Marc Aurel - Alexander Demandt - E-Book

Marc Aurel E-Book

Alexander Demandt

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Beschreibung

Keinen römischen Kaiser kennen wir so genau wie Marc Aurel – und nur wenige Historiker sind so vertraut mit den außergewöhnlich reichen Quellen zu seinem Leben wie Alexander Demandt. In seinem jüngsten Werk stellt er uns den berühmten Philosophenkaiser und dessen krisengeschüttelte Epoche meisterhaft vor Augen und zieht noch einmal alle Register seines Könnens. Alexander Demandt erklärt die Grundlagen des römischen Staatswesens, beschreibt die Kämpfe mit den Parthern und den Donaugermanen, den Vorboten der Völkerwanderung, sowie die Christenprozesse – trotz der Humanisierung des Rechts. Schließlich führt er uns ein in die Gedankenwelt des Kaisers, die uns nicht zuletzt dank dessen weltberühmten Selbstbetrachtungen, den „Wegen zu sich selbst“, bekannt ist. Auf diese Weise entsteht das Portrait eines Mannes, der sich wie kein anderer um Weisheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit mühte und mit stoischer Standhaftigkeit seine Herrscherpflichten erfüllte. Nicht von ungefähr war dieser Kaiser die Lieblingsgestalt des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt.

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Alexander Demandt

MARCAUREL

Der Kaiserund seine Welt

C.H.Beck 2019

ZUM BUCH

«Es ist gleichgültig, ob du das Leben vierzig oder zehntausend Jahre durchforschst – denn was wirst du mehr sehen?» Kaiser Marc Aurel (121–180) hat erlebt, wie sein Reich gemartert wurde von der Pest und bedroht von Barbarenvölkern. Er hat vierzehn Jahre im Krieg zugebracht und um Frieden gerungen, hat in einer Zeit heftiger philosophischer Debatten und religiöser Erregung Intrigen und Verschwörungen erlebt, ständig an Krankheiten laboriert und Menschen verloren, die er liebte. Die Stütze seines Lebens war die Philosophie, die ihm half, all das zu ertragen, von dem diese neue Biographie erzählt.

Keinen römischen Kaiser kennen wir so genau wie Marc Aurel – und nur wenige Historiker sind so vertraut mit den reichen Quellen zu seinem Leben wie Alexander Demandt. In seinem jüngsten Werk stellt er uns den Philosophenkaiser und dessen krisengeschüttelte Epoche vor Augen. Er erhellt Marc Aurels Studienjahre, die Vorbereitung auf sein kaiserliches Amt, das er dann mit seinem Adoptivbruder teilte. Der Autor erklärt die Grundlagen des römischen Staatswesens, beschreibt die Kämpfe mit den Parthern und den Donaugermanen, den Vorboten der Völkerwanderung, sowie die Christenprozesse – trotz der Humanisierung des Rechts. Sodann führt er uns ein in die Gedankenwelt des Kaisers, die uns nicht zuletzt dank dessen weltberühmten Selbstbetrachtungen, den «Wegen zu sich selbst», bekannt ist, und zeigt uns die verschiedenen Nöte des Reiches. So entsteht das Porträt eines Mannes, der sich wie kein anderer um Weisheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit mühte und mit stoischer Standhaftigkeit seine Herrscherpflichten erfüllte. Mit- und Nachwelt haben ihn bewundert. Seine Tragik bestand darin, daß er in seinem Sohn Commodus einen unwürdigen Nachfolger fand.

ÜBER DEN AUTOR

Alexander Demandt lehrte bis zu seiner Emeritierung Alte Geschichte an der Freien Universität Berlin. Im Verlag C. H.Beck sind von demselben Autor u.a. lieferbar: Der Fall Roms (32015); Die Kelten (82015); Das Privatleben der römischen Kaiser (22012); Pontius Pilatus (2012); Alexander der Große (2009); Geschichte der Spätantike (32018); Theodor Mommsen. Römische Kaisergeschichte (22005, hg. gemeinsam mit B. Demandt).

INHALT

VORWORT

Vorwort zur zweiten Auflage

Griechische Zitate

I: DAS IMPERIUM ROMANUM

a. Von der Republik zum Kaiserreich

b. Die Befugnisse des Kaisers

c. Absolutismus?

d. Repräsentation und Titel

e. Der Kaiserkult

f. Zentralverwaltung und Hofpersonal

g. Kaiserin, Familie und Nachfolge

h. Der Senat

i. Das Heer

j. Rekrutierung

k. Außenpolitik

l. Senatorische Laufbahn

m. Ritterliche Laufbahn

n. Rom und Italien

o. Provinzialverwaltung

p. Die Städte

q. Sonderfall Ägypten

r. Die Domänen

s. Sprachen und Völker

t. Religionen

u. Sieben Stände

v. Sklaven und Freigelassene

w. Die Frauen

x. Die Wirtschaft

y. Pax Romana

z. Die Kaiser vor Marcus

II: SCHRIFTQUELLEN UND DENKMÄLER

a. Das Tagebuch

b. Die Überlieferung

c. Der Briefwechsel mit Fronto

d. Die Zweite Sophistik

e. Cassius Dio

f. Die Marcusvita der Historia Augusta

g. Die Nachbarviten

h. Spätantike lateinische Texte

i. Griechische Nebenquellen

j. Rechtsquellen

k. Lateinische Inschriften

l. Militärdiplome

m. Griechische Inschriften

n. Münzen und Medaillen

o. Kaiserporträts

p. Kaiserstatuen

q. Denkmäler für andere

r. Der Caballus auf dem Kapitol

s. Der Caballus im Mittelalter

t. Vorbild seit der Renaissance

u. Die Marcussäule

v. Der Säulenwächter

w. Die Wirkungsgeschichte

x. Reliefs

y. Kleinkunst

z. Bauwerke

III: JUGEND UND FAMILIE

a. Herkunft und Vorfahren

b. Das Geburtshaus

c. Der Geburtstag

d. Erste Ehren: Springpriester 128

e. Zwei Adoptionen 130 und 136

f. Pius adoptiert Marcus und Lucius 138

g. Verlöbnis mit Faustina 138

h. Die Quästur 138/139

i. Caesar, princeps iuventutis, Priesterschaften 139

j. Konsulat und Kaiservillen

k. Hochzeit mit Faustina 145

l. Konsul III 161

m. Kinderstube im Kaiserhaus

n. Wachtelkämpfe und Jagdvergnügen

o. Zirkus und Arena

p. Askese

q. Familie und Freunde

r. Fachlehrer

s. Philosophielehrer der Stoa

t. Platoniker und Peripatetiker

u. Herodes Atticus in Rom

v. Cornelius Fronto

w. Weinlese

x. Von der Rhetorik zur Philosophie

y. Der Tod des Pius 161

z. Der Herrschaftsantritt der Brüder

IV: DIE PARTHER UND DIE PEST

a. Der Ost-West-Gegensatz

b. Die Parther

c. Severianus unterliegt bei Elegeia 161

d. Edessa verloren, Cornelianus geschlagen 162

e. Hochwasser in Rom 161/162

f. Lucius gegen die Parther 162

g. Herodes Atticus in Athen

h. Lucius in Eleusis

i. Priscus erobert Artaxata 163

j. Die schöne Pantheia

k. Lucius heiratet Lucilla 164

l. Friedensangebot an Vologaeses

m. Avidius Cassius über den Euphrat 164

n. Die Pest aus Seleukeia 165

o. Martius Verus in Medien

p. Lucius Verus an und bei Fronto

q. Der Redner Aelius Aristides

r. Der erste Triumph 166

s. Die Victoria von Calvatone

t. Das Parthermonument von Ephesos

u. Kriegsberichte

v. Der Pestarzt Galen

w. Galens Schriften

x. Militärärzte

y. Die Seuche in Rom

z. Entvölkerung?

V: DER ERSTE GERMANENKRIEG

a. Nord-Süd-Konflikte

b. Zwanzig Stämme an der Donau

c. Chatten in Raetien 162

d. Langobarden in Pannonien 166

e. Markomannenfriede mit Ballomar 166

f. Zwei neue Legionen

g. Das Löwenopfer 167

h. Germanen vor Aquileia und Opitergium 167

i. Markomannenpanik in Rom 167/168

j. Die Kaiser zur Donau. Der erste Quadenfriede 168

k. Der Tod des Lucius Verus 169

l. Versteigerung der Kronjuwelen 169

m. Rekrutierung von Gladiatoren und Germanen

n. Jazygen und Vandalen in Dakien 170

o. Kaledonier in Britannien, Bastarnen in Kleinasien

p. Kostoboken in Eleusis, Mauren in Spanien 171

q. Räuberhirten in Ägypten 172

r. Sohaemus wieder in Armenien

s. Marcus in Carnuntum 170

t. Der zweite Markomannenkrieg 171

u. Das Regenwunder im Quadenland 172

v. Chatten in Italien, Chauken in Belgien, Naristen in Raetien

w. Der zweite Quadenfriede 172

x. Der dritte Markomannenfriede 173

y. Der Eiskampf mit den Jazygen

z. Verhandlungen in Sirmium 174

VI: CASSIUS UND DER ZWEITE GERMANENKRIEG

a. Herkunft und Aufstieg des Cassius

b. Die Krankheit des Kaisers

c. Todesnachricht und Proklamation 175

d. Die Kaiserrede zum Aufbruch

e. Der erste Jazygenfriede 175

f. Cassius ermordet 175

g. Strafaktionen

h. Durch Judaea nach Alexandria

i. Der Tod Faustinas 176

j. Marc Aurels Konkubinat

k. Aelius Aristides in Smyrna 176

l. Marcus in Athen 176

m. Die Mysterien von Eleusis

n. Berber in Spanien, Räuber in Griechenland

o. Triumph in Rom am 23. XII. 176

p. Die Tafeln des Ehrenbogens

q. Die Quintilier an der Donau 177

r. Commodus wird Augustus 177

s. Commodus heiratet Crispina 178

t. Der zweite Germanenkrieg 178

u. Der zweite Jazygenfriede in Sirmium 178

v. Der Kaiser in Wien 179/180

w. Der Griff über die Donau

x. Das Lager Trentschin 179/180

y. Ammian zum Germanenkrieg

z. Wo sind die Völker geblieben?

