Marketing kompakt und Fallstudien - Kerstin Stender-Monhemius - E-Book

Marketing kompakt und Fallstudien E-Book

Kerstin Stender-Monhemius

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Inhalt Das vorliegende Buch informiert kompakt und systematisch, anschaulich mit zahlreichen Beispielen unterlegt, über klassisches Marketing (Situationsanalyse, Ziele, Strategien, Maßnahmen) sowie modernes Marketing, z.B.: Marktpsychologie und Marketingforschung - Ansprache des Gehirns und des Sensorischen Systems mit Marketing-Stimuli - Funktionsweise des Storytellings - Shopping-Motive on- und offline; Kaufentscheidungen des Buying Centers - Gesichtsatlas, Means-End-Chain zur Messung von Emotionen, Motiven - Kontaktpunktanalyse der Customer Journey Marketing-Mix - Markenführung entlang der Customer Journey - Tätigkeitsfeld des Produktmanagers - Erklärung und Anwendung der psychologischen Preise - Betriebstypen des Online-Handels - Konzept des Mobile Commerce - Social-Media-Kommunikation inklusive Influencer-Konzept - Online-Kommunikation inklusive Website-, Affiliate-Konzept, SEM, SEO Das kompakt dargestellte Marketing-Know-how kann bei den 77 Fallstudien angewandt und anhand der ausführlichen Lösungen überprüft werden. Die Zielgruppen Entscheidungsträger/innen im Marketing und Vertrieb; Studierende mit Schwerpunkt Marketing.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 472

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vorwort zur dritten Auflage

Die dritte Auflage von ´Marketing kompakt´ ist aktualisiert, erweitert und überarbeitet worden.

Die Aktualisierung und Überarbeitung dieser Auflage mündet in der ca. 60 Seiten umfassenden Erweiterung. Sie beinhaltet thematisch die Kapitel

Marktpsychologie (neuroanatomische Strukturen; Sensorische Systeme; Storytelling; Shopping-Motive off- und online; Gedächtnissysteme)

Marketingforschung (Messverfahren; Fragebogengestaltung)

Produktpolitik (Konzept der identitätsbasierten Markenführung) und

Kommunikationspolitik (Online-Kommunikation, z.B. Affiliate-Konzept, Content-Arten; plattformspezifische Social-Media-Kommunikation und plattformübergreifendes Influencer-Konzept).

Diese und andere Themen werden in zwanzig weiteren Fallstudien aufgegriffen, die in der Übersicht (S. 215ff.) als neu gekennzeichnet sind. Insgesamt umfasst dieses Buch nunmehr 77 Fallstudien mit dazugehörigen Lösungshinweisen.

Die grundsätzliche Struktur des Buchs bleibt bestehen:

Erster Teil:

Marketing kompakt

Zweiter Teil:

Fallstudien

Dritter Teil:

Lösungshinweise zu den Fallstudien.

Analog zu den vorherigen Auflagen werden auch weiterhin nicht die männliche, weibliche und diverse Form nebeneinander gestellt. Hinweise, Anregungen und Kritik aus dem Kreis der Leserinnen und Leser sind stets willkommen.

Münster, im März 2020

Kerstin Stender-Monhemius [email protected]

Inhaltsübersicht

Erster Teil:

Marketing kompakt

A. Marketing als Managementaufgabe

Grundlagen der Marketingentscheidung

B. Marktpsychologie

C. Marketingforschung

D. Marktsegmentierung

Bestandteile der Marketingkonzeption

E. Situationsanalyse

F. Marketingziele

G. Marketingstrategien

H. Marketing-Mix

Produktpolitik

Preispolitik

Distributionspolitik

Kommunikationspolitik

J. Marketing-Controlling

Zweiter Teil:

Fallstudien zu den Kapiteln A bis J

Übersicht

Dritter Teil:

Lösungshinweise zu den Fallstudien

Übersicht

Literaturverzeichnis zum Marketing

Stichwortverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil:

Marketing kompakt

A. Marketing als Managementaufgabe

1. Begriff und Merkmale des Marketings

2. Marketing als Managementprozess

Grundlagen der Marketingentscheidung

B. Marktpsychologie

1. Träger und Typen der Kaufentscheidung

2. Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens

2.1 S-O-R-Modell zur Erklärung des Käuferverhaltens

2.2 Intrapersonale Bestimmungsfaktoren

2.21 Neuroanatomische Grundlagen als Ausgangspunkt

2.211 Wesentliche Teile des Gehirns und ihre Funktionen

2.212 Sensorisches System

2.22 Verhaltensrelevante psychische Zustände

2.221 Aktivierung und Involvement

2.222 Emotionen

2.223 Motive

2.224 Einstellungen, Werte und Images

2.225 Zufriedenheit

2.23 Verhaltensrelevante psychische Prozesse

2.231 Informationsaufnahme und -verarbeitung

2.232 Informationsspeicherung

2.3 Interpersonale Bestimmungsfaktoren

2.31 Subkulturen und soziale Schicht

2.32 Bezugsgruppen und Familienzyklus

3. Kaufentscheidungen von Unternehmen

3.1 Marketingrelevante Besonderheiten

3.2 Buying Center

C. Marketingforschung

1. Sekundärforschung

2. Entscheidungen der Primärforschung

3. Messung und Skalierung

4. Methoden der Primärforschung

4.1 Befragung

4.2 Beobachtung

4.3 Experiment

4.4 Panel

5. Messung der intrapersonalen Bestimmungsfaktoren des Konsumentenverhaltens

5.1 Psychische Zustände

5.11 Messung von Aktivierung

5.12 Messung von Emotionen

5.13 Messung von Motiven

5.14 Messung von Einstellungen

5.15 Messung von Zufriedenheit

5.2 Psychische Prozesse

5.21 Messung der Informationsaufnahme und Wahrnehmung

5.22 Messung von Wissen

6. Auswahlverfahren

7. Informationsauswertung

7.1 Univariate Auswertungsverfahren

7.2 Bi- und multivariate Auswertungsverfahren

D. Marktsegmentierung

1. Markterfassung

2. Strategien der Marktbearbeitung

Bestandteile der Marketingkonzeption

E. Situationsanalyse

1. SWOT-Analyse

2. Lebenszyklusanalyse

3. Portfolioanalyse

4. Erfahrungskurvenanalyse

F. Marketingziele

G. Marketingstrategien

1. Strategische Geschäftsfelder und Marktabdeckungsstrategie

2. Marktwahlstrategien

2.1 Produkt-Markt-Kombinationen

2.2 Marktarealstrategien

3. Marktteilnehmerstrategien

3.1 Abnehmergerichtete Strategien

3.2 Konkurrenzgerichtete Strategien

3.3 Absatzmittlergerichtete Strategien

H. Marketing-Mix

H.1 Produktpolitik

1.1 Produktbegriff

1.2 Produktpolitische Ziele

1.3 Produktpolitische Strategien

1.31 Strategiedimensionen

1.32 Gestaltung des Produktprogramms

1.321 Strategische Programmplanung

1.322 Operative Programmplanung

1.323 Verbundbeziehungen im Programm

1.4 Produktpolitische Instrumente

1.41 Produktinnovation

1.411 Neuheitsdimensionen

1.412 Ideenfindung

1.413 Ideenvorauswahl

1.414 Produkttests

1.415 Markteinführung

1.42 Produktvariation und -differenzierung

1.43 Produktelimination

1.44 Markenpolitik

1.441 Markenbegriff

1.442 Nutzen und Funktionen der Marke aus Nachfrager- und Anbietersicht

1.443 Identitätsbasierte Markenführung

1.443 Markenstrategien

1.45 Verpackungspolitik

1.46 Servicepolitik

1.5 Organisatorische Verankerung der Produktpolitik

1.51 Grundgedanke und Ziele des Produktmanagements

1.52 Produktmanager

1.53 Produktmanagement als objektorientierte Organisationsform

H.2 Preispolitik

2.1 Ziele und Anlässe preispolitischer Entscheidungen

2.2 Bestimmungsfaktoren der Preispolitik

2.21 Preiselastizität der Nachfrage

2.22 Preisbewusstsein

2.221 Preisinteresse, -kenntnis und -beurteilung

2.222 Preisgünstigkeits- und Preiswürdigkeitsurteile

2.3 Preispolitische Strategien

2.31 Skimming- und Penetration-Strategien

2.32 Preisdifferenzierung

2.4 Methoden der Preisfindung

2.41 Kostenorientierte Preisfindung

2.42 Konkurrenzorientierte Preisfindung

2.43 Nachfrageorientierte Preisfindung

H.3 Distributionspolitik

3.1 Distributionspolitische Aufgaben und Ziele

3.2 Distributionspolitische Entscheidungen

3.21 Festlegung der Absatzkanalstruktur

3.22 Direkter Vertrieb

3.23 Indirekter Vertrieb

3.231 Betriebsformen und Betriebstypen

3.232 Anzahl der auszuwählenden Absatzmittler

3.233 Push- und Pullstrategien

3.24 Online-Handel

3.241 Betriebstypen des Online-Handels

3.242 Konzept des Mobile Commerce

3.3 Ausgewählte vertragliche Vertriebssysteme

3.31 Vertriebsbindungs- und Alleinvertriebssysteme

3.32 Vertragshändler- und Franchisesysteme

3.4 Marketinglogistische Entscheidungen

4. Kommunikationspolitik

4.1 Kommunikationsziele

4.2 Kommunikationsstrategie

4.3 Kommunikationsinstrumente

4.31 Klassische Werbung

4.32 Digitale Kommunikation

4.321 Online-Kommunikation

4.322 Plattformspezifische Social-Media-Kommunikation

4.323 Plattformübergreifende Social-Media-Kommunikation

4.33 Public Relations

4.34 Sponsoring

4.35 Verkaufsförderung

4.36 Messen

4.37 Product Placement

4.4 Kommunikationsbudget

4.41 Bestimmung der Budgethöhe

4.42 Streuplanung

4.5 Botschaftsgestaltung

4.51 Formale Gestaltungsfaktoren

4.52 Inhaltliche Gestaltungsfaktoren

J. Marketing-Controlling

1. Begriff, Ziel und Funktionen des Marketing-Controllings

2. Kennzahlen zur Messung der Marketingleistung

2.1 Kennzahlen zur Messung der Effektivität

2.2 Kennzahlen zur Messung der Effizienz

2.3 Marketingrelevante Kennzahlensysteme

2.31 DuPont-Kennzahlensystem

2.32 Balanced Scorecard

3. Controlling des Marketing-Mix

3.1 Produkt- und Programm-Controlling

3.11 Produktpolitische Ziele als Ausgangspunkt

3.12 Programmstrukturanalyse

3.13 Kennzahlen zu Produktqualität und Innovationsorientierung

3.2 Preis-Controlling

3.21 Preispolitische Ziele als Ausgangspunkt

3.22 Analyse des realisierten Preises

3.23 Preistreppen-Analyse

3.3 Distributions-Controlling

3.31 Distributionspolitische Ziele als Ausgangspunkt

3.32 Distributionsgrad

3.33 Lieferserviceniveau

3.4 Kommunikations-Controlling

3.41 Kommunikationspolitische Ziele als Ausgangspunkt

3.42 Kennzahlen zur Reichweite

3.43 Tausend-Kontakte-Preise

3.44 Recall, Aided Recall und Recognition

Zweiter Teil:

Fallstudien – Überblick

Fallstudien zu Kapitel A

Marketing als Managementaufgabe

Grundlagen der Marketingentscheidung

Fallstudien zu Kapitel B

Marktpsychologie

Fallstudien zu Kapitel C

Marketingforschung

Bestandteile der Marketingkonzeption

Fallstudien zu Kapitel E

Situationsanalyse

Fallstudien zu Kapitel F

Marketingziele

Fallstudien zu Kapitel G

Marketingstrategien

Fallstudien zu Kapitel H.1

Produktpolitik

Fallstudien zu Kapitel H.2

Preispolitik

Fallstudien zu Kapitel H.3

Distributionspolitik

Fallstudien zu Kapitel H.4

Kommunikationspolitik

Fallstudien zu Kapitel J

Marketing-Controlling

Dritter Teil:

Lösungshinweise zu den Fallstudien – Überblick

Kapitel A

Kapitel B

Kapitel C

Kapitel E

Kapitel F

Kapitel G

Kapitel H.1

Kapitel H.2

Kapitel H.3

Kapitel H.4

Kapitel J

Literaturverzeichnis zum Marketing

Stichwortverzeichnis

ERSTER TEIL: Marketing kompakt

A. Marketing als Managementaufgabe

1. Begriff und Merkmale des Marketing

Der Marketingbegriff hat eine bemerkenswerte Entwicklung seiner Auslegung erfahren:

Von Beginn bis Mitte des 20. Jahrhunderts geht es vor allem um die

Distribution von Waren

. Die Produkte sind vorhanden und das Marketing beinhaltet lediglich die Funktion des Verkaufens dieser Produkte. Die American Marketing Association (AMA) definierte seinerzeit Marketing als die Erfüllung derjenigen Unternehmensfunktionen, die den Fluss von Gütern und Dienstleistungen vom Produzenten zum Verbraucher bzw. Verwender lenken (AMA 1948).

Anfang der 60er Jahre entsteht die managementorientierte Sichtweise des Marketing, dass ein Unternehmen seine Aktivitäten am Markt ausrichtet. 1964 werden von McCarthy die

4 P´s

formuliert (

Product

,

Price

,

Place

,

Promotion

), die bis heute häufig als Stellvertreter der vier Marketing-Mixes genannt werden:

Das richtige Produkt (Produktpolitik)

zum richtigen Preis (Preispolitik)

am richtigen Verkaufsort anbieten (Distributionspolitik) und

mit der richtigen Werbung bekanntmachen (Kommunikationspolitik).

In den 70er und 80er Jahren wandelt sich die Sichtweise des Marketing von einer reinen Funktionsorientierung (Marketing als eine Unternehmensfunktion neben anderen, z.B. Beschaffung und Produktion) zu einer unternehmensbezogenen Denkhaltung und Führungsphilosophie (

dualer Charakter des Marketing

). Das Marketing wird als

marktorientierte Unternehmensführung

interpretiert. Es orientiert sich an den Kundenbedürfnissen und ist eine

Managementaufgabe

: „Marketing ist die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele im gesamtwirtschaftlichen Güterversorgungsprozess verwirklicht werden.“ (Meffert 1977). Die marktbezogenen Veränderungen dieser Zeit (wachsende Nachfragemacht des Handels, zunehmender Verdrängungswettbewerb) führen zur verstärkten Berücksichtigung von Handel und Wettbewerb als Marktteilnehmer. Die Marketingwissenschaft beschäftigt sich mit den Quellen

strategischer Wettbewerbsvorteile

.

Das moderne Begriffsverständnis des Marketing berücksichtigt neben den Kunden auch jene Anspruchsgruppen (

Stakeholder

), die von der Geschäftstätigkeit des Unternehmens betroffen sein können. Diesen erweiterten Blickwinkel offenbart die Marketingdefinition der AMA aus dem Jahr 2004: „Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communicating, and delivering value to customers and for managing customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholders.” (AMA, 2004).

Vor diesem Hintergrund zeichnet sich das Marketing durch bestimmte Merkmale aus, die in Abbildung A-1 zusammengefasst sind.

Abb. A-1: Merkmale des Marketing (Meffert et al. 2012, S. 12-18)

2. Marketing als Managementprozess

Das Marketing als Managementprozess umfasst die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Marketingaktivitäten. Während dieses Prozesses sind permanent Marketingentscheidungen zu treffen, z.B.: Welche Zielgruppen werden angesprochen? Wie können die Bedürfnisse dieser Zielgruppen zufriedengestellt werden? Welchen einzigartigen Produktnutzen kann das Unternehmen anbieten? Welche Geschäfte sollen das Produkt führen? Zu welchem Preis wird die Leistung angeboten? Wie kann diese bei den Zielgruppen bekannt gemacht werden?

Am Ausgangspunkt jeder Marketingentscheidung steht die Analyse der Marketingsituation. Es geht um die aktuelle Bedingungslage des Unternehmens, der Konkurrenz und des Marktes (Abbildung A-2).

Die Situationsanalyse ist so gründlich wie möglich vorzunehmen. Denn sie stellt die Grundlage der Marketingkonzeption dar. Die Marketingkonzeption beinhaltet Festlegungen auf der Ziel-, Strategie- und Maßnahmenebene. Ausgangspunkt sind die Unternehmens- und Marketingziele als zukunftsbezogene Vorgaben. Die Marketingstrategie ist ein langfristiger, mehrjähriger Verhaltensplan. Sie kanalisiert und strukturiert die operativen, unterjährigen Maßnahmen innerhalb des Marketing-Mix mit Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik.

Abb. A-2: Situationsanalyse als Grundlage der Marketingkonzeption (Quelle der Konzeptionspyramide: Becker 2013, S. 4)

Dementsprechend gestaltet sich der Aufbau dieses Buchs:

Situationsanalyse und Marketingkonzeption sind Gegenstand der Kapitel

E (Situationsanalyse)

F (Marketingziele)

G (Marketingstrategien) und

H (Marketing-Mix).

Kapitel J

thematisiert Marketing-Controlling.

Zuvor werden die Grundlagen der Marketingentscheidung aus den Bereichen

Marktpsychologie (

Kap. B

)

Marketingforschung (

Kap. C

) und

Marktsegmentierung (

Kap. D

)

thematisiert.

GRUNDLAGEN DER MARKETINGENTSCHEIDUNG

B. Marktpsychologie

Die Marktpsychologie beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten der Menschen im Markt in ihrer Rolle als Anbieter oder Nachfrager (v. Rosenstiel, Neumann 2002, S. 51ff.). Es sind die Gütermärkte (z.B. Konsumgüter, Dienstleistungen) und nicht die Faktormärkte (Finanzmarkt, Arbeitsmarkt) gemeint. Letztere werden unter psychologischen Aspekten z.B. in der Personalmarkt- bzw. Finanzmarktforschung erörtert. Dieser Sichtweise von Marktpsychologie folgend kann zwischen der Psychologie des Angebots und der Psychologie der Nachfrage differenziert werden (Abbildung B-1).

Abb. B-1: Zusammenhang zwischen der Psychologie der Nachfrage und des Angebots (oberes Drittel der Abbildung in Anlehnung an v. Rosenstiel, Neumann 2002, S. 53)

Im Rahmen der Psychologie der Nachfrage wird das Erleben und Verhalten von Käufern erklärt. Auf der Grundlage der Erklärungsansätze können die Anbieter ihre Rückschlüsse für das Marketing ziehen und die Instrumente entsprechend gestalten (Psychologie des Angebots).

Im Rahmen dieses Kapitels geht es um die Psychologie der Nachfrage. Die Rückschlüsse dieser Erklärungen für das Marketing münden in einer entsprechenden Marketingkonzeption (Kapitel F, G und H).

1. Träger und Typen der Kaufentscheidung

In Abbildung B-2 sind die Träger von Kaufentscheidungen systematisiert. Die individuellen Kaufentscheidungen des Konsumenten stehen im Zentrum des Interesses der Käuferverhaltensforschung (Meffert 1992, S. 37ff.). Die Kaufentscheidungen von Einzelpersonen sind auch in Unternehmen möglich: Der Repräsentant trifft im Auftrag des Unternehmens die Kaufentscheidung – beispielsweise bei Büromaterialien – allein. Erklärungsansätze kollektiver Kaufentscheidungen berücksichtigen, dass mehrere Personen mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Bewertungskriterien am Kaufentscheidungsprozess teilnehmen und dieser arbeitsteilig vollzogen wird. Bei privaten Haushalten werden solche kollektiven Kaufentscheidungen in der Familie mit dem Partner oder mit Freunden getroffen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf individuelle Kaufentscheidungen des Konsumenten. Das Kaufverhalten des Buying Centers wird im Kapitel B.3.2 erörtert.

Abb. B-2: Grundtypen von Kaufentscheidungen (Quelle: Meffert 1992, S. 38)

Neben Art und Anzahl von Kaufentscheidungsträgern sind die Kaufentscheidungstypen wesentlich. Zur Typenbestimmung werden die kaufindizierten Verhaltensweisen berücksichtigt. Dies sind jene Aktivitäten der subjektiven Informationsgewinnung und -verarbeitung, die der Konsument zum Zweck der persönlichen Transparenz über das Produktangebot und die Produkteigenschaften ergreift. Von der Informationsgewinnung hängt es letztlich ab, welche Produkte oder Marken der Konsument in seinen Kaufentscheidungsprozess einbezieht und welche Produkteigenschaften er beurteilt. In Abbildung B-3 sind Kaufentscheidungstypen anhand des Kriteriums der kognitiven Kontrolle systematisiert.

Abb. B-3: Kaufverhaltenstypen in Abhängigkeit von der kognitiven Kontrolle

Die kognitive Kontrolle repräsentiert das Ausmaß der gedanklichen Auseinandersetzung mit der Kaufentscheidung, gewissermaßen das individuelle „Für und Wider“ einer Produktwahl. Bei echten extensiven Kaufentscheidungen sind die kognitive Beteiligung und der Informationsbedarf des Käufers besonders groß. Individuell relevante Entscheidungskriterien (z.B. Haltbarkeit, Sicherheit und Prestigenutzen eines Produkts) sowie der Vergleich von Produktalternativen verursachen eine relativ lange Entscheidungsdauer. Echte Kaufentscheidungen finden vor allem bei hochwertigen, langlebigen Gebrauchsgütern statt (z. B. Auto, Wohnung), bei denen sich der Käufer nicht auf bestehende Kauferfahrungen stützen kann. Demgegenüber greift der Käufer bei limitierten Kaufentscheidungen auf bewährte Problemlösungsmuster und Entscheidungskriterien zurück, die er durch Kauferfahrungen gewonnen hat (z.B. Ersatz einer Waschmaschine). So ist der kognitive Problemlösungsaufwand begrenzt. Für habituelle, gewohnheitsmäßig getroffene Kaufentscheidungen ist es charakteristisch, dass keine ausgeprägte Informationssuche stattfindet (z.B. Schuhkauf). Der Käufer verzichtet darauf, nach neuen Produktalternativen zu suchen und bleibt seiner Markenwahl treu. Der Impulskäufer reagiert spontan und affektgesteuert auf bestimmte Reize am Point of Sale (z.B. im Kassenbereich) und kontrolliert kaum ansatzweise seine Kaufentscheidung.

