Heinrich Budde - Askson Vargard - E-Book

Heinrich Budde E-Book

Askson Vargard

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Beschreibung

Wer ist Heinrich Budde? Sollte man den überhaupt kennen? Nun Heinrich Budde war ein deutscher Durchschnittsmann - Studium, Frau, Kind. Bei diesem mustergültigen Lebenslauf stört selbst eine Unebenheit, wie der I. Weltkrieg wenig. Treu hielt Heinrich Budde zum Vaterland, und das Vaterland? Mag es plakativ anmuten, aber Heinrich Budde war vielleicht der letzte Deutsche! Angelehnt an das in Frankreich entwickelte Versmaß des Alexandriner, entstand jenes Theaterstück mit fünf Aufzügen im schwelgenden Rhythmus und erzählt von einem (bislang?) Unbekannten.

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Heinrich Budde

PersonenHinweise zum BühnenbildAufzug IAufzug IIAufzug IIIAufzug IVAufzug V

Personen

HEINRICH CASPER BUDDE, ein Deutscher ELSA BUDDE, seine Ehefrau GERTRUD BUDDE, seine Tochter FRIEDRICH HASSE, sein Freund HANS KLEIN, sein Arbeitskollege DR. GEORG THIERACK, der Gerichtsassessor FRITZ SACK, dessen Vertrauter VERSCHIEDENE BÜRGER LEIPZIGS

Hinweise zum Bühnenbild

Das Bühnenbild entbehrt jeglichem Pomp, schlicht, wie es Deutschland in seinem letzten Kapitel geziemt. Den Mittelpunkt stellt eine leichte Wand dar, die den Schauplatz in zwei Hälften teilt. Die Aufmerksamkeit wird mit starrem und monotonen Licht auf den linken oder rechten Flügel gelenkt. Genauere Ausführungen sind dem Verlauf zu entnehmen.

