34,99 €
Arbeiten wie die neuen Marktführer Management Y schlägt die Brücke zwischen klassischer Unternehmensorganisation und den Methoden und Ideen, mit denen unkonventionelle Neugründungen der Generation Y heute Weltmärkte erobern. Kunden wirklich verstehen und liefern was gebraucht wird – in einer lebendigen Organisation, die Menschen begeistert? Management Y bringt die neuen Ansätze des partizipativen Managements auf den Punkt. Anhand 24 griffiger, übertragbarer Veränderungsbeispiele ermutigt es Mitarbeiter und Manager, den Wandel hier und jetzt zu beginnen. Denn jedes Unternehmen kann attraktiver und zukunftsfähiger werden!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2014
Leseprobe
ULF BRANDES PASCAL GEMMER HOLGER KOSCHEK LYDIA SCHÜLTKEN
MANAGEMENT Y
AGILE, SCRUM, DESIGN THINKING & CO.: SO GELINGT DER WANDEL ZUR ATTRAKTIVEN UND ZUKUNFTSFÄHIGEN ORGANISATION
Illustrationen von Manuel Dorn
Campus Verlag Frankfurt/New York
Leseprobe
Über das Buch
Arbeiten wie die neuen Marktführer
Management Y schlägt die Brücke zwischen klassischer Unternehmensorganisation und den Methoden und Ideen, mit denen unkonventionelle Neugründungen der Generation Y heute Weltmärkte erobern.
Kunden wirklich verstehen und liefern, was gebraucht wird – in einer lebendigen Organisation, die Menschen begeistert? Management Y bringt die neuen Ansätze des partizipativen Managements auf den Punkt. Anhand 24 griffiger, übertragbarer Veränderungsbeispiele ermutigt es Mitarbeiter und Manager, den Wandel hier und jetzt zu beginnen. Denn jedes Unternehmen kann attraktiver und zukunftsfähiger werden!
Werden Sie Mitgestalter des Wandels auf www.management-y.de!
Über die Autoren
Ulf Brandes ist Diplom-Physiker, Wirtschaftswissenschaftler und Fellow der britischen Royal Society of Arts RSA. Nach fast zwei Jahrzehnten in internationalen Konzernen und Start-up-Firmen begann er, seine Erfahrungen in Workshops und Vorträgen weiterzugeben. Bei einem seiner Vorträge entstand die Idee zu diesem Buch. Parallel arbeitet er unter dem Titel »Augenhöhe« an einem Dokumentarfilm über moderne Formen der Zusammenarbeit.
Pascal Gemmer ist Diplom-Maschinenbauer und Absolvent der School of Design Thinking am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut. Als Co-Founder der 30-köpfigen Berliner Innovationsagentur Dark Horse unterstützt er seit 2009 Unternehmen wie Audi, SAP oder DHL bei der Entwicklung innovativer und kundenrelevanter Produkte und Services. Insbesondere die Einbettung der Prinzipien des Design Thinking in bestehende Unternehmensabläufe und Strukturen sind hierbei Schwerpunkt seiner Arbeit.
Holger Koschek ist selbstständiger Berater, Trainer und Coach. Der Diplom-Informatiker begleitet Projekte und Organisationen bei der Einführung und Verankerung agiler Denk- und Vorgehensweisen im Produkt- und Projektmanagement und in der Unternehmensführung. Dabei stützt er sich auf seine langjährige Erfahrung mit objektorientierter und agiler Softwareentwicklung. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen, regelmäßiger Sprecher auf Konferenzen und engagiert sich in agilen Communitys.
Lydia Schültken ist seit zehn Jahren Organisationsberaterin mit großer Leidenschaft für digitale Unternehmen, Agenturen und Start-ups. Sie berät und begleitet Unternehmen bei der Bewältigung von Wachstum mit Hilfe von Coaching, Strategieumsetzung, Führungskräfteentwicklung und aktiver Unternehmenskulturgestaltung. Im Jahr 2012 nahm sie am Programm »Start-up Chile« in Santiago de Chile teil, um selbst einmal den Entrepreneur-Hut aufzusetzen.
UNSER GRÖSSTES ENTWICKLUNGSPOTENZIAL
MEHR MENSCHLICHKEIT IM MANAGEMENT!
WAS UNTERNEHMEN HEUTE ÄNDERN …
EIN ANDERER BLICKWINKEL ERÖFFNET NEUE ANSICHTEN
KUNDEN WIRKLICH VERSTEHEN
LIEFERN, WAS GEBRAUCHT WIRD
ORGANISATION GEMEINSAM BELEBEN
MENSCHEN EHRLICH BEGEISTERN
… UND 24 MÖGLICHKEITEN, JETZT ZU HANDELN
AUS DER PRAXIS: LEICHT ÜBERTRAGBARE HELFER FÜR DEN WANDEL
ART OF HOSTING - GEMEINSAME ZEIT BESSER NUTZEN
BLUEBOARD - DIE BESTEN IDEEN SETZEN SICH DURCH
BUSINESS MODEL CANVAS - DAS GANZE UNTERNEHMEN AUF EINEN BLICK
CROSS LEVEL GROUPS - HIERARCHIEÜBERGREIFENDE PLATTFORM FÜR DEN WANDEL
DELEGATION POKER - SPIELERISCH VERANTWORTUNG KLÄREN
ELCH AUF DEM TISCH - MUT ZU HEIKLEN DIALOGEN
FEARLESS JOURNEY - GEMEINSAM EINEN WEG IN DIE ZUKUNFT ENTDECKEN
FRAG‘ DEN BEWERBER - DER ERSTE SCHRITT ZUM EMPLOYER BRANDING
INGENIEURE ENTWICKELN AGIL - ZUM BEISPIEL KOMPLEXE FAHRZEUGKOMPONENTEN
JOB-ROTATION - ANDERE PERSPEKTIVEN IM EIGENEN UNTERNEHMEN ERLEBEN
KILL YOUR DARLINGS! - GUTE ARGUMENTE FÜR DAS SCHEITERN
KONSENT - „NIEMAND IST DAGEGEN“ STATT „DIE MEHRHEIT IST DAFÜR“
KONSULTATIVER EINZELENTSCHEID - DER KOMPETENTESTE ENTSCHEIDET
LEITPLANKEN - DIE BEDÜRFNISSE DES UNTERNEHMENS FORMULIEREN
MENTORING - WIE NEUE KOLLEGEN IHREN PLATZ IM UNTERNEHMEN FINDEN
NEUEINSTELLUNG DURCH DAS TEAM - MUT ZUM VETO
NOBODY‘S PERFCT - PER KARTENSPIEL ZUR FEHLERKULTUR
OPEN SPACE - EINE AGENDA ENTSTEHT VON SELBST
PAIRING - SCHAMLOS ZU ZWEIT VIERMAL BESSER
PROTOTYPING - SCHNELLE, SICHTBARE ERGEBNISSE
SLACK - IDEEN DEN PASSENDEN RAUM GEBEN
SUPERSCHURKE - DEINE GRÖSSTE SCHWÄCHE
TEMENOS - KENNEN WIR UNS WIRKLICH?
