Max Beckmann - Petra Kipphoff - E-Book

Max Beckmann E-Book

Petra Kipphoff

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Beschreibung

Max Beckmann (1884–1950), einer der großen Vertreter der künstlerischen Moderne, hat nicht nur ein eindrucksvolles malerisches, grafisches und bildhauerisches Werk hinterlassen. Er war auch ein äußerst produktiver Schreiber von Tagebüchern, Briefen und programmatischen Schriften. Zeitlebens vom Theater fasziniert, verfasste er sogar kleine Stücke. Petra Kipphoff, die langjährige Kunst- und Literaturkritikerin der »ZEIT«, hat sich dieser bisher kaum beachteten Texte angenommen. Beckmanns Zeugnisse eines außergewöhnlich bewegten Lebens fügen sich in diesem Buch zu einem autobiografischen Drama zusammen. Der Künstler erscheint in ihnen als eigenwilliger, zuweilen ruppiger, schonungsloser Chronist seiner Gegenwart. Gefördert von der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius

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Autorin und Verlag danken der »ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius« für die großzügige Unterstützung

Petra Kipphoff von Huene studierte Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte. 1962 wurde sie an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert. Von 1962 bis 2002 war sie Redakteurin im Feuilleton der Wochenzeitung »Die ZEIT« mit dem Schwerpunkt Bildende Kunst. Seitdem schrieb sie vorwiegend für die »Neue Zürcher Zeitung«. 1974 gab sie gemeinsam mit Marianne Bernhard »Deutsche Romantik. Handzeichnungen in zwei Bänden« heraus. 2010 erschien der in Zusammenarbeit mit der Fotografin Erika Schmied entstandene Band »Im Profil. Künstlerporträts aus fünfzig Jahren«. Seit 2000 betreut sie den Nachlass Stephan von Huenes; ein Werkverzeichnis sowie mehrere Ausstellungskataloge wurden publiziert.

PETRA KIPPHOFF

MAX BECKMANN

Der Maler als Schreiber

zu Klampen

Inhalt

Cover

Titel

Schwarz und Weiß

Beckmann, der Leser und seine Bibliothek

Der Künstler und seine Konfessionen – im Streit mit der Konkurrenz

Ein Programm, 1914

»Transzendente Sachlichkeit«

Der Künstler im Staat, 1927

Die Magie der Realität

Der Lehrer

Bilder aus Wörtern

Zwei Dramen

Geschriebene Selbstporträts

»Wir alle sind Seiltänzer«

Selbstbildnisse

Max Beckmann. In eigener Sache

Sechs Sentenzen zur Bildgestaltung

Bekenntnis

Drei Briefe an eine Malerin

Selbstportrait

Bildnachweis

Impressum

Endnoten

Schwarz und Weiß

Kunst dient der Erkenntnis, nicht der Unterhaltung, der Verklärung oder dem Spiel.1

Max Beckmann, der Maler, Zeichner und Graphiker, war auch ein lebenslanger Schreiber, ein vielfältiger und eigensinniger Autor. Am umfangreichsten in seinen Tagebüchern und Briefen, zwei Kategorien, die man üblicherweise nicht zur literarischen Produktion zählt. Die aber bei Beckmann von einer Kontinuität und Intensität sind, die sich wie von selbst zu einem Roman in eigener Sache, einem autobiographischen Drama, fügen. Zur bewegten Autobiographie gehören neben Briefen und Tagebüchern auch die Texte, Programme und Vorträge, die Beckmann im Zusammenhang mit seiner künstlerischen Arbeit geschrieben hat. Und schließlich hat er, der sich sehr für das Theater seiner Zeit interessierte, auch drei kleine Dramen verfasst, das dritte wurde erst im Nachlass gefunden.