Aufzug I

AUFZUG I AUFTRITT ITypische Wohnung in einem Mehrfamilienhaus der Theresienstraße in Leipzig zu Beginn der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts. Unmöbliert. HEINRICH B starrt nachdenklich ins Leere. Sein Frontkämpferkreuz jongliert er apathisch zwischen den Fingern wie einen Rosenkranz.  Wankelmut mag kennen, wer auch immer da will. Meine Lippen bleiben bei diesem Unwort still.  Manch einer trachtete es bloß zu reduzieren; Auf die blanken Lettern, den Sinn zu denunzieren. Was mich allein betrifft, bleibt's ein schamloser Meister, Der, der ihm treulich folgt, dem fliehen seine Geister  Aus Ohren, Nase, Mund und mannigfachen Poren, Nein, der Mensch als solches, ist zum Höchsten geboren. Ich kenne meine Pflicht und werde mich nicht winden. Darum wird Wankelmut in mir nie Heimat finden Bedächtiges Schweigen.  Allzeit bereit zum Kampf für's einzig Vaterland - Zur Not bis in den Tod! Heil dir du mein Deutschland! ELSA B        Heil Deutschland!  HEINRICH B Ach Elschen, stark sind wir wie Kruppstahl Nicht ein Jahrzehnt ist's her, als wir trafen die Wahl Und hier Abschied nahmen, um ein neues Glück zu suchen, Das in die Höhe spross und welches wir nun fluchen, Weil es uns entblättert den Trugschluss offenbart - Sackweise Markstücke haben wir angespart  Und Münze für Münze hat sich auf leisen Sohlen  Mitsamt dem Neuanfang so flugs davongestohlen.  Was blieb andres übrig außer zurückzukehren?  ELSA B  Nachträglich ist man klug, zuvor gibt's keine Lehren;  Erfahrung wird's genannt, Vergangenes wird scheiden,  Denn trotz der raren Gunst werden wir aufrecht bleiben.  Wichtig war nie das Wo, nur das vereint was liebt.  HEINRICH B  Reden schwingen kann die, die mehr nimmt als sie gibt!  Beileib' was opferst du, hier in deiner Heimat?  Wandelst zwischen Alleen auf eingetretnem Pfad;  Die Elster rauscht beschwingt hindurch den Wagnerpark,  Dich erquickt sie sichtlich, aus mir trinkt sie das Mark    Und saugt begierig ein und fördert meine Trauer -  Vertreibt Erinnerung aus der Gedächtnismauer.  Dort hinterm Dunstschleier, dort wo die Wiege stand,  Da schwebt mir verborgen mein Bildnis vom Rheinland.  ELSA B  Wie gönnerhaft du graulst den kurzen Stummelbart,  Als seien Rheinländer von besonderer Art.  Die schillernde Krone trägt ein Volk gemeinsam;  Krochen sie etwa nicht nackt, halbblind und achtsam  Aus der klammen Höhle und schrien heraus ihr Los?  HEINRICH B  Welch weibische Ausflucht - Ein Meer nur uferlos!  Ich seh scharf umrissen, was wir uns wohl bescheren, Wenn wir mit solch Thesen allzu frivol verkehren:  Nichts als stumpfen Verdruss, aber Hand aufs Herzlein,  Welches ehrlicher spricht als ein Heiligenschein:  Wer da einen Kopf trägt, der hütet einen Platz,  Begehrt ihn zu schmücken mit einem funkelnd Schatz.  Verzeih! Es riss mich hin des Zagens wehe Frucht. ELSA B  Nur Schuften dient Herkunft als die beste Zuflucht, Ausgenommen Sachsen - den Stolzesten der Stolzen! HEINRICH B Die baumhohe Geduld willst du mir wohl abholzen.  Diese Situation lohnt nicht zu debattieren,  Fern ist die Einigung in der wir Zwei verlieren.  Stolz ist keine Einheit, weder wieg- noch messbar,  Denn wie ungleich ärmer wäre die ganze Schar  An greller Sternenflut, die die Milchstraß' versenkt,  Sobald unsre Blicke nur auf Einen gelenkt.  Wir leuchten alleine, strahlen in Gemeinschaft. ELSA B lächelt herausfordernd, wie es nur Verliebte untereinander verstehen.  Kein Sachse braucht den Kram. Was nützt diese Eigenschaft?  HEINRICH B springt auf sie wie ein Löwe und reißt sie mit sich auf die Holzdielen. Ein waschechter Sturkopf wie er im Buche steht ...  