VOLLE TRANSPARENZ - ALS UNTERNEHMER TEILHABE FÖRDERN
GEMEINSAM IN BEWEGUNG BLEIBEN
… was für eine unfassbare Fehlentscheidung das rückblickend war, können Sie sich ja vorstellen. In einem Punkt waren sich alle einig: Es musste ein Kopf rollen!
Das verstehe ich. Bei uns war das früher auch so. Wenn ein Fehler passierte, dann wetzten wir alle das Messer …
Sie sagen es!
Interessanterweise ist das heute anders. Letzte Woche erst ist einem Kollegen ein krasser Fehler unterlaufen. Aber anstatt mit dem Finger auf ihn zu zeigen, haben alle mit angepackt, um das Problem zu lösen.
Echte Hilfe statt schneller Hinrichtung? Einfach so?
Irgendwie schon. Weil alle sich durch die vielen kleinen Veränderungen der letzten Zeit mehr als Mitgestalter denn als Opfer der Firma fühlen.
Das ist ja spannend! Was sind denn das für kleine Veränderungen? Könnte das auch bei uns funktionieren?
Ach, das ist gar nicht so kompliziert! Wie lange fliegen wir noch? Eine halbe Stunde. Dann kann ich ja mal ein bisschen erzählen …
[Bild vergrößern]
Lassen Sie uns gemeinsam eine zukunftsfähige Arbeitswelt schaffen! Eine, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. Mit einer Arbeitskultur, in der Menschen aus echter Begeisterung ihr Bestes geben. Warum und wie dies heute überall möglich ist, zeigen wir in diesem Buch. Hierzu erläutern wir die gegenwärtigen Veränderungen in der Arbeitswelt und lassen mutige Unternehmer und Führungskräfte zu Wort kommen, die zeigen: „Es geht auch anders – und zwar besser.“
Die stärkste Motivation für einen solchen Kulturwandel spürt, wer ihn miterlebt. Menschlicher, authentischer, reflektierter. Demütiger vor der zunehmenden Komplexität der Welt – und erfolgreicher: Wer einmal diese neue Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts kennengelernt hat, der will nie wieder zurück. Ob dies über Design Thinking, Scrum, dienende Führung, authentische Unternehmenskommunikation oder eine andere moderne Arbeitsweise geschehen ist, spielt im Grunde keine Rolle. Bedeutsam sind die Gemeinsamkeiten dieser neuen Strömungen: Augenhöhe statt Unterordnung, Gemeinsinn statt Silodenken, gemeinsam entwickeln statt anordnen. Dass Menschen, die so zusammenarbeiten, meist glücklicher und erfolgreicher sind, wissen wir durchaus – doch die Realitäten unserer Gegenwartskultur leiten uns immer wieder in die entgegengesetzte Richtung.
Wenn wir in der Arbeitskultur des 20. Jahrhunderts verharren, ist fraglich, ob wir damit Erfolg haben werden. Viele Führungskräfte sind sich dessen zwar bewusst, aber Wandel ist eben kein Selbstläufer. Jeder Anstoß zum Umdenken ist mühsam errungen, und häufig fehlt es an pragmatischen Hilfen, um den Einstieg zu finden. Zugleich gibt es viele gute Gründe, um an Bewährtem festzuhalten. So werden Reformen immer wieder halbherzig, über die Köpfe der Betroffenen hinweg oder gar nicht angestoßen und von der Führung nicht vorgelebt. Und trotz aller Reformbemühungen engagierter Initiatoren hält sich hartnäckig das Bild, dass Arbeit so sein müsse, wie sie heute ist. Die Hürden, die der Innovation, der Potenzialentfaltung und der Arbeitsgesundheit heute im Weg stehen, werden dadurch in der betrieblichen Praxis täglich weiter zementiert.
Zu einer besseren Arbeitswelt gibt es jede Menge Theorie und politische Programmatik. Doch in der öffentlichen Diskussion fehlen lebendige Beispiele, die wirklich berühren und in der Praxis zeigen, was möglich ist und was es bringt, neue Wege zu gehen. An dieser Stelle wollen wir einen Hebel ansetzen und zum Umdenken einladen. Denn konkrete Beispiele von Herausforderungen, praktischen Ideen und Erkenntnissen entfalten eine viel nachhaltigere Wirkung als Theorien, Wunschdenken und Rhetorik. In den unterschiedlichsten Branchen und Organisationsformen gibt es Entwicklungen, die ein menschlicheres und erfolgreicheres Arbeiten im Betrieb ermöglichen. Die Praxis- und Methodikbeispiele in diesem Buch sollen Sie ermutigen, gemeinsam mit Ihren Kollegen ebenfalls geeignete Wege abzustecken und den Wandel in Ihrem Umfeld auf Ihre Weise einzuleiten. Es sind demnach keine Blaupausen oder Patentrezepte, sondern verdichtete, hilfreiche Erfahrungen.
