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Dieses Buch soll als vollumfängliches Hilfsmittel für die Anwärterinnen und Anwärter im mittleren kommunalen Verwaltungsdienst und die Auszubildenden zur/zum Verwaltungsfachangestellten dienen. Es ersetzt keine fachbezogene Spezialliteratur, sondern vermittelt einen Überblick über das große Ganze, um das es bei der Ausbildung geht. Der Autor vertritt hierbei ausschließlich seine eigene Meinung hinsichtlich der Priorisierung von Inhalten und regt an einigen Stellen auch zum Nachdenken über politische Entscheidungen oder gesetzliche Regelungen an. Dabei orientiert er sich stark an den einschlägigen Stoffverteilungsplänen der Studieninstitute. Zu den Inhalten gehören folgende Gebiete: Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Kosten- und Leistungsrechnung, Kaufmännische Buchführung, Kommunales Abgabenrecht, Neues Kommunales Finanzmanagement, Methodik der Rechtsanwendung, Staats- und Europarecht, Allgemeines Verwaltungsrecht, Recht der Gefahrenabwehr, Kommunalrecht NRW, Bürgerliches Recht, Beamtenrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht, Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht und Verwaltungsorganisation, sowie marginal Handlungs- und Sozialkompetenz und Beschaffung und Vergabe.
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Seitenzahl: 426
Veröffentlichungsjahr: 2019
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WAS IST mD/Vfa kompakt?
Der Autor ist kommunaler Verwaltungsbeamter mit beruflicher Erfahrung in den Bereichen Ordnungswidrigkeiten- und Gefahrenabwehrrecht und Leistungsverwaltung. Zudem verfügt er über die Qualifikation zum Ausbilder nach der Ausbildungs-Eignungsverordnung und langjährige Erfahrung als Praxisausbilder und -prüfer im öffentlichen Dienst.
Dieses Buch soll als vollumfängliches Hilfsmittel für die Anwärterinnen und Anwärter im mittleren kommunalen Verwaltungsdienst und die Auszubildenden zur/zum Verwaltungsfachangestellten dienen. Es ersetzt keine fachbezogene Spezialliteratur, sondern vermittelt einen Überblick über das große Ganze, um das es bei der Ausbildung geht.
Der Autor vertritt hierbei ausschließlich seine eigene Meinung hinsichtlich der Priorisierung von Inhalten und regt an einigen Stellen auch zum Nachdenken über politische Entscheidungen oder gesetzliche Regelungen an. Dabei orientiert er sich stark an den einschlägigen Stoffverteilungsplänen der Studieninstitute.
DISTANCE IS MEANINGLESS WHEN TWO HEARTS ARE ATTACHED TO EACH OTHER
to Jackie
January 8, 2021 September 3, 2022
COUNTRY ROADS TAKE ME HOME
für Peter Kunigowski
GRUNDLAGEN
STAATS- UND EUROPARECHT
ALLGEMEINES VERWALTUNGSRECHT
RECHT DER GEFAHRENABWEHR
KOMMUNALRECHT
ZIVILRECHT
BEAMTENRECHT
ARBEITSRECHT
SOZIALRECHT
ORDNUNGSWIDRIGKEITEN- UND STRAFRECHT
BESCHAFFUNG UND VERGABE
VERWALTUNGSORGANISATION
VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE
BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE
KOMMUNALE BUCHFÜHRUNG
KOSTEN- UND LEISTUNGSRECHNUNG
KOMMUNALES FINANZMANAGEMENT
KOMMUNALES ABGABENRECHT
HANDLUNGS- UND SOZIALKOMPETENZ
STICHWORTVERZEICHNIS
Zunächst möchte ich dir zu deinem Ausbildungsplatz zur / zum Verwaltungsfachangestellten, bzw. zu deiner Ernennung zur Sekretäranwärterin / zum Sekretäranwärter im öffentlichen Dienst gratulieren. Gleichzeitig danke ich dir für den Kauf dieses Lehrbuches.
In diesem ersten Kapitel möchte ich dir Grundlagen vermitteln, die so – oder so ähnlich – für alle Fächer deiner Ausbildung gelten. Sie schweben sozusagen über allem. Bestimmte Themen, die ich hier anspreche, werde ich in den einzelnen Kapiteln noch intensiver beleuchten und erklären – immer so, wie es für dich im Rahmen deiner Ausbildung wichtig sein wird.
Letztlich wird es darauf hinauslaufen, dass du in den rechtswissenschaftlichen Fächern sogenannte „Gutachten“ schreiben musst, in denen du anhand eines bestimmten Prüfschemas eine Prüfung einer Behördenentscheidung durchführen musst. Am Ende sollst du die Frage beantworten, ob die Behörde „richtig oder falsch“ gehandelt hat. Die Prüfschemata werden dir von deinem Dozenten für das jeweilige Fach vorgegeben. Sie enthalten bestimmte Prüfpunkte, die du der Reihe nach abarbeitest. Während meine Erläuterungen am Anfang dieses Kapitels noch sehr allgemein und theoretisch sind, wirst du feststellen, dass ich zum Ende des Kapitels immer häufiger von diesen „gutachterlichen Prüfungen“ sprechen werde. Ich will dich dadurch langsam an die Fragen heranführen, die du dir dann im Verlauf deiner Ausbildung immer wieder stellen wirst, wenn du einen rechtswissenschaftlichen Fall bearbeiten sollst.
Du wirst möglicherweise beim Lesen dieses Kapitels nicht direkt alles verstehen und nachvollziehen können. Das ist überhaupt nicht schlimm. Ich bin der Meinung, das wichtigste ist, dass man bestimmte Dinge überhaupt mal gehört hat. Wenn du dann während deiner Ausbildung auf die hier angesprochenen Themen triffst, erinnerst du dich vielleicht daran, hier etwas darüber gelesen zu haben. An diesem Punkt beginnt dann das Lernen und das eigentliche Verstehen.
Ich empfehle dir also, dieses Kapitel bereits zu Beginn deiner Ausbildung vollständig, aber völlig ohne Druck „Verstehen-zu-müssen“, durchzulesen. Versuche einfach, meine Erläuterungen nachzuvollziehen, so gut es geht, und dir vielleicht den einen oder anderen Begriff zu merken. Alles andere kommt dann mit der Zeit von selbst.
RECHTSNORM
Spätestens im Fach „Staats- und Europarecht“ wirst du lernen, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Rechtsstaat ist, und dich mit der Frage beschäftigen, was einen Rechtsstaat ausmacht. Ein wesentlicher Bestandteil davon ist ein von der Bevölkerung getragenes, diskriminierungsfreies Rechtssystem. Ein Rechtssystem ist letztlich nichts anderes, als eine Aufstellung allgemeiner Aussagen, die auf eine Vielzahl von Einzelsituationen anwendbar sind. Dies nennt man auch „generell-abstrakte Regelung“, denn diese Regeln gelten unabhängig vom Einzelfall.
Ziel des Gesetzgebers ist es nämlich gerade nicht, jeden Einzelfall zu regeln, sondern Rahmenbedingungen für das Zusammenleben zu schaffen. Erst wenn es in einem bestimmten Einzelfall zu einem Regelverstoß kommt (z.B. Überfahren einer roten Ampel), wird die allgemeine Regelung (das Überfahren von roten Ampeln ist verboten) im Einzelfall geprüft und eine Entscheidung getroffen, die nur für diesen konkreten Einzelfall gilt (der Fahrer muss eine Geldbuße bezahlen und/oder ihm wird der Führerschein entzogen).
Die Regelung von Einzelfällen obliegt zunächst der zuständigen Verwaltungsbehörde, die ihre Entscheidung i.d.R. in Form eines Verwaltungsaktes erlässt. Das nennt sich dann „individuell-konkrete Regelung“.
Eine Rechtsnorm ist daher so konkret wie nötig, aber so allgemein wie möglich zu formulieren. Dies ist nie leicht und bringt viele Interpretationsmöglichkeiten mit sich. Die Aufgabe eines jeden, der mit der Anwendung von Vorschriften betraut ist, ist es daher, durch Auslegung zu ermitteln, wie eine Norm anzuwenden ist. Zu diesen konkreten Methoden der Auslegung komme ich später zurück. Zuerst möchte ich dir erklären, wie eine Rechtsnorm zu lesen ist.
Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Rechtsnormen. Die zunächst wichtigste Art ist für dich die Ermächtigungsgrundlage, bzw. die Anspruchsgrundlage.