ELSA B Sieh dich erst im Spiegel, wenn dort dein Mond aufgeht  Gibt's keinen Unterschied zwischen all den Gestirnen,  Die gar gülden schimmern wie Williams Christbirnen.  Bei all der Ähnlichkeit, empfind ich's allerhand, Dass dir meine Sturheit der liebste Gegenstand. HEINRICH B  Ich habe mich verliebt in dein Wesen im Ganzen, Erst durch dich mein Elschen, lernt ich leichtfüßig tanzen, Obschon damals die Welt in Kabalen versank, Die treulich Liebe war's, an der ich mich betrank. Frieden ist Utopie, darum ist Krieg notwendig, Aber nicht für den Staat, denn der ist nicht lebendig. ELSA B  Quatsche kein Kauderwelsch, beweis mir deine Worte! Erheb mich zur Göttin, nur von solch einer Sorte Ist das Adelsgeblüt, das zu Küssen versteht, Wenn die Not am Größten und Masken abgelegt.  Beide wälzen ihre Leiber lustversunken auf dem kahlen Boden. Im Hintergrund erscheint Gertrud Budde, die glaubt  ihre Eltern unachtsam gestört zu haben. GERTRUD B  Oh nein! Mama! Papa! Wo seid ihr denn geblieben? Ich warte schon so lang, auch wo die Tropfen fielen Stand ich am Straßenrand und schützte Hab und Gut Aber ich bin zu schwach, drum mehrte sich die Wut Nicht halten zu können eure Bitte an mich. ELSA B  Entschuldige mein Kind, dass das Spiel dem Ernst wich.  HEINRICH B flüstert Elsa schelmisch ins Ohr.  Zweimal trug ich bereits den Lorbeerkranz der Sieger. GERTRUD B  Das verstehe ich nicht, ihr redet wie im Fieber. Wie verkehrt ist diese Welt, wenn Eltern fröhlich spielen, Während deren Kinder als Packesel fungieren? HEINRICH B Krümme dich nicht weiter! Wärme im Mutterarme Deine müden Glieder und fühle dich als Dame. Dort findest du Ruhe vor dem Aufgeregtsein Ich warte vor der Tür und dämm den Schaden ein, Sonst wird das Mobiliar uns wenig Nutzen bringen. Und ist das nicht der Zweck selbst von geliebten Dingen?Kurze Pause. Wo ist der Transporteur mit unsren großen Stücken, Die aus Duisburg kommen zum Ausfüllen der Lücken?Ab.  GERTRUD B hebt das Ehrenkreuz an, welches der Vater in der Eile hat fallen lassen.  Wie ich annehmen darf, war das des Spiels Trophäe? ELSA B Du rätst und weißt es nicht! Was wir suchten war Nähe. Dieser Ehrenorden ward dem Vater verliehen Von der höchsten Instanz für jene, die nicht fliehen. Belasse es dabei, denn diese Sorte Lob Geziemt keiner Tochter ... am Ende harrt der Tod. GERTRUD B Trotz alledem gewährt man manchen diesen Sold, Die ihn nieder rangen und Fortuna war hold. Wer vermag da den Wert des Kreuzes schon zu schätzen, Wenn die Verehrung ist wie an sakralen Plätzen Seitdem es Bestandteil unsres Haushaltes ist. ELSA B  Unnütze Relikte geben an wer du bist - Mehr noch wer du nicht bist! Zum Materialisten  Zählt er sich aber kaum, die karg ihr Dasein fristen, Für die nur wertvoll ist, was besitzt feste Form.  GERTRUD B Warum verfolgt er dann diese affige Norm? ELSA B indem sie ihr Gesicht zu einem bitteren Lächeln verzieht.  Weil er das Innere zwar vom Reste abtrennt, Andre Menschen jedoch, denn das ist ihr Talent, Interessiert der Schein, den sie selbst kreiert haben, Um danach zu trachten, sich am Pöbel zu laben. GERTRUD B Mir scheint ich bin zu jung fürs Erwachsnengeschwätz. Zu mannigfach entfleucht der Sinn im lichten Netz. Mir gefällt schlicht das Kreuz, so will ich es bald tragen. ELSA B Es reicht, wenn's einer hat, ich müsste dich sonst schlagen. Kennst du noch meine Angst, die ich verzweifelt litt? HEINRICH B erscheint, indem er umständlich eine Standuhr trägt und in die Mitte des leeren Raumes abstellt. Endlich Westminsterschlag! Die Stunden im Gleichschritt  Wie früher vergehen - Ohne Uhr keine Zeit. Das war der Schweiß mir wert, trotz all dem Rückenleid. GERTRUD B lässt das Kreuz am schwarz-rot-weißen Stoffband aus der Hand gleiten, sodass der Fall kurz vorm Aufschlag jäh gebremst wird. So bin ich überzeugt, dass du gerne eintauschst? HEINRICH B reißt es ihr erschrocken ohne an ein Wort der Antwort zu denken in einer Affekthandlung aus der Hand. GERTRUD B       Mama? ELSA B Heinrich! HEINRICH B ernst.  