Wer Neuland erst betreten mag, wenn der Erfolg garantiert ist, wird nicht weit kommen, und der eigene Königsweg sieht aus dem Blickwinkel der Kollegen oft unwegsam aus. In komplexen Situationen liegt eine große Chance darin, Kollegen einzuladen, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und behutsam das Terrain zu testen. Management Y lädt Sie und Ihre Kollegen daher dazu ein, genau dies zu tun: gemeinsam kleine Schritten in die neue Arbeitswelt zu wagen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob die Richtung stimmt.
Orientierung erleichtert den Einstieg: Daher bieten wir in der ersten Hälfte des Buchs eine Zusammenschau der Grundmuster und der wesentlichen Reformbewegungen und Strömungen – aus vier unterschiedlichen Blickwinkeln, die von der Innovation bis zur Lieferung die wesentlichen Felder des Wandels beleuchten. In der zweiten Hälfte des Buchs erhalten Sie dann ganz konkrete Anregungen zum Einstieg in den Wandel – von Menschen, die neue Formen von Zusammenarbeit gewagt haben und von ihren Erfahrungen berichten. Am Schluss betrachten wir verschiedene Möglichkeiten, wie es gemeinsam weitergehen könnte.
Wir schreiben dieses Buch, weil wir dazu beitragen wollen, dass wir alle einmal stolz zurückblicken können auf die atemberaubende Ära des Umbruchs an der Schwelle vom 20. zum 21. Jahrhundert. Zugleich ist dies genau das Feld, in dem wir arbeiten möchten – und zwar gemeinsam mit allen Pionieren, Vordenkern, Praktikern, Anwendern und Ratsuchenden, die den Wandel der Wirtschaft hin zu einer Wirtschaft des Wandels mitgestalten. Daher haben wir zu diesem Buch im Internet eine Anlaufstelle geschaffen, wo Sie weitere Informationen erhalten und Gleichgesinnte finden können. Und natürlich auch uns. Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen!
Begleitmaterial und Kontaktmöglichkeiten im Internet:
management-y.de
Unser Dank gilt allen Pionieren der neuen Arbeitswelt sowie unseren Familien, Kollegen und Freunden, ohne deren engagierte Arbeit und Unterstützung dieses Buch nicht möglich gewesen wäre. Manuel Dorn hat mit seinen hintergründigen Illustrationen sehr zum Wert dieses Buchs beigetragen. Wir danken dem Campus Verlag, insbesondere Stephanie Walter und Ulrich Begemeier, für den Mut, dieses Buch mit uns zu machen.
Berlin/Wedel, im Juli 2014
Ulf Brandes
Pascal Gemmer
Holger Koschek
Lydia Schültken
Wie werden wir heute ein „Great Place to Work“ mit „Great Products to Buy“?
[Bild vergrößern]
Kolumbus bricht auf in die Neue Welt. Seine Karte ist falsch, doch der Pioniergeist ist groß. Und der unverhoffte Ertrag ist unermesslich.
„Hier dauert der gesamte Akt eine Minute und da halt anderthalb Wochen“, vergleicht Maschinenbau-Ingenieur Felix Heckmann (39) die Beschaffungsprozesse in seinem Unternehmen mit einigen Wettbewerbern, die er gut kennt. Sein Arbeitgeber allsafe JUNGFALK ist ein mittelständischer Automobilzulieferer aus Baden-Württemberg. Auf den ersten Blick nichts Besonderes: 145 feste Mitarbeiter, gut 39 Mio. Euro Jahresumsatz bei gut 5 Mio. Euro Gewinn vor Steuern, 3000 große und kleine Kunden in aller Welt. Doch bei allsafe JUNGFALK herrschen Transparenz und Vertrauen, es gibt keine starren Prozesse und Hierarchien. Sämtliche Mitarbeiter kennen die Finanzdaten des Unternehmens, die sie mit anderen Leistungskennzahlen täglich bei den Postfächern und auf den Gängen aushängen. Und: allsafe JUNGFALK ist Weltmarktführer für Transportsicherungssysteme im Logistikbereich. Deutlich teurer als die Konkurrenz, von Kunden hochgeschätzt für die Qualität und die Durchdachtheit der Produkte sowie für Flexibilität und hohe Liefergeschwindigkeit – selbst bei Kleinmengen und Sonderlösungen.
Mehr zu diesem Teil des Buchs:
management-y.de/grundlagen
allsafe JUNGFALK ist kein Einzelfall. Karsten Foth, Geschäftsführer der Firma hhpberlin, berichtet: „Als wir die Jobtitel abgeschafft hatten, entdeckten die Mitarbeiter auf einmal das Problem: ,Mensch, Karsten! Seitdem weiß ich auf einer Party gar nicht mehr, wie ich die Frage beantworten soll, was ich bin!‘“ hhpberlin ist das größte deutsche Ingenieurbüro für Brandschutz, 160 Mitarbeiter an sechs Standorten. Auch bei hhpberlin gibt es seit über zehn Jahren kein starres Organigramm mehr. Die Mitarbeiter entscheiden selbst, woran sie arbeiten. Sie vertrauen dabei nicht nur darauf, dass ihre Kollegen im Interesse des Unternehmens, der Kunden und Partner handeln. Sie haben darüber hinaus Routinen entwickelt, um über die Aktivitäten der anderen auf dem Laufenden zu bleiben und gerade auch heikle Fragen offen auszusprechen. Der Markt dankt ihnen diese Vertrauenskultur und die daraus resultierende Leistungsfähigkeit: Wie Jungfalk ist auch hhpberlin unangefochtener Marktführer in der eigenen Branche, mit Brandschutzprojekten wie dem Berliner Hauptbahnhof, der Allianz Arena, Sanssouci und etlichen Wolkenkratzern und Großflughäfen in aller Welt.