Die Ermächtigungsgrundlage ermächtigt die Behörde dazu, tätig zu werden. D.h., wenn die Behörde etwas tun möchte, das in die Rechte des Bürgers eingreift (z.B. Entziehen der Fahrerlaubnis), dann muss es eine Ermächtigungsgrundlage geben, die der Behörde unter bestimmten Voraussetzungen sozusagen die Erlaubnis dazu gibt. Gibt es diese nicht, so darf die Behörde nicht tätig werden. Ich komme später nochmal zu diesem Thema zurück, wenn es um den „Vorbehalt des Gesetzes“ geht.
Eine Anspruchsgrundlage ist quasi das Gegenteil einer Ermächtigungsgrundlage. In einer Anspruchsgrundlage wird dem Bürger das Recht gegeben, von der Behörde unter bestimmten Voraussetzungen eine bestimmte Tätigkeit zu verlangen (z.B. Erteilen einer Fahrerlaubnis). Erfüllt der Bürger die rechtlichen Voraussetzungen (z.B. Bestehen der Fahrprüfung und Erreichen des erforderlichen Lebensalters) kann die Behörde die Erteilung der Erlaubnis nicht einfach verweigern. Tut sie dies doch, kann der Bürger auf Erteilung der Erlaubnis klagen.
Ich habe gerade in beiden Fällen den Begriff „Voraussetzungen“ verwendet. Natürlich kann die Behörde nicht jedem einfach die Fahrerlaubnis entziehen und nicht jeder kann einfach die Erteilung einer Fahrerlaubnis verlangen. Der Gesetzgeber (oder Verordnungsgeber) hat für alle Ansprüche und Ermächtigungen Voraussetzungen festgelegt. Diese Voraussetzungen werden „Tatbestand“ genannt. Nur, wenn dieser Tatbestand erfüllt ist, besteht der Anspruch des Bürgers oder die Ermächtigung der Behörde. Diese Konsequenz, die sich aus der Erfüllung des Tatbestands ergibt (die Behörde darf die Fahrerlaubnis entziehen, bzw. der Bürger hat einen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis) wird „Rechtsfolge“ genannt.
Ist der Tatbestand erfüllt, so kann/muss also die Rechtsfolge eintreten.
Wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, spricht man von „Tatbestandsmerkmalen“, die zusammen den Tatbestand ergeben.
Die jeweiligen Tatbestandsmerkmale können kumulativ („und“), alternativ („oder“) oder aus einer Kombination aus beidem vorliegen:
Beispiel:
„Wer zwischen 8 Uhr und 18 Uhr einen roten Pullover trägt, muss eine Geldbuße von 100 € entrichten.“
Die Norm regelt für alle Personen, die zwischen 8 und 18 Uhr mit einem roten Pullover angetroffen werden, eine Rechtsfolge. Personen mit grünem Pullover oder solche mit rotem Pullover, die nach 18 Uhr unterwegs sind, fallen nicht unter den Tatbestand.
Für die Personen, die die Tatbestandsmerkmale
1. trägt roten Pullover und
2. zwischen 8 Uhr und 18 Uhr
erfüllen, greift die Rechtsfolge. Sie müssen eine Geldbuße in Höhe von 100 € bezahlen.
Den Tatbestand, die einzelnen Tatbestandsmerkmale und die Rechtsfolgen zu erkennen ist nicht immer einfach. Aber ich kann dir versichern, dass dir diese Erkenntnis zunehmend leichter fallen wird, je mehr Gesetzestexte du liest und je mehr du dich inhaltlich damit auseinandersetzen wirst. An dieser Stelle möchte ich dir daher ans Herz legen, dir anzugewöhnen, möglichst immer die Gesetzesstellen nachzulesen, über die ihr im Unterricht sprecht. Das erleichtert dir dann später auch die Orientierung in deiner Gesetzessammlung während den Klausuren und Prüfungen.
Eine andere Art von Rechtsnormen sind sogenannte „Hilfsnormen“. Diese treffen Feststellungen oder definieren Begriffe („Legaldefinitionen“), sie besitzen aber keine Rechtsfolgenseite.
Beispiel:
§ 90a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): „Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“
Hier wird klargestellt, dass Tiere keine Sachen sind. Jedoch werden die Vorschriften für Sachen auf diese angewendet. Eine Rechtsfolge fehlt hier. Es handelt sich daher um eine Hilfsnorm.
Beispiel:
§ 823 I BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Dies ist eine Anspruchsgrundlage. Es sind Tatbestand und Rechtsfolge definiert. Du siehst, dass hier der Tatbestand schon sehr komplex ist, weil er aus vielen Tatbestandsmerkmalen besteht. Ist der Tatbestand erfüllt, so tritt die Rechtsfolge ein:
Tatbestand:
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, [...]“
Rechtsfolge:
„[...] ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Ist der Tatbestand nicht erfüllt, so besteht in diesem Fall auch kein Anspruch auf Schadensersatz.
JURISTISCHE ZITIERWEISE
Im Rahmen deiner Ausbildung wirst du immer wieder Gesetzesstellen angeben müssen, um deine Argumentation zu belegen. Du musst dabei unbedingt darauf achten, dass du diese Stellen richtig zitierst. Richtig heißt dabei auch: möglichst genau.
Man kann zur Zitierung unterschiedliche Schreibweisen verwenden, die ich dir im Folgenden vorstellen werde. Sprich bitte mit deinem jeweiligen Dozenten, welche Schreibweise er für seinen Unterricht bevorzugt. Normalerweise wird dir freigestellt, wie du zitierst, solange du es richtig tust.
Gesetze sollten grundsätzlich immer zuerst voll benannt und die Abkürzung in runden Klammern dahinter gesetzt werden. Im Folgenden kann dann nur noch die Abkürzung genannt werden:
„Gemäß § 90a Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind Tiere keine Sachen. Nach § 90a Satz 3 BGB sind auf diese jedoch die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.“
Es kann allerdings auch auf zwei Wegen mit Fußnoten gearbeitet werden. Hast du z.B. in erster Linie mit einem einzigen Gesetz zu tun, schreibe in die Fußnote zur ersten Nennung des Gesetzes einen Hinweis darauf:
Im Text:
„Gemäß § 90a Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch1 sind Tiere keine Sachen. Nach § 90a Satz 3 sind auf diese jedoch die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.“
In der Fußnote:
„1 Alle Paragrafen sind im Folgenden solche des Bürgerlichen Gesetzbuches, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist.“
Die andere Variante wäre, das Gesetz in der Fußnote zu benennen:
Im Text:
„Gemäß § 90a Satz 1 BGB1 sind Tiere keine Sachen. Nach § 90a Satz 3 BGB sind auf diese jedoch die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.“
In der Fußnote:
„1Bürgerliches Gesetzbuch.“
Sprich mit deinem Dozenten, ob diese Varianten verwendet werden dürfen, und suche dir dann diejenige aus, die dir am ehesten zusagt. In Fächern wie „Allgemeines Verwaltungsrecht“, „Sozialrecht“ oder „BGB“ kann der Einsatz von Fußnoten in der ersten Variante einen großen Zeitvorteil bei Klausuren bringen.
Erwähnen möchte ich noch den Umstand, dass in Bescheiden, die du möglicherweise in den Praxisabschnitten deiner Ausbildung in deiner Behörde lesen oder auch anfertigen wirst, oftmals der Name des Gesetzes mit dem Zusatz „vom XX.XX.XXXX in der derzeit geltenden Fassung (GVBl. S. XX)“ o.ä. versehen wird. Die Notwendigkeit dieses Zusatzes im Rahmen der praktischen Arbeit erschließt sich mir nicht. Eine Behörde darf immer nur das Gesetz in der Fassung, die zum Zeitpunkt der Entscheidung wirksam ist, anwenden. Der Zusatz erübrigt sich also. Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn durch sogenannte Übergangsregelungen bestimmte Paragrafen der vorherigen Gesetzesfassung bis zum Ablauf eines bestimmten Datums weitergelten. Hier reicht dann aber der Zusatz „a.F.“ für „alte Fassung“.
Nun zur eigentlichen Zitierweise. Zitiere immer so genau wie nur möglich unter Verwendung folgender Bezeichnungen:
Paragraf / Paragrafen
§ / §§
Absatz
z.B. Absatz 1, Abs. 1, I
Satz
z.B. Satz 2, 2.Satz, 2.S, 1
Halbsatz
z.B. Halbsatz 2, 2.Halbsatz, 2.Hs, 2.HS
Nummer / Ziffer
z.B. Nummer 3, Nr. 3, Zi. 3
Buchstabe / Literat
z.B. Buchstabe d), d), lit. d)
Alternative
z.B. Alternative 2, 2.Alternative, 2.Alt.
folgender, fortfolgende
f., ff.
in Verbindung mit
i.V.m.
im Sinne des
i.S.d.