Die »archaische Wucht des Erzählenwollens« erkannte der langjährige Freund Stephan Lackner in den Tryptichen von Beckmann. Diese Energie war schon von Anfang an vorhanden und zu erkennen. Wenn auch zunächst in einer Theatralik der Sujets. In seinen frühen Jahren hatte Beckmann das große Format für die großen Dramen der Antike, des Christentums und des Alltags in den Farben der Alten Meister gewählt. Da gab es die »Auferstehung« (1908/1909), »Das Erdbeben von Messina« und die »Kreuzigung Christi« (beide 1909), »Die Amazonenschlacht« (1911) und den »Untergang der Titanic« (1912). Mehr Drama ging nicht. Beckmann brauchte das große Format für großartige Ereignisse. Und begegnete diesen auch in angemessener Ausstattung. Ein frühes Foto, das Beckmann bei der Arbeit zeigt, ist am Strand aufgenommen, im Jahr 1907 an der Ostsee. Beckmann steht hier an der Staffelei, im dunklen Anzug, die Melone liegt am Boden, eine Flasche steht neben dem Malkasten. Zwischen Pose und Profession lässt sich der dreiundzwanzigjährige Künstler, der grade von einem Stipendienaufenthalt in der Villa Romana in Florenz zurückgekehrt ist, hier ablichten.

Der Hang zum Drama, der mit den großen historischen oder biblischen Tragödien beginnt, setzt sich im kleinen Format der schwarzweißen Graphik-Zyklen fort. Auch hier wird eine grausame Geschichte erzählt, jetzt aber aus der schwarzweißen, erlebten alltäglichen Gegenwart, so in »Hölle« (1919), »Gesichter« (1919), »Stadtnacht« (1920), »Jahrmarkt« (1921) und der »Berliner Reise« (1922). Diese großen Graphik-Folgen, die alle in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, sind das Gegenteil der historischen Dramen in Öl, sie haben einen sehr direkten und von Beckmann teils auch selber miterlebten Anlass und Hintergrund. Es sind drastische Reportagen aus dem Großstadt-Alltag der Armut und Gewalt tätigkeiten, der Kriegsverletzten, Obdachlosen und Verhungernden. Die Blätter dokumentieren ein Elend, das alle Farben hinter sich gelassen hat.

»Ja: Schwarz und Weiß, das sind die beiden Elemente, mit denen ich zu tun habe«, sagt Beckmann 1938 in einem Vortrag in London über seine Malerei und betont damit das schwarzweiße Entweder – Oder einer andererseits vielfarbigen Welt. Und fährt fort: »Das Glück oder Unglück will es, daß ich nicht nur weiß, nicht nur schwarz sehen kann. Eins allein wäre viel einfacher und eindeutiger. Allerdings wäre es dann auch nicht existent. Aber trotzdem ist es doch der Traum vieler, nur das Weiße (nur das gegenständlich Schöne) oder nur das Schwarze (das Häßliche und Verneinende) sehen zu wollen … Ich kann nicht anders, als mich in beidem zu realisieren. Nur in beidem, Schwarz und Weiß, sehe ich Gott als eine Einheit, wie er es sich als großes, ewig wechselndes Welttheater immer wieder neu gestaltet.«2

Schwarz und Weiß, in diesen beiden für die Typographie und die graphischen Künste essentiellen Farben kommen sich Text und Zeichnung oder Radierung sehr nahe. Und vereinen sich gelegentlich auch. So hat Beckmann zum Beispiel den Beginn des neunten Kapitels der »Offenbarung des Johannes« mit einem Kohlestift über den Text hinweg seitenfüllend um eine Skizze ergänzt, die ein Kopf sein könnte.

Von »literarischer Ichkunst« spricht der Kunsthistoriker Hans Belting angesichts des Maler-Autors Beckmann, die sich in seinen zahlreichen Selbstporträts, Ölbildern wie Bleistiftzeichnungen und Radierungen, aber auch in seinen Texten widerspiegelt. Das geschieht voller Selbstbewusstsein, aber auch in vielen verschiedenen Kostümierungen, Posen und Rollen.3 Beckmann hat Dostojewski und Shakespeare illustriert, zu Clemens Brentanos grausamem »Märchen vom Fanferlieschen« acht Radierungen hinzugefügt, Goethes »Faust«, Teil II, und die »Apokalypse« nach der Übersetzung von Martin Luther bebildert. Und sich im Schreiben ein zweites Forum geschaffen.