VII: RECHT UND VERWALTUNG

a. Senat und Konsulat

b. Die Gardepräfekten

c. Rechtsprechung und Prozeßordnung

d. Kronrat und Gerichtsorte

e. Der Herodes-Atticus-Prozeß 174

f. Gesetzgebung

g. Die Kanzlei

h. Sklaven im Recht

i. Freilassung

j. Sklavenflucht und Sklavenfolter

k. Das Militär

l. Religion und Kaiserkult

m. Rom und Athen

n. Städte und Straßen

o. Bürgerstiftungen und Bürgerpflichten

p. Familienpolitik: Alimentarstiftungen

q. Die Stiftung von Sicca

r. Erbrecht und Vormundschaft

s. Provinzialverwaltung

t. Das Gladiatoren-Edikt

u. Finanzpolitik

v. Aufwandsgesetz und Bankenkontrolle

w. Bürgerrecht für Banasa

x. Die Ideologie des Adoptivkaisertums

y. Commodus oder Pompeianus?

z. Die Vorstufen zur Herrschaft

VIII: DIE CHRISTENPROZESSE

a. Jesus – König oder Erlöser?

b. Römische Religionspolitik

c. Mysterienkulte und Wundermänner

d. Gnostische Sekten

e. Christliche Subkultur

f. Nero und der Brand Roms

g. Johannes-Apokalypse

h. Romfeindliche Sibyllinen

i. Montanistische Endzeitlehre

j. Christengegner

k. Sakralkannibalismus?

l. Plinius an Trajan

m. Trajans Antwort

n. Hadrians Toleranzedikt?

o. Marc Aurel zum Christentum

p. Martyriumsbereitschaft

q. Christliche Jenseitshoffnung

r. Ist der Tod das Ende?

s. Antiker Unsterblichkeitsglaube

t. Justins Apologien

u. Crescens gegen Justin 167

v. Polykarp und die «neuen Verordnungen»

w. Der große Prozeß in Lyon 177

x. Der kleine Prozeß in Scilli 180

y. Die Aberkios-Legende

z. Melitons Romtheologie

IX: LEBENSPHILOSOPHIE

a. Republik: keine Philosophen!

b. Kaiserzeit: Philosophie in Maßen!

c. Opponierende Philosophen

d. Philosophen am Kaiserhof

e. Lukians zehn Schulen

f. Die Stoa

g. Die ‹Selbstbetrachtungen›: Gott und Natur

h. Der Gott in dir

i. Kultische Kaiserpflichten

j. Schicksal und Vorsehung

k. Die Welt aus Stoff und Kraft

l. Weltenbrand in Äonen

m. Nichts Neues unter der Sonne

n. Kosmische Metaphern

o. Pessimismus?

p. Die Seele und das Leitvermögen

q. Individualethik: Selbstbeherrschung

r. Meinungen sind machbar

s. Adiaphora – Scheingüter

t. Tod und Vergänglichkeit

u. Ruhm?

v. Gefühle beherrschen!

w. Sozialethik: Pflichterfüllung und Menschenliebe

x. Feindesliebe

y. Theorie und Praxis

z. Zehn Leitsätze

X: TOD UND NACHLEBEN

a. Todesdatum und Todesort

b. Todesart

c. Selbstmord?

d. Beisetzung und Consecratio

e. Gedenktage

f. Herrschaftsantritt des Commodus

g. Neue Donauprovinzen?

h. Friede mit den Germanen 180

i. Verzicht und Triumph 22. Oktober 180

j. Die Verschwörung der Lucilla 182

k. Epoche 180?

l. Falsche Antonine

m. Die heidnischen Historiker

n. Diocletian und Constantin

o. Julian und Valentinian

p. Christliche Autoren

q. Byzanz und lateinisches Mittelalter

r. Renaissance und Humanismus

s. Aufklärung: Montesquieu

t. Friedrich der Große

u. Historiographie im 18. Jahrhundert

v. Historiker im 19. Jahrhundert

w. Philosophen zu Marc Aurel

x. Literatur und Kunst, Film und Wirtschaft

y. Marc Aurel global

z. Lebenshilfe

DANKSAGUNG

ANMERKUNGEN

I. Das Imperium Romanum

II. Schriftquellen und Denkmäler

III. Jugend und Familie

IV. Die Parther und die Pest

V. Der erste Germanenkrieg

VI. Cassius und der zweite Germanenkrieg

VII. Recht und Verwaltung

VIII. Die Christenprozesse

IX. Lebensphilosophie

X. Tod und Nachleben

ANHANG

A. CHRONIK

B. KARTEN

C. STAMMTAFEL

D. BILDNACHWEIS

Innenteil

Tafelteil

Karten

E. ABKÜRZUNGEN

F. LITERATUR

Fundhilfe für die wichtigsten Personen zu Marc Aurel in der RE

G. REGISTER

Zum Gedenken an Helmut Schmidt

TAFEL I

Büste Marc Aurels aus griechischem Marmor, Typ 3. Unter dem Feldherrnmantel mit der Scheibenfibel erscheint der Panzer mit der Gürtelbinde, am Hals ist die Tunika, das Hemd, zu erkennen (zu Kap. II o).

TAFEL II

Marc Aurel auf dem Kapitol en face (zu Kap. II r).

TAFEL III

Marc Aurel auf dem Kapitol im Halbprofil (zu Kap. II r).

TAFEL IV

Der Reiter auf dem Kapitol (zu Kap. II r).

TAFEL V

Der Caballus bei der Restauration 1985 (zu Kap. II t).

TAFEL VI

Commodus als Herkules mit Löwenhelm und Keule, den Äpfeln der Hesperiden über einem Amazonenschild, flankiert von Füllhörnern, begleitet von Amazonen, auf einer Weltkugel mit dem Zodiakus (zu Kap. X j).

TAFEL VII

Sesterzen (Bronze) und Aurei (Gold, vergrößert): a. Hadrian, b. Antoninus Pius, c. Faustina maior, d. Marc Aurel nach 138, e. ders. nach 145, f. ders. nach 161, g. ders. nach 169, h. Faustina minor, i. Commodus, j. Lucius Verus, k. Lucilla, l. Eintracht zwischen Marcus und Lucius (zu Kap. II n).

TAFEL VIII

TAFEL IX

Parthermonument von Ephesos in Wien: VIII (oben) Artemis-Selene auf einem von vier Hinden gezogenen Wagen über einer Meeresgöttin (zu Kap. IV t).IX a. (Mitte) Kampf der Römer gegen Barbaren, (zu Kap. IV t) IX b. (unten) Der Kaiser auf einer Quadriga, geleitet von Victoria über der Personifikation der Fruchtbarkeit, (zu Kap. IV t).

TAFEL X

Sardonyx-Kameo einer Kaiserin als Victoria mit Siegeskranz und Siegespalme, ursprünglich Faustina II, Haartracht umgearbeitet in Julia Domna, die Frau von Septimius Severus (zu Kap. II y und III g).

TAFEL XI

Achat-Gemme aus Biesheim, Fassung 4. Jahrhundert n. Chr.: Commodus zu Pferde tötet Ariogaisos (zu Kap. VI v).

TAFEL XII

Die Victoria von Calvatone bei Mantua aus vergoldeter Bronze, seit 1841 im Antikenmuseum Berlin, seit 1945 in St. Petersburg (zu Kap. IV s).

TAFEL XIII

a.Mithras aus Marino in den Albanerbergen, entdeckt 1963. Der Stiertöter mit phrygischer Mütze in der Höhle, begleitet von Schlange und Hund, flankiert von den Fackelträgern Cautes und Cautopates. In den oberen Ecken Sonne und Mond, seitwärts die acht Weihegrade (zu Kap. VIII c).

b.Der Lateranspalast mit dem Caballus, Zeichnung von Maarten van Heemskerck, um 1535 (zu Kap. II s).

TAFEL XIV

Der Caballus vor dem Lateran. Fresko von Filippino Lippi in Santa Maria sopra Minerva, Rom, in der Cappella Carafa (San Tommaso d’Aquino), um 1490 (zu Kap. II s).

TAFEL XV

Reiterstatue Ludwigs XIV von François Girardon auf dem Transport zur Place Vendôme 1699, in der Französischen Revolution zerstört. Zeitgenössisches Gemälde von M. A. Houasse (zu Kap. II t).

TAFEL XVI

Die letzten Worte Marc Aurels, Gemälde von Eugène Delacroix, 1844. Lyon, Musée des Beaux-Arts (zu Kap. X x).

VORWORT

Als der Evangelist Lukas daranging, das Leben Jesu darzustellen, glaubte er, sich rechtfertigen zu müssen, «sintemal sich’s Viele unterwunden hätten zu stellen die Rede von den Geschichten». Wer sich anschickt, das Leben Marc Aurels zu beschreiben, befindet sich in einer ähnlichen Lage. Auch er hat zahlreiche Vorgänger. Allerdings kann er nicht so wie Lukas erwarten, mit seinem Opus deren Bücher zu verdrängen oder zu überleben. Er muß sich mit einer bescheideneren Hoffnung begnügen und will nur dazu beitragen, daß ein wissenswerter Ausschnitt der Geschichte lebendig bleibt, daß eine bemerkenswerte Persönlichkeit nicht so schnell vergessen werde.

Freilich gehört Marc Aurel nicht zu jenen antiken Herrschern, die Weltgeschichte gemacht haben. Er war kein Alexander, der eine Epoche eröffnete, kein Augustus, der eine Staatsform schuf, kein Constantin, der einer Weltreligion zum Siege verhalf. Marc Aurel hat auch keine Legendenbildung ausgelöst wie jene Männer und ist auch nicht umstritten so wie sie. Sein Charakterbild schwankt nicht in der Geschichte wie das des Herzogs von Friedland. Vielmehr ist es gerade der Konsens über seinen Charakter, was ihn heraushebt, als Gegenbild zu Typen wie Caligula, Nero oder zu seinem Sohn Commodus, die durch ihre Untaten das Interesse der Nachwelt genießen.