Die Zitierung eines Absatzes in der Form (2) für Abs. 2 wird zwar häufig verwendet, diese Form ist aber nicht zulässig. Sie ist dem Gesetzgeber / Verordnungsgeber vorbehalten. Ich empfehle daher, auf eine der anderen Zitierweisen auszuweichen.
GEWALTENTEILUNG
Auch die wirksame Gewaltenteilung ist ein wesentliches Element des Rechtsstaates. Die Lehre geht davon aus, dass ein Staat u.a. dann ein Rechtsstaat ist, wenn sich das staatliche Gewaltmonopol auf drei Bereiche aufteilt, die voneinander unabhängig sind und sich gegenseitig kontrollieren.
Eine dieser drei Gewalten ist die Legislative („gesetzgebende Gewalt“). Hierzu gehören der Bundestag und die Länderparlamente. Diese beschließen formelle Gesetze und geben somit die Rechtsordnung in der Bundesrepublik und den Bundesländern vor. Sie können also ganz entscheidend beeinflussen, in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt. Die Abgeordneten sind dabei jedoch an die jeweilige Verfassung (Grundgesetz oder Landesverfassung) gebunden.
Die Ausführung der Gesetze obliegt der Exekutive („ausführende/vollziehende Gewalt“). Diese besteht aus der Bundesregierung und den Landesregierungen mit ihren Ministerien, den meisten Bundes- und Landesbehörden und allen Kreis-, Stadt- und Gemeindeverwaltungen und den meisten sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. Landschaftsverbände). Die Behörden der Exekutive haben grundsätzlich nicht zu hinterfragen, ob gesetzliche Regelungen „richtig oder falsch“ oder verfassungsmäßig sind. Ihre Aufgabe ist es lediglich, die geltenden Gesetze auszuführen. Sie müssen dabei allerdings auch die Entscheidungen der letzten Gewalt, der Judikative, beachten.
Nach manchen Meinungen stellt die Presse die sogenannte „vierte Gewalt“ dar, denn auch die Presse hat, zumindest in einem Staat, in dem Pressefreiheit herrscht (ein weiteres Merkmal eines Rechtsstaates), eine gewisse Kontrollfunktion gegenüber den drei Gewalten, indem sie deren Handeln kritisch hinterfragen und letztlich auch öffentlich ungehindert kritisch darüber berichten kann. Ohne die Wichtigkeit einer funktionierenden Presse in einem Staat zu schmälern, empfinde ich es jedoch als zu weitgehend, die Presse auf eine Stufe mit den drei Gewalten zu stellen.
RECHTSQUELLEN
Als Rechtsquelle wird die Herkunft für rechtliche Vorschriften bezeichnet. Die wohl bekannteste Rechtsquelle ist das Gesetz. Wie bereits von mir dargestellt, werden (formelle) Gesetze durch die Parlamente beschlossen. Der Bundestag und die Landtage werden daher als „Gesetzgeber“ bezeichnet. Gesetze gelten mit Inkrafttreten unmittelbar gegen und für die Bürger, Unternehmen und Behörden.
Gesetzescharakter haben auch die EG-Verordnungen der Europäischen Union, deren Wichtigkeit im täglichen Arbeitsleben zunehmend größer wird. Auch sie werden in einem formellen Verfahren erlassen und gelten unmittelbar gegen alle natürlichen und juristischen Personen der EU-Mitgliedsstaaten.
Eine weitere Quelle ist die, von mir schon erwähnte, Rechtsprechung (auch Richterrecht genannt). Damit ist die Gesamtheit der gerichtlichen Entscheidungen (Urteile und Beschlüsse) gemeint. Exekutive und Legislative haben sich an diese Entscheidungen zu halten. Für den Bürger gilt die Rechtsprechung nicht unmittelbar, es sei denn, er war selbst Beteiligter an dem entsprechenden Gerichtsverfahren.
Behördliche Umsetzungsakte sind ebenfalls eine Rechtsquelle. Diese entstehen in der Regel durch den Erlass von Verwaltungsakten, durch die gesetzliche Regelungen für einen Einzelfall umgesetzt werden (z.B. Erteilung der Fahrerlaubnis für Herrn Müller, wenn er den gesetzlichen Tatbestand hierzu erfüllt).
Das zivilrechtliche Pendant zum Verwaltungsakt sind Rechtsgeschäfte. Auch sie sind Rechtsquellen. Hierzu zählen z.B. Arbeitsverträge, Kaufverträge, Mietverträge, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Tarifverträge, dingliche Rechte und viele mehr.
Wieder zurück im öffentlichen Recht sind als ortgebundene Rechtsquellen die Satzungen der Gebietskörperschaften (Kreise, Städte, Gemeinden) zu nennen. Ohne Parlament zu sein, ist es das Recht der Kreistage, Stadträte und Gemeinderäte, ihre Angelegenheiten allgemein durch Satzungen regeln zu dürfen. Daher haben Satzungen zwar Gesetzescharakter, denn sie gelten unmittelbar gegen den Bürger und sie sind allgemeinregelnd, aber sie sind eben keine durch ein formelles Gesetzgebungsverfahren der Legislative, sondern eine durch Beschluss der Exekutive entstandene Rechtsquelle. Deswegen werden Satzungen auch als „materielle Gesetze“ bezeichnet.
Rechtsverordnungen sind ebenfalls materielle Gesetze, denn sie werden durch die Ministerien (Exekutive) erlassen. Die Ministerien brauchen hierfür jedoch eine sogenannte „Verordnungsermächtigung“. Der Gesetzgeber schreibt solche Verordnungsermächtigungen in seine Gesetze, um den Ministerien die Möglichkeit zu geben, die allgemeinen Rahmenbedingungen, die das Gesetz vorgibt, in gewissem Maße einzuschränken. Eine Rechtsverordnung darf also nur auf Grundlage eines Gesetzes erlassen werden. Die Rechtsverordnung gilt unmittelbar. Da eine Verordnung zwar Gesetzescharakter hat, aber eben kein Gesetz ist, wird das Ministerium, wenn es Verordnungen erlässt, als „Verordnungsgeber“ bezeichnet.
Auch das Grundgesetz, als Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland, und die Landesverfassungen sind Rechtsquellen. Alle Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsakte, Urteile, Satzungen, etc. müssen mit dem Grundgesetz, bzw. der jeweiligen Landesverfassung in Einklang stehen.
Rechtsquellen gelten örtlich grundsätzlich für den Bereich, für den sie erlassen sind. Das Grundgesetz gilt für die gesamte Bundesrepublik Deutschland, das Polizeigesetz NRW gilt für das gesamte Land Nordrhein-Westfalen, die Hundesteuersatzung der Stadt Düsseldorf gilt für Düsseldorf und die Herrn Müller erteilte Baugenehmigung gilt für das von ihm beantragte Bauvorhaben.
Allerdings kann der örtliche Geltungsbereich auch eingeschränkt werden. Zum Beispiel kann die Kreisverwaltung beim Ausbruch einer Tierseuche durch Allgemeinverfügung einen Sperrbezirk von 10 km um das Seuchenausbruchsgehöft einrichten. Die speziellen Vorschriften der Allgemeinverfügung gelten dann nur für die Gehöfte innerhalb dieses Sperrbezirks. Alle Gehöfte außerhalb des Sperrbezirks, die sich aber innerhalb des Kreisgebietes befinden, sind an diese Vorschriften nicht gebunden.
Auch in zeitlicher Hinsicht kann der Geltungsbereich von Rechtsquellen beschränkt sein. Grundsätzlich gilt ein erlassenes Gesetz oder ein bekanntgegebener Verwaltungsakt unbegrenzt. Wird aber z.B. das Gesetz geändert, so gilt nur noch die neue Fassung. Heutzutage ist es auch üblich, dass Gesetze mit einer Vorschrift versehen werden, die eine Überprüfung des Gesetzes zu einem bestimmten Datum vorschreibt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Gesetze, die sich als unwirksam herausgestellt haben oder die nicht mehr benötigt werden, wieder aufgehoben werden. Auch Verwaltungsakte und Verordnungen können von den erlassenden Behörden aufgehoben werden, wenn sie z.B. nicht mehr benötigt werden. Erlaubnisse können zudem von vorneherein z.B. mit einer Befristung versehen werden. Das kommt etwa bei der Genehmigung von Stadtfesten in Betracht. Die Erlaubnis, z.B. die Straße zu sperren und Verkaufsbuden aufzustellen, gilt dann nur für die Dauer des Stadtfestes. Danach wird die Erlaubnis automatisch unwirksam. Mehr hierzu erfährst du im Kapitel „Allgemeines Verwaltungsrecht“.
