Mañana - Askson Vargard - E-Book

Mañana E-Book

Askson Vargard

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Beschreibung

Was ist eine Reise? Ist es die bloße Flucht aus dem Alltag? Ist es die Lust auf unbekannte Orte? Eine Reise, wie weit sie uns auch führt, ist in erster Linie eine Reise zu uns selbst. Mannigfache Impressionen und Inspirationen nehmen Sie auf eine Wegstrecke des Gringo Trails mit, entlang der Karibikküste Mexikos, den Dschungel von Belize bis hin zu den Vulkanen Guatemalas.

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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Mānana

Sei dumm!Neue SchuheFlughafenmagieDer über Wolken wandeltDie Sonne MexikosTropengewitterTacoTimeKleine GeschichtenMexikanisches MädchenDer König ist tot, lang lebe der König!Traumhafte RealitätReichtumMacht der GewohnheitVerführer der SonneWillkommen im DschungelDie Legende des JaguarsSonntäglicher AusflugTikalStreit der GöttergeschöpfeSicherheitslückenMatapaloMañanaGringoMopánDer wahrscheinlich schönste See der WeltAbschiedsworteDer fürchterliche Aufstieg oder das unvergessliche ErlebnisAlte HauptstadtNeue HauptstadtName, Wunsch & ErinnerungMissverständnisseMenschwerdungIch will schreibenEpilog

Sei dumm!