Immer wieder tauchen auf den Bildern von Max Beckmann Buchstaben, Wortfetzen, einzelne Wörter, Zeilen, Noten oder ganze Schriftseiten auf, die auf ein Buch, eine Institution, eine Zeitung, ein Hotel, eine Champagnermarke hinweisen. Beckmann streut diese Kürzel und Zitate mal mehr, mal weniger auffällig, mal kryptisch und mal entzifferbar über das Bild, positioniert sie oft auch sehr deutlich.

Sie verquicken nicht nur den fernen Mythos, das theatralische Geschehen und seine Protagonisten mit der Realität der Gegenwart. Sie sind auch, vom Zeitungsfetzen bis zum Champagneretikett, ein Hinweis auf den weltläufigen Herrn Beckmann im schwarzen Anzug und gern mit Zigarette, für den die Bar zum Alltag gehört wie das Atelier. Eine herumliegende Zeitung oder ein Buch, eine Champagnerflasche und ein Hotelboy mit Käppi sind Hinweise und Requisiten des Alltags des Großstadtmenschen, des Zeitungs- und Literatur-Lesers, Bar-Besuchers und Reisenden, von dem wir zum Beispiel durch das Bild »Golden Arrow« (1930) auch erfahren, dass er offensichtlich in Marseille im Grand Hotel abgestiegen ist.

Gelegentlich kommt es auch zu sehr eigenwilligen Pointierungen. Wenn auf dem Bild »Badekabine (grün)« (1928) aus dieser Kabine nicht nur, erwartungsgemäß, der Blick auf einige entfernte Menschen im Meer fällt, sondern auf dem Fensterbrett der Kabine neben den Badelatschen sehr sichtbar ein Buch mit den Buchstaben »TITAN J. Paul« liegt, dann wird der neugierige Bildbetrachter darauf hingewiesen, dass Beckmann im Strandgepäck nicht irgendeinen flatterhaften Unterhaltungsroman hat, sondern den Giganten Jean Paul. Wobei diese wohl eher ungewöhnliche Strandlektüre auch die Distanz zu den bürgerlich banalen und entfernten kleinen Badenden vergrößert. Übrigens geht Beckmann gern mit Anzug und Hut an den Strand, wie ein Foto zeigt. Dass der »Titan« offensichtlich für ihn ein immens bedeutsamer Roman war, wird durch das Tagebuch belegt, dem man entnehmen kann, dass er die vier Bände mit vielen hundert Seiten mehrmals gelesen hat.

Eine maritime Idylle ist diese Strand-Szene allerdings im Vergleich zu »Galeria Umberto« (1925). Auf dem hochformatigen Bild greifen Hände, teilweise auch ohne erkennbare Körperzugehörigkeit, meist ins Leere, dann auch um die eigenen Beine. Eine Trompeterin, zwei naturgemäß undefinierbare Rumpfgestalten und ein Fisch ergeben keine Gesellschaft. Wohl aber eine Szene voller rätselhafter Gestalten und Requisiten sowie offener Gewalttätigkeit. Von der Decke hängt kopfüber eine ihrer Unterarme beraubte Person, an deren Hals die an einem Schal baumelnde Flasche Champagner aus dem Hause Heidsieck zu sehen ist, der entzifferbare Teil des Etiketts mit den Buchstaben EISI legt diese Provenienz jedenfalls nahe.