VORBEHALT DES GESETZES
Unter dem Grundsatz „Vorbehalt des Gesetzes“ versteht man die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage, um als Behörde in die Rechte des Bürgers eingreifen zu dürfen. Dieser Grundsatz ergibt sich aus Art. 20 III Grundgesetz – eine Vorschrift, die du dir durchlesen und merken solltest. Du wirst zu mehreren Gelegenheiten während deiner Ausbildung immer wieder mit Art. 20 GG Kontakt haben, da hier einige sehr wichtige Regelungen für das Verhalten des Staates gegenüber dem Bürger getroffen worden sind.
In Art. 20 III GG wird bestimmt, dass die Exekutive bei ihrer Arbeit an Recht und Gesetz gebunden ist. Das bedeutet, dass ein behördliches Handeln ohne rechtliche Grundlage nicht zulässig ist – dies muss insbesondere dann gelten, wenn in die Rechte des Bürgers eingegriffen werden soll.
Zur Zeit des Dritten Reichs wurde dieser Grundsatz aufgehoben, um das deutsche Rechtssystem für die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus instrumentalisieren zu können. Bekanntestes Opfer dieses Vorgehens dürfte Marinus van der Lubbe sein, der für den Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 verantwortlich gemacht und zum Tode verurteilt wurde. Das Todesurteil erfolgte auf Grundlage der Reichstagsbrandverordnung, die erst am 28. Februar 1933, also nach dem Reichstagsbrand, in Kraft trat und u.a. für Brandstiftungen die bisher geltende lebenslange Freiheitsstrafe durch die Todesstrafe ersetzte. Mit dem Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe vom 29. März 1933 wurde dann auch noch die Rückwirkung der Reichstagsbrandverordnung für Taten, die zwischen dem 31. Januar und 28. Februar 1933 begangen wurden, beschlossen. Dieses Gesetz verstieß gleich gegen zwei Rechtsstaatsprinzipien, nämlich gegen die Verbote der strafrechtlichen Rückwirkung und der Einzelfallgesetzgebung (Art. 20 I 1 GG).
Der grundlegende Gedanke, der hinter diesem Prinzip zu sehen ist, ist der der Rechtssicherheit. Der Bürger muss wissen, was erlaubt und was verboten ist und – zumindest nach deutschem Strafrechtssystem – mit welcher Strafe er bei Zuwiderhandlung zu rechnen hat. Es kann in einem demokratischen Rechtsstaat nicht sein, dass jemand für etwas bestraft wird, von dem er nicht wusste, dass es strafbar ist.
Bezüglich der Kenntnisnahme von rechtlichen Regelungen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in unserem gesamten Rechtssystem, einschließlich des Zivilrechts, nicht das tatsächliche Wissen der betroffenen Person, sondern immer nur die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Regelung ausschlaggebend ist.
Das heißt, der Bürger muss lediglich die Möglichkeit haben, sich über die für ihn einschlägigen Verbote informieren zu können. Dies ist allein schon durch die große Präsenz bestimmter „populärer“ gesetzlicher Regelungen in den Medien weitestgehend gegeben, wie z.B. im Rahmen der „Hartz IV“-Gesetzgebung.
Viele Vorschriften sind kostenlos im Internet oder von den Parlamenten zu beziehen, und es ist auch Aufgabe der Verwaltung Wissenslücken unaufgefordert zu schließen, sofern diese beim Bürger erkannt werden und diese für die Sache erheblich sind. Ob der Bürger dann von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist rechtlich zunächst unbedeutend.
Hinweis:
Der Vorbehalt des Gesetzes ist nicht zu verwechseln mit dem Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzesvorbehalt ist ein Begriff aus dem Staatsrecht und bezeichnet die Ermächtigung im Grundgesetz an den Gesetzgeber, durch Gesetz bestimmte Grundrechte einschränken zu dürfen. Weitere Informationen zum Gesetzesvorbehalt findest du im Kapitel „Staats- und Europarecht“.
VORRANG DES GESETZES
Der „Vorrang des Gesetzes“ verbietet es den Behörden, Handlungen vorzunehmen, die dem geltenden Recht widersprechen.
Auch dieses Prinzip leitet sich aus Art. 20 III GG ab. Die Behörde hat also bei ihrer Arbeit die geltenden rechtlichen Regelungen exakt umzusetzen. Sie darf also insbesondere die rechtlichen Vorgaben nicht unterschreiten und nicht überschreiten.
Beispiel:
In der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (VerwGebO NW) ist in Ziffer 8.3.1.1 festgelegt, dass für die Durchführung der Jägerprüfung vom Prüfling eine Gebühr in Höhe von 220,00 € zu entrichten ist. Verlangt die Verwaltung nun stattdessen 250,00 € oder nur 100,00 € liegt im weitesten Sinne ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorrangs vor.
GLEICHHEITSGRUNDSATZ (ART. 3 GRUNDGESETZ)
Der Staat hat bei allen seinen Handlungen die Grundrechte des Bürgers (Art. 1-19 GG) zu beachten. Auf die einzelnen Grundrechte werde ich im Kapitel „Staats- und Europarecht“ eingehen. Die Gefahr der versehentlichen Verletzung der meisten Grundrechte ist verhältnismäßig gering. Stark gefährdet ist jedoch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz. Deswegen möchte ich diesen Artikel hier kurz ansprechen.
Gemäß Art. 3 GG sind alle Menschen (Frauen, Männer und diverse/intersexuelle) vor dem Gesetz gleich. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt oder wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass verschiedene Gruppen von Menschen aus sachlichen Gründen unterschiedlich behandelt werden können. So lautet der einschlägige Leitsatz des Bundesverfassungsgerichtes zur Anwendung von Gleichheit: „Wesentlich Gleiches ist gleich und wesentlich Ungleiches ist ungleich zu behandeln.“
Das bedeutet, dass eine Ungleichbehandlung von Menschen dann erlaubt ist, wenn zwischen zwei Gruppen Unterschiede solcher Art und von solchem Gewicht vorliegen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist.
Wann ein ausreichender sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vorliegt, muss für jeden Einzelfall separat entschieden werden. Wichtig ist meines Erachtens für deine tägliche Arbeit, dass der Grund für eine Ungleichbehandlung offensichtlich sein muss. Er muss sich dir quasi „aufdrängen“. Meistens wird es hierbei in deiner beruflichen Praxis um Unterschiede in der (finanziellen) Leistungsfähigkeit des Bürgers gehen. In der Regel existieren bereits gesetzliche Regelungen, die solche Ungleichheiten behandeln. Zum Beispiel sieht § 17 III OWiG vor, dass bei der Bemessung der Höhe von Geldbußen auch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu achten ist. Wenn also ein Sozialhilfeempfänger und ein Millionär die gleiche Tat begehen, soll die verhängte Geldbuße beide in gleichem Maße bestrafen. Also müssen sich die Höhen der Geldbußen unterscheiden, denn eine Geldbuße in Höhe von 500 € tut dem Sozialhilfeempfänger sicherlich deutlich mehr weh, als dem Millionär. Hier ist also eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt, aber eben auch speziell gesetzlich eröffnet. Das ist aber nicht immer der Fall.
Ein Bereich, für den man eine sachliche Ungleichbehandlung recht einfach nachvollziehen kann, ist die Sozialhilfe. Es liegt auf der Hand, dass Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen bestreiten können, Leistungen des Sozialamtes erhalten, Personen mit entsprechend hohem Gehalt aber nicht.
Aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland die Verpflichtung, durch Belastung der Starken und Förderung der Schwachen auf eine soziale Gleichheit innerhalb der Bevölkerung hinzuwirken.
Wichtig für dich ist es zunächst erstmal nur, zu wissen, dass du Sachverhalte, die wesentlich gleich sind, auch gleich behandeln musst. Wenn also z.B. zwei Personen die gleiche Dienstleistung nachfragen, muss auch die Gebühr in beiden Fällen gleich hoch sein. Das Abweichen von diesem Prinzip benötigt einen sachlichen Grund und muss in deiner täglichen Arbeit die Ausnahme sein und bleiben.
ZUSTÄNDIGKEIT
Die Frage nach der Zuständigkeit ist eine der ersten Fragen, die man sich als Bediensteter einer Behörde stellt, bevor man in die eigentliche Fallbearbeitung einsteigt.
Man unterscheidet in die örtliche Zuständigkeit, die sachliche Zuständigkeit und die instanzielle Zuständigkeit.
Die Paragrafen, nach denen sich die Zuständigkeiten richten, unterscheiden sich je nach Fachbereich. Ich will dir hier nur einen ganz groben Überblick geben. Ich werde in jedem Kapitel die dort geltenden Zuständigkeitsregelungen noch ausdrücklich ansprechen.
