Marketing Engineering - Tobias Voigt - E-Book

Marketing Engineering E-Book

Tobias Voigt

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Beschreibung

Dieses Handbuch ist eine Mischung aus einem Fachbuch mit wissenschaftlichem Flair und einem Essay. Mit der Kombination aus Theorie und praktischen Beispielen möchte es in erster Linie erklären, wie sich das Marketing in Zukunft entwickeln muss, um weiterhin die Rolle als Wachstumstreiber in Unternehmen einzunehmen. Es enthält eine klare Vorstellung für diesen Weg, aber keine Allgemeinrezepte. Dafür jedoch einen Strauß an nützlichen Empfehlungen für die Transformation tradierter Marketingstrukturen zu Hochleistungsmarketing-Operations. Die drei Hauptkapitel zeigen einen strukturierten Weg in das zukünftige Marketing erfolgreicher Unternehmen: Das erste Kapitel beschreibt die sich derzeit abzeichnende radikale und vor allem rapide Veränderung im Marketing. Angefangen bei der Rolle eines linearen Marketingansatzes in exponentiellen Innovationsumfeldern bis hin zur Neugestaltung von kompletten Marketing-Supply-Chains. Das zweite Kapitel zeigt konkret auf, wie man mittels Marketing-Engineering methodisch und nachhaltig Marketing-Operations plant, auf- und ausbaut. Im dritten Kapitel geht es um mögliche Frameworks für Hochleistungsmarketing-Operations und deren organisatorische Konsequenzen. Im abschließenden vierten Kapitel geht es um den Marktüberblick der verschiedenen Tools und Anbieter. Hier geht es ganz tief in den Maschinenraum der Marketing Automation und seiner Protagonisten.

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Seitenzahl: 388

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 DIE DIGITALE TRANSFORMATION DES MARKETINGS

Das Kapitel beschreibt die radikale und rapide Veränderung im Marketing, angefangen bei der Rolle des Marketings bis hin zur strukturellen Neugestaltung von kompletten Marketing-Supply-Chains.

1.1 Altbekanntes, aber mit Turbo-Booster: The Law of Gravity

1.1.1 Warum Wettbewerb das Marketing treibt, aber nicht treiben sollte

1.1.2 Was zählt: Innovationskultur

1.1.3 Marketing-Alchemie: Martech, Kreation und Ingenieure

1.2 Der Zweck bestimmt die Richtung: Evolve or die!

1.2.1 Vertrieb und Marketing in der Experience Economy

1.2.2 Gestern: Aktivitäts-fokussiert

1.2.3 Heute: Metrics-fokussiert

1.2.4 Morgen: Impact-fokussiert

1.2.5 Der digitale Reifegrad

1.3 Ein neuer Player: Der Kunde selbst!

1.3.1 User-generated Content

1.3.2 Zero Moment of Truth

1.3.3 Am Scheideweg zwischen Datenschutz und Kundenkomfort

1.4 Marketing Operations up to date

1.4.1 Keine Angst vor Martech

1.4.2 Prozesse sind der Schlüssel

1.4.3 Changemanagement: Mitgenommen oder abgehängt?

1.4.4 Paradigmenwechsel im Einkauf

1.4.5 Momentum fürs Marketing: Die Krise

Kapitel 2 MARKETING ENGINEERING

Weil jeder Kunde mal einen Bedarf hatte und ein Lead war, beschreibt dieses Kapitel, wie man systemische Marketing Operations plant, auf- und ausbaut.

2.1 Babylonische Terminologien – aber ein Ziel

2.1.1 Der Unternehmerische Fokus im Business Canvas

2.1.2 AIDA, Flywheels, Closed-Loop-Marketing oder Funnel Management

2.1.3 B2B, B2C, B2B2C, B2G oder D2C – wer IFTTT kann, der kann‘s!

2.2 Es gibt mehrere Wege nach Rom

2.2.1 Lead- & Demand-Generation

2.2.2 Einer für alles: Joint Funnel

2.2.2.1 Intrabound-Marketing – Relationship-based

2.2.2.2 Outbound Marketing – Advertising-based

2.2.2.3 Inbound Marketing – Content-based

2.3 Hands on Insights

2.3.1 ICP sticht Personas

2.3.2 Lead Scoring

2.3.3 Lead Nurturing

Kapitel 3 DER MARKETING-MASCHINENRAUM

Dieses Kapitel zeigt mögliche Frameworks für Hochleistungsmarketing-Ops auf und beschreibt die entsprechenden organisatorischen Konsequenzen.

3.1 Pre-Requisites und ein Plan

3.1.1 Geld und Talent

3.1.2 Automationspotenziale identifizieren und bewerten

3.1.3 Pragmatisch starten mit 3 Schritten zum Erfolg

3.2 Einsatz von Martech

3.2.1 Martech und Martech-Agenturen – eine Definition

3.2.2 Das richtige Toolstack zählt

3.2.3 Die Martech-Landschaft im Überblick

3.2.4 Serviced Automation: Knöpfchen drücken und los geht‘s!

3.3 Rückblick – Einblick – Ausblick – Überblick

3.3.1 Rückblick: Die 10 wichtigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Marketing Automation

3.3.2 Einblick: Marketing Manager vs. Marketing Engineer

3.3.3 Ausblick: Kreation durch KI automatisiert das Marketing vollständig

3.3.4 Weitblick: Der Abgrund jenseits der Blockchain

3.3.5 Überblick: Quellen, Toolbox und Kontakte

Vorwort

Herrlich: Ein Fachbuch ohne den Anspruch, sämtliche Aussagen, Implikationen und Sachverhalte wissenschaftlich korrekt und eindeutig zu belegen. Dafür ein erfrischender Blick auf die Marketingbranche und deren nötigen Wandel von einem Tekkie mit Marketingfaible und zwei (M)ad Men mit Ingenieursambitionen. Das heißt für mich: Ich muss die wissenschaftlich-akademische Korrektur nicht leisten, darf mich aber trotzdem auf fundierte Erfahrungen und innovativen Input freuen. Die Lektionen, die es hier zu lernen gibt, haben alle längst den Proof of Concept mit Bravour bestanden und sind im Einsatz der Outperformer, wie die aktuelle Studie zur Marketing- & Sales-Technologie des renommierten Instituts für Marketing und Sales Automation (IFSMA) zeigt.

Die drei Autoren berichten nicht nur aus dem Maschinenraum des modernen Marketings, sondern reichern ihre fachlich versierten Kenntnisse mit Anekdoten aus dem Nähkästchen der Branche an. So verführen sie in bester Werber-Manier zum Lesen und Weiterlesen. Denn immer, wenn es komplex wird, lauert im nächsten Absatz schon ein konkretes Beispiel mit unverstelltem Blick und inklusive authentischem Fallstrick.

Zugegeben: Mit der Zeit wird es anstrengend, auch als Akademieleiter konsequent die neuste Fachliteratur zu lesen, zu ventilieren, zu kommentieren und natürlich die entsprechend relevanten Take-aways in unsere Curricula einzubauen. Die drei Autoren dieses Buches haben mich überzeugt, dass es tatsächlich auch Wege gibt, trockenes Wissen in Buchform zu vermitteln, ohne dabei ein zwinkerndes Auge trocken zu lassen.

Lesen, lernen und lachen Sie herzlich.

Ihr Horst Harguth

Dekan der Düsseldorfer Akademie für Marketing-Kommunikation

www.damk.de

Kapitel 1:

DIE DIGITALE TRANSFORMATION DES MARKETINGS

1.1

Altbekanntes, aber mit Turbo-Booster: The Law of Gravity

Ein Klassiker für die erste Zeile eines ambitionierten Fachbuches würde lauten: „Früher war alles besser.“ Und damit würde man zweifelsohne sofort eine große Leserschaft mit Zustimmung hinter der vorgehaltenen Hand erreichen. Aber wir sind natürlich im Marketingmetier unterwegs – also der wirtschaftlich akzeptierten Existenz der Berufsjugendlichkeit verschrieben. Weshalb sich ein Intro à la „die Erfahrungen der Vergangenheit sind die Schätze der Zukunft“ schlichtweg verbietet. Schauen wir also nach vorn und treffen trotzdem auf Altbekanntes: bestehende Wirkmechanismen der Wirtschaft, scheinbar sich nie verändern wollende Gesetze des Marktes und schlussendlich sogar beharrliche menschliche Attitüden, die sich auch mit noch so viel Wandlungsenergie weder bei Konsumenten noch bei Kunden oder gar Marketing-Managern merklich ändern. Oder anders ausgedrückt: Die Welt kann sich drehen, so schnell sie will – Angst, Gier, Eitelkeit, Eifersucht und Neid sind und bleiben Treiber jeder Unternehmung. Das bestätigt auch die Verhaltensökonomik mit den bewiesenen Widersprüchen zur Modell-Annahme des Homo oeconomicus, also des rationalen Nutzen-Maximierers. Womit wir letztendlich einen Grund gefunden haben, doch einen Blick auf die Vergangenheit zu werfen, um in den Fragen von heute die Lösungen für morgen zu finden. Denn auch das ist gleich geblieben: Ein wirtschaftliches Geschäft mit Gewinnerzielungsabsicht, egal welcher Art, bleibt eine Wette des Unternehmers auf die Zukunft. Mit mehr oder weniger Risiko und dafür mit mehr oder weniger hoher Profitabilität. Peter Thiel & Co. aus der Zunft der Risikokapitalgeber suchen für „ihr Geschäft“ deshalb Kandidaten, die ein Unternehmen von 0 auf 1 bringen. Also bestenfalls etwas Einzigartiges, noch nie Dagewesenes und hoch Nachgefragtes mit schlecht oder gar nicht einholbarem Wettbewerbsvorteil. Das ist natürlich ein Investment in die Zukunft mit hohem Wagnis, weil es schlichtweg keine Erfolgsformel für das Neue gibt. Bestehende Unternehmungen wiederum machen den Blick in die Zukunft besser beherrschbar. Das Bestattungsinstitut um die Ecke agiert auf Basis einer Marktnachfrage, die zumindest auf einem beständigen Niveau absehbar nicht nachlässt. Es sei denn, eines der risikokapitalfinanzierten Start-ups entdeckt den pharmazeutischen Gral der Unsterblichkeit. Solange das jedoch nicht passiert, ist es schlichtweg eine Frage des Wettbewerbs, ob und wie lange das Geschäft mit den Bestattungen ein auskömmliches bleiben wird. In der Thiel‘schen Terminologie ist solch ein tradiertes Geschäft in bestehenden Märkten „nur“ von 1 auf „n“ zu bringen. Was wiederum in unserem konkreten Beispiel eine Frage der Skalierungsfähigkeit von Bestattungsservice und dafür benötigten Produkten wie Särgen einerseits ist und andererseits das Risiko birgt, dass ein zusätzlicher Wettbewerber die Balance zwischen Nachfrage- und Anbieterpotenzial aus dem profitablen Gleichgewicht bringt und damit Margen wie auch Marktbegleiter unter Druck setzt. Womit wir beim „Law of Gravity“ angekommen sind, was uns den Kreislauf des wirtschaftlichen Handelns in den entscheidenden Punkten sehr schön visualisiert:

Value Creation

Die Studie zeigt nichts anderes als den unternehmerisch vorprogrammierten Kreislauf einer zumindest anfänglich erfolgreichen Unternehmung mit Gewinnerzielungsabsicht. Mit dem höchsten Wertschöpfungspotenzial im Quadranten unten rechts. Der Platz für Unternehmen mit Monopolstellung und einzigartig differenzierten Angeboten mit hoher Nachfrage. Sich dort zu positionieren: Das ist der Traum eines jeden Unternehmers und Investors. Die Gewinne sprudeln, die Eitelkeit steigt ins Unermessliche und der Narzissmus in der Vorstandsetage wird wohlwollend akzeptiert, weil Erfolg nun mal recht gibt. Egal woher er kommt. Das Problem in dieser traumhaften Komfortzone ist ihre vorhersehbare Halbwertszeit. Denn der Wettbewerb lauert streng nach der altbewährten Devise „Das Bessere ist des guten Feind“. Zunächst noch unbemerkt, verliert man homöopathische Dosen an Marktanteilen, so wie einst die Platzhirsche nach der Liberalisierung des Strommarktes 1998 oder des Fernbusverkehrs Anfang 2013. Besagte Platzhirsche in eben jenen Märkten röhrten zunächst noch recht laut und kümmerten sich wenig um die neue Konkurrenz. Nicht zuletzt wirkt Größe auf die Behäbigkeit und die vermeintlichen Davids lassen sich mit einer ordentlichen Portion Hochmut, genannt Lobbying in eigener Sache, erst mal des Feldes verweisen. Vorerst! Aber spätestens am Tipping-Point zur Unrentabilität wird aus Hochmut schnell mal klares Leugnen. Welcher gestandene Unternehmer und vor allem welcher erfolgreiche Geschäftsführer gibt schon gern das fortschreitende Scheitern einer einst so erfolgreichen Unternehmung zu? Spätestens jetzt schlägt die Stunde des Marketings, verspricht es doch mehr Umsatz, mehr Absatz und mehr Profit bei geringeren Kosten. Ein Wirkversprechen, das das Marketing mit Restrukturierungsprojekten und damit einhergehenden Mergers- & Acquisitions-Optionen zumindest auf der Kostenseite teilt. All diese modernen Heilmittel des Managements sorgen für „Luft“ auf dem letztendlich nicht abzuwendenden Weg zur Insolvenz. Selbst Unternehmer-Ikonen wie Jeff Bezos haben das längst erkannt und werden mit Managementweisheiten zitiert, dass es die „primäre Management-Aufgabe sei, diesen unumkehrbaren wirtschaftlichen Tod so lange wie möglich hinauszuzögern“.

1.1.1 Warum Wettbewerb das Marketing treibt, aber nicht treiben sollte

In fortlaufenden Wertschöpfungsprozessen ist Marketing also ein entscheidender Treiber zwischen unternehmerischem Traum und der Hölle drohender Insolvenz. Dabei führen oftmals die Ergebnisbeiträge aus dem Marketing zur Abwendung von Marktanteilsverlusten. In diesem Wirkmechanismus leidet allerdings die objektive Bewertung der wirtschaftlichen Hebel, die geschicktes Marketing zu leisten vermag. Denn summa summarum führen selbst die kreativsten Maßnahmen nur zu einer Linderung des vorprogrammierten Alterns bestehender Wertschöpfungsketten. Aufkommender oder stärker werdender Wettbewerb treibt natürlich die Forderung an effektives Marketing. Aber seine Rolle als innovativer Werttreiber geht verloren im rein „horizontalen Spiel“ der Wertschöpfung.

Wettbewerb ist und bleibt ein notwendiges Übel in bestehenden Wertschöpfungsketten. Marketingstrategien, Taktiken und deren Produktion wiederum sorgen entweder für Wettbewerbsvorteile oder zumindest für Wettbewerbsfähigkeit im „Horizontal Game“. Das kostet viel Kraft und Ressourcen, um Absätze und Umsätze kontinuierlich ertragreich zu halten und treibt zwar das Marketing-Tagesgeschäft, sorgt aber noch lange nicht für eine Freisetzung des wirklichen Potenzials von innovationsgetriebenem Marketing. Dazu müsste man die viereckigen Räder an den Karren der täglichen Marketingarbeiten erst mal gegen runde ersetzen.

Dem entgegen steht einmal mehr eine ganz menschliche Attitüde, die in uns allen verankert ist: Sich dem Wettbewerb zu stellen, liegt nämlich in unseren Genen und wird von klein auf gefördert. Schule, Studium und Karriere erfordern immer wieder das Konkurrieren auf festgelegten Handlungsfeldern. Darauf verwenden wir viel Kraft, statt uns auf unsere individuellen Stärken zu fokussieren, um etwas Neues, Innovatives zu schaffen – was wiederum differenziert wäre und die Konkurrenz zunächst mal auf Abstand halten würde. Konkret übersetzt heißt das, dass uns das „Marketing-Tagesgeschäft“ viel zu oft im Wettbewerb mit den Marktbegleitern festhält. Und genau an diesem Punkt kann Marketing Automation und Technologie helfen, die Marketing Operations signifikant effizienter zu gestalten und damit dem Wettbewerb einen deutlichen Schritt voraus zu sein.