Zwischen Leipzig und Berlin, den 30. Oktober 2019 Lass uns dumm sein, sagten wir einst zueinander, aber heute zittere ich. Mein Leib ist vom Zeh bis in die Haarspitze in reger Aufruhr, Wasser bräuchte ich, aber ich habe keinen Durst, so wie ich vom Proviant zehren müsste, doch dazu fehlt mir der Appetit. Mein Herzschlag zerreißt mir stattdessen die Brust! Aus Mangel an Konzentrationsfähigkeit flattert mein Blick schmetterlingsgleich und ist umtriebig, ich vermag ihn nicht einzufangen. Sobald ich glaube, dass er Rast findet, schwingt er sich von Neuem von seinem Platz empor und macht mich taumelig - zweifelsohne, so fühlt nur jemand, der aufgeregt ist. Das Wetter bei der Abfahrt in Leipzig war trotz der Kälte betörend schön. Das Ethanol im Thermometer kratzte kaum an einer zweistelligen Gradzahl, aber welch eine Lichtstimmung! Die eilenden Wolken waren mit Löchern durchbrochen, treibende Eisschollen, durch die die Sonne ihre milchigen Strahlen warf. Das Westin ist dadurch diffus beleuchtet und wird aus der Gebäudeflut herausgeschält, mehr als es die 27 Etagen ohnehin vermögen. Die glatte Fassade des Hochhauses gewann fast mein Interesse, doch bevor das geschah, füllte eine Wolke die Öffnung und ließ das Hotel in einen Schatten zurück sinken. Die Gunst des warmen Lichtes wandelte weiter, vielleicht mit uns, mit meiner Frau und mir. Die Stadt wurde währenddessen winziger, die bunt gefärbten Ahornbäume übertrumpften allmählich die schwindende Betonmasse, einzig die stark gezeichneten Wolken, blieben unverändert an Größe. Der Uniriese unternahm einen letzen verzweifelten Versuch, uns in Erinnerung zu bleiben, indem er gewaltvoll in das nun dichte Wolkengebälk griff. Mit seinem Verschwinden war Leipzig vergessen und mit ihm die warnenden Stimmen, jene die vor kurzem beharrlich in unsere Ohren drangen. Ist das nicht gefährlich dort? Gibt es dort zurzeit nicht Unruhen? Lasst euch dort ja nicht wegfangen! Aber wo ist dort? Dort ist auf der gegenüberliegenden Seite des Atlantiks, dort ist Mexiko, dort ist Belize und dort ist Guatemala. Diese Länder warteten sicherlich nicht auf uns zwei Europäer, aber sie werden uns die Ehre erweisen, sie in Bälde kennen lernen zu dürfen. Seit langem schon übt Zentralamerika einen unbeschreiblichen Reiz auf uns aus, der nahezu ins mystische ausartet. Wenn ich es als lang bezeichne, dann meine ich einen Zeitraum von etwa fünf Jahren, aber was uns bisher an einer ernsthaften Umsetzung zurückhielt, waren die eigenen Stimmen, die dem obigen Wortlaut nicht unähnlich waren, aber der Reiz wuchs weiter, wie Unkraut, das ungejätet zwischen den Steinplatten nach Existenz rief und sie überwuchert. Aber die Knospe namens Sehnsucht platzte auf und erblühte, verdrängte die ängstlichen Stimmen und antwortete ihnen: Lass uns dumm sein! Wie die Liebe macht Sehnsucht blind für das Offensichtliche. Gefahren werden bagatellisiert, sowie Durchschnittliches in unerschwingliche Höhen gehoben. In der Tat ist der Vergleich zur Liebe statthaft, nicht umsonst werden beide häufig in einem Satz genannt, aber wie kann ich lieben, ohne Kenntnis und ohne Wissen zu besitzen, was genau ich eigentlich liebe? Oh, der, der das vermag, liebt mit dem brodelnden Blut eines Jungspunds, der sein erstes und letztes Mädel erobern möchte, denn er liebt eine Vorstellung, die seinen ureigenen Wünschen entsprungen ist. Unbefleckt, ohne einen Funken Realität liebt es sich am Besten, darum ist keine Frage besser dazu geeignet, jetzt und nicht später gestellt zu werden, wo die ersten Eindrücke auf mich lauern und beeinflussen: Was stelle ich mir vor, bei dieser Reise zu finden?  