Die Regelungen über die Zuständigkeit ergeben sich üblicherweise entweder aus dem Gesetz, das man anwenden möchte, oder aus einer speziellen Zuständigkeitsverordnung. Leider ist das Auffinden dieser Zuständigkeitsverordnungen oft sehr schwierig, da deren Namensgebung nicht immer eindeutig ist. Aber dein großer Vorteil in den Praxisabschnitten deiner Ausbildung ist es, dass dort Kolleginnen und Kollegen arbeiten, die die entsprechenden Vorschriften kennen werden.
Örtlich zuständig ist grundsätzlich erst mal die Behörde, in deren Zuständigkeitsgebiet / Hoheitsgebiet sich der zu regelnde Sachverhalt ereignet hat oder gerade ereignet oder noch ereignen wird. Also dort, wo z.B. eine Gaststätte eröffnet werden soll, eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist, ein Haus abgerissen werden soll oder auch, wo der Antragsteller wohnt. Es geht also um den örtlichen Bezug zu der Behörde.
Bei der sachlichen Zuständigkeit geht es darum, ob die Behörde für die Erledigung der konkreten Aufgaben zuständig ist. Mit Behörde ist hier jetzt nicht zwangsläufig die gesamte Stadt-oder Kreisverwaltung gemeint, sondern das Amt, z.B. das Jugendamt, die Ausländerbehörde oder das Straßenverkehrsamt. Wenn es also um den Abriss eines Hauses geht, so leuchtet es wohl ein, dass hierfür das Bauamt und nicht etwa das Jugendamt zuständig ist.
Die instanzielle Zuständigkeit wird in deiner Ausbildung sehr wahrscheinlich vernachlässigt. Dabei geht es um die Frage, welche Instanz innerhalb einer Hierarchie von mehreren zuständigen Behörden tätig werden darf. Das klingt erstmal kompliziert, letztlich geht es aber nur um die Frage, ob die Gemeinde / Stadt, der Kreis, die Bezirksregierung, der Landschaftsverband oder das Ministerium zuständig ist. Du wirst während deiner Ausbildung fast ausschließlich mit Rechtsvorschriften zu tun haben, für die die Städte und Gemeinden zuständig sind. Eventuell kann mal etwas dabei sein, wo die Kreisverwaltung zuständig ist. Das Thema instanzielle Zuständigkeit ist für dich also erstmal nicht so wichtig.
Wichtig zu wissen ist, dass in Fällen von Gefahr im Verzug (siehe Kapitel „Recht der Gefahrenabwehr“ / es handelt sich um Situationen, in denen dringend gehandelt werden muss) auch die Behörde tätig werden darf, die sachlich, aber nicht örtlich zuständig ist. Wenn also z.B. eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes / Bereich „Landeshundegesetz“ der Gemeinde G durch die Fußgängerzone der Stadt S läuft und dort einen unangeleinten Hund sieht, der die Passanten anspringt, darf sie eingreifen und den Hund sicherstellen. Sie muss dann aber unverzüglich das Ordnungsamt der Stadt S informieren und darf nur diejenigen Handlungen vornehmen, die unbedingt nötig sind. Wäre die Mitarbeiterin nicht vom Ordnungsamt, sondern z.B. aus dem Bauamt, dürfte sie dies alles nicht. (Wichtig: hier geht es um die Frage der behördlichen Zuständigkeit – nicht, ob jemand aufgrund von Notwehr, Notstand oder sonstigen Not-oder Jedermannsrechten eingreifen dürfte)
VERHÄLTNISMÄßIGKEIT / ERMESSEN
Ich erkläre im Folgenden das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Ermessen, welches sich nochmal in das Entschließungsermessen und das Auswahlermessen unterteilt. Es handelt sich um zwei getrennte Elemente einer Rechtmäßigkeitsprüfung, die jedoch sehr viele Berührungspunkte haben, sodass eine klare Trennung in der gutachterlichen Prüfung manchmal sehr schwierig ist. Ich empfehle grundsätzlich, dem Prüfschema strikt zu folgen, welches dir von deinem Dozenten in dem jeweiligen Fach vorgestellt wird. Ich möchte dich an dieser Stelle nur dafür sensibilisieren, dass eine Maßnahme, die unverhältnismäßig ist, auf keinen Fall auswahlermessensfehlerfrei sein kann – und umgekehrt.
VERHÄLTNISMÄßIGKEITSPRINZIP
Auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip werde ich noch in jedem Kapitel, in dem es eine Rolle spielt, genauer erklären. Dennoch möchte ich hier kurz einen allgemeinen Überblick geben.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit leitet sich aus Art. 20 III GG ab. Es gibt mehrere gesetzliche Grundlagen für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, die jedoch inhaltlich gleich sind. Letztlich geht es immer darum, dass die Behörde den Bürger nicht übermäßig stark belasten, also in dessen Rechte eingreifen darf, wenn dasselbe Ziel auch mit geringeren Mitteln zu erreichen ist (auch „Übermaßverbot“).
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgt in vier Schritten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der erste Schritt „legitimer Zweck“ von dir während deiner Ausbildung nicht erwartet wird. Dennoch möchte ich auch diesen Punkt vorstellen:
1. legitimer Zweck
Die behördliche Maßnahme muss einem legitimen Zweck dienen. Ein legitimer Zweck ist gegeben, wenn die Maßnahme dem Gemeinwohl dient.
Im Rahmen deiner Ausbildung wirst du Verhältnismäßigkeitsprüfungen fast ausschließlich anhand von Einzelfallentscheidungen (Verwaltungsakten, siehe hierzu Kapitel „Allgemeines Verwaltungsrecht“) vornehmen. Diese werden von der Behörde auf Grundlage eines Gesetzes getroffen und sollen in einem bestimmten Fall die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften sicherstellen oder erzwingen. Dadurch, dass das zugrundeliegende Gesetz bereits im Sinne des Gemeinwohls beschlossen und verkündet worden sein sollte und die Behörde die Einhaltung dieser vorgegebenen Rechtsordnung erreichen möchte, dient letztlich auch die Behördenentscheidung dem Gemeinwohl. Du kannst innerhalb der Ausbildung also in der Regel davon ausgehen, dass der legitime Zweck gegeben ist. Vorsicht ist für dich dann geboten, wenn sich aus dem Sachverhalt eindeutig ergibt, dass die Behörde eine Entscheidung aus willkürlichen Gründen trifft, also eben nicht zur Einhaltung der Rechtsordnung, sondern z.B. um irgendwelche anderen Ziele zu erreichen (z.B. Abriss eines Wohnhauses, das vollkommen intakt und vorschriftsmäßig ist, um dort ein Gewerbegebiet ausweisen zu können). Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Gründe dann eben nicht einem legitimen Zweck dienen, ist in einer Klausur sehr groß.
2. Geeignetheit
Dies ist der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass durch die Maßnahme das angestrebte Ziel erreicht wird.
Es reicht an dieser Stelle aus, dass die Zielerreichung denkbar, also nicht völlig abwegig ist. Ob die Maßnahme tatsächlich geeignet war, lässt sich erst im Nachhinein mit Sicherheit feststellen.
Beispiel:
Stellt ein Landwirt seinen Rindern nicht ausreichend Wasser zur Verfügung, stellt dies einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz (TierSchG) dar. Ungeeignet wäre es, den PKW des Landwirts sicherzustellen, da die Tiere nach wie vor kein Wasser hätten. Geeignet wäre es, den Rindern Wasser zur Verfügung zu stellen.
3. Erforderlichkeit
Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn kein milderes Mittel denkbar ist, mit dem derselbe Erfolg zu erreichen wäre. Aus mehreren möglichen Maßnahmen, die qualitativ dasselbe Ergebnis erreichen, muss also diejenige Maßnahme ausgewählt werden, die den Bürger oder das schützenswerte Gut am wenigsten belastet. Wenn mehrere Maßnahmen denkbar sind, sind diese in einer gutachterlichen Prüfung auch zu benennen und die getroffene Entscheidung ist zu begründen.
Beispiel:
Wie oben. Neben der Möglichkeit, den Landwirt dazu zu zwingen, den Rindern Wasser zu bringen, könnten die Tiere auch geschlachtet werden. Der tierschutzwidrige Zustand wäre damit abgewendet, denn die Rinder hätten keinen Durst mehr. Diese Maßnahme wäre jedoch nicht das mildeste Mittel, denn sowohl für den Landwirt aus finanzieller, als auch für die Tiere aus gesundheitlicher Sicht, wäre es weniger belastend, schlicht Wasser zur Verfügung zu stellen.