Was ist's, das diesen Fall aufbauscht? Es gibt eben Menschen, wie deine liebe Mutter, Dich und deinen Cousin; Ihr seid wichtig wie Butter Auf meinem Körnerbrot, somit unerlässlich - Es scheint weit hergeholt, aber es ist ähnlich! Dies Kleinod nämlich ist's, das mir vor Augen hält Das unbeschreibliche Krankheitsgeschwulst der Welt. Dieses Wissen ist mein, kann's dir darum nicht geben. ELSA B Ein für alle mal Schluss! Hier wartet nimmer Segen In diesem Dialog, nur Gemüterverdruss. Zukunft vor Geschichte, so sei mein Richtbeschluss! HEINRICH B und GERTRUD B gemeinsam.        Amen! ELSA B  Wird Tageslicht uns auch abhanden kommen, Wird Glaube uns dienen, wie allen Herzensfrommen! HEINRICH B und GERTRUD B gemeinsam.        Amen! ELSA B Jener Glauben, der mit verheißend Schein Unser Denken erhellt und Leiber wärmt wie Wein; Und Kraft uns spenden wird, dass wir die Dunkelheit Wie Glühwürmchen schneiden als Hüter der Wahrheit! HEINRICH B und GERTRUD B gemeinsam.        Amen! GERTRUD B. Ach, Glühwürmchen die armen kleinen Wesen. HEINRICH B Wie wird dir? Ich kann es aus deinem Gesicht lesen. GERTRUD B Welchen Grund soll's geben, außer das ich sie mag? Damals, ich entsinn mich, verwelkte grad der Tag Als wir beim Kaiserberg sahen den dunklen Fleck Und mit ihm hereinbrach ein grollend Donnerschreck. Getrieben von Wolken, tiefblau wie der Ozean  Fanden wir Unterschlupf durch den Vorsehungsplan. Eine krumme Eiche hielt dem Unwetter stand, Welches uns bald entließ vor der nächtlichen Wand. Wir tapsten durchs Gehölz ohne Orientierung.Zu Elsa B gewendet. Und da! Siehst du sie noch? Die Engelsverzierung? Wie abgeklopfter Staub, der vom Gefieder fiel. Durch die, die 's nicht fanden, fanden wir unser Ziel.  HEINRICH B        Hattest du Angst? GERTRUD B Wovor? Dort war schlichtweg Schönheit! Sie schwärmten durch die Nacht als sei es ein Wettstreit. Lieber leugne ich mich und auch meine Existenz Als ihr Vorhandensein, jene wahre Essenz, Was dem Herrn göttlich gilt - wir hingegen sind matt.  ELSA B die nervös Blickkontakt zu ihrem Ehemann suchte  Warum hast du denn bloß die Menschen bereits satt? Was bringt in jungem Jahr dich in diese Zwickmühle? GERTRUD B Bin ich ein töricht Kind, wenn ich mich grad leer fühle? Meine Jugend flieht mich zum Preis der Erkenntnis. Wohl bedacht baut sich auf in mir das Bekenntnis, Dass es manch einen gibt, der andren Böses will. Sie sind oft unbekannt, verhalten sich erst still Und dreschen aus Schatten mit vernichtender Wucht Bis man ihnen erliegt in der blinden Tobsucht. HEINRICH B lächelt mild und legt seinen Arm schützend um ihren Schwanenhals. Philister sind verhasst, drum lobpreis ich dein Wissen Und möcht dich ermuntern deine Flagge zu hissen. Im Zug der Freiheitsluft, darfst du dich nicht verschlucken, Musst duldsam Zug um Zug mit offnen Augen gucken, Denn mannshohe Wellen schlägt die schändlich Missgunst, Während das Mitgefühl zählt zur niederen Kunst, Aber nur der Reine ist frei von den Konventionen, Ein farblos Charakter ohne Definitionen Kann sich empor schwingen zum grellsten aller Sterne, Ähnlich der Glühwürmchen, die dich füllten mit Wärme. Ihre Tugend ist rein, weshalb sie wiederkehren. Verglüht eins von ihnen in den hiesigen Sphären Widerfährt ihm kein Leid, es ist im Nichts verschwunden, Weil es vom Weg abkam, das Dickicht zu erkunden.  