Ich atme ein. Die Zinnen in Dessau blenden meine mittlerweile wolkenlose Fernsicht. Eine Sonnenbank steht friedlich und verlassen versteckt hinter Schilf, umsäumt von der Beuge eine Bächleins. Ich puste aus und antworte: Das Paradies! Diese Betitelung, die pathetischer kaum sein könnte, und mannigfache Bilder von Honigflüssen und fliegenden Grillhähnchen hervorruft, bedarf einer näheren Erläuterung, da ein jeder seine eigene Definition davon im Inneren trägt. Anhand einschlägiger Literatur glaube ich mich gut vorbereitet zu wissen, auf welche Länder wir treffen werden. Mexiko, Belize, wie auch Guatemala durften sich einer hoch entwickelten Kultur, die maßgeblich von den Mayas beeinflusst wurde, erfreuen, die bis in die Neuzeit den Forschern Rätseln aufgab und teilweise noch immer gibt. In puncto Architektur, Astrologie und Medizin waren sie gleichsam leuchtende Vorbilder, wie bei ihren Opferhandlungen für die heidnischen Götter. Gerade wenn ich annehme, dass bei weitem nicht jede Jungfrau aus freien Stücken ihr Todeslos akzeptieren wollte, muss uns dieser Zwiespalt, den wir mit gehörig Abstand im Glauben in einer zivilisierten Welt zu leben, umso mehr erschrecken. Der Zerfall der Mayavölker begann wahrscheinlich noch vor den spanischen Eroberungszügen, die dadurch wohl leichteres Spiel gehabt haben. Seit jeher herrscht ein Tauziehen, welches sämtliche Epochen überdauert, darum, dass jene eroberten Länder nach Autonomie und Anerkennung eigener Interessen lechzen. Die Gegenspieler wechselten, aber weder Spanien, noch Großbritannien und schon gar nicht die USA, verstanden es, diesen Wunsch zu billigen. Sie missionierten, nutzten den Grund und Boden für landwirtschaftlichen wie industrielle Vorteile aus und degradierten die Länderein zu Ferienparadiese der Bourgeoisie. Die, die früher Wissenschaft betrieben, wurden zu Lakaien, wobei die Vergangenheitsform an dieser Stelle überflüssig ist, denn es passiert gerade in diesem Moment, in dem ich schreibe und Sie, werte Leserin oder werter Leser diese Zeilen lesen, aber nie haben diese Nationen ihren Kampfgeist gänzlich verloren, nie haben sie aufgehört zu hoffen, egal wie hoch die Anzahl an Nackenschlägen auch ist, die sie erdulden müssen. Gerechterweise sei dazu erwähnt, dass sie womöglich den falschen Leuten vertrauten und dass der eigene Vorteil, über das Gemeinwohl gestellt, viele Schicksale besiegelte, aber es ist jener Kampfgeist, jene undefinierten Grenzen, die mich neidisch machen. In Deutschland hingegen muss niemand kämpfen. Seit dem Mauerfall und der damit verbundenen Wiedervereinigung sind wir kastrierte Königspudel, die an der Leine geführt werden. Der Aufstand hat nichts gebracht? Dann beginne einen Neuen! Aber hierzulande wurden posthum nach einem Teilerfolg die Hände vom Steuerrad gezogen, weshalb niemand das Schiff bedauern muss, welches am Riff zerschellt. Persönlich denke ich aufgrund dieser Einschätzung, dass meine Kraft dort bestmöglich aufgehoben ist, wo sie im Stande ist zu bewegen und zu helfen. Wo? Dort in meinem Paradies! Nein ich liebe wahrlich nicht, wie ein Unwissender, ich liebe wie ein Hoffender, denn dieses Mal bin ich dumm.