Die Vorreiter für die Unternehmenskultur des 21. Jahrhunderts sind nicht nur die jungen Talente der Generation Y und Medienplatzhirsche wie Apple oder Google, sondern auch Hidden Champions wie allsafe JUNGFALK und hhpberlin – also Unternehmen aller Branchen mit Mitarbeitern aller Altersgruppen. Die Beispiele zeigen: Die wahren Erfolgsfaktoren im 21. Jahrhundert liegen nicht in noch ausgeklügelteren Werbetricks oder einem skrupellosen Beschaffungswesen, sondern in menschlicher Reife an den Schlüsselpositionen der Organisation. Wir können uns fragen: Haben unsere Organisationsstrukturen der Vergangenheit reife, souveräne menschliche Haltungen eher gefördert, oder erschwert? Der Industrialisierung unserer Arbeitswelt von der Produktion bis zur Verwaltung und den Heilberufen verdanken wir viel, nicht zuletzt einen guten Teil unseres Wohlstands und unserer Lebensqualität – doch möglicherweise auch einige Hindernisse auf dem Weg zu menschlicher Charakterstärke, Souveränität und Verbundenheit im Miteinander.
Scheint es in unseren heutigen Organisationen nicht oft sicherer, bei heiklen Themen den Kopf in den Sand zu stecken, als sich ihnen zu stellen; aussichtsreicher, sich der Konzernpolitik zu widmen, als den Belangen der Kunden; bequemer, von den Mitarbeitern zu fordern, ihre Zahlen im Griff zu haben, als mit anzupacken, wenn Probleme auftauchen? Was ist leichter, drei zusätzliche Jours Fixes in der Woche anzusetzen oder zum ernsthaften Dialog über schwierige Herausforderungen einzuladen? Vorhaben anderer zu kritisieren oder sie selbstlos zu fördern? Sich an Besitzstände oder Privilegien zu klammern oder sie loszulassen? Gilt Rivalität zwischen Mitarbeitern und Abteilungen als gesundes „Survival of the Fittest“, das getreu dem Grundsatz „Teile und herrsche“ bequem die eigene Position festigt – oder fördern wir Verbundenheit und riskieren, dass die Mitarbeiter miteinander über uns hinauswachsen? Diese Fragen ließen sich beliebig fortsetzen.
„Geben ist seliger denn nehmen“, sagte man einst – ist das tatsächlich so überholt? Was macht uns glauben, dass wir uns mit dem Motto „Wenn jeder für sich sorgt, ist für alle gesorgt“ auf Dauer wirklich besser stellen? Sind es unsere Organisationsstrukturen, die zu unguten Haltungen beitragen und Charakterstärke weniger attraktiv erscheinen lassen? Dann wäre wenig verwunderlich, dass solche Organisationen sich schwertun angesichts der meisten heutigen Herausforderungen vom globalen Wettbewerb bis zu Umweltthemen und veränderten Konsumentengewohnheiten: Wie könnten sie ihnen auch gewachsen sein, wenn sie unsere menschlichen Schwächen bedienen, statt souveränes Loslassen, echte Entfaltung und Gemeinsinn zu fördern?
[Bild vergrößern]
Die Fragen hinter unserem unternehmerischen Wunsch nach echter Innovation, erfolgreicher Personalgewinnung und begeisterten Kunden lauten:
Wie können wir uns und unseren Mitarbeitern souveräne Haltungen erleichtern?
Wie können wir Organisationen schaffen, die im gegenseitigen Vertrauen Mitarbeitern erleichtern, souveräne Haltungen einzunehmen?
Auf diese Fragen gibt es keine allgemeingültige Antwort, keine Best Practice und keine ISO-Norm. Denn so individuell die Menschen sind, so verschieden sind die Wege, um für sie und mit ihnen eine Organisation zu schaffen, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. Doch es gibt umfassende gesicherte Erkenntnisse über geeignete Rahmenbedingungen und Betrachtungsweisen. Im Folgenden beleuchten wir einige von ihnen näher: was Menschen motiviert; wie Menschenbild und Entfaltung zusammenhängen; was Höchstleistung ermöglicht; wie wir Sinn stiften und wie wir mit Komplexität umgehen können.
Was das Wissen über die menschliche Natur angeht, ist die Kluft zwischen Theorie und Praxis heute wohl bald so groß wie zu Beginn des Zeitalters der Aufklärung. Hirn- und Verhaltensforschung, Sozialpsychologie und moderne Organisationsentwicklung sitzen auf regelrechten Schatzkisten von Erkenntnissen aus jahrzehntelangen Beobachtungen und Forschungen, wie Wahrnehmung und Geist zusammenwirken, was Menschen motiviert, wie gute und schlechte Entscheidungen zustandekommen, warum wir tun, was wir tun, was unsere Leistungsfähigkeit fördert und was uns schwächt – und wie wir Zusammenarbeit so organisieren können, dass sie Menschen begeistert.
Gemessen an dem, was wir über eine funktionierende Arbeitskultur wissen könnten, bewegen wir uns im Arbeitsalltag mit Badelatschen im Hochgebirge – und wundern uns ernsthaft, warum wir regelmäßig ausrutschen, uns verletzen und andere gefährden. In unseren Organisationsstrukturen gebärden wir uns wie Debütanten der Menschlichkeit, die eigene Erfahrungen machen müssen, sich aus ihren Einzelbeobachtungen, Erfolgen und Misserfolgen, persönlichen Prägungen und dem Zeigeist ihre Weltbilder zusammenreimen müssen und gar nicht ahnen, welches viel weiterreichende Vorwissen sich mit wenig Engagement zusätzlich erschließen ließe: Wir sind geprägt von den Erfolgsrezepten des 20. Jahrhunderts – höher, schneller, weiter; alle gegen alle; mehr ist immer besser; was kostet die Welt –, geprägt von den Geisteshaltungen, die uns das Gefühl gaben, mit ihnen erfolgreich zu sein.