Zu allen Zeiten haben Marc Aurels menschliche Haltung und die Grundsätze seiner Regierung verdiente Zustimmung erfahren und die Nachwelt beeindruckt. Seine von der stoischen Philosophie geprägten, ganz persönlichen ‹Selbstbetrachtungen›, eigentlich Selbstermahnungen, sind ein Katechismus der Humanität und eine Perle der Weltliteratur. Gewiß war Marc Aurel kein tiefer Denker, der wie Platon mit Sokrates oder Paulus mit Jesus neue Wege des Geistes eröffnet hat. Seine Gedanken lesen wir ähnlich bei früheren Philosophen, aber nirgend sind sie so eng mit dem Leben verbunden wie hier. Sie fanden stets ungeteilte Bewunderung, auch wenn die politische Praxis ihre Forderungen geltend gemacht, Härte erfordert hat. Denn die Zeit des gesicherten Friedens hatte ein Ende gefunden. Zwar hatte es stets Kriege gegeben, doch sie wurden außerhalb des Reiches geführt, nicht wie nun, ganz überwiegend innerhalb. Unter Marc Aurel waren außer Nordafrika alle Grenzen umkämpft, namentlich am Euphrat und an der Donau, wo sich mit massivem Druck die germanische Völkerwanderung ankündigte. Das war gemäß Mommsen die Wende zum Ende.

Indem ich diese Vorgänge nachzeichne, denke ich weniger an Fachkollegen, von denen ich ohnedies mehr gelernt habe, als sie von mir lernen können. Mein Beitrag zur Wissenschaft beschränkt sich auf einen erneuten Versuch, die literarischen und epigraphischen, die numismatischen und archäologischen Zeugnisse vom Kriegsgeschehen so in eine Chronik einzuordnen, daß sie einander nicht im Wege stehen und die geostrategische Ereignisfolge nachvollziehbar machen. Die meisten hier vertretenen Annahmen finden sich allerdings schon irgendwo in der älteren Literatur. Unsere wissenswürdige Kenntnis der Antike ist überhaupt kaum noch zu vermehren. Möglich und sinnvoll ist und bleibt es, aus diesem ungeheuren Schatz die Zimelien immer wieder herauszugreifen und in einer Form darzubieten, die ihren Glanz zur Geltung bringt.

Möchte es gelingen, der historisch interessierten Leserschaft den Reiter auf dem Kapitol in seiner vielgestaltigen Welt lebendig zu machen, das Geschehen in einen weiteren Rahmen zu stellen und die Grundkonflikte der Zeit aufzuzeigen: die Spannung zwischen hoher, aber müder Zivilisation und armen, aber vitalen Nachbarvölkern, zwischen altbewährten Rechtsgrundsätzen und immer neuen Herausforderungen, zwischen Vertretern staatlicher Ordnung und religiösen Menschen, die für ihre Idee in den Tod gehen. Marc Aurel hat sich mit diesen Fragen in einer Form befaßt, die ein Beispiel dafür darstellen, wie Politik und Philosophie einander ergänzen, wie sich Machtfragen zwar nicht lösen, aber vielleicht ungelöst ertragen lassen.

Am 30. März 1870 schrieb Jacob Burckhardt aus Basel an Bernhard, den Sohn seines Freundes Franz Kugler in Berlin, daß «ein großer historischer Gegenstand, dessen Darstellung ein Hauptmoment des ganzen Forscherlebens werden soll, sympathisch und geheim mit dem Innersten des Autors zusammenhängen muß». Etwas derartiges empfinde ich bei der Beschäftigung mit Marc Aurel durchaus und weiß mich darin einig mit anderen, bedeutenderen Zeitgenossen. Ich denke hier zuerst an unseren Altkanzler Helmut Schmidt. Für ihn haben sich die ‹Selbstbetrachtungen› als Lebenshilfe ein Leben lang bewährt. Er trug seinen Marc Aurel an der Front im Tornister und hat ausgesprochen, was er ihm verdankt. Darum sei mein Buch dem Andenken an Helmut Schmidt gewidmet.

Lindheim, Jubilate 2018Alexander Demandt

Vorwort zur zweiten Auflage

Eher als gedacht kann die neue Auflage erscheinen. Sie bietet Gelegenheit, eine Reihe von sprachlichen Korrekturen vorzunehmen, die ich meinem alten Münchener Studienfreund Gernot Eschrich in Breitbrunn verdanke. Sehr erfreut hat mich, dass meine stilistisch begründete Datierung der Porta Nigra in die Zeit Marc Aurels seit Anfang dieses Jahres dendrochronologisch bestätigt wurde. Man hat sie bisher zumeist mit dem Ausbau Triers in der Zeit der Tetrarchen verbunden. Ich erfuhr es im August von Marcus Reuter, zu spät für die erste Auflage (s.u. S. 91). Nun kann ich das Buch dem Gedenken an den 100. Geburtstag von Helmut Schmidt am 23. Dezember 2018 widmen.

Lindheim, 27. November 2018Alexander Demandt

Griechische Zitate

Griechische Buchstaben werden folgendermaßen latinisiert:

Alpha mit a, Beta mit b, Gamma mit g, vor Gutturalen mit n (z.B. synklētos, phalanx), Delta mit d, Epsilon mit e, Zeta mit z, Eta mit ē, Theta mit th, Iota mit i, Iota subscriptum erscheint als Iota adscriptum (z.B. tēi gēi), Kappa mit k, Lambda mit l, My mit m, Ny mit n, Xi mit x, Omikron mit o, Pi mit p, Rho mit rh, Sigma mit s, Tau mit t, Ypsilon mit y, Ypsilon nach Alpha, Epsilon oder Omikron mit u (z.B. autonomia, eunomia, boulē), Phi mit ph, Chi mit ch, Psi mit ps, Omega mit ō; Spiritus asper, auch innerhalb des Wortes, erscheint als h (z.B. synhodos); griechische Akzente und Spiritus lenis werden ignoriert.

Tu regere imperio populos, Romane, memento!

VERGIL

I

DAS IMPERIUM ROMANUM

a. Von der Republik zum Kaiserreich – b. Die Befugnisse des Kaisers – c. Absolutismus? – d. Repräsentation und Titel – e. Der Kaiserkult – f. Zentralverwaltung und Hofpersonal – g. Kaiserin, Familie und Nachfolge – h. Der Senat – i. Das Heer – j. Rekrutierung – k. Außenpolitik – l. Senatorische Laufbahn – m. Ritterliche Laufbahn – n. Rom und Italien – o. Provinzialverwaltung – p. Die Städte – q. Sonderfall Ägypten – r. Die Domänen – s. Sprachen und Völker – t. Religionen – u. Sieben Stände – v. Sklaven und Freigelassene – w. Die Frauen – x. Die Wirtschaft – y. Pax Romana – z. Die Kaiser vor Marcus

a. Von der Republik zum Kaiserreich

Das Römische Reich, dessen Herrschaft Marc Aurel am 7. März 161 n. Chr. übernahm, war das größte und dauerhafteste Staatswesen, das Europa bis dahin gesehen hatte. Es umfaßte Territorien – ganz oder teilweise – von dreißig modernen Staaten. In Jahrhunderten durch Kriege und Verträge gewachsen, erstreckte es sich nach den Siegen über die punische Seemacht Karthago im 3. Jahrhundert v. Chr. und über die hellenistischen Landmächte im 2. Jahrhundert vom Atlantik bis zum Roten und zum Schwarzen Meer. Die republikanische, von dem Historiker Polybios um 150 v. Chr. in seinem sechsten Buch beschriebene und bewunderte Verfassung des Stadtstaates Rom reichte dafür nicht mehr aus. Die Kontrolle der Provinzen erforderte und ermöglichte eine Militärmacht, deren Führer sich dem Senat, aus dem sie hervorgegangen waren, nicht mehr unterwarfen. Auch die Legionen fühlten sich nicht mehr dieser hohen Körperschaft, sondern ihrem Feldherrn verpflichtet. Es kam zu Bürgerkriegen zwischen ihnen, zwischen Marius und Sulla, Caesar und Pompeius, Brutus und Octavian, bis letzterer durch seinen Seesieg über Marc Anton und Kleopatra am 2. September 31 v. Chr. bei Actium seine Alleinherrschaft begründete.

Octavian hatte als neunzehnjähriger Großneffe und Adoptivsohn Caesars nach dessen Ermordung an den Iden des März 44 v. Chr. das Erbe übernommen und zielbewußt auf eine Monarchie hingearbeitet, wie sie alle Flächenstaaten der Antike besaßen. Augustus – so seit 27 v. Chr. – hat eine Staatsform begründet, die zwar die republikanischen Institutionen weitgehend beibehielt, aber den Vorrang des neuen princeps senatus – des Ersten der Senatoren – behauptete. Er sicherte das von Caesar gewonnene Gallien durch die Rheingrenze, die Ostgebiete durch eine Demonstration am Euphrat. Er annektierte Ägypten, eroberte die Gebiete südlich der Donau und überwand die Widerstände in Spanien.[1]

b. Die Befugnisse des Kaisers

In seinem testamentarischen Tatenbericht, dem inschriftlich erhaltenen Monumentum Ancyranum, behauptet Augustus, die Freiheit der Republik wiederhergestellt zu haben. Tatsächlich lautet der Staatsname bis über Justinian hinaus res publica Romana, nie imperium Romanum.[2] Gleichwohl sind die monarchischen Intentionen des Augustus unverkennbar. Sie spiegeln sich in der Ämterkumulation, in der Nachfolgepolitik und in der Repräsentation. Augustus hat nie versucht, als altrömischer Dictator oder als hellenistischer König zu regieren, sondern hat sich mit einem Flickenteppich von Amtsvollmachten begnügt, deren jede verfassungsgemäß war, die aber verfassungswidrig erweitert, gebündelt und auf Dauer gestellt wurden und so in der Summe eine Monarchie ergaben.[3] Die republikanischen Magistrate außer dem Censor wurden daneben weiterhin bestellt, aber sie alle überragte der Kaiser an auctoritas.[4]

