun auch recht ordentlich. So hatte sie sich diesen ersten Urlaub geleistet.

Guido war aufgeklärt darüber, was sie war, und er hatte ganz gelassen darauf reagiert. Was jemand mache, so meinte er, sei schließlich egal, wenn es ihm nur Spaß mache, und schließlich könne nicht jeder studieren.

»Wahrscheinlich ist es sogar befriedigender, Leute zu verschönern, als Paragraphen zu reiten«, hatte er grinsend hinzugefügt.

Keiner der jungen Männer, die sie kannte, war wie er, jeder Vergleich mußte zu seinen Gunsten ausfallen. So wünschte Astrid nichts mehr, als daß sich ihre Beziehung in Hamburg fortsetzen würde. Auch Guido wollte sie wiedersehen, wieder und wieder hatte er es ihr gesagt, und sie wollte sich von einer enttäuschten alten Jungfer, wie ihre Nachbarin vermutlich war, nicht irremachen lassen!

*

Drei Wochen waren vergangen. Seit einer Woche mußte Guido nun auch wieder in Hamburg sein, und täglich hatte Astrid auf seinen Anruf gewartet. Sie versuchte, nicht zu enttäuscht zu sein und redete sich ein, daß er sich schon noch melden würde. Wenn man von einer längeren Reise zurückkam, hatte man ja wieder einiges zu tun. Aber nachdem eine weitere Woche ohne eine Nachricht vergangen war, stiegen Zweifel in ihr auf. Hatte sie sich vielleicht verhört, wartete er am Ende darauf, daß sie sich zuerst meldete?

Sie wußte, Guido lebte noch in der Villa seiner Eltern, wo er eine eigene Wohnung in einem Anbau besaß und auch einen eigenen Telefonanschluß. Sie suchte die Nummer heraus, aber dort meldete sich niemand. Auch nicht zu Tageszeiten, da jemand eigentlich zu Hause sein mußte.

War ihm am Ende etwas zugestoßen? Schließlich überwandt sie sich und wählte die Privatnummer seiner Eltern. Irgendein dienstbarer Geist nahm ab, und sie fragte, ob Guido zu sprechen sei.

»Wer ist denn da bitte?« wollte die männliche Stimme wissen.

Astrid stutzte plötzlich. Klang sie nicht wie die von Guido? Sie nannte ihren Namen und bat, Herrn Brambeck junior auszurichten, daß er sie bitte anrufen solle.

»Ich werde es Herrn Brambeck ausrichten«, versprach der Mann am anderen Ende der Leitung und legte auf, noch ehe sie sich bedanken konnte. Auch seine letzten Worte erinnerten Astrid an Guidos Stimme. Das mochte Zufall sein, aber je länger sie darüber nachdachte, um so sicherer wurde sie. Und wenn ihre Vermutung stimmte, bedeutete es nichts anderes, als daß Guido sich verleugnete!

Als wiederum einige Tage vergingen, ohne daß er zurückrief, war sie dessen ganz sicher. Sie war tief enttäuscht. Wie billig, sich auf diese Weise zu verleugnen und nicht einmal den traurigen Mut zu haben, ihr offen zu sagen, daß er kein Interesse mehr habe, sie wiederzusehen!

Sie war für ihn nichts weiter, als ein kleines Urlaubsabenteuer gewesen, und er hatte trotz seiner Liebesschwüre immer gewußt, daß es so war!

Ulla war sehr mitfühlend und triumphierte nicht, weil sie recht gehabt hatte.

»Vergiß ihn«, beschwor sie sie, »so ein Mann ist nun mal nichts für Mädchen wie uns. Außerdem ist er ein Miesling, wenn er dich so abzuwimmeln versucht. Für so einen bist und solltest du dir viel zu schade sein.«

Astrid versuchte, sich das auch immer wieder klarzumachen, aber wenn sie abends im Bett lag und nicht schlafen konnte, mußte sie an die schönen Stunden unter südlicher Sonne, an Guidos Küsse und seine leidenschaftlichen Zärtlichkeiten denken. Er hatte sie erst richtig zur Frau erweckt, ihr Herz wollte einfach nicht glauben, daß nun alles aus und vorbei sein sollte!

Sogar im Dienst, während sie die Köpfe der Kundinnen verschönte, wanderten ihre Gedanken öfter zu ihm.

Die Damen, gewöhnt, daß »Fräulein Astrid«, wie sie hier gerufen wurde, immer so munter mit ihnen plauderte, wunderten sich, daß sie manchmal geistesabwesend war.

Ja, es schlug ihr regelrecht auf den Magen mit der Zeit. Besonders wenn sie mit scharf riechenden Essenzen zu tun hatte, wurde ihr öfter speiübel. Schon zweimal war es in der letzten Woche vorgekommen, daß sie sich bei der Kundin hastig hatte entschuldigen und zur Toilette hatte rennen müssen.

Heute, sie bediente gerade Frau Seidel, eine langjährige gute Kundin, überkam es sie wieder. Ihr Magen hob sich, sie sah im Spiegel, wie blaß sie wurde, und dann mußte sie auch schon wieder hinauseilen. Als sie zurückkam, sah Frau Seidel sie forschend an.

»Na, Fräulein Astrid, haben Sie das öfter?«

»Zumindest in letzter Zeit vertrage ich so starke Gerüche nicht mehr so gut«, erwiderte diese. Ihr war immer noch etwas flau.

»So war es bei mir, als ich in anderen Umständen war.« Frau Seidel lächelte. »Aber bei Ihnen können es natürlich ganz andere Ursachen sein.«

»Das denke ich auch«, nickte Astrid, doch plötzlich wurde ihr ganz weich in den Knien. Warum eigentlich, auch sie konnte ja… Lieber Himmel!