1.1.2 Was zählt: Innovationskultur

Jenseits des horizontalen Spiels liegt die eigentliche Kunst des Marketings: Das Wert-Schaffen. Denn während man im Wettbewerbsstrudel noch den Karren mit den eckigen Rädern in der täglichen Marketingarbeit zieht, ist es nur eine Frage der Zeit, wann risikokapitalfinanzierte Start-ups mit innovativen Ideen nicht nur neue Märkte finden und besetzen (siehe Google, Airbnb, Lime & Co.), sondern zeitgleich auch tradierte Unternehmen in ebenso tradierten Märkten disruptieren. Oder, um es mit den Worten eines schlauen CDOs bei einem der größten Waschmittelhersteller der Welt auszudrücken: „Irgendwann wird ein smarter Stanford Student aufstehen und die Formel für ein unter UV-Licht selbstreinigendes Textilgewebe finden. Und das in Kombination mit der sich rasant verbreitenden Erkenntnis, dass Waschmittelproduzenten Produkte herstellen, die neben dem Kernnutzen ziemlich viel frisches Wasser chemisch verunreinigen. Deshalb ist es meine fucking first priority, diesen Studenten zu finden und das Geld unserer Gesellschafter in diese Erfindung zu investieren. Ansonsten wird das über Hunderte von Jahren aufgebaute Kapital des Konzerns und seiner Shareholder in weniger als einer Dekade verbrannt sein.“

In dieser Aussage ist das ganze Dilemma des Law of Gravity-Schaubildes subsummiert: Was zählt, ist Innovation. Nur kümmern wir uns vielmehr in horizontalen Wertschöpfungsketten um den omnipräsenten Wettbewerbsdruck mit altbekannten Marketingmitteln. Das führt zwangsweise zur Kürzung von Ressourcen, was wiederum die Innovationskraft bis zur Tatenlosigkeit reduziert, während gut finanzierte Start-ups diese Lücke finden und für sich nutzen, um neue Wertschöpfungsquellen zu schaffen bzw. einen neuen Wertschöpfungszyklus als Monopolisten zu begründen. Hier schließt sich der Kreis, denn wie schon eingangs erwähnt: Jedes auch noch so einzigartige Unternehmen wird sich irgendwann einem Wettbewerb stellen müssen. Das entscheidende Problem dabei ist nicht dieser Wirkmechanismus an sich, sondern die mit der digitalen Transformation einhergehende exponentielle Zyklusgeschwindigkeit, die konträr zu unserem linearen Denkvermögen nur schwer in ihrer brutalen Konsequenz zu verstehen ist. Die „Diktatur der Eile“ ist jedoch längst zum unternehmerischen Alltag geworden: Wo früher ein tradierter Konzern für Wohlstand über Generationen hinweg sorgte, sucht heute selbst Google schon mit seinen Moonshot-Projekten die nächste „noch nicht“ erschlossene Wertschöpfungsquelle nach ihrem sagenhaften Suchmaschinen-Business. So viel zur wahren Kraft des Marketings, wobei auch diese Masters of Innovation in ihren bestehenden Geschäftsmodellen tägliche Marketing Operations nutzen, um den Wettbewerb auf Abstand zu halten. Höchstes Gebot ist dabei die Effizienz und der ROI statt der vermeintlichen Kreativität. Wenn nur 30 % der wiederkehrenden Arbeiten im Marketing automatisiert werden, können Ressourcen mit einem vielfachen Hebel in Bezug auf Kosten, FTE und eben der so wichtigen Innovationskraft freigesetzt werden. Das fängt bei einer smarten, regelbasierten E-Mail-Beantwortung an und geht bis hin zur vollautomatischen Produktion und Distribution von Werbemitteln, Verpackungen usw. Wichtig dabei ist es, die Komfortzone zu verlassen und sich auf neue Technologien einzulassen. Das bedeutet natürlich, gewohnte Pfade zu verlassen und liebgewonnene „Das-haben-wir-schon-immerso-gemacht-Prozesse“ zugunsten von neuen Workarounds zu streichen. Aber sobald der Begriff „Marketing Automation“ auftaucht, steigt die Angst vor dem Neuen vor allem in den professionellen Marketingabteilungen größerer Unternehmen überproportional an. Man zittert auf der operativen Ebene, und Marketingentscheider buckeln unter den unerbittlichen Anforderungen der C-Suite. Doch die größte Verunsicherung ist für die kreativen Artisten in den Werbeagenturen reserviert. Sie stimmen gemeinsam ein in den Kanon der Transformationsklagen oder verwandeln sich urplötzlich in eine Kombination aus MarTech-Experten und kreativ-strategischen Unternehmensberatern. „Wer Marketing automatisiert, schätzt keine Ideen“, jammern sie oder „Wie können Maschinen kreativ denken und entwickeln?“ Noch kryptischer, mit gefährlichem Halbwissen ausgestattet, befürchten sie, dass in einer Blockchain-basierten Welt die Differenzierung nicht mehr das Lebenselixier der Kreativität sein wird. All das sind oft kommunizierte Behauptungen, die allerdings in der realen Marketingwelt zwar Gehör, aber letztendlich dann doch schwindenden Nährboden finden. Denn die Wahrheit ist eine ganz andere: Endlich tauchen aus dem Halbdunkel Kreative auf, die blinzelnd erkennen, dass diese „vierte industrielle Revolution“ NICHT der Vorbote einer postapokalyptischen kreativen Einöde im Marketing ist. Was für den Uneingeweihten das Ende aller kreativen Intelligenz, emotionalen Antizipation und empathischen Nuancierung zu sein scheint, wird plötzlich zu einem Wertschaffungsprozess, der an die guten alten Mad Men-Tage erinnert. Auf die Gefahr hin, hier mit Metaebenen-Prosa zu überfordern, bringen wir es also auf den Punkt: Die digitale Transformation im Marketing und somit MarTech ersetzt nicht die DNA der emotionalen kreativen Ideenfindung und damit einer für jedes Unternehmen existenziell nötigen Innovationskultur.

Keine Maschine kann Neues und Differenziertes durch Kreativität, Tonalität und Charme auf Knopfdruck liefern. Künstliche Intelligenz selbst wird diese grundlegende Schwäche ausschließen und sich auf das operativ Alltägliche beschränken, und das für 20 Jahre oder länger und selbst über den Punkt der technischen Singularität hinaus. Da die KI-getriebene Entwicklung exponentiell ansteigt, ist der Tipping-Point für die Ankunft der maschinellen „emotionalen Intelligenz“ zwar absehbar, aber lange nicht so Furcht einflößend wie gedacht. Die Produktion von Werbemitteln, adaptiert aus einer kreativen Idee oder einer Kampagne, macht den Großteil der eigentlichen operativen Marketingarbeit aus. Eine kreative Idee ist also der Katalysator für eine Vielzahl von Arbeitsschritten. Die richtigen Kanäle und Disziplinen müssen mit den richtigen Werbemitteln ausgestattet werden, um die richtigen Zielgruppen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu erreichen. Und mal ehrlich, welchen Kreativdirektor kennen wir, der ein Detailfreak ist und in dieser prozessualen Herrlichkeit schwelgt? Wie auch immer – von der Überprüfung der Satzspiegel bis hin zu Postleitzahlen und Telefonnummern: In einem schriftschnittindizierten Strudel der Granularität muss und WILL die Arbeit gemacht werden – von jemandem – oder etwas.

Das Paradox: Warum setzen die meisten Fachleute in der heutigen Marketing-Kommunikation dann immer noch Marketing auf die tradierte Art und Weise um? Die Wahrheit liegt in den Altlasten des Controllings und Einkaufs verborgen: Die weithin akzeptierte und verbreitete Agentur-Religion der maßnahmenbezogenen Kalkulationsprinzipien ist die Krankheit hinter den Symptomen. Es zählen letztlich die Stunden und Ratecards – nicht die Ergebnisbeiträge kreativer Ideen. Dieser zugrunde liegende Treiber der weithin praktizierten Marketing-Kreations- und -Produktionsprozesse klebt wie organisatorisch aufbereiteter Kleister. „Properly practiced creativity can make one ad do the work of ten”, war einst das Mantra von Werbeikone Bill Bernbach. Die Welt war noch „wie sie sein sollte“ und großartige Ideen wurden großzügig belohnt. Belohnt dafür, dass sie groß waren. Was immer das heißt? Heute hören wir die Beschwörungsformel „Richtig automatisierte Marketingkampagnen können die Wirkung einer Idee um das Zehnfache steigern.“ Denn wir sind in einer exponentiell schnelleren und produktiveren Welt angekommen. In der automatisierten Produktion, Implementierung und Umsetzung von Werbemitteln, die die Buchung und Ausstattung von jeglichen Werbeflächen unterstützt. Mit dem einzigen Ziel, effizient Wirkung zu erzeugen. Willkommen in der neuen Realität.