Eine weitere Typisierung von Kaufentscheidungen stammt von Ruhfus (1976, S.23). Typenbildende Kriterien sind der Grad der Kollektivität beim Einkauf (Individualentscheidung versus Kollektiventscheidung) und das Bestehen eines Kaufprogramms (vorhanden versus nicht vorhanden).

Typisch für Convenience Goods (Typ A; z.B. Seife) ist, dass die Kaufentscheidung allein getroffen wird und ein Kaufprogramm vorliegt, somit der Informationsbedarf entsprechend klein ist. Dies ist anders bei den Specialty Goods (Typ B; z.B. Wohnung). Wird eine solche Kaufentscheidung erstmalig getroffen, liegt noch kein Kaufprogramm vor und man benötigt die Unterstützung eines Kollektivs (z.B. Partner, Familie). Neben den Typen A und B gibt es noch den Mischtyp. Dies sind Shopping Goods (z. B. Schuhe), bei denen oft ein Kaufprogramm besteht und je nach individueller Bedürfnislage die kaufentscheidende Unterstützung des Kollektivs (z.B. Freunde) gesucht werden kann.

2. Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens

Um das Käuferverhalten in allen denkbaren Situationen zu erklären, müsste ein umfassendes, hochkomplexes Aussagesystem entwickelt und empirisch begründet werden. Solche Totalmodelle, die auf jedes käuferbezogene Marketingproblem anwendbar sind und alle denkbaren Bedingungskonstellationen umfassen, gibt es bislang nicht (Trommsdorff 2011, S. 27). Die pragmatisch ausgerichteten Partialmodelle beziehen sich auf einen bestimmten abgrenzbaren Problembereich (z. B. Beeinflussung von Einstellungen durch Werbung; Einfluss des Umweltbewusstseins auf das Konsumverhalten). Vereinfacht lassen sich bei den Partialmodellen die Gruppen der S-R- und S-O-R-Modelle unterscheiden (Abbildung B.4).

Abb. B-4: Forschungsansätze des Käuferverhaltens (Kroeber-Riel et al. 2013, S. 97)

2.1 S-O-R-Modell zur Erklärung des Käuferverhaltens

Zur Erklärung des Käuferverhaltens wird von drei unterschiedlichen Variablenklassen ausgegangen:

Die von außen auf den Organismus einwirkenden, beobachtbaren Reize oder Stimuli („

S

“)

Die beobachtbaren Verhaltensweisen oder Reaktionen („

R

“)

Die zwischen „S“ und „R“ intervenierenden Variablen, die als hypothetische Konstrukte (gedanklich konstruierte Hilfsgrößen) die nicht beobachtbaren psychischen Abläufe im Organismus („

O

“) abbilden.

Behavioristische Erklärungsansätze (S-R-Modelle) gehen nur von den beobachtbaren und messbaren Variablen des Käuferverhaltens aus („S“ und „R“). Die nicht beobachtbaren Variablen („O“) werden nicht untersucht. Sie bleiben somit im Dunkeln, weshalb man von sogenannten „Black Box“-Modellen spricht.

Neobehavioristische Erklärungsansätze (S-O-R-Modelle) beziehen zur Erklärung des Käuferverhaltens auch Aussagen über nicht-beobachtbare, interne Vorgänge im „O“ ein. Abbildung B-5 zeigt ein S-O-R-Modell mit den intra- und interpersonalen Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens.

Abb. B-5: S-O-R-Modell mit intra- und interpersonalen Bestimmungsfaktoren des Käuferhaltens (Struktur der intrapersonalen Faktoren vgl. Trommsdorff 2011)

Zu den intrapersonalen Erklärungsansätzen zählen verhaltensrelevante psychische Zustände und Prozesse (Trommsdorff 2011, S. 31f.). Psychische Zustände sind statische Erklärungsgrößen, z.B.: Welche Motive haben zum Kauf geführt?. Anhand von psychischen Prozessen als dynamische Erklärungsgrößen sollen Veränderungen erklärt werden, z.B.: Wie wird Aufmerksamkeit ausgelöst? Die Zustände werden im Kapitel B.2.22 und die Prozesse im Kapitel B.2.23 behandelt. Die interpersonalen Erklärungsansätze sind Gegenstand des Kapitels 2.3.

2.2 Intrapersonale Bestimmungsfaktoren

2.21 Neuroanatomische Grundlagen als Ausgangspunkt

Auf der Suche nach Erklärungen für das Käuferverhalten, die intrapersonal – also unsichtbar – sind, bietet es sich an, zunächst die wesentlichen Teile des Gehirns und deren Funktionen sowie das Sensorische System zu beleuchten. Dies erleichtert das Verständnis der inneren Reaktionen auf Marketing-Stimuli.

2.211 Wesentliche Teile des Gehirns und ihre Funktionen

Abbildung B-6 zeigt wesentliche Teile des Gehirns. Das Großhirn des Menschen nimmt etwa 80 Prozent der Gesamthirnmasse ein. Es besteht aus zwei Hälften (Hemisphären) und hat eine 3 bis 6 mm dicke Hirnrinde (Cortex). In den sensorischen Cortexarealen (Sinnesrinden) werden die jeweils eingehenden Sinnesreize für einige Sekunden gespeichert (Ultrakurzzeitgedächtnis), um eine Integration mehrerer Sinnesreize zu ermöglichen (z.B. Kombination des Sehens und Hörens). Sprache und Töne werden im seitlichen Schädelbereich verarbeitet, visuelle Reize im hinteren Bereich.

Abb. B-6: Das Gehirn

Der präfrontale Cortex (Stirnbereich) wird im Zusammenhang mit Aufmerksamkeit, Nachdenken, Entscheidung und Planung genannt und gilt als Sitz der Persönlichkeit. Aufgrund der komplexen Funktionen benötigt dieser Teil des Gehirns bis zu 25 Jahre, bis er völlig ausgereift ist. Im Stirnbereich ist die Verarbeitung von Inhalten des Arbeitsgedächtnisses (Speicherung von Informationen für wenige Sekunde bis zu einer halben Minute) verortet.

Bei den meisten Menschen ist die linke Hemisphäre vor allem für gesprochene und geschriebene Sprache sowie mathematische Fähigkeiten zuständig, während die rechte Hemisphäre mehr für räumliches Vorstellungsvermögen, kreative und musische Fähigkeiten verantwortlich ist. Der Balken (Corpus Callosum) besteht aus etwa 250 Millionen Nervenfasern. Er verbindet die beiden Hemisphären und dient zum Informationsaustausch zwischen diesen. Wird der Balken durchtrennt (sog. Split Brain), ist ein Austausch nicht mehr möglich.

Im Limbischen System (Abbildung B-7) entstehen Gefühle. Es ist eine Sammelbezeichnung für Teile des Großhirns und des Zwischenhirns, die wesentlich mit der Verarbeitung der Emotionen beschäftigt sind. Hierzu zählen Thalamus und Hypothalamus sowie Amygdala, Hippocampus und Nucleus Accumbens, wobei die letztgenannten drei Strukturen paarig angelegt sind.

Abb. B-7: Das Limbische System

Der Thalamus ist die Schalt- und Vermittlungsstation für Nervenerregungen aus den Sinnesorganen. Nachdem die Reize getrennt in der Schmeck-, Riech-, Seh-, Fühl- und Hörrinde verarbeitet wurden, gelangen sie in die Vordere Großhirnrinde. Der Thalamus entscheidet also, welche Informationen an das Großhirn weitergeleitet werden sollen, d.h. welchen Informationen Aufmerksamkeit geschenkt wird (Ausnahme ist die Geruchswahrnehmung, die direkt im Großhirn geschieht). Daher wird der Thalamus auch als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet. Während des Schlafs ist die Arbeit des Thalamus stark reduziert, weshalb die meisten Sinneseindrücke nicht mehr ins Bewusstsein gelangen. Im Traum ist allerdings das Limbische System sehr aktiv, weshalb die meisten Träume sehr gefühlsbetont sind.

Der Hypothalamus ist die Steuerzentrale für das autonome Nervensystem und das Hormonsystem. Er arbeitet mit der Amygdala zusammen: wenn diese beispielsweise Gefahr signalisiert, schüttet der Hypothalamus Adrenalin aus und versendet über das Nervensystem Signale an die Muskeln des Geängstigten, so dass dieser wegläuft. Neben Adrenalin produziert der Hypothalamus Sexual- und Wachstumshormone sowie Endorphine (zusammengesetzt aus „endogen“ und „Morphin“, d.h. vom Körper selbst produzierte Opioide). Diese werden beispielsweise bei positiven Erlebnissen und Gefühlen produziert (z.B. „Runners´ High“ beim Langstreckenlauf; Freude über einen besonderen Preisvorteil beim Kauf).

Die Amygdala (lat. Mandelkern) spielt eine wesentliche Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Informationen, Mimik und Körperhaltung. Sie verbindet neue Informationen mit Emotionen, löst bei Gefahr Angst aus und setzt die entsprechenden Hormone frei. Zudem selektiert und leitet die Amygdala Informationen an das Langzeitgedächtnis in der Großhirnrinde.

Der Hippocampus wird wegen seiner Form nach dem lateinischen Seepferdchen benannt. Er ist ein Teil der Hirnrinde und liegt am inneren Rand des Schläfenlappens. Neue Sinneseindrücke werden durch ihn geprüft und sortiert. Danach durchlaufen sie eine Abfolge weiterer Gehirnstrukturen. Dieser Kreislauf, der Papez-Kreis genannt wird, macht das Kurzzeitgedächtnis aus (dort werden Informationen für einige Stunden aufrechterhalten).

Damit die Eindrücke im Papez-Kreis nicht verloren gehen, müssen sie wiederholt oder durch Verknüpfungen mit Emotionen verstärkt werden. Die erhalten gebliebenen Eindrücke ruft der Hippocampus erneut ab und überträgt sie in die jeweiligen Sinnesrinden des Langzeitgedächtnisses (Speicherung für Wochen, Monate, ein Leben lang). Die dort eintreffenden Inhalte werden in Netzwerke bzw. Schemata vorhandener Inhalte integriert.

Hauptaufgabe des Nucleus Accumbens ist die Regulierung des Belohnungssystems bei positiven Reizen, beispielsweise angeregt durch Süßigkeiten, gesunde Ernährung, Liebesgefühle, Drogen, wodurch wiederum Dopamin ausgeschüttet wird. Dopamin dient im Gehirn zur Kommunikation der Nervenzellen (Botenstoff bzw. Neurotransmitter) und kann positive Gefühlserlebnisse vermitteln (Belohnungseffekt). Daher wird der Nucleus Accumbens als positives Belohnungssystem bezeichnet. Belohnung kann beispielsweise ein Geldgewinn, ein kulinarischer Genuss oder ein Lob als Zeichen der Anerkennung sein.