4. Angemessenheit / Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn
Angemessen ist eine Maßnahme nur dann, wenn deren Vor-und Nachteile nicht deutlich außer Verhältnis stehen. In der Regel geht es an dieser Stelle um eine Gegenüberstellung der betroffenen Grundrechte des Empfängers der Maßnahme und der Rechtsgüter, die die Behörde mit ihrer Maßnahme schützen will. Dies ist in der Regel auch der schwierigste Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Auf Seite der Behörde kann hier ein bestimmtes Rechtsschutzgut in Frage kommen, z.B. Schutz der Gesundheit von Passanten, Schutz der Bevölkerung vor einer Katastrophe, Schutz der Umwelt, oder einfach ganz allgemein der Schutz der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung oder der Schutz des Bestands des Staates und seiner Organe.
Für den Bürger kommen vor allem die Grundrechte in Betracht. Am häufigsten dürfte es wohl um die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG), die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 GG), die Freiheit der Person (Art. 2 II 2 GG), die Glaubensfreiheit (Art. 4 I, II GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 I, II GG), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 I, II GG) und das Recht auf Eigentum (Art. 14 I, III GG) gehen.
Bei der Prüfung der Angemessenheit geht es dann darum, zu begründen, warum die Grundrechte des Bürgers in diesem konkreten Einzelfall zurückstehen müssen. Hierzu sind grundsätzlich alle Aspekte, die für und gegen eine Einschränkung der Rechte des Bürgers sprechen, zu erörtern. Letztlich wird es in der Regel darauf hinauslaufen, dass dem Interesse der Öffentlichkeit an der Einhaltung der Rechtsordnung ein größeres Gewicht gegeben wird, als dem Einzelinteresse des Bürgers, der sich gegen die Rechtsordnung (und damit die Gemeinschaft) stellt.
Beispiel:
Wie oben. Der Landwirt könnte sich der Anordnung, Wasser zu holen, mit der Begründung widersetzen, dies stelle einen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit dar. Dem entgegen steht der Tierschutz, der sich aus Art. 20a GG ergibt und den Rang eines Staatsziels hat. Zudem gibt das Tierschutzgesetz (bzw. die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung) ausdrücklich vor, dass Rinder täglich mit Wasser in ausreichender Menge und Qualität zu versorgen sind.
Man würde also argumentieren, dass die Bevölkerung ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die tierschutzrechtlichen Vorschriften vom Landwirt eingehalten werden. Erschwerend für den Landwirt könnte man herausstellen, dass es sich um eine Tierhaltung handelt, die der Einkommenserzielung des Landwirts und der Lebensmittelgewinnung dient, sodass hier höhere Anforderungen an die Einhaltung der Vorschriften zu stellen sind, als bei einer privaten Tierhaltung. In der Summe würde man zum Ergebnis kommen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an einer Durchsetzung der tierschutzrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Tiere dem Individualinteresse des Landwirts an einem ungehinderten rechtswidrigen Verhalten vorgeht. Die getroffene Maßnahme wäre damit angemessen.
Hinweis:
Bei der Frage der Angemessenheit geht es letztlich immer um die Frage, ob eine Grundrechtsverletzung vorliegt. Du musst dir klar machen, dass es viele Rechtfertigungen dafür gibt, dass in die Grundrechte des Bürgers eingegriffen wird. Wenn der Eingriff sachlich gerechtfertigt und rechtmäßig ist, ist er auch zulässig. Nur, wenn der Eingriff in die Grundrechte nicht erlaubt war, willkürlich erfolgt oder zu belastend ist, handelt es sich nicht mehr um einen zulässigen Grundrechtseingriff, sondern um eine Grundrechtsverletzung.
ERMESSENSAUSÜBUNG
Beim Ermessen geht es um die Frage, ob und wie die Behörde eingreifen darf oder muss, wenn es zu rechtlichen Verstößen kommt oder wenn behördliche Dienstleistungen beantragt werden.
1. Entschließungsermessen
Das Entschließungsermessen beschäftigt sich damit, ob die Behörde einen Handlungsspielraum hat, ob sie tätig wird, oder ob sie auf jeden Fall tätig werden muss. Die Gesetzgeber und Verordnungsgeber machen es uns an dieser Stelle ausnahmsweise mal relativ einfach, herauszufinden, ob wir Entschließungsermessen haben oder nicht. Sie schreiben es ausdrücklich in die Gesetze und Verordnungen rein. Entscheidend ist hier immer die Formulierung der Ermächtigungsgrundlage, die wir verwenden möchten, bzw. der Anspruchsgrundlage, auf die der Bürger seinen Antrag stützt.
1.1 KANN
Hat der Gesetz- oder Verordnungsgeber bei der Formulierung der Ermächtigungs- oder Anspruchsgrundlage das Verb „können“ verwendet, so hat er hierdurch der Behörde ein umfassendes Entschließungsermessen eingeräumt. Die Behörde kann dann recht frei entscheiden, ob und wie sie tätig wird. Jedoch darf die Entscheidung nicht willkürlich oder diskriminierend sein. Hat die Behörde vorher in einem gleichgelagerten Fall Maßnahmen getroffen, dann muss sie dies jetzt auch tun. Das gebietet das sogenannte Prinzip der „Selbstbindung der Verwaltung“. Außerdem darf der Sachbearbeiter seine Entscheidung nicht davon abhängig machen, ob er mit dem Bürger gut zurechtkommt oder ihn sympathisch oder unsympathisch findet.
Du musst wissen, dass es sogenannte Fälle der „Ermessensreduktion auf Null“ gibt. Das ist dann der Fall, wenn die Situation so ist, dass man auf gar keinen Fall mehr abwarten kann. Wenn also z.B. Glasscherben auf einem Kinderspielplatz herumliegen, wird die Ordnungsbehörde nicht sagen können, dass sie ihr Entschließungsermessen aus § 14 I OBG NRW in der Art ausübt, dass sie die Scherben liegen lässt. Hier ist die Gesundheit der Kinder so wichtig und vor allen Dingen auch so konkret gefährdet, dass ein Eingreifen unbedingt nötig ist.
Außerdem muss gesagt werden, dass das Entschließungsermessen einer Behörde auch dann sehr stark eingeschränkt ist, wenn ein Bürger eine behördliche Handlung, z.B. die Erteilung einer Erlaubnis, beantragt und er die rechtlichen Vorgaben erfüllt. Hier geht dann das Bedürfnis des Bürgers vor und die Behörde wird die beantragte Erlaubnis erteilen müssen.
Beispiel:
„Die Ordnungsbehörden können die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren.“ (§ 14 I OBG NRW)
1.2 SOLL
Wenn das Verb „sollen“ verwendet wurde, so muss die Behörde tätig werden, es sei denn, es handelt sich um einen atypischen Fall. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn der Sachverhalt sehr stark von der Masse der anderen Sachverhalte abweicht. Wenn also der aktuelle Fall mit den ganzen anderen Fällen, die von der Behörde bearbeitet werden, nicht vergleichbar ist.
Beispiel:
„Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.“ (§ 11 V 6 TierSchG)
1.3 MUSS (TRIFFT / ERTEILT)
Wenn Verben verwendet werden, die eine konkrete Handlung bezeichnen, also schon vom Wortsinn her keinen Spielraum zulassen, ist die Behörde zum Tätigwerden verpflichtet.
Beispiel:
„Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.“ (§ 16a I 1 TierSchG)
In diesem Fall ist die Behörde also dazu verpflichtet, tätig zu werden, und ist lediglich frei in der Auswahl der zu treffenden Maßnahme. Es handelt sich dann um einen Fall der sogenannten „gebundenen Verwaltung“ oder des „gebundenen Ermessens“.
2. Ermessensfehler
Wenn der Behörde ein Ermessen eingeräumt ist, sind bei der Ausübung des Ermessens folgende Ermessensfehler zu vermeiden:
2.1 Ermessensausfall
Ein Ermessensnichtgebrauch (auch „Ermessensnichtgebrauch“ oder „Ermessensunterschreitung“) liegt vor, wenn die Behörde das ihr zustehende Ermessen ganz oder teilweise nicht erkennt, bzw. nicht gebraucht. Dahinter steht der Gedanke, dass ein Ermessen nur dann richtig ausgeübt werden kann, wenn die Behörde auch erkannt hat, dass ihr ein Ermessen zusteht.
Beispiel:
Nach § 4 I Landeshundegesetz NRW (LHundG NRW) bedarf derjenige, der einen gefährlichen Hund im Sinne des Gesetzes hält oder halten will, der behördlichen Erlaubnis.
„Die Erlaubnis kann befristet erteilt und mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden; …“ (§ 4 IV LHundG NRW)
Die Behörde erteilt eine Erlaubnis und befristet diese auf 2 Jahre. In der Begründung gibt sie folgendes an:
„Nach § 4 IV LHundG NRW bin ich verpflichtet, Ihre Erlaubnis zu befristen.“
Die Behörde hat hier nicht erkannt, dass ihr hinsichtlich der Befristung ein Ermessen zusteht. Sie ist davon ausgegangen, dass sie dazu verpflichtet ist, die Erlaubnis zu befristen. Somit liegt ein Ermessensausfall vor.