Sehen wir ab von vorübergehend ausgeübten Vollmachten, so bleiben als dauernde Machtgrundlagen übrig: imperium consulare (Amtsmacht des Konsuls) und tribunicia potestas (Amtsmacht des Volkstribunen). Konsulat oder imperium proconsulare maius (größere konsulare Amtsmacht) bedeuteten Verfügungsgewalt über das Heer und die Provinzen, in denen Legionen standen. Hier übte Augustus eine Militärmonarchie aus, hier war er höchster Richter und oberste Appellationsinstanz. Die von ihm seit 23 v. Chr. jährlich fortgeschriebene tribunicia potestas[5] war wichtig für die Unverletzlichkeit (sacrosanctitas) und für die Macht in der Stadt Rom. Als Patrizier mußte der Kaiser die Funktion vom Amte des Tribunen lösen, denn dieser hatte stets Plebejer zu sein.[6] Bei der Übertragung der Kaisergewalt wurden bis ins 3. Jahrhundert imperium proconsulare und tribunicia potestas getrennt aufgeführt.[7] Ein drittes Kaiserrecht war die Bestimmung der ersten fünf Tagesordnungspunkte des Senats (ius quintae relationis).[8] Übertragen wurden die Amtsbefugnisse formal von Senat und Volk, doch fanden seit Tiberius keine Volksversammlungen mehr statt, der Senat vertrat sie. Die Truppen riefen den neuen Herrscher zum imperator aus (acclamatio), der Senat ernannte den neuen Kaiser zum Patrizier, damit zum Senator[9] und legitimierte ihn so. Gegenkaiser galten als Usurpatoren, bis sie sich durchgesetzt hatten, so Vespasian, Septimius Severus, Diocletian und Julian. Mit dem Kaiseramt verbunden blieb das schon von Caesar bekleidete Amt des Pontifex Maximus, das Augustus nach dem Tode des Lepidus 12 v. Chr. übernahm.[10]

Augustus hat sich alle staatlichen Befugnisse einzeln durch Senat und Volk übertragen lassen. Seinen Nachfolgern wurden durch Senatsbeschluß – nolens volens – jeweils dieselben Rechte zugebilligt. Das ergibt sich aus der ‹Lex de imperio Vespasiani›.[11] Sie enthält zugleich die «Dispositionsklausel», die dem Kaiser alles zu tun gestattete, was ihm im Sinne des Staates (ex usu rei publicae) notwendig schien. Daß der Kaiser durch seine Autorität regierte, zeigt sich darin, daß bei seinen Amtshandlungen nie dazugesagt wird, aufgrund welcher speziellen magistratischen Kompetenz sie erfolgten. Er verkörperte die maiestas populi Romani[12], darum wurde die Herabsetzung seiner Würde als crimen laesae maiestatis (Majestätsbeleidigung) geahndet.[13]

c. Absolutismus?

Als Inhaber der delegierten Souveränität und Gesetzgeber[14] war der Kaiser nicht an die Gesetze gebunden: princeps legibus solutus.[15] Von einem guten Kaiser wie Trajan sagte sein Lobredner Plinius[16] allerdings: non est princeps super leges, sed leges super principem (nicht steht der Princeps über dem Gesetz, sondern das Gesetz über dem Princeps). Streit zwischen dem Fiskus und den Bürgern wurde nicht auf dem Verwaltungswege, sondern vor Gericht entschieden,[17] dabei sei der Fiskus bisweilen unterlegen.[18] So stand der Kaiser unter dem Recht, aber es gab keinen Richter über ihm. Wenn er gegen Recht und Sitte verstieß, mußte er mit Verschwörungen rechnen. Tyrannenmord wird in der politischen Ethik der Antike nicht nur geduldet, sondern gefordert. Die reale Machtbasis des Kaisers war der Oberbefehl über das Heer, das er bezahlte. Er war stets der reichste Mann im Staat. Seine Einnahmen flossen aus seiner «Privatprovinz» Ägypten und aus den Steuern der kaiserlichen Provinzen. Aus dem fiscus Caesaris zahlten die Kaiser den Sold und die Veteranenabfindungen.

d. Repräsentation und Titel

Monarchisch war die Repräsentation.[19] In der Öffentlichkeit erschien der Kaiser als Triumphator[20] mit Purpurmantel und Lorbeerkranz, so schon Caesar.[21] Die Strahlenkrone gibt es nur auf bestimmten Münzen, so auch bei Marcus, sie wurde nicht getragen. Auf dem «palatinischen» Hügel, lateinisch Palatium, in Rom,[22] wo Romulus gewohnt haben soll,[23] residierte Augustus.[24] Hier erbaute Domitian (81 bis 96) den «Palast».[25] Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) imitierte mit seinem Mausoleum das Grab Alexanders des Großen (336 bis 323) und wählte als Ort den campus Martius (das Marsfeld), wo auch die römischen Könige bestattet worden waren.[26] Später wurde den Kaisern ein Feuer vorangetragen.[27] Krone und Thron sind altpersische Herrschaftssymbole.[28]

Das Bildnis des Kaisers erschien auf allen Münzen, seine Statue stand im sacellum (Kultraum) eines jeden Kastells, auf jedem Forum[29] und bot dem Flüchtling Asyl.[30] Amtliche Dokumente beglaubigte Augustus – so wie die orientalisch-hellenistischen Könige und die republikanischen Prokonsuln[31] einschließlich Caesars[32] – mit seinem Siegelring.[33] Er galt als Herrschaftssymbol.[34] Zunächst siegelte er mit dem Ring Caesars,[35] der die Ahnfrau der Julier – der Familie, der er entstammte –, die «siegreiche» Venus Victrix, in Waffen zeigte. Später siegelte Augustus mit einer Sphinx, anschließend mit dem Porträt Alexanders und zuletzt mit seinem eigenen.[36] Dieses letzte Petschaft übernahmen die folgenden Kaiser. Reichssiegelbewahrer war ein Freigelassener.[37]

Name und Titel des Kaisers standen nicht von Anfang an fest.[38] Augustus nannte sich ab 27 v. Chr. Imperator Caesar Divi filius Augustus.[39] «Imperator» war der schon von Caesar als Vorname geführte Feldherrntitel,[40] der durch Ausrufung vom Heer verliehen wurde.[41] Er unterstreicht den militärischen Führungsanspruch und enthält die Blutgewalt außerhalb Roms. «Caesar» war das mit der Adoption übernommene cognomen (Beiname). Damit betonte Augustus seine dynastische Legitimation. «Divi filius» verwies auf die Vergöttlichung Caesars. «Augustus» ist der nach orientalisch-hellenistischer Sitte[42] angenommene charismatische Herrschername. Er ist abgeleitet von augere – «vergrößern» und klingt nach augurium – «Zeichendeutung». Zwischen Titel und Name ist hier nicht zu unterscheiden. Bei Vespasian sind sodann die dem Namen vorgestellten Wörter Imperator Caesar und das nachgestellte Augustus reine Titel, und diese Form blieb kanonisch. Die seit Augustus für den Kaiser übliche Bezeichnung princeps[43] knüpft an seine Stellung als princeps senatus[44] an. Danach nannte Mommsen die Verfassung seit Augustus «Prinzipat».[45]

Auf Inschriften[46] und Münzen erscheinen oft noch Amtstitel: Consul (abgekürzt COS mit Wiederholungszahl), Pontifex Maximus (abgekürzt PM), tribunicia potestas (mit Iteration, der Anzahl, wie oft jemand ein Amt bekleidet hatte), pater patriae (Vater des Vaterlands, abgekürzt PP)[47] und Siegerbeinamen wie Germanicus, Britannicus, Parthicus usw. Als Titel des Thronfolgers bürgerte sich seit Titus und Hadrian Caesar ein. Die Griechen nannten den Kaiser kaisar oder sebastos (Augustus), basileus (König), hēgēmōn (princeps) oder autokratōr (imperator). Aus dem Divi filius wurde ein Theou hyios, aus dem «Sohn des Vergöttlichten» ein «Sohn Gottes».

e. Der Kaiserkult

Die Stellung des Kaisers im Reich kommt nirgendwo so deutlich zum Ausdruck wie im Kaiserkult.[48] Seit Alexander dem Großen wurden die Herrscher regelmäßig mit göttlichen Attributen ausgestattet. In der römischen Republik trug der Triumphator das Kostüm Juppiters. Göttliche Verehrung genoß Romulus, er galt als aufgefahren gen Himmel,[49] ebenso Caesar nach Meinung der Menge, persuasione volgi.[50] Bei Augustus ging die kultische Erhöhung von Städten Kleinasiens aus, wo das Gottkönigtum Tradition besaß.[51] Er gestattete Tempel für sich nur gemeinsam mit der Dea Roma, indem er bevorzugten griechischen Städten die neōkoria (das Recht zu einem Kaiserheiligtum) verlieh.[52] Vereinzelt wurde er als Gott bezeichnet.[53] Bürgerliche Kaiser haben diese Verehrung abgelehnt[54] oder auf ihren Genius, ihren Schutzengel, bezogen; andere haben sich mit diesem identifiziert, so Domitian. Er nannte sich dominus et deus.[55] Die charismatische Qualität der Kaiser zeigte sich in den Wunderheilungen, da sie durch Berührung Lahme und Blinde kuriert haben sollen.[56] Nach der Gleichung «Volkes Stimme – Gottes Stimme» sah man in der Erhebung des Kaisers die Hand des Himmels am Werk.[57] An jedem 3. Januar leisteten Heer und Senat durch öffentliche Gelübde, vota publica, den Eid auf den Kaiser, nachdem sich Augustus vor der Schlacht bei Actium von Italien die Treue hatte schwören lassen.[58] Nach dem Sieg schwur auch der Osten. Die Zahl der Kaiserfeste wuchs, im 4. Jahrhundert waren 27 von 41 Feiertagen dem Kaiserkult gewidmet.[59]

Nach dem Tode eines Kaisers hielt der Senat das Totengericht über ihn. Fiel es gegen ihn aus,[60] wurde sein Name von allen Inschriften getilgt, seine Bilder wurden zerschlagen, seine Erlasse kassiert: das ist die damnatio memoriae.[61] Ging es zu seinen Gunsten aus, so wurde er durch consecratio wie Caesar unter die Götter versetzt, bekam den Beinamen Divus – «vergöttlicht» – und eine Priesterschaft, sodales. Wie andere Götter erhielt er Feste mit unblutigen Opfern. Der Begriff consecratio bezeichnet ursprünglich die Weihung einer Gabe an die Götter, so auch die Einweihung eines Tempels. Daneben bedeutet er auch die staatliche Anerkennung einer fremden Gottheit und in der Kaiserzeit die Apotheose des verstorbenen Herrschers.