Eine Studie hat gezeigt, dass als attraktiv beurteilte Werbeanzeigen eine belohnende Wirkung im Gehirn entfalten (Plassmann 2007; Kenning 2019, S. 24). Es wurde anhand der Magnetresonanztomographie MRT (ein Verfahren zur Bildgebung der Hirnaktivität) die neurale Wirkung von realen Anzeigen unterschiedlicher Attraktivität miteinander verglichen. Eine durch die Attraktivität ausgelöste Hirnaktivierung zeigte sich insbesondere beim Nucleus Accumbens. Diese belohnende Wirkung attraktiver Anzeigen könnte eine Erklärung dafür sein, warum sie mehr visuelle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und damit verbunden besser erinnert werden.

Weitere Studien mit hirnbildgebenden Verfahren haben u.a. die Abläufe im Gehirn bei echten Kaufentscheidungen untersucht. Demnach sind vier Impulse beziehungsweise Strukturen für die Durchführung einer Kaufentscheidung bedeutsam (Kenning 2019, S. 26):

Der dem Produkt oder der Marke vom Gehirn beigemessene

Belohnungswert

(z.B. in Form von Produktnutzen, siehe

Kapitel H. 1.1

);

Der durch die Kaufentscheidung empfundene

Preisschmerz

(ablesbar an der Aktivierung der Insula, einer Struktur der Großhirnrinde; beispielsweise wenn sich der Käufer das gewünschte Produkt nicht leisten kann).

Die Integration dieser beiden Impulse im

präfrontalen Cortex

, wo auch die Selbstkontrolle verortet ist (z.B. Abwägen von Produktalternativen).

Situative Faktoren

, die einen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben können (z.B. Abgleich von Preisen mit Referenzpreisen; siehe

Kapitel H.2.22

).

2.212 Sensorisches System

Sensorische Informationen übernehmen die Aufgabe, das Gehirn ständig über die Außenwelt zu informieren. Alle Sinnessysteme sind ähnlich aufgebaut: die Stimuli der Außenwelt werden neural encodiert und in die „Sprache des Gehirns“ übersetzt (Kenning 2014, S. 48ff.). Die meisten Eindrücke, die das Gehirn über die Außenwelt erhält, werden durch den Sehsinn vermittelt. So sind etwa 60 Prozent der Großhirnrinde daran beteiligt, visuelle Reize zu verarbeiten. Die visuelle Wahrnehmung ist ein konstruktiver, schöpferischer Prozess. Dieser aktive Prozess ermöglicht beispielsweise, gleiche Dinge auch in unterschiedlichen Kontexten (z.B. Perspektive, Beleuchtung) als gleich zu erkennen. Stimmen die objektiv-physikalischen Gegebenheiten einer Reizvorlage nicht mit den Wahrnehmungsurteilen der Reizvorlage überein (z.B. hinsichtlich Beschaffenheit, Größe, Richtung der Reizvorlage), kommt es zu optischen Täuschungen (Abbildung B-8).

Abb. B-8: Beispiele für optische Täuschungen

Bei der Müller-Lyer-Täuschung erscheinen zwei objektiv gleichlange Linien durch die Streckung bzw. Stauchung der angewinkelten Linien ungleich lang. Bei der Railway-Illusion (auch Ponzo-Linie genannt) wirkt die obere Linie deutlich breiter als die untere, da das Gehirn das Bild dreidimensional konstruiert und entsprechend annimmt, dass die beiden schrägen Geraden nach hinten ins Bild hineinlaufen (wie bei einer Eisenbahnlinie) und somit die näherliegende Linie kleiner ist als die weiter entfernt liegende. Tatsächlich sind beide Linien gleich lang.

Das auditive System wandelt Druckwellen in Geräusche um und kann die jeweilige Geräuschquelle lokalisieren. Die mechanische Bauweise des Gehörorgans ermöglicht, Töne zwischen 20 Hertz (Infraschallgrenze) und 20.000 Hertz (Ultraschallgrenze) zu hören. Akustische Reize werden im Marketing dergestalt eingesetzt, dass z.B. ein Jingle (kurze einprägsame Erkennungsmelodie) oder ein Lied unverwechselbar mit einer Marke verbunden und in der Werbung oder am Verkaufsort eingesetzt wird (z.B. Telekom-Jingle; Lied „Sail away“ in der Kommunikation der Marke Beck´s). Diese akustische Markenführung wird als Sound Branding bezeichnet.

Der Tastsinn übermittelt die vier Reizarten Berührung, Druck, Temperatur und Schmerz. Da die meisten Zellen nur für eine bestimmte Reizart zuständig sind, reagieren beispielsweise Zellen, die Berührungen übermitteln, nicht auf Druck. Reaktionen auf die Reizarten erfolgen dann, wenn eine ganze Hautregion (rezeptives Feld) gereizt wird. Daher basiert die Reaktion auf eine Berührung mit einem Gegenstand nicht auf der Erregung einzelner, sondern vieler Zellen. Im Marketing ist die Haptik (Fühlen, Tasten) von Produkten und Verpackungen bedeutsam. Beispielsweise werden durch die Gestaltung von Materialoberflächen Emotionen und Erlebnisse geschaffen. So erzeugen weiche Stoffe Gefühle der Behaglichkeit und des Luxus (z.B. Seide), während Jeansstoffe als praktisch und langlebig eingeschätzt werden (Solomon et al. 2016, S. 135; Burmann et al. 2018, S. 210). Die Haptik eines Produktes kann auch durch Stellvertreter-Reize vermittelt werden (z.B. Bild eines sich wohlfühlenden Menschen in „kuschelweicher“ Bekleidung in der Werbung für einen Weichspüler).

Das Riechen geschieht über tief in der Nasenhöhle liegende Rezeptoren. Im Vergleich zu den anderen Sinnen weist der Geruchssinn die Besonderheit auf, dass Gerüche unmittelbar wirksam sind (und nicht über den Thalamus in das Bewusstsein gelenkt werden). Der Einsatz von Düften als Marketing-Stimulus (z.B. Raumdüfte in Hotels oder in Bekleidungsgeschäften; Düfte von frischen Brötchen oder frischem Obst und Gemüse im Supermarkt) folgt der Vermutung, dass sich Düfte auf den emotionalaffektiven Zustand von Kunden kaufanregend auswirken.

Beim Vorgang des Schmeckens reagieren die auf der Zunge angesiedelten Geschmacksknospen chemisch auf die in Speisen gelösten Substanzen. Die chemischen Reaktionen werden in elektrische Signale umgewandelt und über die Geschmacksnerven dem Gehirn zugeleitet. Jeder Geschmacksrezeptor ist für eine der fünf Geschmacksqualitäten (süß, sauer, salzig, bitter, umami bzw. herzhaft) zuständig. Als weitere Geschmacksqualitäten werden „fetthaltig“ und „metallisch“ diskutiert. Geschmacks- und Geruchssinn gehören eng zusammen. So kann man vor dem Genuss von Speisen durch Riechproben feststellen, wie die Speise schmecken wird.

2.22 Verhaltensrelevante psychische Zustände

Der Zusammenhang zwischen den verhaltensrelevanten psychischen Zuständen geht aus Abbildung B-9 hervor. Die Folge der Konstrukte „Aktivierung/Involvement“ bis „Einstellung“ ist durch zunehmende Komplexität im Sinne einer Anreicherung mit kognitiven Elementen gekennzeichnet. Kognitionen werden für den Verwendungszusammenhang im Marketing definiert als subjektives Wissen, das bei Bedarf zur Verfügung steht (Trommsdorff 2011, S. 75f.). Das verfügbare Wissen umfasst sowohl die intern beim Menschen gespeicherten Informationen, die er abruft (Erinnern) als auch die externe Information, die er wahrnimmt (Aufnehmen).

Abb. B-9: Verhaltensrelevante psychische Zustände (angelehnt an Trommsdorff 2009, S. 32)

2.221 Aktivierung und Involvement

Aktivierung lässt sich generell als Zustand der Erregung oder inneren Spannung umschreiben. Sie ist notwendig, um den Menschen in Leistungsbereitschaft zu versetzen und befähigt ihn, zu denken, zu fühlen und zu handeln. Je mehr eine Person aktiviert wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf einen Stimulus (z.B. Werbeanzeige) reagiert und eine intensive Reaktion zeigt (z.B. Person liest den Anzeigentext und denkt über das Gelesene nach).

Diesen positiven Zusammenhang zwischen Aktivierung und Leistung (z.B. Werbeanzeige lesen, Produkt kaufen) zeigt der in Abbildung B-10 dargestellte linke Teil der Kurve (bis zum Wendepunkt), die wegen ihres umgekehrt U-förmigen Verlaufs umgekehrte U-Hypothese oder Lambda-Hypothese heißt.

Abb. B-10: Zusammenhang zwischen Aktivierung und Leistung (umgekehrte u-Hypothese); in Anlehnung an Trommsdorff, Teichert 2011, S. 43

Das Ausmaß der Aktivierung reicht vom Tiefschlaf mit geringer Aktivierung bis zur höchstaktivierenden Panik. Bei übermäßiger Aktivierung wird die Leistungsfähigkeit vermindert. In einer Paniksituation kann die betroffene Person sogar leistungsunfähig sein. Unter Marketinggesichtspunkten ist relevant, dass sich der Grad der Aktivierung auf nahezu alle Prozesse des Erwerbs und der Verarbeitung von Informationen über Produkte, Marken, Unternehmen etc. auswirkt.

Man unterscheidet die tonische und die phasische Aktivierung. Die tonische Aktivierung beinhaltet insbesondere den tageszeitlichen Phasenverlauf der Leistungskurve und variiert über die Zeit nur langsam. Die phasische Aktivierung ist als Reaktion auf einen spezifischen aktivierenden Reiz zu verstehen.

Im Rahmen des Marketings gilt, sich den tonischen Aktivierungszuständen anzupassen und die phasische Aktivierung durch gezielte Marketingstimuli zu steuern (Trommsdorff 2011, S. 44). Sollen beispielsweise wichtige Unternehmensnachrichten einer Teilöffentlichkeit übermittelt werden, geschieht dies unter Berücksichtigung der tonischen Aktivierung) vorzugsweise zu Tageszeiten, wo die anzusprechende Teilöffentlichkeit für medienübermittelte Botschaften empfangsbereit ist (z.B. tagsüber via Internet und Hörfunk sowie in den Abendstunden zu den festgelegten Sendezeiten des Fernsehens für tagesaktuelle Nachrichten). Im Hinblick auf die phasische Aktivierung sind alle Marketingstimuli (z.B. Werbeanzeige, Produktinformation, Sonderpreis auf rotem Etikett) darauf auszurichten, die angesprochene Person zu aktivieren, also in Leistungsbereitschaft zu versetzen, sich mit dem Reiz bzw. der Botschaft näher zu beschäftigen.

Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Aktivierung eines Menschen und seinem Involvement. Involvement beinhaltet das gedankliche Engagement und die entsprechende Aktivierung, mit der sich jemand einem Sachverhalt oder einer Aktivität zuwendet. Je nach Ursache unterscheidet man vier Involvementarten (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 413f.; Trommsdorff, Teichert 2011, S. 50ff.).

Menschen haben unterschiedliche Persönlichkeitszüge (Werte, Ziele, subjektive Bedürfnisse wie z.B. Einkaufsmotive). Je stärker ein Objekt die zentralen persönlichen Eigenschaften berührt, desto höher ist das ausgelöste

personenspezifische Involvement

(z.B. Intensivbetreiber eines Hobbies).