Wir hatten in gewisser Weise recht und haben wahrscheinlich übertrieben. Die Generation, die nach den Entbehrungen der Nachkriegszeit beispiellosen Wohlstand in die Welt brachte, macht sich heute Gedanken um ihr Vermächtnis: Was bleibt von dem beeindruckenden Pool im Garten und der Sauna im Keller? Vom bitter erkämpften Abteilungsleiterposten im abgewickelten Warenhauskonzern? Vom hart Ersparten, das sich in Wirtschaftskrisen und Inflation verzehrt? Von den Geisteshaltungen, die uns dahin gebracht haben, wo wir heute stehen?
Am wenigsten gefangen von solchen Anhaftungen und Sorgen scheint die junge Generation Y zu sein, die, um die Achtzigerjahre geboren, nach Ölschock, Umweltschock und Rentenschock nur eines weiß: So geht es nicht weiter. So arbeiten und leben wie ihre Eltern – auf keinen Fall! Auf deren vermeintliche Errungenschaften wird in Zukunft sowieso kein Verlass sein – warum also sollten sie ihr etwas bedeuten?
Anders als die eher angepassten Generationen X und Golf erklärt die Speerspitze dieser um die Jahrtausendwende Teenager gewordenen „Millenials“ der Generation Y nonchalant, auf jahrzehntelang wirksame Arbeitsanreize wie Hierarchie-Rang, Dienstwagen und vieles andere verzichten zu wollen zugunsten einer Arbeitskultur, die sich an tieferen menschlichen Bedürfnissen orientiert. Und die Millenials sind damit nicht allein, denn immer mehr Ältere reflektieren die Wertvorstellungen der Vergangenheit und stellen sich jetzt Fragen, die sie sich früher nicht gestellt haben: wofür es zu leben lohnt, auf wessen Kosten sie leben wollen und was sie ihren Kindern wirklich weitergeben möchten.
Die Avantgardisten der Generation Y scheinen zu ahnen – und unbeeindruckt von den „Erfolgsrezepten“ und Haltungen des 20. Jahrhunderts mit ganz neuen Arbeitsweisen zu verwirklichen –, was die wissenschaftliche Forschung seit Jahrzehnten wieder und wieder mit handfesten Beobachtungen belegt:
Menschen haben von Natur aus eine starke intrinsische Motivation, sinnvolle Aufgaben eigenverantwortlich anzugehen. Boni, Incentives und Leistungsanreize sind meist nicht nur wirklungslos, sondern oft sogar schädlich für das angestrebte Ergebnis, das sie letztlich entwerten.
Menschen finden in echter Gemeinschaft Schritt für Schritt viel leistungsfähigere Lösungen für komplexe Herausforderungen, als wenn nur wenige denken und der Rest deren ehrgeizige Pläne umsetzt.
Wenn die Grundbedürfnisse gedeckt sind, engagieren Menschen sich auf Dauer viel intensiver für wirklich sinnvolle Vorhaben als für monetäre persönliche Vergütungen.
Das halten viele für Binsenweisheiten und konstatieren achselzuckend, die Wirtschaft ticke eben anders. Wirklich? Werfen wir zunächst einen Blick auf einige Forschungsergebnisse und Erklärungsmodelle. Im darauffolgenden Teil „Was Unternehmen heute ändern …“ und den anschließenden Praxisbeispielen („… und 24 Möglichkeiten, jetzt zu handeln“) betrachten wir dann, welche leistungsfähigen und inspirierenden Herangehensweisen die neue Arbeitswelt inzwischen zu bieten hat.
Eines ist klar: Eine Zusammenarbeit, bei der einer denkt und alle anderen ausführen, bleibt selbst bei einfachen Tätigkeiten weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Menschen sind mit Anlagen ausgestattet, die weit über reine Ameisentätigkeiten hinausreichen – und selbst Ameisen besitzen bei ihren emsigen Tätigkeiten ein hohes Maß an Autonomie und Selbstorganisation. Die mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert einhergehende Mechanisierung der Arbeitswelt schuf neue Denk- und Arbeitsweisen, die mit dem Taylorismus der Weltkriegsära ihren Höhepunkt erreichten:
Orientierung der Arbeit am Ideal der Maschine: planbar, beherrschbar, reproduzierbar, skalierbar, austauschbar
Willkürliche Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit
Anreizsysteme, die mit Druck und Kontrolle Leistungen erzwingen wollen
Die geistlose Akkordarbeit und die fehlende wissenschaftliche Fundierung des Taylorismus führte in den USA schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg zu starker Kritik bis hin zu staatlichen Verboten einzelner Praktiken. Andererseits war die Kriegswirtschaft allerorten auf billigste Arbeitsleistung und die Ausbeutung aller verfügbaren Ressourcen angewiesen. So wurden die anfänglichen Schutzgesetze flächendeckend unterlaufen und die kritisierten Grundgedanken weiterentwickelt, etwa mit den ersten Zeiterfassungssystemen, und in Deutschland beispielsweise mit der REFA-Methodenlehre, die bis heute im deutschen Tarifsystem ein fester Begriff für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung ist.
Auch das Ende des Zweiten Weltkriegs konnte den Siegeszug des Ideals von der maschinengleichen Arbeitskraft nicht stoppen. Gerade Taylors ursprünglich nur für repetitive Arbeiten gedachten Belohnungs- und Anreizsysteme wurden in immer mehr Branchen und Arbeitsbereichen zum zentralen Dogma, von Banken und Hochschulen über Ingenieurtätigkeiten bis hin zur Kundenbeziehungspflege in Callcentern und sozialen Netzen. Menschen wollen wie Maschinen arbeiten, scheint es. Aber: Wollen wir das wirklich?
Was für Menschen sind wir, worauf kommt es uns an? Diese Frage ist zentral und nicht zuletzt identitätsstiftend für jede Organisation. Dennoch – oder gerade deswegen – ist sie nicht leicht zu beantworten und oft scheint es bequemer, ihr auszuweichen und sich hinter den üblichen Phrasen zu verstecken. Dabei steht die Frage spätestens dann evident im Raum, wenn wir für die nächste Stellenausschreibung über die üblichen Schlagwörter hinaus zu formulieren versuchen, welcher Typ Mitarbeiter gesucht wird.