Merk dir! Wer redlich ist, wird zur Probe bestellt, Vernichtet wird nur der, dem die Untreu gefällt. ELSA B Die Zeit ist verkommen, außer das Vaterland,  Welches familiengleich über uns hält die Hand. Woanders gibt's nur Grund, verbrannt und ohne Wert.Heinrich Budde ab. Durch unser neues Heim wird das Glücke vermehrt. GERTRUD B Waren wir unglücklich? Hatten wir nicht uns selbst? ELSA B  Nein, wir haben uns noch, aber was du heut hältst  Fliegt morgen himmelwärts. Unsre einzig Aufgabe Muss das Erhalten sein mit innigster Hingabe.Bedeutsame Schweigesequenz zwischen Mutter und Tochter, die beiden sichtlich unangenehm ist.  HEINRICH B tritt erneut ein und richtet die Standuhr zentimetergenau zentral im hinteren rechten Bühnenkarree aus. Westminsterschlag ertönt gewohnt kraftvoll und ob der gähnenden Zimmerleere umso hallender. Wie voll der Klang ertönt. Für wen schlägt keine Stunde? Das Schellen der Türglocke ertönt. Was lange währt, wird gut! Den letzten beißen Hunde! Bäuerliche Sprüche ... sie sind oft zu einfach, Um Anklang zu finden - Klüger ist man danach!Ab. GERTRUD B Wenn Papa hektisch wird, erkenne ich ihn nicht Er ist wie ein Vulkan, der nächstens rasch ausbricht. Er raubt mir die Ruhe, könnt ich nur den Grund nennen, Warum er anders wird, sodass wir ihn nicht kennen. Hat er zwei Gesichter, wovon eins unbekannt? Oder hat ein Dämon ihn vielleicht übermannt? Ich will mit ihm toben - "Hoppe, hoppe, Reiter"  Und seine Bassstimme, die laut schreit: "Dann fällt er!" ELSA B Gebetsmühlenartig drehen wir uns im Kreis Aber keiner von uns, der von seinem Leid weiß. Manchmal deutet er an und bleibt den Schluss schuldig.  Er will unser bestes, drum sind wir geduldig.  GERTRUD B kann ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wie er sagen würde: In der Ruh' liegt die Kraft. ELSA B Diese neuen Macken bleiben nicht dauerhaft, Drum schwör auf unsren Bund und dein sächsisches Blut, Dass in uns Einigkeit als auch Vertrauen ruht! Zumindest wir beide - Mutter und Tochterherz Vereint im selben Schlag erdulden selben Schmerz. GERTRUD B ihre Mutter in die Arme fallend. Das ist meine Kindspflicht, die ich tu ohne fluchen. ELSA B Lass uns ohne Umschweif nun deinen Cousin suchen. Er wird draußen stromern und die Gegend erkunden. Dieser stürmisch Wildfang, wird bald schon tot gefunden.Beide rechts ab. AUFZUG I AUFTRITT IIEine Betonallee, aus dessen Pflastersteinlücken grünende Lindendenkmäler drängen als Überbleibsel dessen, was früher Regel war.   HEINRICH B allein. Hat's wirklich geklingelt? Oder war es ein Streich? Jäh stirbt Hoffnung dahin, Madonnenlilien gleich, Um deren Erblühen man täglich Umweg macht, Und mit dem Morgentau vor ihren Knospen wacht. Schließlich, wenn Vorfreude den Lustgipfel erklommen Hat des Gärtners Sense mir die Freude genommen - Ein ödes Borstenfeld, Fenster der Metzelein - Sie teilt, was teilbar ist, verschont nicht Kopf nicht Keim. Seitdem lauf ich langsam, der Park schlägt auf den Magen Kann des Henkers Pfeifen und Lachen nicht ertragen, Wenn er von dannen zieht mit dem feistem Antlitz Denkt, er hat wohl getan, das ist der gröbste Witz Weil er gehandelt hat, wie's ihm befohlen wurde Legitimiert's die Tat, wären's auch Massenmorde. Rechte werden verwehrt nur wenn man ohne Pflicht Denn sonst schützt auch Dummheit vor arger Strafe nicht! Hebt die rechte Hand flach über die Augenbrauen.  