Glücklicherweise reduziert dies in keiner Weise den eingehenden Umsatzstrom von brillanten Kreativ-Agenturen. Einfach die Produktion und den Medieneinkauf im Marketing zu automatisieren, um FTE, Budgets und Agenturkosten zu sparen, würde der Rolle und Aufgabe des Marketings in einem erfolgreichen Unternehmen bei weitem nicht gerecht werden! Schließlich liegt eine deutlich größere Belohnung der digitalen Transformation in greifbarer Nähe als einfache Kostensenkungen im Marketing auf horizontaler Ebene: In dieser vermeintlichen Orwell’schen Zukunft wird die weitgehend automatisierte Marketingproduktion Ressourcen freisetzen, die der unternehmerische Marketingentscheider in geschäftsfokussierte und differenzierende Ideen reinvestieren kann. Ein neuer, wertorientierter kreativer Schmetterling wird aus seinem „traditionellen kreativen“ Kokon schlüpfen – um in der Sonne neuer, kreativer Innovationsprozesse seine Flügel auszubreiten. Kosteneinsparungen werden nicht länger das Antidepressivum des CFOs sein, sondern der Energydrink in der zielgerichteten Zukunftsdiät des innovativen Marketingentscheiders. Kreativität wird in der Tat endlich der letzte, legale, unfaire Vorteil werden, der das Kundenerlebnis wie auch den sozialen Zweck von und für Unternehmen vorantreibt.

Kluge Agenturen und Marketingentscheider werden wert- und leistungsbasierte Honorarmodelle aushandeln, die die Qualität kreativer Leistungen auf eine viel zielführendere Art und Weise für eine breitere Palette von Stakeholdern entschädigen. Die zahllosen Stunden, die damit verbracht wurden, eine kreative Idee in Werbematerialien umzuwandeln, werden obsolet. Nutzenbasierte Wertversprechen werden stattdessen zur Norm. Künftig werden erfolgreiche Marketingentscheider in kreative Qualität investieren, sobald eine Idee nachweislich funktioniert und sich durch Automatisierung leicht skalieren lässt. Es macht also Sinn, eine kreative Idee auf der Basis ihrer Wirkung zu belohnen! Der Nebel der Unsicherheit in der digitalen Transformation des Marketings hat sich noch nicht gänzlich gelichtet. Leugnung und Angst versperren den ungetrübten Blick durchs Fenster. Doch wer seine Zehen in das Wasser der digitalen Transformation im Marketing taucht, wird schnell feststellen, dass mit der Entdeckung des Neuen und Wertvollen auch eine Wiederbelebung lieb gewonnener Modelle und Ansätze einhergeht, an denen der Zahn der Zeit genagt hat. In dieser schönen (alten) neuen Welt, in der alltägliche Tätigkeiten von Maschinen übernommen werden und sich brillante, kreative Ideen mit geschäftlicher und gesellschaftlicher Legitimation entfalten, werden kreative Iteratoren so entlohnt werden, dass die erschöpfende und mühsame Suche nach „der großen Idee“ nicht nur eine Frage der abrechenbaren Stunden sein wird. Resultat sollte eine rational ausgewogene Budgetverteilung sein. Damit die C-Level-Suite spürbare Kosteneinsparungen durch Marketing Automation im horizontalen Wertschöpfungsgeschäft verbuchen kann und gleichzeitig Mittel für Investitionen in die Entwicklung neuer Wertschöpfungsquellen frei werden. Diese Vision eines kostenneutralen Wertschöpfungsansatzes sollte auch den nervösesten C-Level angesichts steigender Risikoaversion und Budgetkontrolle zufriedenstellen.

1.1.3 Marketing-Alchemie: Martech, Kreation und Ingenieure

Arbeit verändert sich – getrieben von globalen Paradigmenwechseln, neuen Plattformgeschäften und Marketing-Technologie. Mit dem Aufkommen von Robotik, KI, digitalen Nomaden und Prosumern werden Aufgaben im Marketing neu konzipiert und es entsteht eine neu orchestrierte Marketingabteilung. Während sich diese komplexe Roadmap abspielt, ist es wichtig, dass wir uns mit den Jobs und Ingredienzen einer erfolgreichen Zukunft im Marketing beschäftigen.

Technologie treibt zunehmend einige der erstaunlichsten und kreativsten Produkte und Lösungen in einem immer disruptiveren Markt an. Die Frage ist also: Ist Technologie ein Wegbereiter neuer Kreativität oder ist Kreativität ein Aktivator von Technologie? Oder sind sie in perfekter Harmonie miteinander verbunden, wie eine mystische Alchemie?

Es gibt verschiedene Definitionen von „Technologie“: „Die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse für praktische Zwecke, insbesondere in der Industrie“, so das Oxford English Dictionary. Oder: „Technologie ist auch eine Anwendung von Wissenschaft, die zur Lösung von Problemen eingesetzt wird. Und Technologie ist menschliches Wissen, das Werkzeuge, Materialien und Systeme umfasst“, so andere Quellen wie die New World Encyclopedia. Sie alle haben jedoch ihre Wurzeln in der Technik und Wissenschaft. Und sie unterscheiden sich stark von unseren Vorstellungen von Kreativität. Kreativität ist der Akt, neue und fantasievolle Ideen in die Realität umzusetzen. Kreativität zeichnet sich auch durch die Fähigkeit aus, die Welt auf neue Weise wahrzunehmen, verborgene Muster zu finden, Verbindungen zwischen scheinbar nicht zusammenhängenden Phänomenen herzustellen und Lösungen zu generieren. Die Welt der Technologie jedoch ist eine Welt der Vorhersage und Genauigkeit, während Kreativität eine Welt des alternativen Denkens, der Spontaneität und der Unterbrechung ist. Man könnte argumentieren, dass diese beiden Welten kein Oxymoron darstellen, sondern sich vielmehr in hohem Maße ergänzen, wobei die Kreativität den Funken liefert und die Technologie bei der Ausführung hilft. Bewegen wir uns also auf eine Zukunft zu, in der der kreative Technologe König ist, falls es so etwas überhaupt geben sollte? Oder bewegen wir uns auf eine Realität zu, in der eine agile Zusammenarbeit zwischen Kreativen und Marketing-Ingenieuren ein Muss ist? Es besteht kein Zweifel, dass, wenn diese beiden Welten in perfekter Harmonie aufeinandertreffen, außergewöhnliche Dinge passieren, die das Marketing erfolgreicher Unternehmen verändern und enorme Werte schaffen können. Für Marketing-Führungskräfte, die Wachstum in bestehenden Wertschöpfungsketten verantworten, ist die Ehe zwischen Kreativität und Technologie das Gebot der Stunde. Getrennt voneinander werden die beiden Welten nicht mit den Paradigmenwechseln mithalten können, die uns in dieser neuen digitalen Transformation umgeben. Diejenigen, die mit Spiral Dynamics vertraut sind, werden erkennen, dass es sich um eine evolutionäre Revolution im Marketing handelt. Ihr Ziel ist die Evolution von Marketing in werterhaltende, hochautomatisierte Maßnahmen im Wettbewerbsumfeld und wertschaffende, hochkreative Entwicklungen von neuen Geschäftsmodellen und Quellen. Sie wird uns in die Lage versetzen, aus dem außer Kontrolle geratenen Zug auszusteigen, der von einer controllergesteuerten, misserfolgsvermeidungsstrategischen Kostenbesessenheit gefressen wird, die kein Unternehmen der Welt wirklich erfolgreich macht – ein Kampf, der mit der Zeit eine Kultur von kleinen Rädern in riesigen Maschinen geschaffen hat, die Stress, Angst und Paranoia anhäufen, während die Führungsriege den Blick für wahres Wachstum und unternehmerische Entwicklung verliert.

Die Kombination aus MarTech, kreativer Exzellenz und Ingenieuren in der Kombination dieser beider Welten wird die Erfolgsformel im zukünftigen Hochleistungsmarketing sein. Es wird einen Maschinenraum im Marketing geben und Marketing-Ingenieure werden agil und auf Augenhöhe mit Kreativen kollaborieren. Willkommen im modernen Marketing!

1.2

Der Zweck bestimmt die Richtung: Evolve or die!

Zugegeben: Die Erkenntnis, dass sich Vertriebs- und Marketingprozesse in den letzten fünf bis zehn Jahren dramatisch verändert haben, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Sondern eben nur ein Anfang für die fortschreitende Evolution von einzelnen taktischen Kampagnen zu hochintegrierten Customer-Centric-Campaigns, mit dem Ziel, dem Kunden eine auf ihn zugeschnittene Customer Experience zu liefern. Das Kompetenzspektrum von Marketing im horizontalen Game hat sich entsprechend über die Jahre weiter vergrößert.