[Bild vergrößern]
Theorie X und Theorie Y, nach Douglas McGregor
Der US-amerikanische Psychologe Douglas McGregor hat zu dieser Frage am Massachusetts Institute of Technology (MIT) schon 1960 eine Unterscheidung formuliert, die für die Qualität unserer Zusammenarbeit richtungweisend ist: Welches Menschenbild gilt bei uns? McGregor zufolge lassen sich zwei grundlegende Menschenbilder unterscheiden. Er gewann sie aus umfangreichen Befragungen zum Thema „Was glauben Sie, was Menschen motiviert?“ und nannte sie Theorie X und Theorie Y:
Theorie X zufolge sind Menschen
extrinsisch motiviert
, also salopp gesagt faul, und brauchen starke äußere Anreize. Die Rolle der Führungskraft ist es, den Mitarbeitern Vorgaben zu machen und deren Einhaltung zu kontrollieren.
Theorie Y zufolge sind Menschen
intrinsisch motiviert
, wollen also von sich aus etwas erreichen. Die Aufgabe der Führungskraft ist es, den Mitarbeitern zu dienen und sie dabei zu unterstützen, sich weiter zu entfalten.
Laut McGregor tendieren Menschen und Organisationen meist recht deutlich zu der einen oder anderen Sichtweise und verhalten sich dem jeweiligen Menschenbild entsprechend. Welches Verständnis von Menschsein und Führung hilft in welchem Fall weiter? Betrachten wir die Auswirkungen dieser beiden unterschiedlichen Menschenbilder auf die Mitarbeiter:
Theorie X: Mitarbeiter empfinden ihre Arbeit als fremdgesteuert und sehen sich in der Rolle des Dieners. „Dienst nach Vorschrift“ ist ein typisches Resultat, das schon McGregor in seinen Forschungen darlegen konnte.
Theorie Y: Mitarbeiter spüren ihre Eigenverantwortung sowohl für ihre Arbeitsergebnisse als auch für ihr eigenes Wohlergehen. Sie sehen und nutzen ihre Möglichkeiten, über sich hinauszuwachsen.
McGregors Forschungen zufolge werden Menschen wohl nicht als „X “ geboren, sondern erwerben „X-Verhalten“ im Laufe ihres Lebens, wobei auch der persönliche Kontext eine Rolle spielt: Wenn Menschen glauben, alle anderen seien extrinsisch motiviert, versuchen sie, sich entsprechend zu verhalten. Das führt in Organisationen zu einem Teufelskreis: Aufgrund der Vermutung, die Mitarbeiter seien extrinsisch motiviert, werden Regeln, Vorschriften und Anreize etabliert. Diese wiederum bilden den Kontext, der das eigene Verhalten prägt – und gleichzeitig das der anderen. So stärkt eine X-Kultur sich selbst und der Kreislauf beginnt von vorne…
Heute ist McGregors Verständnis der Theorie Y in Ansätzen wie der dienenden Führung verwirklicht, aber noch lange nicht in der betrieblichen Wirklichkeit der meisten europäischen Unternehmen angekommen. Kein Wunder, denn es ist gar nicht so leicht: weder für die Führungskräfte, auf die Unterordnung ihrer Mitarbeiter zu verzichten, noch für die Mitarbeiter, weil bequeme Vorwürfe wie „Der Chef ist schuld“ und „Ich werde hier nicht motiviert“ ihre Wirkung verlieren. Und nicht leicht für alle, die nach Theorie Y arbeiten wollen, wenn dies nicht in der eigenen Linienorganisation bis hinauf zum Gesellschafterkreis ernsthaft vorgelebt wird.
Die Frage, welches Menschenbild wir fördern wollen, ist unbequem, aber bedeutsam, prägt es doch entscheidend unser Verhalten in Organisationen und die Systeme, die wir etablieren. Geld kann unter Umständen zwar kurzfristig motivieren – aber nachhaltiger wirken Gemeinsinn und die Freude, etwas geschafft zu haben. Wir wissen: Echte Begeisterung und Hingabe kann man nicht kaufen. Und auch wenn wir uneins sind, ob die Systeme dem Menschen dienen sollen oder Menschen den Systemen, ist in Zeiten des großen Wettbewerbs- und Veränderungsdrucks eine Frage überlebenswichtig: Wie kann sich unsere Leistungsfähigkeit am besten entfalten?
Ein weiteres bemerkenswertes Forschungsergebnis, das bis heute den Weg in die klassische Managementausbildung nur sporadisch geschafft hat, wird durch eine Frage eröffnet, die schon Maria Montessori faszinierte und die Mihály Csíkszentmihályi unter anderem als Leiter der Psychologischen Fakultät der Universität Chicago jahrzehntelang untersuchte: Welche Umgebungsfaktoren ermöglichen es Menschen, über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich hohe Leistungen zu erbringen?
Csíkszentmihályi beobachtete Hunderte Höchstleister in unterschiedlichsten Berufsgruppen, darunter Sportler, Handwerker, Wissenschaftler und Führungskräfte. Seinen Forschungen zufolge sind Menschen auf Dauer und ohne zu ermüden zu einem Zustand kontinuierlicher Spitzenleistung fähig, den er Flow nannte. In Kurzform bestätigt er mit damit McGregors Theory Y: Arbeit motiviert, wenn sie sinnvoll erscheint und in einer Umgebung stattfindet, die Selbstbestimmtheit und Entfaltung fördert und rasche Rückmeldung gibt. Geisttötende Arbeitsbedingungen wie Sinnentleertheit, Überforderung und Zwang hingegen führen zwar bei rein mechanischen Arbeiten zu kurzzeitigen Zuwächsen in der Leistungsabgabe, sind aber absolute Leistungskiller für jede Form von kognitiver, kreativer oder analytischer Leistungsfähigkeit.