Diese consecratio folgte der Bestattung, die zweimal durchgeführt wurde: wirklich und bildlich. Die Leiche wurde verbrannt und dann im Augustusmausoleum, später in der heutigen Engelsburg, der moles Hadriani beigesetzt. Hier standen die Urnen der Kaiser und ihrer Angehörigen von Hadrian bis zu Julia Domna, der Witwe (†217) von Septimius Severus (193 bis 211). Auf dem Marsfeld errichtete man einen prächtigen Scheiterhaufen (rogus), auf dem eine Wachspuppe des Kaisers verbrannt wurde. Aus einem Käfig auf der Spitze wurde ein Adler freigelassen, der den Kaiser auf dem Weg zum Olymp symbolisierte[62] und die Apotheose darstellte.[63]

f. Zentralverwaltung und Hofpersonal

Der Kaiser regierte durch Erlasse (edictum), die auf einem gesiegelten codicillus als Brief den Betroffenen zugestellt wurden.[64] Vielfach handelt es sich um Antworten (rescripta) an Rechtsuchende, auch an Privatleute.[65] In der Regel wurden diese Entscheidungen zuvor beraten. Augustus besaß einen Kronrat,[66] dessen 15 Mitglieder je 6 Monate amtierten.[67] Tiberius[68] (14 bis 37) hatte ein dauerhaftes consilium, ebenso Hadrian (117 bis 138) und Marc Aurel (161 bis 180).[69] Ständige Begleiter nannten sich comites.[70] Auf Reisen gingen Kaiser, wenn Krieg zu führen war – so Augustus, Trajan (98 bis 117) und Marc Aurel –, sonst selten: Nero (54 bis 68) bereiste Griechenland, um sich feiern zu lassen, Hadrian besuchte die Provinzen, um nach dem Rechten zu schauen. Antoninus Pius (138 bis 161) blieb in Italien.[71] Kaiserliche Entscheidungen waren nicht nur aus Rom gültig, denn «Rom ist, wo der Kaiser ist».[72]

Die Hofverwaltung hat sich aus der Privatverwaltung der reichen Römer entwickelt und wurde dabei von hellenistischem Vorbild geprägt. Die entscheidende Gestaltung geht auf den Kaiser Claudius (41 bis 54) zurück.[73] Seit seiner Regierungszeit gibt es die Staatssekretäre: einen (procurator) a libellis, der Eingaben bearbeitete, einen ab epistulis,[74] der die Kanzlei führte, einen a rationibus, der die kaiserlichen Finanzen leitete, einen a studiis, der für die Bildung zuständig war, einen a cognitionibus, der Rechtsfragen klärte,[75] einen a memoria, der das Archiv verwaltete[76] usw. Claudius ernannte dazu Freigelassene, Hadrian equites, Angehörige des Ritterstands.[77]

Das Gesinde am Hof bestand aus Freien,[78] Sklaven und Freigelassenen; unter den etwa 4000 aus Inschriften namentlich bekannten Angehörigen der familia Caesaris befinden sich ungefähr 2500 Freigelassene, die den Gentilnamen des Kaisers trugen, Claudius unter Tiberius, Aelius unter Hadrian, Aurelius unter Antoninus Pius. Die meisten kennen wir von den Inschriften vor dem loculus, der Nische mit ihrer Urne in den für sie angelegten, mit Mosaiken und Wandmalereien ausgeschmückten «taubenhausähnlichen» Columbarien. Ein Finanzangestellter des Tiberius hatte als servus ordinarius sechzehn namentlich genannte Untersklaven, darunter einen Arzt, einen Kämmerer, einen Kleiderwärter, Köche und Silberdiener.[79] Das war kein Einzelfall. Ein Sklave des Claudius besaß eine Silberschüssel von 500 römischen Pfund, 160 Kilo, hergestellt in einer eigens dafür errichteten Werkstatt; acht Mitsklaven besaßen halb so schwere Schüsseln.[80] Die servi Caesaris standen in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis und waren in elf Gehaltsklassen eingestuft. Sie konnten Ehen mit freien Frauen schließen und wurden in der Regel im Alter zwischen 30 und 35 Jahren freigelassen. Zuweilen haben sie sich freigekauft, so ein Verwalter unter Nero, der 13 Millionen Sesterzen zusammengespart hatte.[81] Die Sklaven und Freigelassenen am Hof trugen meist griechische Namen, das verweist auf ihre Herkunft.

So wie die Tyrannen und Könige der Griechen umgab die Kaiser ein repräsentativer Hofstaat.[82] Augustus schätzte alle Dichter, die ihm sein Freund und Berater Maecenas zuführte. Vergil, Horaz, Properz und Ovid haben sein Lob gesungen.[83] Am Hofe finden wir Philosophen, Rhetoren und Pädagogen, Leibärzte,[84] eine Pagenschule,[85] Kammereunuchen,[86] Lakaien und Zofen[87]. Wir kennen Vorkoster,[88] Gold- und Silberverwalter, Masseure,[89] Köche und Oberköche,[90] Kleiderwächter, Bibliothekare und Inhaber ähnlicher Posten.[91] Nero ernannte Petron, den Schöpfer des köstlichen «Trimalchio», zum arbiter elegantiae,[92] zum Bevollmächtigten für den feineren Geschmack.

g. Kaiserin, Familie und Nachfolge

Alle bedeutenden römischen Kaiser waren verheiratet. Die Kaiserinnen[93] stammten gewöhnlich aus senatorischen Familien, nie aus außerrömischen Herrscherhäusern.[94] Augustus verlieh seiner Gemahlin Livia[95] testamentarisch den Beinamen Augusta,[96] den in der Folgezeit viele Frauen und Schwestern von Kaisern auf Senatsbeschluß erhielten. Die Kaiserin hatte jeweils eigene Besitzungen,[97] einen eigenen Siegelring[98] und eigenes Personal.[99] Sie genoß Ehren ähnlich denen der Kaiser, erhielt Statuen und Münzen mit ihrem Bilde. Unter den Ehrenbeinamen finden sich dea (Göttin) und genetrix orbis (Stammutter des Erdkreises) für Livia,[100] mater castrorum (Mutter der Militärlager) für Faustina Junior, die Ehefrau Marc Aurels.[101] Politische Rechte besaß die Kaiserin ebensowenig wie Frauen sonst.[102] Anders als der Kaiser stand die Kaiserin nicht über den Gesetzen, doch verliehen ihr die Kaiser Privilegien.[103]

Familiär motiviert war die Nachfolge- und Personalpolitik. Die Vererbung des Prinzipats war staatsrechtlich nicht festgelegt, aber galt als selbstverständlich.[104] Das entsprach dem dynastischen Empfinden der Legionen. Der Anspruch auf die Nachfolge beruhte auf dem Grade der Nähe zum Kaiser.[105] Durch Adoptionen aus der Verwandtschaft haben schon Caesar und Augustus dafür gesorgt, daß Nachfolger aus der Familie zur Verfügung standen.[106] Wichtige militärische Aufgaben wurden nach Möglichkeit Angehörigen des Kaisers übertragen. Quinctilius Varus, der Heerführer im Teutoburger Wald, war mit einer Nichte des Augustus verheiratet.

h. Der Senat

Die einzige Instanz eigenen Rechtes im Prinzipat neben dem Princeps war der Senat. Mommsen[107] sprach von einer «Dyarchie» (Zweierherrschaft). Praktisch aber hat der Senat seit 42 v. Chr. jede politische Eigenständigkeit verloren. Dennoch blieben Träger der Souveränität Senatus Populusque Romanus, SPQR. Nach der Ausweitung unter Caesar wurde die Zahl der Senatoren 18 v. Chr. wieder auf 600 Mitglieder herabgesetzt[108] und ein förmlicher Senatorenstand geschaffen. Er bestand aus einer traditionsstolzen, kulturbewußten Grundbesitzerklasse. Augustus setzte fest, daß Senator nur sein könne, wer 1.200.000 Sesterzen besaß[109] und einen senatorischen Vater oder Großvater hatte. Der Eintritt in den Senat erfolgte normalerweise durch die Wahl zum Quaestor, worauf die zum Aedil, Praetor und Konsul folgen konnte. Vorgenommen wurde das nicht mehr wie in der Republik durch die Volksversammlung, sondern durch den Senat gemäß den Empfehlungen des Kaisers. Praetur und Konsulat befähigten «Prokonsuln» zur Statthalterschaft in den senatorischen Provinzen und kaiserliche Legaten zum Kommando von Legionen sowie zur Verwaltung von Kaiserprovinzen im Grenzbereich. Gewesene Konsuln bildeten die Führungselite im Reich. Sie stammten so wie die Senatoren ursprünglich aus Rom und Italien, im 1. Jahrhundert auch aus den Westprovinzen und im 2. Jahrhundert vielfach aus dem Osten, aus Syrien zumal, jedoch nicht aus Griechenland oder Ägypten.

Um die Ritter- und Senatorenschicht zu erhalten, erließ Augustus 18 v. Chr. die lex de maritandis ordinibus[110] und 9 n. Chr. die lex Papia Poppaea.[111] Diese Ehegesetze benachteiligten den Unverheirateten und bevorzugten den Verheirateten je nach Kinderzahl.[112] Nach ihr wurde beispielsweise entschieden, wer Praetor wurde.[113] Erfolg war dieser Familienpolitik nicht beschieden.[114] Unter Caesar gab es in Rom noch 45 alte Patrizierfamilien, unter Trajan noch eine einzige.[115] So geschah doch, was bereits Caesar erstrebt hatte: Der Senat ergänzte sich aus romanisierten Provinzialen. Im 1. Jahrhundert wurden Angehörige der Westprovinzen Senatoren, im 2. Jahrhundert Orientalen, im 3. Jahrhundert Afrikaner und Illyrer.[116] Gegen Ende des 2. Jahrhunderts war der Anteil der Italiker auf knapp die Hälfte gesunken. Gleichzeitig löste sich die Senatorenwürde von der regelmäßigen Teilnahme an den Senatssitzungen. Da alle Beamten der senatorischen Laufbahn die Senatorenwürde erhielten, gab es derartige Ehrensenatoren schließlich in allen Provinzen. Ihre Güter unterstanden nicht der munizipalen Verwaltung, sondern den Statthaltern.