Quelle: Jan Beco Consulting © 2018

In der Vor-Google-Welt der Informationsknappheit bedeutete „Lead-Generierung“, dass das Marketing die Namen von potenziellen Käufern zu einem frühen Zeitpunkt in ihrer Kaufreise fand und diese Namen dann direkt an den Vertrieb weitergab. Die Käufer erwarteten, vom Vertriebsteam geschult zu werden, und der Vertrieb erwartete, mit ungebildeten Käufern im Frühstadium zu sprechen, die nicht immer qualifiziert waren. Heute ist eine Vielzahl von Bildungsressourcen über Suchmaschinen, soziale Medien und andere Online-Kanäle leicht zu finden. Durch Inhalte, die von Unternehmen produziert und verbreitet werden, kann der Käufer von heute eine Menge über ein Produkt oder eine Dienstleistung lernen, bevor er überhaupt mit einem Verkäufer gesprochen hat. Das macht eine digitale Präsenz und ein Beispiel von digitalen Kanälen wichtiger denn je. Sowohl Entscheider als auch Influencer finden jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Angebot, bevor das Angebot sich ihnen in den Weg stellt. Das gilt für Unternehmen, Marken, Produkte und Angebote jeglicher Art. Studien haben ergeben, dass an dem Punkt, an dem ein Einkäufer zur Tat schreitet, der Buying Cycle schon zu 80 % abgeschlossen ist. Ergo wird der von Google definierte „Zero Moment of Truth“, an dem Kaufwillige die letzten Kaufbarrieren auf Basis von Empfehlungen anderer abbauen, zum entscheidenden Handlungsfeld des Marketings. Hier gilt es, potenzielle Kunden abzuholen und zu beeinflussen, was unter dem Begriff „Demand Generation & Lead Management“ zusammengefasst wird.

Leider wurde weder im Marketing noch im Vertrieb und auch nicht im Consulting in den vergangenen Jahren entsprechendes Wissen aufgebaut. Grund dafür waren die zitierten Karren mit den eckigen Rädern, die vermeintlich im Tagesgeschäft, im Umgang mit dem Wettbewerb und natürlich als Reaktion auf den Ruf nach den immer höheren, immer schnelleren und immer weitertreibenden Wachstumsforderungen geschuldet waren. Bis hin zum „Great Reset“, wie Klaus Schwab die Folgen der COVID-19-Pandemie nennt, sah man keinen guten Grund für eine revolutionäre Evolution im Marketing. Niemand wollte ungefragt Verantwortung übernehmen und sich um Themen kümmern, die sich zwar schwelend mit der allgemeinen Transformation ankündigten, aber eben noch nicht laut genug von Unternehmen und Unternehmern eingefordert wurden. Insofern ist COVID-19 tatsächlich neben dem ganzen Leid, das diese schreckliche Pandemie über unseren Planeten gebracht hat, wirtschaftlich gesehen ein unerreicht effizienter Technologie-Treiber. Flapsig ausgedrückt könnte man sogar vom besten CDO (Chief Digital Officer) aller Zeiten sprechen.

Die mit dieser Revolution einhergehenden Nutzen wie auch Aufgaben betreffen allerdings nicht nur das Marketing, sondern darüber hinaus weite Teile jedweder Unternehmung. Es gilt, 100 Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, um Kunden besser zu verstehen, keine Leads fälschlicherweise liegen zu lassen, attraktivere Leads zu erkennen, Account-Mapping nur noch zur Kür werden zu lassen und schlussendlich das Employer Branding so aufzustellen, dass mehr Talente angezogen werden. Das Mantra des Wandels klingt also allenthalben und gilt auch im Management und den Vorstandsetagen von Unternehmen, die morgen noch dazu gehören wollen. Dort liebt man die neue Sichtbarkeit von zählbaren Ergebnisbeiträgen, die auf Folien gebannt Entwicklungen zu Leads, Kunden und Umsatz prognostizieren. Aufgabe des Managements ist es geworden, die Bedarfsweckung zu forcieren und zeitgleich die Kostenschraube im Marketing anzuziehen. Was sich früher quasi verboten hat, wird heute zum gangbaren und sogar einzig machbaren Weg im Hyperwettbewerb. Das Beziehungsmanagement zum Kunden bekommt außerdem eine neue zentrale Rolle. Anhauen, Umhauen, Abhauen war gestern. Heute zählen Programme für Retention, Referrals, Loyalty, Up- and Cross-Sell, um den sogenannten Customer-Lifetime-Value voll auszuschöpfen. Unterstützung kommt dazu aus den Reihen der Financials, denn die neuen Wege ermöglichen ungeahnte Budgettransparenz: Automatisierte Berichte und bei Bedarf anpassbare Dashboards machen auf einen Blick klar, wofür Budget ausgegeben wird, was funktioniert und was nicht. Die Datentransparenz gibt Aufschluss darüber, wo die Mittel eingesetzt werden sollten, um die größten finanziellen Gewinne zu erzielen. ROI bekommt im Marketing eine neue tragende Rolle, weil er endlich mit der neuen Formel berechenbar ist: Bedarf wecken – Nachfrage erhöhen – Leads generieren – Marketingkosten senken. Und das Ganze im Kampagnenmodus skalieren.

Last, but not least bekommt der ehemalige Silo-Dreiklang von Marketing, Vertrieb und After Sales einen ganz neuen Rhythmus und Klang. Langjährig erfahrende Unternehmensberater handelten lange nach der gültigen Weisheit, dass einer der drei Beteiligten den Kunden schon vergraulen wird. „Wenn es Marketing und Sales nicht schaffen, dann verlieren wir den Kunden spätestens im After Sales an den Wettbewerb.“ Anders im heutigen agilen Zusammenspiel der Gewerke: Mit dem richtigen Framework und prozesstechnisch sauber aufeinander abgestimmt, lässt sich eine Ménage-à-trois entwickeln, die in allen drei Handlungsfeldern ungeahnte Ergebnisbeiträge liefert. Zum einen mit synchronisiertem Marketing mit hohem Automationsgrad, das potenzielle Kunden nicht nur definiert, sondern auch treffsicher aufspürt und mit einem hocheffizienten Beziehungsmanagement entlang der kompletten Marketing-Supply-Chain prospektive und hochrelevante Kunden dem Vertrieb quasi auf dem Silbertablett liefert. Zum anderen mit einem nahtlosen Opportunity-Management im Vertrieb, das qualifizierte Leads zu deutlichen höheren Quoten konvertiert. Somit führt ein automatisierter Gesamtprozess zu 70 % schnelleren Buying-Circles und bis zu 54 % höheren Abschlussquoten. Als „Cherry on the Cake“ ändert sich auch die Rolle des After Sales: Früher als Customer Dead Point verschrien, hat man heute längst erkannt, dass maßgebliche Wertschöpfungspotenziale mit hoher ROI-Ratio im Customer-Success-Management stecken. Die Stichwörter Customer Retention, Advocacy und Loyalty zahlen unmittelbar auf das anfangs beschriebene, entscheidende Handlungsfeld im Marketing ein: dem Zero Moment of Truth. Damit aber nicht genug. Die im After Sales zu bergenden Potenziale im Customer-Lifetime-Value sind mit entsprechender Marketing-Technologie relativ einfach und automatisiert zu heben. Customer-Onbording- und Education-Programme mit Gamification-Ansatz sorgen für erhöhte Produktnutzungen und hochprofitable Ancillary-Sales, während mittels Predictive Selling die Potenziale von Up- und Cross-Sells weitgehend automatisch abgeschöpft werden. Fazit: Data Driven Marketing gewinnt schon lange den Geldbeutel des Kunden, während das gelernte Kreativ-Mantra der Werbebranche „Differentiate or Die“ unter dem neuen Licht des Hyperwettbewerbs betrachtet werden muss. Welche Kanäle mit welcher Tonalität und welchem Werbemittelformat heute für eine wie auch immer kreativ geartete Werbebotschaft die richtigen sind, ist schon lange keine Frage der Empathie mehr. Sondern eine des Analysierens, Entwickelns und Testens.

1.2.1 Vertrieb und Marketing in der Experience Economy

Die Herausforderungen und Ziele auf der Metaebene haben sich im Gegensatz zur prozessualen Ebene nicht wirklich grundsätzlich verändert. Im Großen und Ganzen bleibt es bei den üblichen Zielen: Wachstum und Profitabilität teilen sich nach wie vor die ersten beiden Podestplätze. Der große Rest teilt sich auf im Spannungsfeld zwischen Innen- und Außensicht bzw. Operations & Management sowie Distribution mit Marketing und Vertrieb:

Quelle: Jan Beco Consulting © 2018

Auf den Punkt gebracht gibt es für die Erreichung all dieser Ziele und Herausforderungen zwei entscheidende Grundlagen, auf die man sich einigen sollte, bevor man mit der Entwicklung eines integrierten Frameworks für Marketing& Vertriebs-Operations zur Tat schreitet:

Erstens:

Jeder Kunde war mal ein Lead!