Das Bild »Mimosen« (1939) bietet zwischen einer Vase mit den titelgebenden Blumen und einem leeren Weinglas auch Lektüre, einen Band VOLTAIRE. Und auf dem Bild »Kinder des Zwielichts – Orkus« (1939) findet eine gewaltsame Auseinandersetzung dreier in einem Boot sitzender Figuren statt, die von einigen weiß gekleideten weiblichen Gestalten aus dem Hintergrund beobachtet werden. Das Wort SORTIE ist der durch einen Pfeil verdeutlichte Hinweis auf den Ausgang. Das Wort, das die Richtung für den Ausgang aus dem Theater oder dem Kino angibt, hat mehrere Möglichkeiten, denn in dieser Atmosphäre der Gewalt tätigkeiten und Grausamkeiten kann es ein Ausgang sein, aber auch das Ende bedeuten.

Auf dem Aquarell »Ewichkeit« (1936) ist ein auf einer abgebrochenen Säulenspitze sitzender, exotisch aussehender Mann damit beschäftigt, das Wort EWICHKEI (das T fehlt noch) auf ein an der Wand hängendes Schild zu pinseln. Wobei diese Orthographie, die auch eine eigene Klangqualität hat, wohl mehr von der Nietzsche-Lektüre geprägt ist als vom Glaubensbekenntnis. Auf dem Blatt 6 der »Berliner Reise« (1922) sieht man eine zwischen stehenden, debattierenden Männern auf dem Boden sitzende Frau mit einem Pamphlet LIEBKNECHT AUFRUF und einem Buch MARX. Es sind die von der gescheiterten Revolution 1919 »Enttäuschten II«, die allerdings Hunger, Elend und Gewaltsamkeit auf der Straße und in den Dachkammern vielleicht nicht direkt mit erleiden müssen, die Beckmann in anderen Zeichnungen und Radierungen deutlich beschrieben hat. Am erschreckendsten in dem Zyklus »Die Hölle« (1919). Hier musste nichts erfunden werden, hier sind die grausamsten Szenen des Nachkriegsalltags schwarz auf weiß präsent, ein Blatt heißt explizit »Das Martyrium«.

Auch auf den Tryptichen, diesen Dramen in drei Bildakten, die Klaus Gallwitz »große, verschachtelte Gedankengebäude« genannt hat4, findet sich Geschriebenes, Gedrucktes. Beckmann hat, entsprechend den in Kirchen seit dem 16. Jahrhundert aufgestellten Drei-Flügel-Altären und ihrer Darstellung der Heils-, und Unheilsgeschichte, die von ihm selber als Bildautor konzipierten und meist bellicosen Geschichten der Gegenwart durch Figuren der Antike um einen historischen Hintergrund erweitert. Und damit als zeitlos qualifiziert – oft auch die Dramen in drei Akten in der Welt des Theaters und des Zirkus angesiedelt.

Wobei er, egal, ob es sich um den Mythos der griechischen »Argonauten«, um »Schauspieler« oder das Kinderspiel »Blindekuh« handelt, nie als Illustrator des vorhandenen Textes oder Themas arbeitet, sondern immer als Erfinder einer eigenen Geschichte, vor allem aber als Dramatiker agiert. Und zwar mit der von ihm entfalteten Bildrhetorik, zu der es eben auch gehört, dass er seine Dramen gleichzeitig mit den Helden und Halbgöttern der Antike wie auch den Personen und den Requisiten des Großstadtalltags besetzt, sich gelegentlich auch selber auf die Bühne stellt, zum Beispiel als Zuschauer und Beobachter. Einmal aber auch, auf der Mitteltafel des Triptychons »Schauspieler« (1941/42), als König, der auf die Bühne der mittleren Tafel tritt und ein spitzes Messer auf seine Brust setzt, das Blut macht sich schon auf der Jacke des grünen Anzugs breit.