Der Senat tagte zweimal im Monat[117] in der Curia Iulia oder einem Tempelareal.[118] Seine politische Bedeutung schien zunächst dadurch zu steigen, daß ihm Rechte der Volksversammlung übertragen wurden. Seit Tiberius wurden die Magistrate nicht mehr von den comitia, sondern auf Wunsch des Kaisers vom Senat bestimmt.[119] Auch die Gesetzgebung kam vom Volk an den Senat, der dieses Recht der Form nach neben dem Kaiser ausübte.[120] Dem Senat oblag die Rechtsprechung über Personen senatorischen Standes.[121] Nur tyrannische Kaiser beanspruchten sie.[122] Die letzte Appellationsinstanz wurden die praefecti praetorio bzw. der Kaiser, doch gab es stets auch Immediateingaben.[123] Senatsbeschlüsse und andere Neuigkeiten wurden durch die von Caesar eingeführten Acta diurna oder Acta Urbis, eine staatliche Wandzeitung, verkündet. Auszüge bietet die Vita des Commodus.[124]

In der Finanzverwaltung zeigte sich Augustus als der Enkel eines Bankiers.[125] Er beließ dem Senat nominell die Bronzeprägung der Sesterzen, während aurei aus Gold und Denare aus Silber vom Kaiser gemünzt wurden. Der Senat kontrollierte das aerarium Saturni. Es befand sich sinnigerweise im Gewölbe unter dem Tempel für Saturn-Kronos, den Herrscher des «goldenen» Zeitalters.[126] Die Einnahmen flossen aus den Senatsprovinzen.[127] Es verlor an Bedeutung gegenüber dem fiscus Caesaris, der aus den Kaiserprovinzen gespeist wurde.[128] Eine gewisse Selbständigkeit verblieb dem Senat während der Interregna. Seine Zustimmung[129] legalisierte den von den Truppen ausgerufenen neuen Imperator.

i. Das Heer

Durch ihre Legionen hatten Caesar und Augustus die Herrschaft errungen, und so blieb das Bürgerheer die wichtigste Machtgrundlage der Kaiser. Sie waren höchste Befehlshaber, sie hoben die Truppen aus, entschieden über Krieg und Frieden und schlossen Verträge.[130] Das Heer wurde alljährlich auf den Kaiser vereidigt (sacramentum), zu seinem Geburtstag (natalis Augusti) und zum jährlichen Regierungsjubiläum (dies imperii) erhielten die Truppen Sonderzulagen. Das Verhältnis zwischen Kaiser und Heer entspricht der fides, dem wechselseitigen Treueverhältnis zwischen patronus und cliens: Der Kaiser sorgt für die Soldaten, die Soldaten gehorchen dem Kaiser. Augustus spricht vom exercitus meus,[131] nicht mehr vom exercitus populi Romani. Der Triumph nach einem großen Sieg als höchste Ehre des alten Staates wurde zum Privileg des Kaisers. Denn mögen auch seine Generale gesiegt haben, so siegten sie doch unter den auspicia, dem Göttersegen des Kaisers.

Das Heer erhob den Nachfolger durch Akklamation zum imperator und wiederholte das nach einer gewonnenen Schlacht. Die Akklamationen wurden gezählt und dem Titel hinzugefügt.[132] Der Kaiser zahlte dafür ein hohes Donativ, ein Geldgeschenk.[133] Seit Claudius bestimmte die Prätorianergarde den Kandidaten, seit Vespasian 69 n. Chr. lag die Entscheidung bei den drei Armeen am Rhein, an der Donau und am Euphrat, die gewöhnlich geschlossen, aber je unterschiedlich agierten. Beim Wechsel von Dynastien führte dies zu inneren Kriegen. Diese Krisen haben zwar große Opfer gekostet, brachten aber jeweils den stärksten Kandidaten ans Ruder und bedeuten sozialgeschichtlich die Öffnung der Machtpositionen für neue Kreise.

Das Heer bestand aus Garde, Legionen und Hilfstruppen. Bereits Scipio und die späteren republikanischen Feldherren haben sich eine Garde gehalten. Augustus gliederte sie in neun cohortes praetorii zu 500 oder 1000 Mann. Diese Soldaten stellte er 2 v. Chr. unter zwei praefecti praetorio.[134] Die Praetorianer bezogen doppelten Sold,[135] dienten nur 16 Jahre[136] und waren um Rom herum stationiert. Tiberius baute ihnen die castra praetorii am Ostrand der Stadt.[137] Ihre Mauern beherbergen seit 1875 die italienische Nationalbibliothek. Die Praetorianer begleiteten den Kaiser in den Krieg, ergriffen nach dem Tode des Augustus, während des pannonischen Soldatenaufstandes (14 n. Chr.), die Partei des Tiberius und sicherten das Erbkaisertum nach dem Tode des Caligula für Claudius, als der Senat die Republik erneuern wollte.[138] Auch später wurden sie bei Aufständen einzelner Heeresteile eingesetzt. Die Prätorianergarde diente somit als Elite- und Parteitruppe, war aber zugleich als Kriegs- und Verwaltungsschule eng mit der Reichsarmee verbunden, denn die Legions-Centurionen wurden zwischenzeitlich in die Praetorianerkohorten abkommandiert. Die Leibwache versorgten noch bei Nero die germanischen corpore custodes.[139]

Den Kern des Reichsheeres bildeten wie in der Republik die Legionen.[140] Augustus hat das in den Bürgerkriegen auf 75 Legionen angewachsene Heer durch Veteranen-Ansiedlung auf 25 Legionen[141] verkleinert. Hadrian hatte 30 Legionen.[142] Jede Legion trug eine Nummer und führte einen Beinamen, der ihre Treue zum Kaiserhaus unterstreicht (Augusta, Claudia, Traiana), an ihre Herkunft oder ein Einsatzgebiet erinnert (Italica, Macedonica, Parthica) oder eine Eigenschaft rühmt (victrix – sieghaft, rapax – unwiderstehlich, adiutrix – hilfreich). Dazu kam ein heraldisches Beizeichen: ein Bild aus dem Zodiakus, ein Tier, ein Gott oder ein sonstiges Symbol.[143] Der Legionsadler war sozusagen die Regimentsfahne. Die Sollstärke einer Legion belief sich seit Hadrian auf 6000 Mann. Legionäre dienten 20 Jahre,[144] erhielten als Veteranen Land oder ein Geldgeschenk und durften heiraten.

An der Spitze jeder Legion stand ein legatus legionis, gewöhnlich im prätorischen Rang, unter ihm dienten sechs tribuni militum, von denen einer senatorischen und fünf ritterlichen Standes waren. Diese höheren Offiziersposten bildeten Laufbahnstationen im cursus honorum und wechselten daher rasch. Das Manko dieser Fluktuation wurde ausgeglichen durch das Berufsoffizierscorps der Centurionen. Legionäre konnten sich in einem Wechseldienst zwischen Heer und Heeresverwaltung bis zum Centurio hochdienen, der regulär 100 Mann führte. Die Centurionen wurden vom Kaiser persönlich ernannt und bildeten das Rückgrat der Armee.

Neu in der kaiserzeitlichen Armee war der dauernde Dienst von auxilia,[145] von Hilfstruppen, deren Angehörige nicht das Bürgerrecht besaßen. Die auxiliarii bezogen nur fünf Sechstel vom Solde der legionarii. Sie waren organisiert in Verbänden von Fußtruppen (cohortes) zu 1000 und Reitern (alae) zu 500 Mann, benannt nach den Stämmen, aus denen sie (ursprünglich) gebildet wurden. Kommandiert wurden sie von ritterlichen praefecti, ergänzt im Aushebungsverfahren. Das Feldzeichen war eine Standarte mit dem Kaiserbild, das vexillum. Da im Heer lateinisch gesprochen wurde, förderte der Dienst in den Auxiliarkohorten die Romanisierung. Als Veteranen erhielten sie durch Militärdiplom[146] nach einer 25jährigen Dienstzeit[147] zusätzlich das erbliche römische Bürgerrecht, ehe Caracalla es 212 allen freien Reichsangehörigen verlieh.[148] Die Gesamtzahl der auxiliarii entsprach etwa derjenigen der legionarii.[149] Hilfstruppen bemannten auch die Flotten, die in Misenum[150] und Ravenna[151] lagen, den Rhein und die Donau befuhren. Auch eine Schwarzmeerflotte wird erwähnt.[152] Mit den Hilfstruppen zusammen dürften 300.000 Mann unter Waffen gestanden haben, weniger als ein Prozent bei einer Reichsbevölkerung von 50 Millionen. Kein antiker Staat war derartig demobilisiert.