Zweitens:

Jegliche Aktivitäten/Versuche/Kampagnen müssen messbar, testbar & trackbar sein.

Hört sich komplex an. Ist es auch. Aber glücklicherweise helfen MarTech-Tools mit maschinellem Lernen und der Automatisierung wiederkehrender Prozesse, das digitale Chaos zu verstehen und zu skalieren, da, wo es geboten ist. Nicht nur der Effizienz willen, sondern auch, um messbare Ergebnisbeiträge mittels metrischen Marketings zu erzielen. MarTech-Systeme und deren Schnittstellen zu relevanter Customer Data können helfen, wertvolle Erkenntnisse über Kunden zu gewinnen und besser auf deren Bedürfnisse einzugehen. Dabei haben die großen Unternehmen bereits angefangen, ihre eigenen Datenquellen anzuzapfen und mit relevanten Daten von Drittanbietern (Big Data) anzureichern, um E-Mail-Kampagnen und Loyalty-Programme optimal auszusteuern. Keine leichte Aufgabe, aber die richtigen Erkenntnisse helfen, wirkungsvollere Botschaften zur richtigen Zeit an den richtigen Rezipienten zu senden. Ein Grund mehr übrigens, warum modernes Marketing sich am Geschäftswachstum messen lässt und nicht länger an den so ganz eigenen Marketing-KPIs wie Awareness, Reach oder schlechtestenfalls an Follower-Zahlen für Social-Media-Präsenzen. In einer perfekt digitalisierten Marketing- & Vertriebs-Supply-Chain ist man nämlich in der Lage, alle Marketingaktivitäten über die gesamte Journey eines Kunden bis hin zum Ergebnisbeitrag der jeweiligen Touchpoint-Maßnahme direkt miteinander zu verknüpfen. In Wirklichkeit ist das leider bis dato nur recht rudimentär möglich, aber die MarTech-Landschaft entwickelt sich auch hier ständig weiter. So hat sich zum Beispiel herauskristallisiert, dass insbesondere zwei Metriken im Marketing & Sales entscheidend für den Unternehmenserfolg sind:

Erstens:

Welchen nachgelagerten Einfluss auf Umsatz- oder Ergebnisbeitrag hat eine Marketingaktion?

Zweitens:

Hilft die Marketingaktion dem Kunden?

Sobald man also ein Zielbild seiner Marketingprozesse in Bezug auf Daten und gewünschter Ergebnisbeiträge im Fokus hat, gibt es aktuell eine Vielzahl digitaler Helfer für Identifikation, Eroberung und Bindung eines Kunden. Und sogar Customer-Lifetime-Values können heute datenbasiert recht treffsicher individuell hervorgesagt werden. Cambridge Analytica lässt grüßen. Automation ist hier letztendlich das i-Tüpfelchen des smarten Marketing- & Sales-Frameworks. Denn digital optimierte Marketing- und Sales-Operations erreichen die profitabelsten Kunden über die kostengünstigsten Wege. Programmatisch eingekaufte Werbe-Inventare, automatisch adaptierte Werbemittel und letztendlich treffsichere Ausspielungen führen zu einem definitiven Wettbewerbsvorteil und damit zu ungeahnter Resilienz in bestehenden Wertschöpfungsketten.

Und noch eine gute Nachricht: Solange sich das Kundenverhalten weiterhin kontinuierlich ändert und weiterentwickelt, gibt es Grund genug für einen optimistischen Blick auf eine prosperierende Zukunft der Marketing- und Vertriebs-Zunft. Denn mit den Möglichkeiten der digitalen Transformation und der gekonnten Nutzung individueller MarTech-Vorteile bleibt das Marketing einer der wichtigsten Wachstumstreiber. Nur muss es neu aufgestellt werden.

Im C-Suite-Spannungsfeld zwischen Primus inter Pares, Marketing und Vertrieb ist es nur konsequent, das Marketing in Corporate Marketing, Growth Marketing und Demand Generation aufzuteilen. Dabei übernimmt das Corporate Marketing die Markenhoheit, was mit Branding, CI/CD, Positionierung und Profilierung, Public Relations, Internal Communications, Investor Relations sowie Employer Branding einhergeht. Innerhalb des Ziel-Frameworks für Marketing und Vertrieb in der Experience Economy befähigt das Corporate-Marketing Unternehmen dazu, den Kunden an jedem Punkt seiner Kundenreise/seines Kaufentscheidungsprozesses positiv zu beeinflussen. Das ist bekanntes Terrain für tradierte Marketing-Manager und eine wunderbar erfüllende Position für zum Artdirector berufene Wächter einheitlicher Marken-Erscheinungsbilder.

Im Growth Marketing bläst derweil schon ein deutlich kälterer Wind durch die Arbeitsverträge alteingesessener Marketing-Granden. Hier wird ein Prozess institutionalisiert, welchen man gemeinsam beginnt und der sich kontinuierlich weiterentwickelt – unter sich wandelnden Rahmenbedingungen, neuen technischen Möglichkeiten und unter kontinuierlicher Veränderung des Kundenverhaltens. Also verändern sich Projektspezifikationen fortlaufend, während die Release-Phasen immer kürzer getaktet werden. Sprints sind an der Tagesordnung und die KPIs in den Handlungsfeldern Inbound, Outbound und Intrabound glasklar im Businessplan ablesbar. Im Demand-Generation-Department wird dafür gesorgt, dass das Marketing seine Aufgabe erfüllen kann, Vertriebskontakte zu generieren und diese so zu qualifizieren, dass der Vertrieb seine Aufgabe des „Lead-zum-Kunden-Konvertierens“ erfolgreich erfüllen kann. Die Formel dafür heißt stark vereinfacht: „Wir investieren X Euro, konvertieren damit Y Leads und liefern damit einen Ergebnisbeitrag von Z Euro Umsatz/Profit.“ Benötigt werden dafür im Übrigen keine Eier legenden Wollmilchsau-Heroes, sondern eher motivierte Einsteiger, die als Demand Reps eine kommunikative, hohe soziale Kompetenz mitbringen sollten, um die gewünschte Beziehung zum Kunden aufzubauen. Hier geht es zwar auch ums Verkaufen durch den Vertrieb, aber die Demand-Generation-Erfolgsformel heißt eher „Wir wollen nichts von Ihnen, aber wir haben was für Sie“.

Solch ein Framework im modernen Marketing befähigt Unternehmen, Kunden besser zu verstehen, Silos abzubauen und die allgemeine Transparenz in Vertriebs-, Marketing- und After-Sales-Prozessen zu erhöhen. Ziel ist eine fokussierte und integrativ vernetzte Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb auf Basis neuester Marketing-Technologien und nicht nur ein paar neue IT-Prozesse. Das Mindset ist dabei entscheidend und die weiteren Auswirkungen auf neue Rollen wie Marketing Engineers und Inbound Manager müssen bewusst bzw. bei HR verankert sein. Das Gleiche gilt für bestehende Mitarbeiter, Dienstleister-Services und Arbeitsprozesse. Stichwort: „Templating ist das neue Reinzeichnen.“ Und last, but not least geht es um neue Marketing-Technologien sowie die Organisation und Administration sämtlicher Marketing und Sales Operations bis hin zur neuen Ausrichtung des strategischen Einkaufs. Das alles gehört auf die Agenda der digitalen Transformation von Marketing und Vertrieb in der Experience Economy.

1.2.2 Gestern: Aktivitäts-fokussiert

Bis dato waren die Aufgaben für das Marketing recht klar und einfach definiert: Es ging um die Marke, möglichst viele großartige kreative Ideen und daraus reichlich Standalone-Tactics, Kampagnen genannt. Abgerundet wurde dieser Frozen Margarita an der Bar in der Vorstandslounge mit ein wenig Events, Incentives, Sponsoring und – ach ja, da war doch noch was? Dem kategorischen Sales-Support, der oftmals nicht mehr war als ein Feigenblatt des Marketings für die Rückversicherung, dass Marketing bei Misserfolg auf keinen Fall schuld sein kann. Ein Dauerbrenner in diesem aktivitätsfokussierten Marketing-Modus-Operandi ist die Forderung, Kosten im Griff halten. Quasi ein systemimmanenter Anspruch im tradierten Marketing mit Dauerplatzierung im Dringend-und-Wichtig-Quadranten der Eisenhower-Matrix. Doch auch mit ständig quengelnden C-Levels, Einkäufern und Controllern im Nacken gilt es, Kostenoptimierungen methodisch, umfassend und nachhaltig anzugehen. Denn Ziel ist ja nicht nur ein kurzfristiges „Kosten-Make-up“, sondern eine langfristige Wirkung mit nachhaltigem Wettbewerbsvorteil.