Das

Produktinvolvement

resultiert aus dem individuellen Interesse, das bestimmten Produktkategorien entgegengebracht wird. Dies hängt auch von dem individuellen Kulturkreis und Lebensstil ab. Generell lassen sich viele Versorgungskäufe mit einer Low-Involvement-Grundhaltung der Käufer erklären. Produkte, die mit einem erhöhten Kaufrisiko (z.B. technischer Art) einhergehen, lösen beim Kaufentscheider ein hohes Involvement aus, das ihn veranlasst, zusätzliche Informationen zu beschaffen (z.B. Angaben zu Produkttests). Die leidenschaftliche, sehr emotionale Hingabe eines Konsumenten zu einem Produkt oder einer Marke wird als „Consumer Devotion“ bezeichnet.

Mit dem

Medieninvolvement

ist die spezifische Kommunikationsweise eines Mediums gemeint. Bei Low-Involvement-Medien (elektronische Medien, z.B. Fernsehen) ist es möglich, die Informationen passiv, also bildhaft-episodisch-ganzheitlich aufzunehmen. Printmedien benötigen eher High-Involvement, da Lesen eine aktive Beteiligung erfordert. Das Internet ist ein High-Involvement-Medium, denn die aktive Informationssuche benötigt ein besonderes Maß an gedanklicher Aktivität.

Die botschaftsbedingte Hinwendung zur Werbung wird als

Botschaftsinvolvement

bezeichnet. Dabei geht es nicht um die subjektive Bedeutung von Produkteigenschaften, sondern um die erzählte Story bzw. den Unterhaltungs- oder ästhetischen Wert der Werbung. Botschaftsinvolvement kann durch bestimmte Appelle der Werbebotschaft ausgelöst werden, die bestimmte Gefühlsstrukturen ansprechen. Hierzu zählen Appelle mit Schlüsselreizen (Darstellung kleiner Kinder oder junger Tiere, sog. „Kindchenschema“), Appelle an Humor (Witz, Ironie, Übertreibung) und Slice-of-Life-Appell (Szenen aus dem Alltag, z.B. Familie beim Frühstück).

Involvement variiert auch

situationsspezifisch

. So kann die alltägliche, gering involvierende Konsumsituation des routinemäßigen Lebensmittel- und Getränkeeinkaufs zu einer besonderen Konsumsituation werden, wenn anlässlich der Einladung von Geschäftsfreunden eine „passende“ Bewirtung erfolgen soll. Beispiele für weitere situative Faktoren sind der Zeitdruck beim Einkauf und die geographisch limitierte Verfügbarkeit von Einkaufsstätten.

2.222 Emotionen

Emotionen sind innere Erregungszustände, die mehr oder weniger bewusst als angenehm oder unangenehm erlebt werden und häufig anhand der Mimik und Gestik beobachtbar sind. Die Qualität der Emotion entsteht durch die gedankliche (kognitive) Interpretation der physiologischen Erregung. Izard (1994, zitiert bei Kroeber-Riel et al. 2009, S. 114) unterscheidet zehn Basisemotionen, die je nach Intensität der Emotion mit jeweils zwei Begriffen benannt werden (der erste Begriff bezeichnet die jeweils schwächere Ausprägung):

Interesse – Erregung („interest“)

Vergnügen – Freude („joy“)

Überraschung – Schreck („surprise“)

Traurigkeit – Schmerz („sadness“)

Zorn – Wut („anger“)

Ekel – Abscheu („disgust“)

Geringschätzung – Verachtung („contempt“)

Furcht – Entsetzen („fear“)

Scham – Erniedrigung („shame“)

Schuld – Reue („guilt“).

Aus dem Blickwinkel des Marketings ist die Analyse emotionaler Vorgänge in zweifacher Hinsicht bedeutsam: Zum einen verhalten sich Konsumenten selten rational, sondern eher impulsiv und emotional. Zum anderen wird die Emotionalisierung des Konsums immer wichtiger, um sich deutlich von der Konkurrenz abzuheben, vor allem wenn die angebotenen Leistungen technisch-funktional austauschbar sind (z.B. homogene Güter wie Mineralwasser, Milchprodukte). Dabei übernehmen Emotionen unterschiedliche marketingrelevante Funktionen. Emotionen

sind eine Folge des Marketing, wenn z.B. eine humorvolle, emotionale Werbung beim Betrachter Freude auslöst

können Ursache des Entscheidungsverhaltens sein, wenn die Freude über das Angebot eines schon lange gesuchten Produkts zu dessen ungeplantem Kauf führt

können einen Erklärungsbeitrag für Verhalten liefern: So wird z.B. die Verweildauer in einem Geschäft durch die wahrgenommene Originalität der Ladengestaltung und die so ausgelöste Freude beeinflusst.

2.223 Motive

Motive sind als Emotionen zu verstehen, die mit einer (kognitiven) Zielorientierung für das individuelle Verhalten verbunden sind. Motive versorgen den Konsumenten mit Energie und richten sein Verhalten auf ein Ziel aus. Insofern beantworten sie die Frage, warum der Konsument ein bestimmtes Produkt kauft, sich über das Produkt beschwert, es an Freunde weiterempfiehlt etc. Motive lassen sich vielfältig klassifizieren. Man unterscheidet beispielsweise primäre und sekundäre Motive.

Mit primären Motiven sind die angeborenen Bedürfnisse wie z.B. Hunger und Durst gemeint, die der Mensch stillen muss, um existieren zu können. Die im Laufe des Sozialisationsprozesses erworbenen sekundären Motive zeigen dem Menschen, wie er seine primären Motive erfüllen kann (z.B. Gelderwerb als sekundäres Motiv, um das primäre Motiv Hunger zu stillen). Weitere sekundäre Motive, die für das Individuum wichtig sein können, sind beispielsweise das Macht- und Statusstreben.

Abbildung B-11 zeigt die Klassifikation von Bedürfnissen nach Maslow. Die vier unteren Bedürfnisstufen beinhalten Defizitbedürfnisse, die das Individuum bei auftretendem Mangel zufriedenstellen möchte. Jede nächsthöhere Stufe wird erst dann erreicht, wenn die Bedürfnisse der darunter liegenden Stufen zu einem Mindestmaß erfüllt sind. Diese Dringlichkeitsordnung menschlicher Bedürfnisse ist schon vielfach einer kritischen Würdigung unterzogen worden.

Abb. B-11: Bedürfnispyramide nach Maslow (Quelle: Kroeber-Riel et al. 2009, S. 171)

Anders als in diesem Modell angenommen ist von formbaren und entwicklungsfähigen Motiven auszugehen, die auch situativ beeinflusst werden. So sind die Motive der Zeitersparnis und Bequemlichkeit beim Einkauf abhängig von der Kaufsituation, wenn beispielsweise das gewünschte Produkt im Geschäft nicht verfügbar ist und die Person keine Zeit hat, in anderen Geschäften danach zu suchen.

Shopping-Motive sind „zielorientierte Antriebskräfte eines Konsumenten, die er durch den Einkauf zu befriedigen sucht“ (Schröder 2005, S. 73). Sie werden situationsspezifisch gebildet, so dass derselbe Konsument je nach Kaufkanal (Geschäft; Internet) unterschiedliche Kaufmotive aufweisen kann.

Abbildung B-12 zeigt relevante Shoppingmotive im Kontext des gewählten Kaufkanals. Sind die Motive eines Konsumenten widersprüchlich, kommt es zu motivationalen Konflikten. Einen solchen erlebt z.B. der Konsument, der vor der Entscheidung eines Autokaufs steht. Durch sein Motiv, eine bestimmte Budgetgrenze nicht zu überschreiten, ist er bestrebt, Marke A zu kaufen. Sein Sicherheitsmotiv lässt ihn jedoch ein Fahrzeug der Marke B präferieren, das sicherheitsbetont ausgestattet ist (z.B. Abstands- und Hinderniswarnsystem) und einen höheren Preis hat.

Abb. B-12: Relevante Shopping-Motive im Kontext des gewählten Kaufkanals Geschäft oder Internet (in starker Anlehnung an Ehrlich 2011, S. 55)

Angesichts der beiden sich widerstrebenden Verhaltenstendenzen ist der Konsument in der Entscheidungssituation verunsichert. Solche Motivkonflikte bieten Anbietern die Möglichkeit, den Konsumenten zu beeinflussen. Die Produkteigenschaft kann positiv herausgestellt werden (die Sicherheit gebenden Warnsysteme). Eine weitere Möglichkeit bietet die zweiseitige Argumentation, wenn der höhere Preis des Autos angesprochen und mit der zusätzlichen Sicherheit begründet wird.

2.224 Einstellungen, Werte und Images

Die Einstellung eines Individuums ist seine Bereitschaft (Prädisposition), auf bestimmte Reize der Umwelt konsistent positiv oder negativ zu reagieren. Einstellungen entsprechen Motivationen, die mit einer kognitiven Objektbeurteilung verknüpft sind. Objekte von Einstellungen sind Sachen (z.B. Produkte, Marken, Unternehmen), Personen oder Themen (z.B. Umweltschutz). Das Individuum macht Erfahrungen mit den Objekten, entwickelt Urteile und Meinungen, die in der Einstellung zum Objekt münden.

Das Konstrukt Einstellung kann in drei Komponenten zerlegt werden (sog. Drei-Komponenten-Theorie; Kroeber-Riel et al. 2009, S. 217f.):

Die

affektive

Komponente enthält die mit einer Einstellung verbundene gefühlsmäßige Einschätzung eines Objekts.

Die

kognitive

Komponente umfasst die mit der Einstellung verbundenen Gedanken (subjektives Wissen) über das Einstellungsobjekt.

Die

konative

Komponente bezieht sich auf die mit der Einstellung verbundene Verhaltensabsicht (z.B. Kaufbereitschaft).

Marketingrelevant ist die Tendenz, dass die Kaufwahrscheinlichkeit bei einem Produkt oder einer Dienstleistung umso höher ausfällt, je positiver die Einstellung zu diesem Produkt oder der Dienstleistung ist (Einstellung beeinflusst das Verhalten). Allerdings muss dies nicht so sein. So kann ein Konsument gegenüber einer exklusiven Automobilmarke eine positive Einstellung haben, entscheidet sich jedoch aufgrund finanzieller Restriktionen für eine andere Marke. Zudem ist es möglich, dass erst das Kaufverhalten einsetzt und dann rückwirkend eine Einstellung gebildet wird (Verhalten beeinflusst die Einstellung). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Konsument in einer Produktkategorie seine sonst von ihm präferierten Marken nicht vorfindet und eine ihm bislang unbekannte Marke erwirbt.

Als Wert bezeichnet man das konsistente System von Einstellungen („Über-Einstellung“). Werte sind überdauernde Überzeugungen mit normativer Verbindlichkeit. Sie rufen im Individuum die Bereitschaft hervor, sich einer ganzen Klasse von Einstellungsobjekten gegenüber positiv oder negativ zu verhalten (Trommsdorff, Teichert 2011, S. 152). Beispielsweise beeinflusst der Wert eines Individuums „gesund leben“ dessen Ernährung, Sport- und Freizeitgestaltung, Wahl des Fortbewegungsmittels etc.