2.2 Ermessensüberschreitung
Eine Ermessensüberschreitung ist gegeben, wenn die Behörde den ihr eingeräumten Ermessensrahmen überschreitet.
Beispiel:
Nach Tarifstelle 30.3 Allgemeine Verwaltungsgebührenordnung NRW ist für die Versendung von Akten eine Gebühr von 5 € bis 100 € zu erheben.
Wenn die Behörde für die Versendung von Akten eine Gebühr von z.B. 200 € erhebt, handelt es sich um eine Ermessensüberschreitung.
2.3 Ermessensfehlgebrauch
Um einen Ermessensfehlgebrauch handelt es sich im Grunde bei Willkür-Maßnahmen. Wenn also die Behörde eine Entscheidung aufgrund sachfremder Erwägungen trifft.
Beispiele:
Ein Haus wird nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften abgerissen, weil dort künftig keine Wohnbebauung mehr erfolgen, sondern Gewerbe angesiedelt werden soll.
Umsetzung eines Amtsleiters, weil er der „falschen“ politischen Partei angehört.
3. Auswahlermessen
Hinsichtlich der Auswahl der Maßnahmen ist die Behörde grundsätzlich frei. Sie muss beachten, dass sie die o.g. Ermessensfehler vermeidet, die Entscheidung also rechtmäßig und sachgerecht erfolgt. Wie bereits erwähnt, läuft es hier im Wesentlichen auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus.
NORMENKOLLISION
Es kann passieren, dass sich zwei (oder mehrere) Vorschriften widersprechen. Dann musst du darüber entscheiden, welche der Vorschriften anzuwenden ist. Hierzu gibt es mehrere Methoden (Kollisionsregeln und Auslegungsregeln), die dir dabei helfen können. Mach dir an dieser Stelle keinen Druck. Gerade das Auslegen von Rechtsnormen ist sehr kompliziert und wird von dir in der Regel so nicht erwartet. Ich halte es aber dennoch für wichtig, dass du die nachfolgenden Methoden mal gehört hast.
1. Kollisionsregeln
1.1 Spezialitätsprinzip
(lat., „lex specialis derogat legi generali”)
Das Spezialitätsprinzip wird in deiner praktischen Arbeit sehr wichtig sein, denn unser ganzes Rechtssystem (inklusive des EU-Rechts) ist auf diesem Prinzip aufgebaut. Es geht dabei darum, dass immer diejenige Norm angewendet wird, die den vorliegenden Sachverhalt am speziellsten, also am wenigsten allgemein, regelt.
So gibt zum Beispiel das Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG NRW) die allgemeinen Rahmenbedingungen für das Handeln der Ordnungsbehörden vor und beinhaltet mit seinem § 14 I auch eine eigene Ermächtigungsgrundlage zum Eingreifen in die Rechte des Bürgers.
Wenn es sich aber zum Beispiel um einen Sachverhalt aus dem Bereich des Tierschutzrechts handelt, so ist das Tierschutzgesetz (TierSchG) spezieller, denn es regelt genau diesen Fachbereich. Es darf daher nur auf das OBG NRW zurückgegriffen werden, wenn das TierSchG zu bestimmten Punkten keine Regelungen getroffen hat. Da aber das TierSchG in seinem § 16a eine eigene, speziellere Ermächtigungsgrundlage enthält, ist ein Rückgriff auf § 14 I OBG NRW grundsätzlich nicht erlaubt.
Für den Bereich des Tierschutzes kann man das Spezialitätsprinzip sogar noch weitertreiben, denn auf Grundlage des § 2 TierSchG, der grundsätzlich eine artgerechte Haltung von Tieren vorschreibt, sind mehrere Verordnungen erlassen worden, die diesen Paragrafen für bestimmte Tierarten oder Sachverhalte konkretisieren. So darf z.B. für Hundehaltungen grundsätzlich nicht § 2 TierSchG herangezogen werden, sondern es ist die Tierschutz-Hundeverordnung anzuwenden.
1.2 Anciennitätsprinzip
(lat., „lex posterior derogat legi priori”)
Dieses Prinzip hat in der heutigen Zeit nur noch eine nachgeordnete Bedeutung. Es soll immer diejenige Vorschrift angewendet werden, die jünger ist, weil man davon ausgeht, dass diese dem derzeitigen Stand der gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen, rechtlichen und politischen Entwicklung eher entspricht, als die ältere. Heutzutage gibt es kaum mehr Vorschriften, die nicht regelmäßig überarbeitet werden, so dass eine Anwendung des Anciennitätsprinzips praktisch nicht mehr in Frage kommt.
1.3 Normenhierarchie
(lat., „lex superior derogat legi inferiori”)
Wahrscheinlich hast du mal von dem Spruch „Bundesrecht bricht Landesrecht“ gehört. Dieser beschreibt genau das Prinzip der Normenhierarchie. Die übergeordnete Rechtsquelle soll immer den Vorrang vor der jeweils untergeordneten Rechtsquelle erhalten. Mit der sich stetig weiterentwickelnden Bedeutung des EU-Rechts verschiebt sich diese Rangordnung der Rechtsquellen nach oben:
2. Auslegungsregeln (canones)
Wie bereits erwähnt, möchte ich auf die Auslegungsregeln nur ganz oberflächlich eingehen. Es geht bei der Auslegung darum, wie eine Rechtsnorm zu verstehen ist. Die Gesetz- und Verordnungsgeber verwenden oft sogenannte „unbestimmte Rechtsbegriffe“, die nicht sofort von ihrem Inhalt und Umfang her verständlich sind. Sie bedürfen daher der Auslegung. Die folgenden Methoden sollen dabei helfen, die Bedeutung einer Rechtsnorm herauszufinden.
Beispiel:
„Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe…bestraft.“ (§ 185 Strafgesetzbuch) Die Frage ist, was alles unter den Begriff der „Beleidigung“ fällt.
2.1 Grammatische (philologische) Auslegung
Hierbei hält man sich ganz streng an die Wortbedeutung. Hierzu kann man sich zum Beispiel des Duden oder eines Lexikons bedienen, um herauszufinden, was das auszulegende Wort alles umfasst.
2.2 Historische Auslegung
Man betrachtet bei der historischen Auslegung, wie die Rechtsnorm zustande gekommen ist und wie dieses Zustandekommen in der Öffentlichkeit kommentiert worden ist. Hierzu kann man in erster Linie die Unterlagen des Parlaments einsehen und versuchen, zu ergründen, aus welchen Gründen diese konkrete Formulierung getroffen worden ist. Außerdem kann man die zeitgenössische Presse und eventuell rechtswissenschaftliche Zeitschriften einsehen und erhält hierüber Hinweise darauf, wie die Vorschrift gemeint sein könnte.
2.3 Systematische Auslegung
Bei der systematischen Auslegung versucht man, anhand der Systematik der Rechtsordnung die Bedeutung des Rechtsbegriffs herauszufinden. Wenn dieser Begriff z.B. schon an anderer Stelle näher definiert ist, kann man versuchen, diese Definition analog anzuwenden.
2.4 Teleologische Auslegung
Hierbei stellt man sich die Frage, was der Gesetz- oder Verordnungsgeber wohl mit der Vorschrift bezwecken wollte. Es besteht natürlich die Gefahr, dass man eine Norm dann so auslegt, wie man es selbst am liebsten hätte – das darf natürlich nicht passieren.
2.5
Im Ergebnis wende ich meistens die grammatische und die teleologische Auslegung in einer Kombination an. Für deine praktische Arbeit empfehle ich immer erstmal den Blick in einen, hoffentlich zugänglichen, Kommentar zu dem anzuwendenden Gesetz. Im Kommentar sind auch die wichtigsten Gerichtsentscheidungen dargestellt, denn um ehrlich zu sein, sind es in aller Regel die Gerichte, die eine Norm verbindlich auslegen (dürfen).
3. Grundsatz der praktischen Konkordanz
Wenn die Kollision nicht zwischen Gesetzen und/oder Verordnungen besteht, sondern zwischen Grundrechten (z.B. um Fall der Angemessenheit in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung), dann können die vorgenannten Regeln nicht angewendet werden.
Hier kommt dann der Grundsatz der praktischen Konkordanz zum Einsatz. Für dich reicht es an dieser Stelle aus, zu wissen, dass kein Grundrecht ein anderes Grundrecht absolut verdrängen darf und daher bei einer Grundrechtskollision eine Art „Mittelweg“ im Licht der Verfassung gefunden werden muss.