Schwindelerregende 65 % der Marketing-Entscheider mussten Budgetkürzungen aufgrund der COVID-19-Pandemie vornehmen. Das war natürlich aktionistisch getrieben und bei gleichzeitiger Erhaltung der Ressourcen zur Aufrechterhaltung des Geschäfts ein heikler Balanceakt. Langfristige Kostenoptimierungen hingegen sollten zu einem klaren Wettbewerbsvorteil führen und somit einem strategischen Ansatz folgen, weshalb hier die wichtigsten fünf spezifischen Bereiche mit Möglichkeiten zur Kostenoptimierung aufgeführt sind:

a. Das Mediabudget gehört zu den Klassikern, wenn es um Kostenoptimierungen im Marketing geht. Hier können am schnellsten Budgets freigesetzt werden. Allerdings ist das auch der Weg, der am kürzesten gesprungen ist. Zumindest wenn es um Performance im Top of Funnel geht. Denn mit dem Storno der Schaltungen versiegt dann auch meist postwendend der nötige Zustrom an konversionswilligem Traffic.

b. FTE – das Zauberwort aus der C-Suite. Auf dem Papier ist es dann auch recht einfach, x % FTE einzusparen. Aber jenseits der sozialen Verantwortung und der empathisch-menschlichen Komponente geht ein FTE-Abbau meist auch mit dem Niedergang der Innovationskraft einher. Schlaue Köpfe bringen halt mehr als sie kosten.

c. Auch recht beliebt im Marketing-Cost-Cutting: Die Restrukturierung des Agenturpools sowie die der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern. Oftmals falsch verstanden als reine Einkaufsoptimierung, auch wenn das Purchasing-Department eine solche Initiative grundsätzlich als Aufforderung zum Tanz ansieht. Kurzfristig anberaumte Pitches zur reinen Kostenreduktion der angestammten Agenturen geh allerdings in den seltensten Fällen wirklich gut aus. Meist ist der Reputationsverlust noch das geringste Übel. Im schlechtesten Fall steigt der langjährig involvierte Partner aus und die neue Agentur hat zwar mit kleinen Stundensätzen überzeugt, rechnet aber dafür Unmengen an Onboarding-Zeiten ab. Allerdings gibt es auch hier eine durchaus sinnvolle Variante zur Kostenoptimierung, die nicht unerwähnt bleiben soll: Die Restrukturierung hin zum Inhousing. Marketing Operations, die nicht nur optimal durch Automatisierung geprägt sind, sondern gleichzeitig die entsprechenden Steuerungshebel zurück ins Unternehmen holen, sind höchst effizient und nachhaltig. Einziger Wermutstropfen: Es dauert halt, bis solch ein strukturelles Projekt seine Wirkung entfaltet.

d. Eine „lauwarme“, aber zumindest Goodwill zeigende Art der Kosteneinsparung im Marketing ist die Überarbeitung der Reise- und Weiterbildungs-Richtlinien. In Zeiten von MS Teams, Zoom und Skype sind Einschränkungen im Reisezirkus recht einfach zu verkaufen. Dazu ein paar Kongressteilnahmen als virtuelle Keynotes absolviert, und schon hat man Post-COVID-19-adäquat Kostensensibilität demonstriert.

e. Last, but not least bleibt die schnellste und wirkungsvollste Art der Kostenoptimierung im Marketing: Das Abschalten von nicht gebrauchten Marketing-Technologien, Tools und Systemen. Damit sind die Projektleichen in parallel genutzten, unterschiedlichen Projektmanagement-Tools gemeint. Oder die noch nie genutzten, aber teuer eingekauften Zusatzoptionen im zentralen CRM. Die Liste ist lang – und deshalb dankbar für jedes Kostenoptimierungsprogramm. Doch Vorsicht: Zwischen Abschalten, weil es nicht genutzt wird, und Abschalten, weil es keiner wirklich verstanden hat, gibt es einen gewaltigen Unterschied!

Das richtige Augenmaß im tradierten Marketing liegt in der Priorisierung der einzelnen möglichen Bereiche zur Kostenoptimierung: Quick Wins mit Reisebeschränkungen oder auch eine vorsichtige Justierung der Mediaausgaben können unmittelbare Effektivität aufzeigen. Die größeren Brocken sind dann die strukturellen Themen: Abschaltung nicht genutzter MarTech bei zeitgleichem Re-Invest in neu aufgestellte Marketing Operations sorgt als Konsequenz für ein Streamlining des Inhouse-Marketing-Staffs. Sorgsam ausgewählte Tools zur Marketing-Automatisierung von wiederkehrenden Arbeitsprozessen eliminiert „Monkey Works“ und stärkt die Innovationskraft im Marketing als Wachstumstreiber des Unternehmens. Der Fallstrick liegt dabei in der Ausbalancierung von Re-Invest, der Reduktion extern eingekaufter Leistungen und intern überflüssig gewordener Ressourcen sowie dem Re-Invest in State-of-the-Art Marketing-Automation-Technologie. Hilfreich ist eine Mountain-Top-Kategorisierung, mit welcher Kostenoptimierungen methodisch, umfassend und nachhaltig angegangen werden können. Nebenprodukt einer solchen strukturellen Betrachtungsweise ist eine transparente Ist-Aufstellung von Marketingprozessen unter Risk-, Governance- und Compliance-Gesichtspunkten, die nicht nur in regulierten Branchen zusehends zur Standard-Anforderung wird. Neben der Priorisierung stellt sich dazu die Frage, wo das richtige und wo das falsche Ende beim Sparen im Marketing liegt. Die folgenden drei „magischen A’s“ bieten einen cleveren, smarten, agilen und vor allem nachhaltigen Ansatz – auch, wenn es für ein Fachbuch auf den ersten Blick recht naiv und einfach klingt:

Automatisieren

Transformieren Sie Ihre Marketing Operations und automatisieren Sie, was automatisiert werden kann. Dabei ist Marketing Automation mitnichten nur auf digitale Kommunikation, E-Mail-Marketing, CRM und Inbound-Aktivitäten beschränkt. Es gibt mittlerweile über 9.000 MarTech-Anbieter und entsprechend viele Möglichkeiten, wiederkehrende Arbeitsprozesse zu automatisieren. Das fängt bei der kreativen Abstimmung an, für das es Kollaborationstools für agile Teams gibt, und hört bei der Produktion und Realisierung von ganz analogen und klassischen Werbemitteln und Promotions auf. Von der Planung über den Media-Einkauf bis hin zum Category Management gibt es Marketing Automation Support in allen Marketing-Handlungssegmenten.

Abschalten

Marketing Automation kann in allen Marketingbereichen wiederkehrende Prozesse automatisieren und somit erhebliche Effizienzsteigerungen bringen. Pragmatisch ausgedrückt: „Monkey Work“ gilt es abzuschalten. Das gelingt bei B2B-Aktivitäten genauso wie im B2C-Marketing – und im Online-Marketing genauso wie bei Offline-Aktivitäten, Promotions, Händler-Aktivitäten und, und, und. Allein die Produktion von Werbemitteln birgt Tonnen von automatisierbarer Arbeit in der Umsetzung. Aber auch Media, Content Produktion und Customer Experience sind Handlungsfelder, die teilautomatisiert effizienter, besser, agiler und smarter durch KI-Power bearbeitet werden können.

Angehen

Marketing Automation sorgt für durchschnittlich 30 % mehr Effizienz im Marketing. Ob man dann das Marketing mit der gewonnenen Effizienz schlagkräftiger, innovativer, fokussierter und kreativer macht oder an der Kostenschraube dreht, um Einsparpotenziale zu bilanzieren, bleibt eine unternehmerische Entscheidung. Automation hilft auf jeden Fall, signifikant besser zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben.