Neben dem Kriegsdienst bauten die Soldaten Straßen, Dämme, Kanäle[153] Brücken[154] und Theater.[155] Bisweilen wurden sie zum Trockenlegen von Sümpfen und zur Anpflanzung von Weinbergen herangezogen.[156] Die innere Sicherheit war grundsätzlich Sache der Städte. Die griechischen Poleis wurden bewacht von spathephoroi (Rutenträgern) und diogmitai (Militärpolizisten) unter einem Irenarchen (Friedenswächter),[157] die semiermis – «halbbewaffnet» waren. Dem Schutz der Straßen dienten aus den Legionen abgeordnete Straßenpolizisten, frumentarii und beneficiarii.[158] Räuber machten die Gebirge unsicher, zumal in Isaurien, Griechenland und Illyrien.[159]

j. Rekrutierung

Der militärische Nachwuchs machte Schwierigkeiten. Augustus hatte durch kaiserliches Machtwort die republikanische Dienstpflicht aller römischen Bürger auf die Provinzialen ausgedehnt, ein riesiges Reservoir an Reservisten.[160] Da der Staat aber nur einen Bruchteil benötigte[161] und die zwanzigjährige Dienstpflicht der Eingezogenen zur Entwicklung eines Berufsheeres geführt hatte, war Normalität, daß man nicht diente. Und wer diente, konnte damit rechnen, nach der Mindestdienstzeit entlassen zu werden. Es breitete sich ein Widerwillen gegen den Wehrdienst aus; schon seit Augustus mehren sich die Belege für die Abneigung in Italien, im Heer zu dienen.[162] Seneca klagt: Die Kinder der Parther lernen, den Bogen zu spannen. Die Knaben der Germanen schleudern kleine Speere. Zur Zeit unserer Vorfahren lernte man reiten und den Feind im Nahkampf zu töten. Aber das war einmal.[163]

Hadrian warb im zivilisierten Spanien vergebens,[164] und Marc Aurel mußte Aushebungen vornehmen.[165] Die Rekrutierungsräume verlagerten sich mit der Urbanisierung in wachsender Entfernung von Rom in die weniger entwickelten Länder am Rand des Reiches. Dieser Verschiebung entspricht die Verbreitung des Bürgerrechts, die Herkunft der Senatoren und das sich weitende Ursprungsgebiet der Kaiser. Die julisch-claudischen Herrscher von Caesar bis Nero waren stadtrömische Patrizier. Mit den Flaviern kamen Italiker senatorischen Standes an die Macht. Nerva (96 bis 98) und Antoninus Pius sodann stammten aus dem früh romanisierten Südgallien. Trajan und Hadrian wurden in Spanien geboren. Von dort kam auch Marc Aurels Familie, die gens Annia. Die späteren Kaiser stammten überwiegend aus Africa und Syrien, so die Severer, und seit dem 3. Jahrhundert aus dem Donauraum, die sogenannten Soldatenkaiser.

k. Außenpolitik

Augustus hat seinen Nachfolgern empfohlen, sich auf die großen Flußgrenzen zu beschränken – den Rhein, die Donau und den Euphrat.[166] Die Länder nördlich und südlich des Imperiums waren unerschlossen; Strabon[167] und Appian[168] klagten, neue Provinzen kämen dem Reich zu teuer. Schon Britannien kostete mehr, als es einbrachte.[169] Erst Trajan hat nach 101 nochmals Eroberungen vorgenommen, Dakien und Mesopotamien annektiert. Unter ihm hat das Römische Reich seinen größten Umfang gewonnen. Trajans Nachfolger Hadrian, unter dem das Reich seinen wirtschaftlichen Höhepunkt erlebte, mußte 117 die Provinzen jenseits des Euphrat wieder aufgeben.[170]

Die Grenzen des Reiches markierte seit Hadrian in Britannien eine Mauer quer durch die Insel, in Niedergermanien der Rhein, in Obergermanien der Limes, sodann die Donau. In Armenien fehlte eine klare Grenze, die weiterhin der Euphrat bildete. In Syrien und Nordafrika gab es nur eine Kette von Kastellen, durch Straßen verbunden. An der Grenze standen die Truppen, das Binnenland war weitgehend frei von Militär.

Trotz der jedem Römer bewußten Militärgrenzen hat die römische Staatsideologie das Imperium Romanum mit dem orbis terrarum (Erdkreis) gleichgesetzt.[171] Dieser aus dem Alten Orient stammende Gedanke der Weltherrschaft blieb ein Anspruch, verkündet durch Vergil, veranschaulicht durch das Herrschaftssymbol des Globus, der nicht die Erdkugel, sondern das Weltall darstellt.[172] Als staatsrechtlich ebenbürtig galt das Partherreich,[173] die übrigen Barbaren, insbesondere die Germanen, waren, anders als die Parther, keine hostes – «Feinde», sondern im Kriegsfall Räuber oder Rebellen.[174]

Die Römer haben sich stets bemüht, mit den Stämmen jenseits ihrer überall bedrohten Militärgrenzen Freundschafts- oder Bündnisverträge abzuschließen, hospitium, amicitia, foedus. Dadurch erhielten diese Klientelfürsten militärischen Schutz, zumeist auch Jahrgelder von Rom.[175] Sie blieben innenpolitisch frei, mußten die römischen Grenzen im Vorfeld schützen und die jeweiligen Thronfolger vom Kaiser bestätigen lassen.[176] Einzelne dieser Satellitenkönige, wie Herodes «der Große», bekundeten ihre Treue zu den Römern in geradezu unterwürfiger Weise.[177] Vielfach bildete der Klientelstatus eine Vorstufe zum Provinzialstatus,[178] bisweilen haben die Kaiser auch die erbetene Eingliederung ins Reich verweigert.[179]

l. Senatorische Laufbahn

Die zweite Machtgrundlage des römischen Kaisers neben dem Heer war die Zentralverwaltung. Seit Augustus gibt es senatorische und ritterliche Beamte im Reichsdienst sowie freigelassene und später ritterliche Beamte im Hofdienst. Die senatorische Laufbahn blieb die vornehmste. Sie begann mit der Bewerbung um das Vigintivirat, ihm oblag eine Fülle öffentlicher Aufgaben von der Kontrolle der Münzprägung bis zur Streitschlichtung. Es folgte die Dienstzeit als Militärtribun, und daran schlossen sich die alten Ämter vom quaestor[180] über den aedilis[181] oder tribunus plebis[182] zum praetor oder gar zum consul an. Diese Ämter wurden seit Tiberius nicht mehr vom Volk,[183] sondern vom Senat vergeben, doch pflegte der Kaiser die Kandidatenliste zu prüfen, einzelne Bewerber durch commendatio zu empfehlen, aber auch die Senatorenwürde, den latus clavus, den Purpurstreif an der Toga, mit dem Rang eines gewesenen Quaestors, Praetors usw. zu verleihen, ohne daß der Betreffende dieses Amt bekleidet hätte. Durch adlectio inter quaestorios, aedilicios, tribunicios, praetorios, consulares[184] rutschte er sofort über den seitlichen Einstieg auf die entsprechende Bank im Senat.

Natürlich kannten die Kaiser nicht jeden Kandidaten persönlich. Daher benötigte dieser die Empfehlung eines höheren Amtsträgers, der sich beim Kaiser für ihn verwendete. Aus der großen Zahl von Laufbahn-Inschriften wissen wir, daß die Ämterfolge festen Traditionen gehorchte. Willkür zeigte sich eigentlich nur am Anfang und am Ende, sonst vollzog der Kaiser die üblichen Beförderungen.[185]

Wer es in der senatorischen Laufbahn bis zum Praetor[186] gebracht und – damit verbunden – die plebs Romana mit Spielen ergötzt hatte,[187] konnte vom Senat die Verwaltung einer der kleineren senatorischen Provinzen erhalten; unbeschadet seines prätorischen Ranges trug er den Titel proconsul. So war Gallio, der Bruder Senecas, vor dem sich der Apostel Paulus in Korinth verantworten mußte,[188] proconsul provinciae Achaiae. Ein gewesener Praetor konnte aber auch vom Kaiser ein Legionskommando als legatus Augusti legionis bekommen. Wenn diese Legion als einzige in der entsprechenden Provinz lag, fiel dem Praetor auch deren Verwaltung zu, und er wurde legatus Augusti pro praetore provinciae.[189] Daneben gab es für den Praetor noch eine große Zahl anderer Funktionen in Italien und Rom selbst, auf den Sektoren der Finanzen, der Versorgung, des Wasserwesens, der Bauten und Straßen usw. Die Statthalter der Senatsprovinzen trugen Ziviltracht, die der Kaiserprovinzen das paludamentum, den Soldatenmantel.[190]

Das ordentliche Konsulat war die höchste Auszeichnung, es wurde paarweise besetzt und gab dem Jahr den Namen; Amtsantritt war der 1. Januar. Neben den Jahreskonsuln, den eponymen consules ordinarii,[191] gab es im gleichen Jahr für einige Monate nachgeordnete consules suffecti.[192] Den Konsularen öffneten sich die höchsten Reichsämter. Der Senat konnte einem proconsul[193] für ein Jahr eine der beiden wichtigeren Senatsprovinzen übertragen, Asia oder Africa, der Kaiser konnte ihm auf unbefristete Zeit eine kaiserliche Provinz mit zwei und mehr Legionen verleihen. Merkwürdigerweise hieß auch ein solcher Konsular legatus Augusti pro praetore (!) provinciae z.B. Germaniae II. Das Gehalt betrug eine Million Sesterzen im Jahr. Statthalter dieses Typs waren der in der Weihnachtsgeschichte[194] erwähnte Quirinius, Legat in Syrien, sowie der Gegner des Arminius im Teutoburger Wald, Quinctilius Varus, Legat der Rheinarmee.

m. Ritterliche Laufbahn

Die ritterliche Laufbahn[195] ist eine Neuschöpfung des Augustus. Sie erforderte ein Mindestvermögen von 400.000 Sesterzen.[196] Die erste Stufe war die eines advocatus fisci für die Aufsicht der kaiserlichen Finanzen, dann kamen drei Kommandos, die tres militiae: eines über Hilfstruppen zu Fuß, eines über Hilfstruppen zu Pferde und ein Legionstribunat.[197] Nach ungefähr zehnjährigem Militärdienst folgten Stellungen in der Rechtspflege, im Finanzwesen oder im Verwaltungsdienst, zumeist mit der Bezeichnung procurator.[198] Eine solche Position besaß Pontius Pilatus,[199] er verwaltete von Caesarea aus die Provinz Judaea, unterstand aber dem Legaten von Syrien. Unter Augustus begegnen 30, im 3. Jahrhundert jedoch 200 verschiedene Ritterämter. Gestaffelt waren sie nach Gehaltsklassen zu 60-, 100-, 200- und 300tausend Sesterzen. Die höchsten Posten nahmen die beiden Gardepräfekten, praefecti praetorio ein,[200] die als Stellvertreter des Kaisers galten.[201] Eine ähnliche Machtposition besaß der praefectus Aegypti.[202] Zu den Praetorianerpräfekten unter und nach Marc Aurel gehören Taruttienus Paternus, Papinian, Ulpian und Paulus, die Schöpfer der klassischen römischen Jurisprudenz. Sie haben in ihren Schriften, teilweise erhalten in den ‹Digesten›, zumal das Privatrecht nach den Prinzipien der Billigkeit und der Sachlogik gestaltet und damit die Basis für die Rechtsentwicklung der europäischen Neuzeit geschaffen.