»Ich habe Ihnen doch nicht etwa einen Schreck eingejagt?« fragte Frau Seidel betroffen, als sie im Spiegel sah, wie verstört die junge Friseuse auf einmal dreinschaute.

»Na ja, an diese Möglichkeit habe ich überhaupt nicht gedacht«, murmelte Astrid.

»Aber Kindchen, heutzutage nehmen die jungen Mädchen doch die Pille, was sollte da passieren. Bei uns damals war das noch anders, aber Sie brauchen sich da doch keine Sorgen zu machen, oder?«

»Nein, nein«, sagte Astrid hastig und zwang sich zu einem Lächeln, »aber im ersten Augenblick bekommt man halt doch einen Schreck. Ich glaube, ich gehe mal zum Arzt, vielleicht habe ich es mit dem Magen wie meine Mutter.«

»Ja, so was vererbt sich oft, lassen Sie es nur nicht schleifen, damit nichts Chronisches entsteht.« Die Seidel sprach dann lang und breit über einen Fall in ihrer Verwandtschaft.

Astrid nickte nur manchmal, aber sie hörte gar nicht richtig zu.

Die Vorstellung, sie könne schwanger sein, schwanger von einem Mann, der nichts mehr von ihr wissen wollte, jagte ihr kalte Schauer über den Rücken.

Sie war froh, daß wenig später Feierabend war und sie gehen konnte. Sie traf sich mit Ulla, denn sie mußte mit jemandem darüber reden.

*

Ulla riet ihr, einen Test machen zu lassen, und der bestätigte ihren Verdacht! Astrid war völlig verzweifelt, aber als Ulla andeutete, daß sie dieses Kind ja nicht unbedingt bekommen müsse und es doch Mittel und Wege gäbe, das zu verhindern, wehrte sie entsetzt ab. Das Beispiel ihrer Tante Marlene, die in jungen Jahren zu einem Pfuscher gegangen war, stand ihr vor Augen. Seitdem hatte die Tante kein Kind mehr bekommen können, obwohl sie und der Mann, den sie später geheiratet hatte, es sich so sehnsüchtig gewünscht hatten.

»Tue so etwas nie, Kleines«, hatte sie die Nichte beschworen, als sie ihr in einer stillen Stunde diese Geschichte einmal gestanden hatte. »Wenn ich damals ein uneheliches Kind bekommen hätte, weil ich den Vater des Kindes nicht heiraten wollte, Herbert hätte mich auch mit dem Kind geheiratet, und wir hätten später noch weitere Kinder bekommen können. Nie wieder habe ich in meinem Leben etwas so bitter bereut wie meine damalige Feigheit. Ich dachte, ich schaffte es nicht, ein Kind allein aufzuziehen, weil ich noch so jung war. Aber du weißt ja, man schafft mehr als man oft glaubt.«

Tante Marlene, sie würde sie verstehen! Astrid fuhr sofort nach Pinneberg, wo Tante Marlene, inzwischen verwitwet, ein kleines Wollgeschäft betrieb. Die jüngere Schwester ihrer Mutter hing sehr an ihr, sie war die einzige Verwandte, zu der Astrid noch einen innigen Kontakt hatte. Zunächst war sie auch etwas erschüttert, als Astrid beichtete, wie es um sie stand und ihr von Guido erzählte, aber dann reagierte sie so, wie Astrid erhofft hatte.

»Du wirst das Kind bekommen, ob mit oder ohne Vater«, erklärte sie resolut. Sie redete Astrid zu, Guido zumindest wissen zu lassen, daß sie schwanger wäre. »Habe bloß keinen falschen Stolz, Kindchen, du wirst diesen Kerl doch nicht aus seiner Verantwortung entlassen? Wenn er dich nicht heiraten will, was aus seinem Verhalten fast anzunehmen ist, dann soll er wenigstens für das Kind bezahlen. Ich finde, du bist es auch dem Kind schuldig, den Vater nicht zu verschweigen, und bedenke auch, daß jetzt uneheliche Kinder erbberechtigt sind.«

»Als ob es mir darum ginge, Tante Marlene!« meinte Astrid betroffen.

»Jetzt vielleicht nicht, aber später wirst du noch einmal froh sein. Im übrigen schlage ich vor, daß du dann zu mir ziehst und dir hier eine Stellung suchst. Zusammen schaffen wir es schon, da bin ich ganz sicher. Später, wenn es größer wird, suchen wir uns jemanden, der ins Haus kommt und das Kleine betreuen kann. Weißt du, ich freue mich jetzt eigentlich auf das Kind. Wie schön, daß es mir wenigstens noch vergönnt ist, so ein kleines Wesen aufwachsen zu sehen.« Tante Marlene blickte ganz versonnen drein.

Auch Astrid fühlte sich nach dem Gespräch mit ihr sehr erleichtert und war nun wieder viel zuversichtlicher. Sie beschloß, Guido brieflich mitzuteilen, daß er Vater wurde.

Es fiel ihr nicht leicht, diesen Brief zu schreiben. Die ersten Entwürfe wanderten in den Papierkorb, bis sie schließlich zufrieden war. Sie beschränkte sich darin auf die ganz sachliche Mitteilung, stellte keine Forderung und von Gefühlen war auch nicht die Rede.

»Das hast du gut gemacht«, nickte Tante Marlene anerkennend, als sie ihn gelesen hatte, »damit vergibst du dir nicht das Geringste. Aber schick ihn als Einschreiben, damit er nicht behaupten kann, ihn nie bekommen zu haben.«