Ein großes Stück Papier liegt am Boden, AMSTERD ist da sehr deutlich zu lesen. Das Triptychon »Karneval« (1943), auf dessen linkem Flügel sich diese Information findet, ist im Exil in Amsterdam entstanden, in den Jahren 1942/3 und in einer kriegsbedingt vielfach bedrohlichen Situation für den Emigranten Beckmann. Die zeitlose Bild-Geschichte wird durch Textelemente, wie zum Beispiel das am Boden liegende Stück Papier mit der Schrift AMSTERD, in der Realität des zeitgenössischen Alltags verankert. Auch in dem als Drama in drei Akten aufgebauten Triptychon »Versuchung« (1936/7) ist das der Fall. Die Lektüre von Gustave Flauberts »Die Versuchung des Heiligen Antonius« (1874, auf Deutsch zuerst 1909 erschienen) war hier wohl ein auslösendes Moment.

»Meine Liebe gilt den 4 großen Malern männlicher Mystik: Mäleßkirchner, Grünewald, Breughel und van Gogh«5, schreibt Beckmann, und obwohl ihn der Weg wohl einmal nach Isenheim führte, gibt es keinen Kommentar zum Isenheimer Altar in seinen Tagebüchern und Briefen. Sollte ihm dieses Werk die Sprache verschlagen haben? Er selber wird zwischen 1937 und 1950 neun Triptychen auf der Bühne der Bilder inszenieren.

Die dritte Schauseite des »Isenheimer Altar« zeigt die Versuchung des Heiligen Antonius durch ein überwältigendes Aufgebot von brutalen Ungeheuern und furchterregenden Tieren, die den greisen Heiligen bedrohen und mit Klauen, Zähnen und Stöcken über ihn herfallen. Und wo ist die Versuchung? Für diese ist angesichts der Dimensionen der Bestrafung bei Grünewald kein Platz. Dass auch der Eros dazugehörte, ist eher unwahrscheinlich oder, angesichts des Greisenalters des Heiligen, schon sehr lange her.

Anders bei Beckmann. Auf der Mitteltafel des Triptychons »Die Versuchung« sieht man einen jungen Mann in roten Pumphosen und einem gelben, kurzärmeligen Oberteil ausgestreckt am Boden liegen. Gebannt schaut er auf eine üppige, nur minimal bekleidete Frau, die in geringer Entfernung von ihm sitzt. Er ist aber gefesselt und sie deshalb für ihn unerreichbar. Hinter ihm liegt ein aufgeschlagenes Buch am Boden, mit einiger Mühe kann man den ersten Vers des Johannes-Evangeliums entziffern: »IM ANFANg WAR DAS WORT«. Außerdem auf einem Zettelrand das Wort SATURN. Der Page, der auf dem rechten Flügel des Triptychons forsch voranschreitend eine auf allen Vieren am Boden kriechende Frau an einer Leine führt und mit der Linken auf einem Tablett eine Krone servierbereit hält, ist, wie auf dem Käppi zu lesen, ein Hotelboy des Berliner Restaurants (Kem)PINSKI.

Angesichts des dramatischen Geschehens, das sich auf dem Bild abspielt, sind diese Buchstaben oder Satzfetzen optisch eher Randerscheinungen. Und tragen doch dazu bei, den Radius des Bildgeschehens, den Mythos oder die Geschichte mit zielstrebiger Nonchalance, die ihre Kürzel wie zufällig verstreut, in eine andere Zeit, in die Gegenwart und Welt von Max Beckmann hinein zu erweitern, mit allen Zufälligkeiten und Banalitäten. Zu Recht stellt Michel Butor in seinem Buch »Die Wörter in der Malerei« die Frage, warum dieses Thema noch nicht untersucht worden ist: »Eine erstaunliche Blindheit, denn grade das Vorhandensein dieser Wörter unterminiert die durch unser Bildungssystem errichtete Trennwand zwischen der Literatur und den bildenden Künsten.«6 Max Beckmann, der ohne Bücher nicht sein wollte und konnte, hat die Trennwand für sich selber beiseite geschoben. Und seine Arbeiten dadurch um ein Element erweitert, das manchmal eine Information, einen Kommentar, oft aber auch ein Rätsel in die Welt der Bilder bringt.