Neue Schuhe

Berlin, den 30. Oktober 2019 Mein Schuhwerk! Es drückt Drum mein Gang wenig entzückt An der Ferse reibt es stark Die Sohle brennt nicht minder Und das Hühnerauge wird blinder Ach, der Schmerz dringt bis ins Mark Dabei sind die Botten neu Im Brühl kaufte ich sie ohne Scheu Denn die Alten verband bloß der Leim Weil sie mich Meile für Meile Begleiteten über eine ganze Weile Sodass ihnen vorauseilt mehr als Schein Also fläzte ich mich in den Stuhl  Anschmiegsam fühlte ich den Sündenpfuhl Die wollte ich! Keine andren Schuhe Für eine neue Spur Auf einer neuen Tour Doch wer ahnte, dass passé war die Ruhe? Dieses Los hab ich nun zu leiden So ist es doch nicht zu vermeiden Dass Neues alt werden muss Bis es bequem sitzt Und keine Wunden ritzt Und Freude spendet bis zum Schluss

Flughafenmagie

Manchester, den 31. Oktober 2019 Flughäfen sind für wahr magische Orte, vor allem wenn man in einem erwacht. Anfangs reibt sich die Halle noch verschlafen die Augen, welche glasig die erste Menschenfuhre widerspiegelt. Desorientiert schweigen plötzlich die verhältnismäßig winzigen Räder der Koffer, bis ihr Bestimmungsort auf der Anzeigentafel auswendig gemacht wird, dann schnaufen sie erneut und wechseln kurz darauf vorübergehend den Besitzer, die nie zuvor leichteren Fußes davon eilten, aber es war nicht das Gewicht des Gepäcks, welches die Flüchtenden belastete, es war die Alltagslast, die sie am Check-In Schalter glaubten aufgegeben zu haben, aber wie Koffer findet auch sie zurück zu ihrem rechtmäßigen Besitzer. Vor vier Stunden schlief ich erstmals ein, dabei lag ich auf dem Bauch, weil das nun mal meine präferierte Position zum Einschlafen ist. Unterdessen vergrub ich mein Gesicht in die als Kissen umfunktionierten Arme. Was als Übergangslösung womöglich bequem wirkt, war das blanke Gegenteil von selbigen, denn meine Beckenknochen bohrten sich unentwegt in die steinharte Fensterbank mit eingelassener Heizung - wenigstens musste ich nicht frieren. Das Schlafsack-Inlett verstand wenig Linderung der Schmerzen, aber es vermittelte das Gefühl eines Nachtlagers, während unsere Rücksäcke Schutz vor Zugluft boten. Wenn nur der Untergrund weicher wäre, der meine im fortgeschrittenen Jugendalter befindlichen Knochen arg auf die Probe stellte. In regelmäßigen Zyklus wurde ich wach. Manchmal lag in unserer Nähe eine weitere Person, kein Reisender, sondern ein Obdachloser, der uns später anbetteln wird. Das monotone Geräusch der Poliermaschine mit ihrer schmalen Spur weckte mich abermals, diesmal floh ich jedoch nicht zurück in den leichten Schlaf. Ich drehte mich auf den Rücken, diesmal meine bevorzugte Position, um meine Gedanken schweifen zu lassen, während der dünne Stoff, der mich umhüllte, vollkommen verdreht war. Die Fensterfront ist komplett verglast und mündete in mein Sichtfeld. Viel intensiver hingegen verfolgte ich das Stangenwirrwarr, welches kreuz und quer den leeren Zwischenraum an der Decke füllte und mich an das Brüsseler Atomium denken ließ. Ich fragte mich, ob ich unter moderner Kunst oder einer Langzeitbaustelle erwachte. Aller Widrigkeiten zum Trotz wäre ein Hotelzimmer bei Namen wie Radisson Blu oder Hilton keine Option gewesen. Ein Stundenmotel mit moderaten Preisen hätte ich angenommen, aber die sind aus der Mode gekommen. Also vertrieb ich mir die Zeit ging gedanklich unseren gestrigen Weg ab, der uns ungewollt durch sämtliche Terminals des Flughafens führte. Angekommen sind wir im ersten, welches hauptsächlich aus einer Ankunftshalle bestand. Von dort liefen wir zum nächstgelegenen Terminal drei. Meine Schuhe drückten, bald schnürte ich sie lockerer, bald fester, dann entfernte ich schließlich die Einlegesohle, die anscheinend der Ursprung allen Übels war. Unsere vorab durchgeführten Recherchen ergaben, dass der Flughafen in Manchester überaus passagierfreundlich sein müsse, gemäß der Präsentation, in der von einer Escape Lounge mit bequemen Bänken die Rede ist, die extra zum Übernachten angedacht sind. Angepriesene Einkaufsmärkte, die einen rund um die Uhr mit Essen und Trinken