Senatorische wie ritterliche Beamte durchliefen einen doppelten Zickzackkurs: Römisch-italische Ämter wechselten mit provinzialen Posten, zivile Funktionen mit militärischen Stellungen.[203] Durch den Wechsel der Aufgaben war eine vielseitige Ausbildung gesichert, durch den Tausch der Orte wurde der Erfahrungshorizont erweitert und die Entwicklung lokaler Hausmacht unterbunden. Die Ämter waren durch mindestens ein Jahr des Privatisierens getrennt, währenddessen der Beamte gerichtlich belangt werden konnte.

Der Aufstieg einer Familie in der Amtshierarchie zog sich normalerweise über mehrere Generationen hin, der Sohn brachte es einen Schritt weiter als der Vater, ehe der Enkel Konsul wurde. Schrittweise drangen ebenso Provinzialen in den Reichsdienst vor. Bis eine Provinz einen Konsul stellte, dauerte es im Durchschnitt 150 Jahre seit der Angliederung an Rom. Der politische Ehrgeiz wurde dadurch gedämpft, daß auch Munizipalkarriere und Geschäftsleben attraktiv waren.

n. Rom und Italien

Das Territorium des Reiches zerfiel rechtlich in zwei Kategorien: Italien und die Provinzen. Rom und Italien waren grund- und kopfsteuerfrei. Sie wurden weiterhin durch senatorische Magistrate verwaltet, zu denen allerdings seit Trajan vom Kaiser ernannte Rechtspfleger traten, iuridici, correctores. Im Verlauf der Kaiserzeit schwand die Sonderstellung des alten Kernbereiches. Der wirtschaftliche Vorsprung Italiens wurde von den Provinzen aufgeholt, namentlich Gallien überflügelte das Mutterland.

Die Stadt Rom[204] blieb der administrative und ideologische Mittelpunkt des Reiches. Hier standen die heiligsten Tempel: der für die kapitolinische Trias mit Juppiter Optimus Maximus, Juno und Minerva und der für Juno Moneta auf dem Kapitol, der für Vesta auf dem Forum Romanum. In Rom tagte der Senat, eröffneten die Konsuln das Jahr, hier entstanden die Kaiserresidenzen auf dem Palatin, hier wurden die Triumphe gefeiert. Zugleich war Rom ein bedeutender Markt; wie in Alexandria, so waren auch hier alle Güter der Welt zu haben.[205] Jeder Kaiser bemühte sich, die Stadt weiter zu verschönern, Rom wurde zur Idee.[206]

Rom war die größte und prächtigste Stadt der antiken Welt mit etwa einer Million Einwohnern. Der republikanische Grundsatz, daß in Rom kein Militär stehen dürfe, wurde aufgeweicht durch die Stationierung der 7000 vigiles, einer kasernierten Feuerwehr,[207] die cohortes praetorii sowie die cohortes urbanae, die eigentliche Polizei. Das Stadtregiment kam an den ritterlichen praefectus urbi,[208] ihm unterstand die Sorge für Bauten[209] und Bürger. Das Volk von Rom genoß die zahlreichen Spiele in Zirkus,[210] Theater[211] und Arena[212] und hatte das Privileg einer kostenlosen oder verbilligten Versorgung. Augustus setzte die Zahl der Kornempfänger auf 200.000,[213] und im Laufe der Zeit kam auch die Belieferung mit anderen Lebensmitteln hinzu.

o. Provinzialverwaltung

Die Provinzen waren nach zwei Gesichtspunkten rechtlich differenziert: nach der Instanz, die den Statthalter schickte, in senatorische und kaiserliche Provinzen; nach dem Rang der Statthalter in prätorische und konsulare Provinzen. Die Aufteilung in senatorische und kaiserliche Provinzen geht zurück auf die Senatssitzung vom 13. Januar 27 v. Chr. Damals übernahm Augustus die Leitung der sieben Provinzen, in denen Truppen standen, und überließ dem Senat die zwei konsularischen und zehn prätorischen Provinzen, die als gesichert galten.[214] Unter den senatorischen Provinzen waren konsular nur Africa, wo eine Legion stand,[215] und Asia; zu den kaiserlichen Provinzen gehörten all jene, in denen mehr als eine Legion lag. Judaea[216] und einige andere kleinere Provinzen wurden anfangs von kaiserlichen Präfekten oder Procuratoren aus dem Ritterstand verwaltet.[217]

Das republikanische Steuersystem blieb insofern erhalten, als die Provinzialen im Gegensatz zu den cives Romani, die auch in den Provinzen begütert waren,[218] direkte Steuern zahlten, und zwar Kopf- und Grundsteuer. Der Boden wurde nach Ertrag in fünf Steuerklassen eingeteilt.[219] Zölle und Sporteln zahlten alle – die Bürger außerdem Erbschafts-, Umsatz-, Freilassungs- und Sklavenverkaufssteuer. Neu geregelt war die Form der Einziehung. Hinter der Nachricht aus der Weihnachtsgeschichte, daß ein Gebot ausging von dem Kaiser Augustus, daß «alle Welt» geschätzet würde,[220] verbirgt sich ein erstmaliger Provinzialzensus Judaeas, d.h. eine Steuerveranlagung, die im folgenden turnusmäßig durchgeführt wurde. Der spätere Fachausdruck dafür war indictio. Die Verpachtung der Einnahmen an Gesellschaften von publicani, die «Zöllner» des Neuen Testaments, ging zurück zugunsten einer direkten Einziehung durch Beamte. Die Finanzverwaltung der Kaiserprovinzen unterstand ritterlichen Procuratoren, in den Senatsprovinzen verwalteten sie nur die Domänen.

Die Statthalter bezogen festes Gehalt und behielten ihre Stellung, solange es dem Kaiser gut erschien.[221] Wir kennen Statthalter, die bis zu 24 Jahren amtierten.[222] Sie regierten mit einem Kreis von Beratern (consilium) oder Assessoren, wie alle Beamten,[223] sie unternahmen Inspektionsreisen durch ihre Provinzen und hielten Gerichtstage (conventus) ab.[224] Ein Statthalter durfte in seiner Provinz – auch durch Heirat – keinen Boden erwerben,[225] keine Geschenke empfangen,[226] keine Zinsen nehmen[227] und mußte nach seiner Amtszeit noch 50 Tage in der Provinz bleiben, um angeklagt werden zu können. Repetundenklagen[228] wegen Erpressung waren seltener als in der späten Republik. Bekannt sind die zahlreichen Beschwerden der Juden, die vielfach Erfolg hatten.[229] Auch Pontius Pilatus ist im Jahre 36 nach Rom zitiert worden, weil er mit den Samaritanern zu hart umgegangen war.[230]

Die Provinzen besaßen eigene, vom Statthalter unabhängige Körperschaften in Gestalt von Provinziallandtagen (concilia, koina[231]). Jährlich versammelten sich die Honoratioren, zumeist in der Provinzhauptstadt, und wählten einen Provinzialpriester (archiereus) für den Kaiserkult,[232] der das Kaiserfest ausrichtete, d.h. die Spiele bezahlte. Die Konzile durften aber auch – ebenso wie die Städte – durch Gesandtschaften direkt mit dem Kaiser verkehren[233] und Beschwerden vorbringen.[234]

p. Die Städte

Seit Augustus haben die Kaiser Städte (colonia, municipium) gegründet,[235] zumal in den westlichen und nördlichen Provinzen. Viele tragen ihre römischen Namen bis heute. Das gesamte Reich war in civitates (Stadtkreise) aufgeteilt, in Kleinasien waren es etwa 500, in Nordafrika ebensoviele, im Gesamtreich daher um 2000.[236] Im Osten bestand eine civitas aus einer Stadt mit ihrem zugehörigen Territorium, auf dem auch noch Dörfer (vicus) liegen konnten. Im weniger urbanisierten Westen lehnte sich die civitas-Ordnung an die Tradition der Stammesgaue an, deren Vororte sich rasch zu Städten entwickelten. Die Provinzterritorien waren allerdings gleichsam durchlöchert von den Grundbesitzungen der Kaiser und Senatoren, die bezüglich der Rechtsprechung und der Steuererhebung einen Sonderstatus hatten.[237] Diese Latifundien wurden als Mißstand empfunden.[238]

Die Munizipalverfassungen[239] im lateinischen Westen orientierten sich am republikanischen Rom, die im griechischen Osten führten die hellenistische Tradition fort. Radikale Demokratien mit Stimmrecht auch der Armen, und Stadttyrannen wurden nicht geduldet, üblich war eine gemäßigte Demokratie der Besitzenden. Das städtische Bürgerrecht wurde erworben durch Geburt, Adoption oder durch Verleihung seitens des Gemeinderates oder des Kaisers.[240] Der Stadtrat (senatus oder ordo) bestand aus den 30 bis 100 angesehensten Bürgern, überwiegend ehemaligen städtischen Beamten.[241] Entsprechend der lectio senatus, der Auswahl für den Senat, durch die censores im republikanischen Rom, wurde auch in den Munizipien in jedem fünften Jahr die Zusammensetzung kontrolliert durch ein Zweimännergremium, die gewählten duumviri quinquennales.[242] Die Mitgliedschaft im Rat war lebenslänglich und an ein Mindestvermögen gebunden, in Como zur Zeit des jüngeren Plinius[243] 100.000 Sesterzen, d.h. ein Zehntel des von den Senatoren nachzuweisenden Besitzes.

An der Spitze der munizipalen Beamten stand ein Zweimännergremium für die Rechtsprechung, duumviri iure dicundo, die jährlich wechselten und eponym waren, nach denen also an dem jeweiligen Ort das Jahr benannt wurde.[244] Unter ihnen amtierten die munizipalen aediles, darunter die quaestores, jeweils mit ähnlichen Aufgabenbereichen wie ihre römischen Kollegen. Die Rolle der Volksversammlung in den Städten war zumeist auf die Wahl der Beamten beschränkt. Aus Pompeji kennen wir zahlreiche Wandaufschriften entlang den größeren Straßen und Plätzen, mit denen der kommunale Wahlkampf geführt wurde.[245] Erhielten zwei Bewerber gleich viele Stimmen, siegte der Verheiratete über den Unverheirateten, der Kinderreiche über den Kinderarmen.[246]