Damit Flow möglich ist, müssen bestimmte Randbedingungen erfüllt sein, die der amerikanische Bestseller-Autor Dan Pink später mit den drei folgenden Begriffen zusammenfasste:
Autonomie
: Entscheide ich selbst, wie ich meine Aufgabe angehe?
Kompetenz
: Kann ich mir das nötige Wissen und die Mittel verschaffen?
Sinn
: Erscheint mir die Aufgabe um ihrer selbst willen lohnend?
[Bild vergrößern]
Selbstorganisation oder starre Vorgaben: Wie die Strukturen der Organisation Flow fördern oder verhindern können.
zum Thema Pair Programming siehe auch „Pairing: Schamlos zu zweit viermal besser“
Auch bei Routineaufgaben wirken Gängelung und Antreiberei eher kontraproduktiv. Besser sollte man sich fragen, wie man öde Routine für Menschen erträglich machen kann – etwa indem man Zusammenarbeit und Gestaltungsspielräume ermöglicht. Die Paketaufschneider in den Logistikzentren der Drogerieeinzelhandelskette dm sind ein Beispiel. Ihre Tätigkeit konnte man nicht automatisieren, aber menschlich gestalten: Die „Aufschneider“ sind immer zu zweit, können sich also unterhalten. Bei dm bestimmen sie das Tempo – nicht die Maschine. In vielen Branchen, von der Fertigung bis zum „Pair Programming“ in der Software-Programmierung, arbeiten inzwischen Menschen paarweise an Arbeitsplätzen, die man streng genommen allein ausfüllen könnte, und übernehmen gemeinsam souverän die Führung ihrer Aufgabe, kümmern sich um Qualität und Nachschub – und das umsichtiger, autonomer und effizienter, als wenn ein Vorgesetzter ihnen die Verantwortung abnähme.
Hinzu kommt ein Umdenken von „Push“ zu „Pull“, das in der Logistik seinen Anfang nahm: Beginnt ein Prozess besser auf der Angebots- oder auf der Nachfrageseite? Wer sich über Einkaufsmöglichkeiten lieber bei Bedarf informiert, als unerwünschte Werbung in seinem Briefkasten oder seinem E-Mail-Postfach zu erhalten, weiß, was gemeint ist. Dieses „Pull-Prinzip“ gilt nicht nur in der Werbung, sondern ebenso in der Produktion und für jede Gruppe, die im Flow ist: Wir wollen den Flow aufrechterhalten und uns „ziehen“ (engl. „pull“), was wir dafür benötigen, anstatt durch Stöße (engl. „push“) von außen gestört zu werden.
Zwingend notwendig dafür ist Transparenz, also dass die handelnden Personen sich selbst mit den Informationen versorgen können, die sie für ihre Aufgabe benötigen. Im Nebel navigieren ist schwer. Nur wer die wichtigen Details seiner Umgebung möglichst unverfälscht wahrnehmen kann, ist imstande, in voller Verantwortung Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln.
Eigenverantwortlich arbeitende Teams können es sich leisten, Fehler zu machen, ja, sie sollen es sogar – vor allem wenn sie transparent darüber berichten und somit anderen die Möglichkeit geben, daraus zu lernen. Denn in ihrer Verantwortung liegen ihnen die eigenen Fehler natürlich am Herzen. Außerdem erkennen die handelnden Personen meist am kompetentesten, welche Annahmen unzutreffend waren, und können entsprechend gegensteuern. Last, but not least: Es ist kostengünstiger, unzutreffende Grundannahmen eines Vorhabens frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren, als später, wenn schon viel investiert wurde. Zentrale Planung schützt vor Planungsfehlern am allerwenigsten.
Die Rolle der Führungskraft wandelt sich heute somit vom Kommandeur und Kontrolleur zum vorausschauenden Diener, der vor allem den Flow seiner Kollegen im Blick hat: Haben sie, was sie brauchen, angefangen von Information und Material bis zur Kompetenz? Und ergibt das, was sie tun, für sie Sinn?
Welchem Sinn eine Firma dient, wofür sie da ist und wie sie tickt, erkennen Kunden und Interessenten schnell. Schließlich wollen sie wissen: Stehen meine Belange dort wirklich im Vordergrund – oder eher deren eigene? Die Grundhaltung einer Firma transportiert sich in vielfältiger Weise, vom persönlichen Kontakt mit Mitarbeitern bis hin zur Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen und Marken. Man könnte sagen: Gesunde Schönheit kommt von innen.
Dennoch ist die Frage „Warum tun wir eigentlich, was wir hier tun?“ in vielen Unternehmen alles andere als das Tagesgespräch. „Damit wir Geld verdienen“, lautet eine schnelle, ausweichende Antwort. Doch dem Kunden ist damit nicht gedient. Und auch den Mitarbeitern nicht, denn diese möchten wissen, wozu sie beitragen. Idealerweise entwickeln sie die Antwort auf die Frage, wofür das Unternehmen steht, selbst mit.
Wenn wir die Frage ausweiten, wird sie noch heikler: „Auf wessen Kosten geht das, was wir hier tun? Ist das wirklich in Ordnung?“ Etwa wenn starke Markeninhaber ihre Zulieferer zur austauschbaren „Commodity“ machen und im Preis zu drücken versuchen; oder wenn Lieferanten Kunden wesentliche Informationen verschweigen; oder wenn Mitarbeiter von Umweltsünden ihrer Firma erfahren.
Untergräbt ein allzu eigennütziges Selbstverständnis nicht die Loyalität der Mitarbeiter auf allen Ebenen – nicht zuletzt weil sie ahnen, sie könnten vom eigenen Unternehmen selbst ebenso behandelt werden, und weil sie womöglich lieber zu einem größeren Ganzen beitragen wollen, auf das sie stolz sein können? Laufen Unternehmen damit nicht dem gegenwärtigen tief greifenden Wertewandel zuwider, in dessen Folge sich immer mehr Menschen zu Lebensstilen von Echtheit, Qualität, Familienbewusstein, Achtsamkeit und Sinnhaftigkeit hingezogen fühlen? Und beraubt uns Kleinstaaterei nicht der Chancen, bei wichtigen Fragen durch echte Zusammenarbeit zu ganz anderen und weit besseren Lösungen zu kommen, als wenn jeder nur seine eigene Agenda verfolgt?