Werte können auf drei unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein (Vinson et al. 1977, S. 44ff.; Meffert et al. 2015, S. 126). Globale Werte sind Grundorientierungen wie Gerechtigkeit und Sicherheit, die sich auf gewünschte Existentialzustände und Verhaltensweisen beziehen. Von ihnen hat das Individuum Dutzende. Im Hinblick auf Autos können Grundorientierungen wie Freiheit, persönliche Entfaltung und Lebensqualität durch Mobilität bedeutsam sein. Mit bereichsspezifischen Werten sind Überzeugungen gemeint, die sich auf konsumbezogene Aspekte beziehen (z.B. Konsumfreiheit, Flexibilität hinsichtlich der Produktwahl). Von ihnen hat das Individuum Hunderte. Auf der Ebene der produktbezogenen Bewertungen (Einstellungen) beziehen Konsumenten ihre Werte auf bestimmte Produkte. Beispielsweise spielen bei der Bewertung von Automobilen Werte wie Sicherheit, Umweltfreundlichkeit und Sparsamkeit eine Rolle.

Das Image eines Objekts (Produkt, Marke, Unternehmen) ist als mehrdimensionales Einstellungskonstrukt zu verstehen. Das Individuum verdichtet seine wertenden Eindrücke von dem Objekt zu einem subjektiven ganzheitlichen Vorstellungsbild (Trommsdorff 1998, S. 152f.). Aus Anbietersicht wird ein positives, einheitliches Image in der Zielgruppe angestrebt. Die tatsächlichen Einstellungen der Konsumenten zu Produkt oder Dienstleistung („Istimage“) sind den Vorstellungen eines idealen Produkts bzw. einer idealen Dienstleistung („Sollimage“) anzugleichen. Dies geschieht durch die Positionierung von Produkten, Marken oder Dienstleistungen im Wahrnehmungsraum der Konsumenten (s. Kapitel H.4.1 Kommunikationsziele).

2.225 Zufriedenheit

Bei einem Kunden entsteht Zufriedenheit, wenn er seine aktuellen Erfahrungen durch die Nutzung eines Produkts (wahrgenommene Ist-Leistung) mit seinen Erwartungen vergleicht (Soll-Leistung bzw. Leistungserwartung). Dem Confirmation-Disconfirmation-Paradigma folgend können Ist- und Soll-Leistung sich entsprechen und es kommt zur Bestätigung der Erwartungen (Confirmation), weshalb der Kunde zufrieden ist. Besonders hohe Zufriedenheit (positive Disconfirmation) entsteht, wenn die vom Kunden erwartete Leistung von der tatsächlichen übertroffen wird. Der Kunde ist unzufrieden, wenn die Erwartungen von den Ist-Leistungen nicht erfüllt werden (negative Disconfirmation).

Stimmen erwartete und tatsächlich erlebte Leistung überein, ist der Kunde indifferent, also weder besonders zufrieden noch unzufrieden („zone of indifference“, Woodruff et al. 1983, S. 299). Erst außerhalb der Zone ist es möglich, positive oder negative Gefühle hervorzurufen. Allerdings kann es sein, dass Kunden nicht besonders zufrieden sind, wenn ihre Erwartungen übertroffen werden, sondern nur ihre Erwartungen erhöhen. Es entsteht progressive Kundenzufriedenheit (Schambacher, Kiefer 2003, S. 11). Dieser Vergleich zwischen Soll- und Ist-Leistung wird beeinflusst durch die Bedürfnisstruktur des Kunden und seine Erfahrungen mit dem Produkt, durch den Meinungsaustausch mit Freunden, Bekannten und Kollegen sowie die Kommunikation des Anbieters (z.B. Werbung).

Während der Confirmation-Disconfirmation-Ansatz Kundenzufriedenheit als Resultat eines kognitiven Vergleichs von Ist- und Soll-Leistung interpretiert, kann Kundenzufriedenheit auch als Einstellung gegenüber einem Objekt angesehen werden. Die kognitive Komponente impliziert die Meinungsbildung über ein Produkt bzw. eine Dienstleistung und die emotionale Komponente beinhaltet die bei der Bewertung von Produkt oder Dienstleistung auftretenden Gefühle. Im Unterschied zur Einstellung setzt die (Un-)Zufriedenheit eine direkte Produkterfahrung voraus.

2.23 Verhaltensrelevante psychische Prozesse

Den Prozessen des Konsumentenverhaltens liegt das sogenannte Drei-Speicher-Modell zugrunde (Abbildung B-13).

Abb. B-13: Informationserwerb im Drei-Speicher-Modell (Struktur in Anlehnung an Trommsdorff 1998, S. 238)

2.231 Informationsaufnahme und -verarbeitung

Die Informationsaufnahme umfasst jene Vorgänge, die zur Weiterverarbeitung einer Information in den Kurzzeitspeicher führen. Die auf das Individuum treffenden Reize (z.B. Werbung, Produkt, Marke) werden von den Sinnesorganen aufgenommen und gelangen in das Ultrakurzzeitgedächtnis (auch sensorischer Speicher genannt), wo sie für kurze Zeit zwischengelagert und in bioelektrische Impulse umgewandelt werden. Da im sensorischen Speicher noch keine Reizselektion vorgenommen wird, ist die Speicherkapazität sehr groß, die Speicherlänge jedoch sehr klein (0,1 bis zwei Sekunden).

Im Kurzzeitgedächtnis werden die wahrgenommenen Reize entschlüsselt, verarbeitet, interpretiert und als Informationen mit dem Wissen und den Erfahrungen des Langzeitgedächtnisses verglichen. Das Kurzzeitgedächtnis hat nur eine begrenzte Kapazität. Daher werden die Informationen entweder nach einigen Sekunden (aus dem Arbeitsgedächtnis) bzw. Stunden (aus dem Kurzzeitgedächtnis) gelöscht oder im Langzeitgedächtnis gespeichert.

Die Informationsaufnahme setzt voraus, dass sich die Sinne der Reizquelle zuwenden (z.B. Kopfdrehung zum Gesprächspartner; Betrachtung des TV-Bildschirms). Das Reizangebot ist wesentlich größer als die Verarbeitungskapazität. Diese Reizflut überlastet den Menschen und zwingt ihn, nur die subjektiv wichtigen Informationen zu selektieren und aufzunehmen (selektive Zuwendung). Ein aktiver Prozess der selektiven Informationsverarbeitung ist die Wahrnehmung. Die aufgenommenen Sinneseindrücke werden von der Person entschlüsselt und bekommen eine subjektive Bedeutung. Aus dem Blickwinkel des Marketings ist nicht das objektive Angebot von Produkten oder Dienstleistungen entscheidend, sondern dessen subjektive Wahrnehmung und Beurteilung durch den Konsumenten. Zudem nimmt der Mensch nur solche Reize wahr und verarbeitet sie, auf die er aufmerksam wurde. Dies geschieht nur dann, wenn die Reize seinen latent vorhandenen Bedürfnissen und Wünschen entsprechen. Marketingreize, die der Konsument wahrnehmen soll, müssen seine Bedürfnisse ansprechen und so seine Aufmerksamkeit erzeugen.

Neben der bewussten gibt es auch die unbewusste Wahrnehmung. Diese liegt vor, wenn Reize sehr schwach sind (z.B. visuelle Reize, die nur wenige Millisekunden andauern) oder Reize nur beiläufig aufgenommen werden, weil zu viele andere Reize die Aufmerksamkeit des Konsumenten beanspruchen.

2.232 Informationsspeicherung

Der Vorgang des Lernens bezieht sich auf die Übernahme von Informationen in das Langzeitgedächtnis (Informationsspeicherung). Man unterscheidet deklaratives und prozedurales Gedächtnis (Abbildung B-14). Das explizite deklarative Gedächtnis umfasst Wissen über Fakten und Erlebnisse, die bewusst abrufbar und sprachlich deklarierbar sind (z.B. Wissen über Produkte und Konsumerlebnisse).

Abb. B-14: Deklaratives und prozedurales Gedächtnis

Das deklarative Gedächtnis lässt sich nochmals unterteilen in semantisches Gedächtnis, das sich auf Sachwissen ohne zeitlich-räumlichen Bezug bezieht (z.B.: „VW ist eine Automarke.“) und episodisches Gedächtnis, womit das Wissen persönlicher, räumlich und zeitlich festgelegter Ereignisse gemeint ist (z.B.: „Ich habe neulich eine Probefahrt mit dem aktuellen Modell des VW Golf unternommen.“). Das implizite prozedurale Gedächtnis beinhaltet Muster motorischer und quasi „automatisch“ ablaufender Handlungen (z.B. Schwimmen, Auto-/ Fahrradfahren) und „unbewusstes“ Verhalten ohne aktualisierenden Rückgriff auf das Arbeitsgedächtnis (z.B. gesteigerte Aufmerksamkeit beim Klingelton). Zum impliziten Gedächtnis gehört auch das perzeptuelle Gedächtnis. Es ermöglicht ein Wiedererkennen bereits bekannter Muster (z.B. Haus) anhand der gespeicherten Merkmale (Dach, Tür, Fenster), auch wenn man nicht alle jemals gesehenen Häuser im Gedächtnis hat, sondern nur die unverkennbaren Merkmale. Beim sogenannten Priming werden durch einen wahrgenommenen Reiz (z.B. Stichwort, Muster, Marke) vorhandene Gedächtnisinhalte aktiviert. Dies erleichtert die weitere Reizverarbeitung.

Diese Gedächtnissysteme stehen in einer hierarchischen Ordnung zueinander und strukturieren den Prozess der Informationsverarbeitung (Abbildung B-14).

Abb. B-15: Gedächtnissysteme im Zusammenhang mit der Markenwirkung (Quelle: in enger Anlehnung an Bielefeld 2012, S. 213, Meffert et al. 2019, S. 106)

Bielefeld differenziert zusätzlich noch das emotionale und das autobiografische Gedächtnis und verknüpft jedes Gedächtnissystem mit Beispielen zur Markenwirkung. Eng verbunden mit der emotionalen Aufladung einer Marke im emotionalen Gedächtnis sind die Konzepte der emotionalen Konditionierung und des Storytellings. Ausgangspunkt ist die klassische Konditionierung, wonach jeder Mensch aufgrund angeborener Reflexe quasi „automatisch“ auf bestimmte Umweltreize reagiert (Stimulus-Response-Verknüpfung, z.B. Kindchenschema: Abbildung eines Kleinkindes und Reaktion, das Kind niedlich zu finden). Werden diese Reize mit neutralen Reizen (z.B. Markenzeichen eines Zwibackherstellers) kombiniert, kann nach einer Zeit des Lernens die Marke als neutraler Reiz auch ohne gleichzeitiges Auftreten des ursprünglichen Stimulus (Kleinkindabbildung) die Reaktion auslösen, den Zwiback der gelernten Marke kaufen zu wollen. Handelt es sich um emotional aufgeladene Reize (z.B. kleine Kinder, junge Tiere, schöne Menschen, Naturlandschaften), spricht man von emotionaler Konditionierung. Sie kann dazu beitragen, einen Wettbewerbsvorteil in Form einer einzigartigen emotionalen Produktdifferenzierung im Konkurrenzumfeld aufzubauen. Dies ist vor allem bei gesättigten Märkten mit ähnlichen Produkten der Fall, wenn sich eine Marke von anderen nur durch die Vermittlung einzigartiger Konsumerlebnisse abheben kann (z.B. Assoziation eines Segelschiffs und der passenden Musik mit einer bestimmten Biermarke).