1.2.3 Heute: Metrics-fokussiert

Metrisches Marketing hatte sich seinerzeit Dr. Zetsche als CEO von Chrysler in der Ehe mit Mercedes auf die Fahne geschrieben. Und vieles, was Dr. Z. mit seinen Marketingberatern dazu entwickelt hat, bildet die Grundlage unseres aktuellen Verständnisses von KPI-basiertem Marketing. Da wäre zunächst der Funnel-Approach, den wir im zweiten Kapitel dieses Buches umfassend beleuchten. Mit diesem sehr zielorientierten Blick geht es aber weiter zu den Handlungsfeldern „Pipeline Contribution“, Analytics, Automated Campaigning und das so immens wichtige Kundenbeziehungsmanagement. Das Ganze prinzipiell auf KPI-Basis messbar, trackbar und nachvollziehbar. So ist im Großen und Ganzen auch der aktuelle Stand der Dinge im Marketing, denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Ein geflügeltes Wort, welches so langsam auch in der letzten Marketingabteilung angekommen ist. Damit einher geht der Ruf nach Marketing Automation und einem fundierten Plan zur Neustrukturierung von Marketing Operations. Aber auch hier gilt der metrische Ansatz: Erst klare KPIs definieren, bevor automatisiert wird, was automatisiert werden kann. Und so braucht es klare Kennzahlen, welche die Richtung vorgeben. Controller tendieren ja heute oft zu Kennzahl-Katalogen. Marketing-Managern graut davor. Aber wie so oft liegt der Kompromiss in der Mitte. Bei wenigen, aber betriebswirtschaftlich wirklich entscheidenden Messgrößen, die recht schnell zeigen, ob sich ein Projekt rechnet oder nicht. Bei der Analyse von über 60 Zielbildern in erfolgreich abgeschlossenen Marketing-Automation-Projekten können folgende fünf entscheidenden Kennzahlen für eine unternehmerische Projektbewertung zur Marketing Automation priorisiert werden:

1. Anteil automatisierter Prozessschritte

Die Vorher-Nachher-Betrachtung im Process Mining zeigt recht schnell den Nutzen einzelner Marketing-Automatisierungsschritte im Rahmen von Gesamtprozessen. Erfahrungsgemäß sollten hier mindestens 30 % der Prozessschritte in einem Gesamtprozess automatisiert werden, wobei eine rein anteilsmäßige Betrachtung von Einzelprozessen zugrunde liegt. Es geht also zunächst nicht um den Output oder die Produktivität des Einzelprozesses, sondern erst einmal um den anteiligen Beitrag zur Automatisierung.

2. Fehlerquote

Ein entscheidender Benefit ist die Reduzierung von Fehlerquoten durch Automatisierung und prozessuale Kollaboration auf null. Der Nachweis kann recht einfach durch ein flankierendes Risk-Management erfolgen. Insbesondere fehleranfällige und kostspielige Risiken können durch eine Marketing Automation das Jahresverlust-Potenzial innerhalb des Marketings drastisch reduzieren. Deshalb empfiehlt sich grundsätzlich die begleitende Entwicklung einer umfassenden Risiko-Heatmap im Marketing.

3. Zeitersparnis

Automatisierte Prozesse führen unweigerlich zu einer maßgeblichen Zeitersparnis. Das Messen wird jedoch oftmals vergessen. So ist es im anfänglichen Audit bzw. Process Mining wichtig, jeden Detailprozess mit Durchlaufzeiten anzureichern. Nur so können nach erfolgter Automation die entsprechenden Produktivitätssteigerungen durch Zeitersparnisse nachgewiesen und berechnet werden. Auch verkürzte Onboarding-Zeiten für neue Mitarbeiter in Gesamtprozessen gehören als harter KPI in diesen Effizienznachweis zeitlicher Ressourcen.

4. Cash-out-Reduktion

Externe Kosten sind nach wie vor ein klassischer KPI im Marketing-Management. Denn Marketing wird nun mal über Budgets gesteuert und die Etats für Mediaspendings sowie Honorare für Agenturen, Berater und sonstiger Dienstleister sind im Normalfall der größte Posten in der Gesamtbetrachtung von Marketing Operations. Werden hier also nachweislich Budgets bei der externen Kreation, Produktion und Distribution von Werbemitteln eingespart, ist der Schritt zur Return-on-Invest-Berechnung recht nah und einfach.

5. Ressourcen-Einsparpotenzial

Last, but not least geht es bei der Automatisierung immer um eine signifikante Optimierung der Produktivität und Effizienz von Marketing Operations. Ergo sind es auch die durch die Automatisierung wiederkehrender Prozesse freigesetzten Arbeitsressourcen, die zählen. Dabei ist die Konsequenz eingesparter Ressourcen in Form von FTE eine nachgelagerte Frage, denn innovationsgetriebene Unternehmen werden freie, „kreative“ Ressourcen in einem balanced approach modus auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft lenken, anstatt in der angestammten Wertschöpfungskette einfach Kosten zu reduzieren. Grundsätzlich gilt es aber erst einmal, freiwerdende Ressourcen zu messen und zu visualisieren, denn sie sind eine zentrale Messgröße. Was zählt, sind am Ende immer Fakten, die bei Transformationsprozessen Wirkung zeigen. Dabei zählen insbesondere nachgewiesene Returns on Invest und nachhaltige Einsparpotenziale. Umso wichtiger ist also am Anfang eine Erhebung der Ist-Situation sowie die Entwicklung eines KPI-orientierten Zielbildes. Auf solch einer Basis können und sollten dann die nächsten Schritte auf dem Weg zur Automation erfolgen: Anforderung, Anbieterabgleich, Best-of-Breed-Empfehlung, Einkauf, strukturelle Migration und letztendlich Goinglive inklusive Messung der erreichten Ziele.

1.2.4 Morgen: Impact-fokussiert

Es schwant Großes, was uns in der nahen Marketing-Zukunft erwartet. Die Impact-orientierte Marketing-Mutation spricht von „one joint pipeline“, „revenue ownership“ und „predictive analytics“. Allein schon diese drei Stichworte bedingen eine ganze Reihe von Themenfeldern im Marketing, die aufgearbeitet werden wollen:

Intrabound Marketing – Relationship-based

Inbound Marketing – Content-based

Outbound Prospecting – Account-based

Customer Success Management

Demand Generation

Lead Management

Buyer’s Journey

Marketing & Sales Alignment

Toolstacks

Und wer dann noch Buyer-Centric Dialogs, Data-Driven Promotions und Customer Experiences auf die Impact-Liste seiner Marketing-Operations schreibt, der ist im digital transformierten Marketing-Olymp angekommen. Zumindest mal für heute!

Hört sich nach einer Menge Arbeit an? Ist es auch. Aber wer den Weg nicht gehen möchte, wird zu denen gehören, die nur noch folgende Ausrede haben: „Hinterher ist man immer schlauer.“ Insbesondere dann, wenn man vom Wettbewerb überholt wurde, weil man es versäumt hat, mit der Zeit zu gehen. Was wiederum die nächste Ausrede aufs Tableau bringt: Umsatz, Absatz und vor allem der nächste Kunde gehen immer vor. Schließlich gilt es, das Geschäft am Laufen zu halten, statt sich um das Geschäft im eigentlichen Sinne zu kümmern. Die nötige kontinuierliche Selbstreflektion und die ständige Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit werden eben in den seltensten Fällen zu oft gestellt.

Der Zeitpunkt ist der falscheWeil Corona gerade andere Prioritäten setzt? Weil der Corona-Restart vor der Tür steht? Weil … Eigentlich ist der Zeitpunkt ja nie der richtige. Deshalb ist es wichtig, sich so frühzeitig wie möglich mit den Möglichkeiten des Marketing Engineers auseinanderzusetzen. Denn es gibt tatsächlich einfache, schnelle und vor allem selbstinstallierende Automations-Optionen, die eben keine großen Anstrengungen oder weitreichende Ressourcen bei der Integration wie auch im Betrieb benötigen.

Immer unter Strom: der Handel!Marketing Automation und Marketing-Technologie werden von vielen mit aufwendigen Transformationsprojekten gleichgesetzt, die den operativen Unternehmensablauf erheblich stören. Solch ein Szenario können sich insbesondere Händler aber nicht leisten. Deshalb empfehlen sich hier Systeme und Tools, die bestenfalls einmal installiert werden und dann einzelne Marketing Operations bedienungsfrei automatisieren. Am konkreten Beispiel: Die EELOY AG aus Fulda hat eine Direct-Marketing-Lösung für Automobilhändler entwickelt, welche die üblichen, wiederkehrenden Mailings vom Frühlingsgruß über den saisonalen Räderwechsel bis hin zum individuellen Leasing-Ende komplett bedienungslos automatisiert. Einmal installiert, nutzt das System die vorhandenen lokalen Daten und kombiniert KI-gestützt Mailingvorlagen mit den jeweiligen Daten des Händlers über seine Kunden. Wohlgemerkt ohne diese Daten weiterzugeben. Weder an Dritte noch an eine etwaige Zentrale. Ergebnis sind dann hochindividualisierte Mailings, die z. B. den Tausch des „vorderen linken Sommerreifens“ empfehlen, weil der eine kritische Profiltiefe laut Einlagerungsdaten erreicht hat. Und das, ohne dass der Händler auch nur ein Knöpfchen drücken muss.