OPPORTUNITÄTSPRINZIP / LEGALITÄTSPRINZIP
Das „Opportunitätsprinzip“ beschreibt im Grunde das Vorhandensein des Entschließungsermessens der Behörde.
Die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaften, Polizei) hingegen muss in den meisten Fällen auch ohne Antrag, nämlich von Amts wegen, tätig werden und ein Ermittlungsverfahren einleiten. Das Fehlen eines Entschließungsermessens wird „Legalitätsprinzip“ genannt.
VERWALTUNGSVORSCHRIFT / ERLASS
Wesentlich für deine praktische Arbeit in der Behörde ist letztlich noch die Unterscheidung zwischen Rechtsvorschriften und Verwaltungsvorschriften.
Rechtsvorschriften sind alle Vorschriften, die eine Außenwirkung entfalten. Hierzu zählen alle Gesetze, das Richterrecht, Gewohnheitsrechte, Verordnungen und Satzungen. Diese Vorschriften sind von den Bürgern, Unternehmen und Behörden zu befolgen, bzw. einzuhalten.
Es gibt jedoch auch sogenannte Verwaltungsvorschriften oder Erlasse, die in der Regel von den zuständigen Ministerien an die untergeordneten Verwaltungsbehörden gerichtet werden. Hier werden den Behörden Verfahrensformen, Verhaltensweisen und Auslegungsregeln vorgeschrieben, die diese zu befolgen haben.
Wichtig ist, dass zwar die Behörde an die Verwaltungsvorschriften gebunden ist, auch wenn die Behörde eine abweichende Rechtsauffassung vertritt. Jedoch kann der Bürger aus einer Verwaltungsvorschrift keine Ansprüche herleiten.
Für die Verwaltungsbehörde ergibt sich hierdurch das Dilemma, dass sie auch Verwaltungsvorschriften einhalten muss, die rechtwidrig sind. Die Behörde wird hierdurch zu rechtswidrigem Verhalten gezwungen. Klagt der Bürger erfolgreich gegen die Behördenentscheidung, kann sich die Behörde nicht darauf berufen, dass sie nur den Erlass befolgt hat. Sie verliert das Verfahren. Hält sich die Behörde allerdings nicht an den Erlass, droht ihr Ärger seitens der Fachaufsicht. In der Praxis kann also nur dazu geraten werden, Erlasse zu befolgen, sich aber damit abzufinden, dass Gerichtsverfahren dann auch schon mal verloren werden.
ARTEN DER MEHRHEITEN
Für die Kapitel, bei denen Abstimmungen und Wahlen zum Inhalt gehören, soll dir hier nochmal ein Überblick über die verschiedenen Arten von Mehrheiten gegeben werden. Es geht also immer um die Frage, ob eine zur Wahl gestellte Entscheidung (das kann die Beschlussfassung über ein Gesetz oder eine Vorlage im Stadtrat oder auch die Wahl einer Person sein) angenommen oder abgelehnt wird. Bei Stimmengleichheit gilt die Entscheidung in der Regel als abgelehnt (genauer: nicht beschlossen). Wichtige Größen sind die Anzahl der Sitze im Entscheidungsorgan (z.B. Abgeordnete im Bundestag, Stimmen im Bundesrat, Mitglieder im Stadtrat), die Anzahl der anwesenden stimmberechtigten Personen und die Anzahl der tatsächlich abgegebenen Stimmen.
1. Relative Mehrheit / Stimmenmehrheit
Hierbei kommt es nicht darauf an, wie viele Sitze im Entscheidungsorgan existieren. Ein Beschluss ist immer dann gefasst, wenn mindestens eine Ja-Stimme mehr abgegeben worden ist, als Nein-Stimmen.
2. Einfache Mehrheit
Bei der einfachen Mehrheit ist der Beschluss gefasst, wenn mindestens eine Ja-Stimme mehr abgegeben worden ist, als die Hälfte der anwesenden Personen. Es kommt also nicht auf die Anzahl der Sitze des Entscheidungsorgans an. Sind z.B. 100 Personen anwesend, ist ein Beschluss mit mindestens 51 Ja-Stimmen gefasst.
3. Absolute Mehrheit
Bei der absoluten Mehrheit kommt es nun darauf an, wie viele Sitze das Entscheidungsorgan hat, denn ein Beschluss ist nur dann gefasst, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder/Sitze/Stimmen für die Vorlage stimmt. Wenn ein Entscheidungsorgan also über 100 Mitglieder verfügt, kann ein Beschluss nur mit mindestens 51 Ja-Stimmen gefasst werden, egal wie viele der Mitglieder tatsächlich anwesend sind (es sei denn, das Organ wäre nicht beschlussfähig).
4. Qualifizierte Mehrheit
Bei der qualifizierten Mehrheit ist eine individuelle Quote vorgegeben, die erreicht werden muss. In der Regel werden entweder 2/3 der Stimmen vorausgesetzt oder es wird die Einstimmigkeit vorausgesetzt.
4.1 Einfache qualifizierte Mehrheit
Bei der einfachen qualifizierten Mehrheit muss die vorgegebene Quote anhand der abgegebenen Stimmen erreicht werden. Wenn also 90 Stimmen abgegeben werden, müssen bei einer 2/3-Mehrheit mindestens 60 Ja-Stimmen zusammenkommen.
4.2 absolute qualifizierte Mehrheit
Hier muss die Quote anhand der Anzahl der Mitglieder/Sitze/Stimmen erfüllt werden. Wenn es also 90 Mitglieder gibt, müssen bei einer 2/3-Mehrheit 60 Mitglieder mit Ja stimmen, wobei es egal ist, wie viele Mitglieder anwesend sind.
GUTACHTERSTIL
Wie ich bereits zu Anfang dieses Kapitels angekündigt habe, wird es deine Hauptaufgabe in der theoretischen Ausbildung sein, rechtswissenschaftliche Gutachten zu schreiben.
In dem Gutachten geht es darum, unter Zuhilfenahme eines speziellen Prüfschemas, eine rechtliche Fragestellung systematisch zu beantworten. Die einzelnen Prüfpunkte des Schemas dienen dabei dazu, dass keine Aspekte vergessen werden. Dass die Beantwortung in Form eines Gutachtens erfolgt, hat den Grund, dass du auf diese Weise dazu gezwungen wirst, eine tatsächliche Prüfung vorzunehmen und nicht einfach, sozusagen „aus dem Bauch“ heraus, Antworten zu geben.
Das wichtigste am Gutachterstil ist, dass man ihn konsequent einhält. Das ist nicht so einfach, wie es klingt, weil man naturgemäß in eine Art „Erzählstil“ verfällt. Es ist daher unerlässlich, dass du dich immer wieder zur Einhaltung des Gutachterstils ermahnst.
Zu unterscheiden sind der Urteilsstil oder Bescheidstil und eben der Gutachterstil oder Gutachtenstil.
Den Bescheidstil wirst du überwiegend bei der praktischen Arbeit in den Ausbildungsabschnitten in deiner Behörde anwenden. Hier wird das Ergebnis der Entscheidung (der „Tenor“) vorangestellt und im Anschluss begründet. Der Sinn ist, dass der Empfänger auf der ersten Seite direkt sieht, was von ihm verlangt wird, bzw. wie eben die Entscheidung der Behörde ausgefallen ist.
Beim Gutachterstil soll aber das Ergebnis erst mit der Anfertigung des Gutachtens ermittelt werden.
Konkret bedeutet das, dass du von deinem Dozenten eine konkrete Fragestellung erhältst, die du dann in Form eines Gutachtens beantworten sollst. Dazu grenzt du üblicherweise erstmal das Rechtsgebiet und bestenfalls den Kreis der in Frage kommenden Paragrafen ein.
Nehmen wir zur Erklärung mal folgenden einfachen Sachverhalt:
„Die beiden Schüler A und B sitzen im Unterricht nebeneinander. Während der letzten Schulstunde merkt der A, dass sein Stift nicht mehr schreibt. Einen anderen Stift hat er nicht. Der B hat jedoch immer eine große Auswahl Stifte bei sich. Der A bittet den B, ihm bis zum Ende der Unterrichtsstunde einen seiner Stifte zu leihen. Der B willigt ein und übergibt dem A einen Stift. Nach dem Unterricht steckt der A den Stift ein und will den Klassenraum verlassen. Da spricht der B den A an und verlangt die Herausgabe des Stiftes.“
Eine mögliche Fragestellung des Dozenten könnte lauten:
„Hat der B einen Anspruch auf Herausgabe des Stiftes gegenüber A?“
Deine Aufgabe ist es nun, diese Fragestellung gutachterlich zu beantworten. Ich erkläre dir schrittweise, wie du das machst.