Wer steigt mir entgegen mit Schneemannsproportionen? Trägt selbstbewusst den Wanst wie Modelillusionen Er ist nun fast schon da, als müsst ich Kenntnis haben. DR. THIERACK bestürmt ihn, indem er ihn fest umarmt. Ist er es? Ja für wahr, Meine Augäpfel darben! Du alter Teufelskerl, wie kommst du nach Leipzig? Dieser Umstand dünkt mich sogar einzigartig. HEINRICH B skeptisch abwartend. Unspektakulär schlicht - auf Schienen mit der Bahn Wie der Volksmund gern sagt: Mit Verspätung und lahm! DR. THIERACK lacht einmal ordinär laut auf, als Anzeichen einen Witz identifiziert zu glauben. Nie verlegen um Spaß, er wird darum nicht älter Ich könnt neidisch werden, spür ich die Winter kälter Und die Sommer heißer - egal was ich erlebe ... Früher hat mich befreit, was nun bedrückt die Seele. Ich komm zu keinem Schluss, wie lang es wohl her ist Und wie viele Meilen seitdem unser Weg misst? Ihn musternd, da die Reaktion ausbleibt. Es bewahrheitet sich: Ein Dörfchen ist die Erde. HEINRICH B erfreut. Sie mögen Sprichwörter? Empfinden Sie's als Erbe? DR. THIERACK Ebenso sehr wie du, diese Gemeinsamkeit Bezeugte uns in Not, die treue Einigkeit, Wand liebevoll um uns ein freundschaftliches Band, Dass der Alltag tilgte aus seinem Fortbestand. Merklich verkleinert scheint seither mir die Weltenkugel Fällt ab in Sinnloses durch gesteigerten Trubel. HEINRICH B Im Großen bildet sie auf eifriges Geheiß Was im Kleinen die Welt schon darzustellen weiß, Deshalb zeigt sie Grenzen, an die der Geist sich stößt Der den Dorfcharakter nie ausreizt und sich löst. DR. THIERACK Er gehörte damals schon zu dieser Kategorie Und zählt es noch heute, namentlich Philosophie. Werde ich ihr für wahr, erwacht die Erinnerung, Längst verblasste Zeugin, welche spendet Linderung. An solch Schöngeisterei hab ich mich nie gewöhnt. All der Stress, der Aufwand wird nur selten entlöhnt. Es reicht nicht einfach aus, bloß intelligent zu sein, Vielleicht ist's hinderlich, es reicht der bloße Schein Und manchmal wär's schlauer, man wäre ehrlich dumm Wie grünes Bohnenstroh, das da liegt faul herum. HEINRICH B Haltung annehmend, da er nun erhellt vom Erinnerungsblitz seinen Gegenüber erkennt. Herr Oberfeldwebel! Hätt' ich Sie gleich erkannt Wären meine zwei Knie mit diesem Staub bekannt. An der belgischen Front war's ihre Aktion Als taktisches Genie in unsrer Mission, War's auch nur der Teilsieg - für uns war er komplett. DR. THIERACK bitter. Letztlich war's ein Röcheln im stinkend Lazarett. HEINRICH B Was tut das zur Sache, denn ohne Ihr Zutun Würden weit mehr Deutsche im fremden Boden ruhn. Glauben Sie etwa nicht, dass die Toten in Gräben Im eisig Schlammmorast ihr Schicksal dafür gäben Um aufzuerstehen und um Rückkehr zu flehen? Die tapferen Männer, die ihre Heimat sehen Und zu ihren Frauen leutselig zurückkehren, Ohne großen Zweifel würden die Sie verehren!  DR. THIERACK Da schaut sich einer an, wie viel Pathos er schwingt Wie Nationalstolz in seine Rede dringt. HEINRICH B Ehre gilt immer dem, dem Ehre auch gebührt. DR. THIERACK Dann lös er die Haltung, hier wird niemand verführt! Vorsicht ist nachteilig bei dem Zusammenraufen. Wir müssen uns Einen: Wenig werden ein Haufen.  Der Anfang liegt bei uns, bei denen die im Dreck Blut mit Tränen mischten für einen rühmlich Zweck. Der Sud haftet ewig, ist nie mehr abwaschbar. Niemand versteht's besser als unsereins für wahr, Darum sollten tunlichst wir es beim 'du' belassen. HEINRICH B Welch Karabinerschuss! Kann mein Glücklos kaum fassen. Georg ist mir lieber als Herr Oberfeldwebel. DR. THIERACK lacht in typische Manier.  Ja, Titel tauchen auf und verschwinden im Nebel.Hält kurz inne. Wäre es dir möglich mich später zu empfangen? Mich drängt es zu Pflichten, die derweil mich verlangen. HEINRICH B Das ist keine Frage, es ist stets ein Vergnügen  Ein ander Mal noch mehr, denn was nützt es zu lügen Mein Heim ist ein Schlachtfeld, bloß die Einschläge fehlen. DR. THIERACK im weggehen. Papperlapapp sowas lass ich wirklich nicht zählen Wein macht hässliches hübsch! Erwart mich gegen Neun.Ab. HEINRICH B nachdenklich.