Zur emotionalen Aufladung dient das Storytelling. Das Konzept folgt der Erkenntnis, dass Geschichten erheblich besser nachvollzogen, erinnert und wiedergegeben werden können als Daten und Fakten. Es dient zur Weitergabe von explizitem Faktenwissen und implizitem Erfahrungswissen und zielt darauf ab, emotionale Erlebnisse mit dem Image von Unternehmen, Produkt oder Marke zu verknüpfen.

Charakteristisch für Storytelling ist

dass kurze Geschichten mit dem Wesentlichen erzählt werden, wobei die Gestaltungsparameter medienspezifisch variieren (z.B. Storytelling in einem TV-Spot oder auf der Website eines Unternehmens)

die emotionale Ausgangssituation, die direkt in die Geschichte einführt

der Spannungsbogen mit einem oder mehreren Höhepunkten, die stufenweise auf die Kernbotschaft vorbereiten

die zum Schluss präsentierte Lösung oder Moral der Geschichte

dass eine oder mehrere Hauptpersonen als Sympathieträger fungieren und Merkmale aufweisen, mit denen sich die Rezipienten identifizieren können

die Verwendung von Bildern zwecks schneller Kommunikation

das Happy End, damit sich der Rezipient mit der Story identifiziert

ein fesselnder Inhalt, z.B.:

Gegensätze wie Ankunft und Abschied, Gut und Böse, Weisheit und Dummheit sowie Geborgenheit und Furcht (z.B. Storytelling von Versicherern)Helden und ihre Taten (Baumarktkette Hornbach, die mit humorvollen Geschichten über Hobby-Handwerker den Claim „Es gibt immer was zu tun“ inszeniert)Mitarbeiter des Unternehmens (z.B. Geschichte der Klebezettel von 3M).

Das gespeicherte Wissen ist in Form von Wissensstrukturen vorhanden, die als semantisches Netzwerk oder Schema bezeichnet werden. Abbildung B-15 zeigt das semantische Netzwerk zur Dachmarke Ferrero als Ergebnis einer empirischen Untersuchung (Esch et al. 2010, S. 6ff.).

Abb. B-16: Semantisches Netzwerk von Ferrero (Quelle: Esch et al. 2010, S. 24)

Die Knoten beinhalten genannte Assoziationen (Produkte, Bilder) und Emotionen zu Dach- und Produktmarken. Die Dicke der Kanten gibt Aufschluss über die Stärke der Assoziationen. Je dicker eine Linie zwischen zwei Objekten, desto öfter und stärker wurden diese miteinander assoziiert. Wenn neues Wissen erlernt wird, bedeutet dies zugleich einen Eingriff bei den vorhandenen Wissensstrukturen.

In Abbildung B-16 ist das Lernen mittels Schemata anhand des Erwerbs von Schokoladenwissen dargestellt (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 384f.). Lernt der Konsument einen neuen Markennamen, so handelt es sich um Wissenszuwachs. Das vorhandene Schema von Schokoladenwissen wird nicht verändert. Die Schemavariable „Markenname“ bekommt lediglich eine neue Ausprägung. Durch das Angebot von Cola-Schokolade stimmt der Konsument sein Schema hinsichtlich der Variablen „Geschmack“ und „Wirkung“ neu ab. Die Schemastruktur ist auch hier unverändert. Das Schema muss umgebildet werden, wenn der Konsument die neue Produktkategorie „Schokoladen-Chips“ lernt. Denn die Variablen des alten Schemas reichen nicht mehr aus, diese Produktkategorie im Gedächtnis zu repräsentieren. Die Schemata „Schokolade“ und „Chips“ müssen verschmelzen.

Abb. B-17: Erwerb von Schokoladenwissen (Quelle: Kroeber-Riel et al. 2009, S. 384)

Neben den kognitiven Schemata gibt es visuelle Schemata. Sie hängen zusammen mit den Gesetzen der Gestaltpsychologie (Trommsdorff, Teichert 2011, S. 239ff.). Die Gestaltgesetze (auch Gestaltprinzipien genannt), die von dem Gestaltpsychologen Max Wertheimer zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals beschrieben wurden, erklären, was auf welche Weise und aus welchem Grund als Gestalt erlebt werden kann (GEO Psychologie-Lexikon 2007, S. 217). Wesentliche Gestaltgesetze, die bei der Entwicklung von Marken hilfreich sind, lauten:

Gesetz der Nähe

(Elemente mit geringem Abstand zueinander werden als zusammengehörig wahrgenommen, z.B. Nähe von Markenlogo und Markenslogan)

Gesetz der Ähnlichkeit

(einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörig wahrgenommen als unähnliche, z.B. die beiden „M“ in Media-Markt)

Gesetz der Geschlossenheit

(erste Interpretation: Nicht vorhandene Teile einer Figur werden in der Wahrnehmung ergänzt, z.B. Wahrnehmung eines Kreises als solchen, obwohl er nicht geschlossen ist; zweite Interpretation: Elemente, die mit einer Linie umrandet sind, werden als zusammengehörig wahrgenommen, z.B. Umrandung eines Markenlogos)

Gesetz der guten Fortsetzung

(Reize, die eine Fortsetzung vorangehender Reize sind, werden als zusammengehörig angesehen, z.B. bestimmte Linie in einem Liniengewirr; WWF-Logo mit dem stilisierten Pandabär)

Gesetz der Prägnanz

(übergeordnetes Prinzip, wonach der Mensch komplexe Elemente einfach und einprägsam wahrnimmt und interpretiert, z.B. geometrische und symmetrische Figuren wie die Audi-Ringe, das Quadrat der Deutschen Bank etc.).

2.3 Interpersonale Bestimmungsfaktoren

Die interpersonalen Bestimmungsfaktoren des Konsumentenverhaltens berücksichtigen, dass der Konsument von seiner sozialen Umwelt abhängig ist. Es interessieren die Einflüsse der Subkulturen und der sozialen Schicht (weitere soziale Umwelt) sowie der Bezugsgruppen und des Familienzyklus (engere soziale Umwelt).

2.31 Subkulturen und soziale Schicht

Eine Kultur umfasst die übereinstimmenden Muster im Denken, Fühlen und Handeln einer Gesellschaft. Mit Subkulturen sind die übereinstimmenden spezifischen Verhaltensweisen sozialer Gruppierungen innerhalb einer Gesellschaft gemeint (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 593ff.). Subkulturen lassen sich gliedern anhand

geographischer Kriterien (z.B. Bundesländer, Stadt-/ Landbevölkerung)

ethnischer Gesichtspunkte (z.B. Religion, Nationalität)

des Alters (Jugendliche, Senioren).

Eine weitere Subkultur ist die soziale Schicht. Deren Mitgliedern wird in etwa ein gleicher sozialer Status und somit ein gleiches soziales Prestige beigemessen (http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/soziale-schicht.html). Es wird zwischen Unter-, Mittel- und Oberschicht unterschieden. Die Art und Anzahl sozialer Schichten bemisst sich vor allem danach, welche Indikatoren zur Messung der sozialen Schichtung herangezogen werden. Für die leistungsorientierten Industriegesellschaften gelten häufig Beruf, Ausbildung und Einkommen als Schichtungskriterien. Mit dem Beruf ist ein Status (Berufsprestige) in der Gesellschaft verknüpft, der über die Zuordnung zu einer sozialen Schicht entscheidet (z.B. Ärzte, Richter, Professoren). Um aussagekräftige Eindrücke über das Konsumverhalten sozialer Schichten zu erhalten, ist es sinnvoll, wenn die Schichtungsvariablen mit psychographischen Merkmalen gekoppelt werden (z.B. Sinus-Milieus, siehe Kapitel D. Marktsegmentierung).

2.32 Bezugsgruppen und Familienzyklus

Abbildung B-17 zeigt eine mögliche Systematisierung von Bezugsgruppen. Neben der Differenzierung von Primär- und Sekundärgruppen ist es für Marketingimplikationen hilfreich, die faktische und nominelle Mitgliedschaft zu unterscheiden (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 478ff.).

Abb. B-18: Systematisierung von Bezugsgruppen

Bei der faktischen Mitgliedschaft fühlt sich das Individuum einer Gruppe zugehörig, identifiziert sich mit ihr und nimmt am Gruppenleben teil. Bei der nominellen Mitgliedschaft gehört die Person aufgrund des Ausweises in der Mitgliederkartei zur Gruppe. Typisch für Fremdgruppen ist, dass der Einzelne ihnen nicht angehört und dass die Gruppen außerhalb seiner engeren Umwelt angesiedelt sind. Große institutionalisierte Bezugsgruppen (Sekundärgruppen) sind vergleichsweise einfach zu identifizieren und leichter zu beeinflussen als die Primärgruppen. Allerdings ist deren Einfluss auf Kaufentscheidungen größer, da zu ihnen eine deutlich stärkere emotionale Bindung besteht. Tendenziell liefert die Sekundärgruppe (z.B. Fußballverein) eine Orientierung für die zum Kauf anstehende Produktgruppe (Fußball-Sportbekleidung) und die Primärgruppe (Familie als Fans der Mannschaft XY) für das Produkt (Trikot der Mannschaft XY).

Meinungsführer (opinion leader, Testimonial) sind oft Einzelpersonen und gehören einer Bezugsgruppe an. Ihnen kommt eine Schlüsselrolle zu, da sie einen stärkeren persönlichen Einfluss als andere Gruppenmitglieder ausüben. Meinungsführer können Primär- oder Sekundärgruppen angehören. Ihre Lebensweise und Interessen sind ähnlich wie jene von den Beeinflussten. Das Meinungsführerkonzept spielt bei der Gestaltung von Werbebotschaften eine Rolle. So kann der demonstrative Konsum eines Meinungsführers aus einer Fremdgruppe (z.B. prominenter Sportler, der offenkundig eine bestimmte Uhrenmarke trägt) die Kaufentscheidung des Werbungadressaten beeinflussen. Auf YouTube üben jene „YouTuber“, die regelmäßig Filme über Produktanwendungen (z.B. Kosmetika, Kleidung, elektronische Geräte, Apps) veröffentlichen, einen starken meinungsbildenden Einfluss auf ihre Zuschauer aus.

Für den Konsumenten ist die Familie eine soziale Gemeinschaft, zu der er regelmäßigen sozialen Kontakt hat. Die Interaktionen mit Familienmitgliedern beeinflussen seine Kaufentscheidungen. Im Hinblick auf den Familienzyklus als Bestimmungsfaktor des Kaufverhaltens ist es bedeutsam, ob es sich um Haushalte mit jungen, noch nicht schulpflichtigen Kindern bzw. mit älteren Kindern im schulpflichtigen Alter oder um Paare ohne Kinder handelt (bzw. deren Kinder das Elternhaus bereits verlassen haben). Jede dieser Phasen repräsentiert ein Bündel konsumrelevanter Einflussgrößen. So spielt etwa das Alter der Kinder eine zentrale Rolle, welche Produkte (z.B. Bücher für Kinder im Vorschulalter bzw. Jugendbücher; Mobiliar des Kinderzimmers) gekauft werden und wie groß ihr Einfluss auf die Kaufentscheidungen der Eltern sind. Dieser ist besonders groß, wenn das Kind von dem zu kaufenden Produkt selbst betroffen ist (z.B. Spiele, Süßigkeiten). Zudem können Kinder bereits im Alter von drei Jahren Markenlogos wahrnehmen und wiedererkennen. Sie entwickeln im Laufe ihres Heranwachsens ein hohes Markenbewusstsein und können einen beachtlichen Druck auf die Markenwahl ihrer Eltern ausüben.