Wessen Belange berücksichtigen wir – und wessen nicht? Das ist die Sinnfrage, die bestimmt, was für uns zählt: Reicht unser „Wir“ gerade für unsere Familie, die es zu ernähren gilt? Zählen wir unsere Kollegen dazu? Auch die aus den anderen Abteilungen? Und aus den Schwesterunternehmen des Konzerns? Was ist mit Kunden, Geschäftspartnern und Zulieferern? Was ist mit Mitbewerbern? Oder mit Menschen, die sehr weit weg leben oder noch gar nicht auf der Welt sind – also zukünftige Generationen, die mit der von uns gestalteten Umwelt leben müssen?
In die andere Richtung gefragt: Reicht unser „Wir“-Begriff womöglich nicht einmal für uns selbst, etwa weil wir keine Rücksicht auf unsere Gesundheit nehmen oder die Arbeit weder uns selbst noch unseren Familien guttut?
[Bild vergrößern]
Wessen Belange berücksichtigen wir – und wessen nicht?
Der Ruf nach umfassender Solidarität ist nicht neu. Man beschwört Solidarität gern und regelmäßig, weil man weiß, wie sehr ein funktionierendes Miteinander darauf angewiesen ist. Die Verfassung des Freistaates Bayern etwa beginnt ihre Wirtschaftsordnung mit den Worten: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.“ In Bayern! Die gesamte! Alles! Nicht nur die alljährliche Weihnachtsfeier und der Obolus zum örtlichen Schützenfest. Wie radikal! Dieser Satz beschreibt kein friedliches Nebeneinander von Arbeit und Sinn, sondern eine klare Unterordnung: Wirtschaft muss dem Gemeinwohl dienen. Und man wusste auch wieso; es steht gleich im darauffolgenden Satz: „Die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten.“
Doch Gehaltssysteme mit individuellen Zielvereinbarungen und Boni wirken einem echtem Wir-Gefühl massiv entgegen – ebenso wie ein Bildungssystem, das von der Kinderkrippe bis zum höchsten Abschluss auf die Kritik von Einzelleistungen baut statt auf echten sozialen Kompetenzerwerb durch Gemeinschaftsprojekte. Solche Systeme konterkarieren den Zweck, Menschen lebenslang darin zu fördern, sie selbst zu sein und sich zu entfalten, um aus dieser Haltung heraus bestmöglich und engagiert zu ihrem persönlichen Wohlergehen sowie zum Wohl der Gemeinschaft beizutragen.
Die Frage „Wie groß ist unser Wir-Begriff?“ impliziert auch ein Plädoyer für echte Partizipation. Denn wir ahnen, dass wir den komplexen Herausforderungen unserer Zeit – Umweltkatastrophen, Klimawandel, Wirtschaftskrisen – im Geiste der üblichen Partikularinteressen weit weniger gerecht werden als in einem gelingenden Miteinander. Nicht erst seit den bahnbrechenden Forschungsergebnissen zur Schwarmintelligenz wissen wir, dass uns erst echte Verbundenheit ermöglicht, komplexe Probleme erfolgreich anzugehen und geeignete Wege zu erkunden. Dass dabei gerade die Betroffenen und deren Belange berücksichtigt und gehört werden müssen, versteht sich von selbst. Denn erst wenn wir uns ernsthaft mit den Belangen der Betroffenen beschäftigen, entstehen gemeinsam mit ihnen gänzlich andere, neuartige Lösungen – echte Innovationen. Wenn wir nur optimieren, was uns selbst stark gemacht hat, kann nichts Neues dabei herauskommen. Dazu müssen wir unseren Horizont erweitern. Eigennutz und Solidarität ergänzen sich also: Es ist nicht so, dass ein Mehr vom einen zwingend ein Weniger vom anderen nach sich zieht. Im Gegenteil: Meist entstehen neuer Nutzen und neue Vorteile, die sich aus der Verbindung der unterschiedlichen Aspekte ergeben.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
(Die Seitenangaben beziehen sich auf die Printausgabe. Die ISBN der Printausgabe finden Sie im Impressum.)
S. 14 (Kolumbus): Konzept Ulf Brandes, Grafik Manuel Dorn, Toscanelli-Karte Wikipedia (Public Domain)
S. 22 (Gegenüberstellung X/Y): Konzept Ulf Brandes, Grundidee Douglas McGregor, Grafik Manuel Dorn
S. 25 (Ampel und Kreisel): Konzept Ulf Brandes, Grundidee Bjarte Bogsnes, Grafik Manuel Dorn
S. 29 (Wie groß ist unser Wir): Konzept Ulf Brandes, Grundidee Marcel Marien, Grafik Manuel Dorn
Die Verwendung der Abbildungen erfolgt mit freundlicher Genehmigung der genannten Urheber.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Copyright © 2014 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main.
Umschlaggestaltung: Guido Klütsch
Konvertierung in EPUB: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN der Printausgabe: 978-3-593-50158-1
ISBN der EPUB-Ausgabe: 978-3-593-42436-1
www.campus.de
[zurück zum Text]
[zurück zum Text]
Kolumbus bricht auf in die Neue Welt. Seine Karte ist falsch, doch der Pioniergeist ist groß. Und der unverhoffte Ertrag ist unermesslich.
[zurück zum Text]
[zurück zum Text]
Theorie X und Theorie Y, nach Douglas McGregor
[zurück zum Text]
Selbstorganisation oder starre Vorgaben: Wie die Strukturen der Organisation Flow fördern oder verhindern können.
[zurück zum Text]
Wessen Belange berücksichtigen wir – und wessen nicht?