versorgen, schienen ein weiterer Punkt zu sein, der längere Aufenthalte so angenehm wie möglich gestalten wollte. Bisher war keine Spur dessen vorhanden, weswegen wir zum Terminal zwei liefen. Dorthin unterwegs wurde es immer verlassener. Auf den Rollbändern fuhren wir durch blau beleuchtete Glasröhren und sahen Terminal eins und drei verschwinden. Wir fanden eine große Halle, aber nichts von dem Versprochenen. Spätestens als der Nachtwächter unser Ersuchen mit einem schiefen Grinsen quittierte, wussten wir Bescheid. Wenigstens gab es eine Etage tiefer wirklich ein Geschäft, dass 24 Stunden geöffnet hatte. Es war abgehalftert, gleichsam überladen, zudem chaotisch sortiert und zu allem Überfluss mit schwarzen Plüschspinnen dekoriert, immerhin ist Halloween. Unsere erste Mahlzeit kam somit aus dem Plastikbeutel und würde niemals schlecht werden, denn die Konservierungsstoffe machten es unendlich lang haltbar. Nach den Crackern, die mit Käse- und Schinkenscheiben garniert wurden und zwei Cidres aus der Dose konnte diese Anekdote mit den eingangs erwähnten Worten beendet werden. Wo aber bleibt die Magie?  Das zauberhafte liegt zwischen den Zeilen verborgen, wohin nur der Leser, wie auch der aufmerksame Betrachter gelangt, der Flughäfen und Bahnhöfe nicht als Notwendigkeit ansieht, sondern als Bühne auf der mannigfache Stücke jeden Genres abgehalten werden. An diesen Orten werden Träume geboren und beerdigt. Sie sind das Nadelöhr durch welches der rote Lebensfaden gezogen wird. So beobachteten wir gestern in Berlin Tegel ... eine Frau, die es äußerst eilig hatte und mit ihrem Koffer, dessen Teleskopgriff aufs Maximum ausgefahren war, an uns vorbei hastete. Ihr Kind, welches auf dem Gestänge wie die Hexe auf dem Besen hintendrein ritt, hatte darum umso mehr Spaß. Ihr konnte es nicht schnell genug gehen, wenngleich aus anderen Beweggründen ... einen alten Mann, der auf einer Krücke lehnte, während ihm seine gebrochene Hand sichtlich Probleme bereitete, trotzdem verschwand er im selben Nichts, aus dem er gekommen war ... einen Vater mit seiner Tochter, die gemeinsam die Großeltern der Kleinen erwarteten. Das zumindest verriet ihr selbst bemaltes Willkommensblatt, doch musste sie sich für ihren Empfang lange in Geduld üben. Das Blatt wurde schwerer und entglitt der Hand, aus der es zu Boden fiel. Von da an übernahm der Vater die Obhut. Beide winkten, nun müssten sie gleich da sein! Nein, es musste falscher Alarm gewesen sein, denn niemand holte die zwei ab. In der Tat wusste man nun nicht mehr zu bestimmen, wer auf wen wartete. Das Kind wurde müde, ohne jedoch unleidlich zu werden, bis es schließlich doch mit den Großeltern belohnt wurde. Verlegen kehrte das Lächeln begleitet mit einer lebendigen Röte auf die Wangen zurück. "Ach du Ärmste musstest aber lange warten", sagte die korpulente Oma, indem sie liebevoll das Mädchen tätschelte, die sich schon jetzt ihrer davor ausgestandenen Qual des Wartens nicht mehr besann ... Eine junge Frau musste ebenso warten, aber als ihr Liebster durch die automatische Schiebetür trat, brachen die Dämme. Es eröffnete sich uns eine filmreife Szene. Sie umschlang seinen Hals, stellte sich auf die Zehenspitzen ihrer schwarzen Stiefel, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein und küsste gierig seine Lippen, er, der offensichtlich aus Dublin anreiste. Der Lippenstift war überall verteilt auf ihr und ihm, bloß nicht dort wo sie ihn ursprünglich aufgetragen hatte. In einer Unterbrechung bemerkten sie es selber und begannen herzhaft darüber zu feixen. Sie putzten sich so gut als möglich und begannen von Neuem. Als sie fort gingen, kamen sie stets weinige Meter voran, wo das Schauspiel von Neuem aufgeführt wurde, bis sie außerhalb unserer Reichweite gelangten.  Das wahrhaft Schöne tritt selten in jener Pracht in Erscheinung, die ihr gebührt, deswegen ist sie nicht abstinent, sondern präsenter denn je, wenn wir ihrer nur empfänglich sind und wo könnte das besser trainiert werden, als an einem Flughafen? Im Moment bin ich im höchsten Maße lebensbejahend.