3. Kaufentscheidungen von Unternehmen

3.1 Marketingrelevante Besonderheiten

Komplexe Kaufentscheidungen von Unternehmen betreffen in erster Linie Industriegüter, die sie zur eigenen Leistungserstellung benötigen. Hierzu zählen neben Rohstoffen (z.B. Leim, Schrauben) Halbfabrikate (z.B. Karosserieteile) und Fertigfabrikate (z.B. Maschinen, Fahrzeuge). Der Prozess solcher Kaufentscheidungen zeichnet sich durch Besonderheiten aus, die markt- und wettbewerbsbezogene sowie nachfragebezogene Aspekte, den Formalisierungsgrad des Beschaffungsvorgangs und die Kaufklassen umfassen (Abbildung B-18).

Markt- und wettbewerbsbezogene Besonderheiten betreffen

das üblicherweise vorliegende Gepräge von Käufermärkten (entsprechend harter Wettbewerb der Anbieter sowie hohe Ansprüche an das Marketing, Wettbewerbsvorteile aufzubauen)

Abb. B-19: Marketingrelevante Besonderheiten der Investitionsgütermärkte

die geringe Anzahl von Anbietern und Nachfragern (d.h. größere Markttransparenz als in Konsumgütermärkten)

die Interaktionsbeziehungen der Marktpartner, die oft durch enge Zusammenarbeit gekennzeichnet und auf Dauer angelegt sind (z.B. Kooperation der Zulieferer von Beleuchtungsmodulen oder Speziallackierungen mit Automobilherstellern; Just-in-Time-Lieferung von Großkomponenten an die Fertigungsstraße).

Zu den nachfragebezogenen Besonderheiten zählen

die abgeleitete Nachfrage, die von der Nachfrage nach Konsumgütern abhängig ist (z.B. Nachfrage nach Leder ist abgeleitet von der Nachfrage nach Schuhen, die damit hergestellt und dann an Konsumenten abgesetzt werden)

die Fremddeterminierung der Nachfrage (wenn z.B. ein Automobilhersteller als Kunde des Lieferanten der kompletten Autobeleuchtungskomponente diesem die Sublieferanten für Teilkomponenten (z.B. Leuchtstoff, Gehäuse) vorschreibt)

die fehlende Preiselastizität bei Industriegütern (da sie für das nachgefragte Konsumgut benötigt werden).

Der Beschaffungsvorgang von Organisationen ist stark formalisiert. Schriftlich fixierte Entscheidungsregeln dienen dazu, den Beschaffungsprozess zu standardisieren und zugleich die benötigte Qualität der zugelieferten Leistung sicherzustellen. So kann der Hersteller anhand vorgegebener Kriterien (z.B. hinsichtlich der Logistikleistungen und des Qualitätssystems, der Kooperationsbereitschaft und Innovationsfähigkeit) die Lieferanten selektieren und beurteilen.

Je nach Grad der Neuigkeit des Kaufobjekts und des Informationsbedarfs lassen sich drei Kaufklassen differenzieren. Beim Erstkauf ist die Kaufentscheidung für alle Beteiligten völlig neu. Es bestehen keine Erfahrungen und der Informationsbedarf ist hoch (z.B. neuer Fuhrpark, Neuausstattung von Bildschirmarbeitsplätzen). Bezeichnend für den modifizierten Wiederholungskauf ist, dass sich die Problemstellung verglichen mit früheren Kaufsituationen geändert hat (z.B. erneute Ausstattung der Interviewer eines Marktforschungsunternehmens mit unterstützenden Medien, jedoch erstmalig mit einem Computer Assisted Personal Interviewing (CAPI)-System). Es werden zusätzliche Informationen beschafft und neue Medienalternativen berücksichtigt. Beim reinen Wiederholungskauf handelt es sich um ständig wiederkehrende Problemstellungen (z.B. Bürobedarf). Andere Entscheidungsalternativen als die bisher berücksichtigten werden nicht ins Kalkül gezogen und der Beschaffungsvorgang ist automatisierbar.

3.2 Buying Center

Komplexe Kaufentscheidungen werden von einem Einkaufsgremium (Buying Center) getroffen. Es lassen sich fünf Rollen im Buying Center unterscheiden (Webster, Wind 1972; Crow, Lindquist 1985; Backhaus 1995, S. 141ff.):

Der

Einkäufer

gehört oft der Einkaufsabteilung an. Ihm obliegen die Auswahl und Kontakte zu den Lieferanten und er tätigt den Kaufabschluss.

Der spätere

Nutzer

oder Anwender des zu kaufenden Produkts sagt hierzu seine Meinung. Er ist letztlich für den zweckadäquaten Produkteinsatz verantwortlich.

Der

Beeinflusser

legt Normen (z.B. technischer Art) fest. Er kann eine gezielte Informationspolitik betreiben, indem er aufgrund eigener Erfahrungen bestimmte Produkte in den Vordergrund stellt und von anderen Alternativen abrät.

Der

Informationsselektierer

steuert und kontrolliert den Informationsfluss zum und im Buying Center. Er ist z.B. der Assistent des Entscheidungsträgers, den er vor allem während der Entscheidungsvorbereitung indirekt beeinflusst.

Der

Entscheidungsträger

bestimmt aufgrund seiner Machtposition – z.B. als Mitglied der Geschäftsleitung – im Unternehmen, wer den Auftrag erhält.

Während des Kaufentscheidungsprozesses kann ein Mitglied des Gremiums eine oder mehrere Rollen übernehmen. Letzteres ist der Fall, wenn der Einkäufer zugleich Informationsselektierer ist. Auch können mehrere Beeinflusser technische Mindestanforderungen festlegen (z.B. bei der Beschaffung eines Pkw- und Lkw-Fuhrparks). Buying Center beinhalten umfassende Kommunikationsstrukturen (Johnston, Bonoma 1981, S. 147f.).

Die Komplexität der Kommunikationsstrukturen resultiert aus der Anzahl der

am Kaufentscheidungsprozess beteiligten Hierarchieebenen (vertikales Involvement)

Bereiche bzw. Abteilungen (laterales Involvement)

Personen (Umfang des Buying Centers) sowie dem Ausmaß, wie Buying Center-Mitglieder aufgabenbezogen in Kontakt stehen (Verbundenheit) und der

zentralen Verbindungen des formellen Einkäufers im Buying Center-Netzwerk.

Zur Analyse der Rollenstruktur im Buying Center dient das Promotoren- Opponenten-Modell, das ursprünglich für Innovationsentscheidungen entwickelt und dann u.a. auf die Beschaffungsentscheidung übertragen wurde (Foscht, Swoboda 2011, S. 306f.). Opponenten hemmen oder verhindern sogar den Kaufentscheidungsprozess, indem sie bspw. die Funktionsfähigkeit des Kaufobjekts in Frage stellen („Nur Versprechen – das müssen wir erst in der Praxis sehen.“), Widerstand gegen den Beschaffungszeitpunkt leisten („Abwarten schadet doch nichts!“) oder das Risiko herausstellen („Wollen wir das wirklich riskieren?“). Opponenten gilt es zu überzeugen, insbesondere dann, wenn sie in der Position von Entscheidungsträgern agieren.

Jedes Buying Center-Mitglied übernimmt die Rolle eines Promotors. Aufgabe ist, beschaffungsrelevante Fähigkeiten einzubringen und Verhaltenswiderstände von Opponenten zu überwinden. Es lassen sich Fach-, Macht- und Prozesspromotoren unterscheiden. Hinter jeder Rolle verbergen sich Persönlichkeiten mit individuelle Verhaltensweisen (subjektives Informations- und Entscheidungsverhaltens). Dieses ist nicht unabhängig von der Position des Rolleninhabers im Unternehmen.

Der Fachpromotor verfügt über objektspezifisches Fachwissen und gilt im Buying Center als Experte, der die relevanten Informationen zur Beschaffungsentscheidung beisteuern kann. Seine Informationsmacht gestattet ihm, Barrieren des „Nicht-Wissens“ und „Nicht-Könnens“ zu überwinden. Fachpromotoren sind beispielsweise IT-Spezialisten, Juristen und unternehmensexterne qualifizierte Berater.

Charakteristisch für den Machtpromotor ist, dass er angesichts seiner hierarchischen Position im Unternehmen (Mitglieder oder Vorsitzende der Geschäftsleitung, Bereichs-, Abteilungsleiter) Beschaffungsentscheidungen durchsetzen kann. Durch Anordnung kann er ein „Nicht-Wollen“ bzw. die von Opponenten aufgebauten Barrieren bewältigen und auch als Konfliktmanager fungieren.

Der Prozesspromotor nutzt seine Organisations- und Kommunikationsfähigkeiten und stellt eine Beziehung zwischen Macht- und Fachpromotor her. Er hat diplomatisches Geschick, Führungsqualitäten und „weiß, wie man unterschiedliche Menschen individuell anspricht und gewinnt.“ (Hauschildt, Chakrabarti 1988, S. 78).

C. Marketingforschung

Gegenstand der Marketingforschung ist die systematische Suche, Sammlung, Aufbereitung und Interpretation von Informationen, die für das Marketing von Produkten und Dienstleistungen relevant sind. Der Prozess der Marketingforschung durchläuft vier Phasen (Abbildung C-1), während dieser wesentliche Entscheidungen zu treffen sind. Die Entscheidungen der Informationsgewinnung und -verarbeitung sind Gegenstand der nun folgenden Ausführungen.

Im Rahmen der Informationsgewinnung ist zwischen der Primär- und Sekundärforschung zu unterscheiden. Bei der Sekundärforschung (desk research) wird bereits vorhandenes Datenmaterial beschafft, zusammengestellt und ausgewertet. Als Primärforschung wird die Erhebung relevanter Informationen im Markt bezeichnet. Grundsätzlich sollte zunächst die Sekundärforschung betrieben werden. Sie dient als Vorbereitung der Primärforschung und kann diese ergänzen.

Abb. C-1: Prozess der Marketingforschung (Aufbau in Anlehnung an Raab, A.E., Hochschule Ingolstadt; http://www.professor-raab.com/files/u1/M2_Marketingforschung.pdf)

1. Sekundärforschung

Die Quellen zur Sekundärforschung können unternehmensintern und -extern sein. Hinzu kommen die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung über das Internet. Wesentlicher Vorteil der Sekundärforschung ist, dass die Informationen schnell und bedeutend kostengünstiger als bei der Primäranalyse beschafft werden können. Sekundärdaten stellen häufig Basisinformationen dar, um sich in die zu erforschende Fragestellung einzuarbeiten. Problematisch ist, wenn die Daten nur ungenau zur Fragestellung passen. Zudem sind oft die verfügbaren Daten nicht mehr aktuell, weshalb sie als Grundlage von Marketingentscheidungen, die sich an aktuellen Marktstrukturen orientieren, ihren Sinn verlieren.

Abbildung C-2