Der über Wolken wandelt

Zwischen Manchester und Cancún, den 31. Oktober 2019 Ich bin der Herr, Der barfuss wandelt Über Wolkengebilde! Sie verletzen mich nicht, Weil sie meine Berührung scheuen. Ich hinterlasse Abdrücke In diesem weißen Meer, Nein es ist mehr, Es ist ein echtes Meer, Heißt sich Atlantik! Die Elemente sind mir einerlei, Weil es keinen Unterschied macht, Was mich nicht verletzt, Hier gebietet einer Und das bin ich! Ich muss diese Freiheit Weder verhandeln Noch behaupten, Denn ich bin allein Der, der über den Wolken wandelt. Oft war ich hier - Nie blieb ich da, Obwohl es mir gefiel. Stets betrat ich die Erde An anderer Stelle, Wo ich zwar nie Herr war, Wohl aber hin gehörte!

Die Sonne Mexikos

Tulum, den 2. November 2019 Knapp 8.000 Kilometer flogen wir über den Atlantik und sahen Bermuda, den zerklüfteten Inselgürtel der Bahamas und Key West in Florida in einem abstrakten Gebilde aus Türkis- und Blauübergängen schwimmen, über denen grob verstreut einzelne Wolken hingen, die ihre fleckigen Schatten auf die Wasser- und Landoberfläche gleichermaßen warfen. Namen, die sonst ungreifbar fern liegen, waren Wegpunkte auf einer Strecke mit unvorstellbarer Distanz. Zonen wurden durchquert und machten die Zeit absurd. Erst als der Aeroplan herabsank, wussten wir, dass die Uhr bald wieder mehr Bedeutung gewinnen würde. Cancún mit seinem schmalen Küstenstreifen zwischen Lagune und Meer, der sichtlich mit All-Inklusive-Tempeln bis auf den letzen Zentimeter bebaut wurde, hatte Wiedererkennungswert. Uns genügte die Stadt als Anzeichen unter der Sonne Mexikos angekommen zu sein.  Die Sonne ist in Mexiko kein bloßer Himmelskörper, sondern ein Kontrahent, mit dem die vielseitigen Gesichter des Volkes um die Wette stahlen. Bei der Passkontrolle, bei der es sonst gewohntermaßen trocken zugeht, begrüßten wir die Dame auf spanisch und versuchten mit dem Repertoire, welches wir Vokabular nannten, in Wortfetzen auf ihre Fragen zu antworten. Sie grinste dabei von einem Ohr zum anderen, stempelte unsere Reisepässe ab und lobte die guten Sprachkenntnisse. Wir verstanden auf Nachfrage und erröteten darüber. In Deutschland hätten wir uns gefragt, ob dies die erste Begegnung mit dem Sarkasmus war, hier in Mexiko wirkten solcherlei Komplimente, ungeachtet ihres Wahrheitsgehaltes, aufrichtiger. Womöglich freute sich die Dame einfach darüber, dass Mexiko im Ausland einen so hohen Zuspruch erfuhr. Sie stempelte jedenfalls nicht ausschließlich grüne Tinte, sondern auch ein Lächeln in unsere Reisepassseiten. Auf der Suche nach der Abfahrtsstation des Fernbusses, bekam jeder fragende Blick unsererseits unaufgefordert Antwort, obwohl die Ticketverkäuferin eine brauchbare Wegbeschreibung gab. Somit erreichten wir letztendlich die Bushaltestelle. Wir bekamen schnell zu spüren, dass die Sonne Mexikos nicht nur Gunstbezeigung unsererseits war, sondern ebenso sehr schweißtreibende Realität. Das feuchtwarme Klima mit seinen 30 Grad Celsius verhieß uns eine Reise durchs Gewächshaus und erinnerte uns an die Tropenhalle im Leipziger Zoo, namentlich dem Gondwanaland. Wie oft benutzten wir dort schon die Abkürzungen zum Ausgang, um vor dem stickigen Klima zu fliehen, die nächsten Wochen wird das schwerlich möglich sein, wobei der auf maximale Kälte klimatisierte Businnenraum eine Auszeit verschaffte.  Könnte ich mit Worten malen, ich würde ein Gemälde sondergleichen entwerfen, um die ersten Stunden mit seinen mannigfachen Eindrücken festzuhalten! Dieses Vorhaben zu bewerkstelligen fällt jedoch meiner Beschränktheit zum Opfer, deswegen muss ich die Bilder einzeln aufzählen. Als erstes möchte ich die Beziehung zwischen den Mexikanern zum Tod nennen, denn als wir in den Bus von Cancún einstiegen, wurde ein Film abgespielt, der einen offenbar verwirrten Mann in den Fokus rückte, der seine Gefühle damit kanalisiert, indem er Puppen sammelt und ihnen äußere Attribute, vor allem aber Charaktereigenschaften verleiht, die er bei der eigenen Person vermisst. Er mimt sich selbst als einen Kommandanten, stark und abgeklärt, der keine Konfrontation scheut und dem eine leicht bekleidete weibliche Armee folgt, am liebsten in die Bar, um einander zu betrinken und neue Schlachtpläne zu entwerfen gegen den gemeinsamen Feind: Den Nazi. Ein abstrus wirkendes Machwerk mit rüden Schießereien und Beleidigungen (zumindest fluchte der einzige Deutsche häufig), denen aufgrund der Zugänglichkeit auch Kinder folgten, weswegen solche Ausstrahlungen wohl zum Alltagsprogramm dazu gehörten. Apropos Kinder.  Beim Umstieg in der Stadt Playa del Carmen, die dem Küstenstreifen, den wir über einhundert Kilometer folgten, seinen Namen verleiht, fuhr eine mexikanische Familie mit uns einen Teilabschnitt der Strecke. Das Kleinkind, welches der gesamte Familienverbund beflissen zu beschäftigen versuchte, spielte daher ein besonderes Variante des Versteckspiels. Die Hände wurden wie für gewöhnlich vor die Augen gehalten, aber sobald dieser dunkle Schleier gelüftet war, formte das Mädchen seine noch vom Babyspeck wulstigen Finger zu einer Pistole und ahmte das für sich passende Geräusch dazu nach und fing an, auf den Gesuchten zu schießen - Peng. Allesamt lachten lauthals und jede Wiederholung wurde noch herzensfroher - Freude egal welcher Art kennt eben keine Sprache, weswegen ich angesteckt mitlächelte. Diese zwei alltäglichen Anekdoten zur Verbindung mit dem Tod schließe ich mit einem der wichtigsten mexikanischen Feiertage, dem 'Día de Muertos', übersetzt 'Tag der Toten', ab.