Mein Traum von dir - Melanie Harlow - E-Book
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Mein Traum von dir E-Book

Melanie Harlow

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Beschreibung

Margot Lewiston weiß, was sich gehört. Als Senatorentochter wurden ihr gute Manieren und Stil in die Wiege gelegt. Doch als ihr Exfreund auf einer Gala zu weit geht, löst sie einen Skandal aus. Margots Mutter hält es für das Beste, wenn ihre Tochter aus der Stadt verschwindet, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Und so nimmt die junge Marketingexpertin den Auftrag an, der entlegenen Farm der Valentini-Brüder zum Erfolg zu verhelfen. Dort trifft sie auf den mürrischen, wenn auch unverschämt attraktiven, Jack Valentini. Schnell wird ihr klar, dass das Gespött der Detroiter High Society nichts gegen den Umgang mit diesem Cowboy ist ...

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Buch

Margot Thurber Lewiston weiß, was sich gehört. Als Senatorentochter einer wohlhabenden, alteingesessenen Detroiter Familie wurden ihr gute Manieren und Stil in die Wiege gelegt. Doch als ihr Exfreund auf einer Spendengala zu weit geht, landet ihr Nachtisch beinahe wie von selbst vor aller Augen in seinem Gesicht. Margots Mutter hält es für das Beste, wenn ihre Tochter für eine Weile aus der Stadt verschwindet, bis sich der Skandal gelegt hat. Und so nimmt die junge Marketingexpertin den Auftrag an, der entlegenen Farm der Valentini-Brüder zum Erfolg zu verhelfen. Als sie dort aber auf den mürrischen, wenn auch unverschämt attraktiven Jack Valentini trifft, ist ihr das Gespött der High Society in Detroit beinahe lieber. Denn grobe Cowboys, die auf verwöhnte Städterinnen hinabblicken, sind vielleicht in Filmen in Ordnung, im echten Leben wünscht sich Margot lieber einen höflichen Krawattenträger. Doch sie hat sich auch noch nie so frei gefühlt wie bei den hitzigen Auseinandersetzungen mit Jack …

Autorin

Melanie Harlow bevorzugt ihre Martinis trocken, ihre Schuhe hoch und liebt abenteuerliche, romantische Geschichten. Manchmal joggt sie, aber eigentlich nur, um mehr essen zu können. Melanie lebt mit ihrem Mann, zwei Töchtern und einem Hasen bei Detroit.

Melanie Harlow

Mein Traum von dir

Roman

Aus dem Englischen

von Tanja Hamer

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »After we fall« bei MH Publishing LLC.
Copyright © der Originalausgabe by Melanie Harlow Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2018 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Dieses Buch wurde vermittelt von Bookcase Literary Agency und Rebecca Friedman Literary Agency. Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München Umschlagmotiv: Gettyimages/PeopleImages FinePic®, München Redaktion: Susann Harring MR · Herstellung: kw Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach ISBN: 978-3-641-22577-3V003
www.goldmann-verlag.de
Besuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

Für J & C

Eure Liebe und euer Mut haben mich inspiriert.

Zweite Chancen bekommen wir nicht, um Fehler zu korrigieren, sondern um zu beweisen,dass Niederlagen uns stärker machen.

Unbekannt

1

Margot

Ich habe die Torte nicht geworfen.

Und jetzt mal im Ernst, ich finde, darauf sollten sich alle konzentrieren: auf meine außergewöhnliche Zurückhaltung. Auf die geradezu buddhistische Selbstkontrolle und majestätische Disziplin, die mich die preisgekrönte »Cheery-Cherry-Delight«-Torte haben ansehen und mich dagegen entscheiden lassen. (Nur damit ihr es wisst, es lag einzig und allein an dem Hemd, das er trug. So wütend ich auch war, brachte ich es nicht über mich, ein schneeweißes, frisch gestärktes Hemd von Brooks Brothers mit Button-down-Kragen derart zu entweihen. Ich bin schließlich kein Monster.)

Nicht dass es einem besonders empfehlenswerten Verhalten entspräche, ein Tablett voller Scones – mit zugegeben miserabler Treffsicherheit – nach dem Exfreund zu werfen. Das verstehe ich vollkommen. Und jeder, der mich kennt, würde bestätigen, dass es mir absolut nicht ähnlich sieht, so etwas zu tun. Ich, Margot Thurber Lewiston, bin stolz darauf, meine Emotionen unter Kontrolle zu haben –, und zwar vorbildlich –, selbst unter Druck einen würdevollen Auftritt hinzulegen, ruhig zu bleiben und stets das Gesicht zu wahren. Ich verliere so gut wie nie die Fassung, und erst recht nicht in einem Raum voller reicher Sponsoren für die Senatoren-Wahlkampagne meines Vaters.

In meinem ganzen Leben bin ich noch nie auch nur auf die Idee gekommen, mit Essen zu werfen – oder auch mit anderen Dingen, vor allem nicht in anderer Leute Häuser. Ich habe überhaupt wenig Übung im Werfen, was vermutlich der Grund dafür ist, dass ich meine Schwierigkeiten hatte, das Ziel zu treffen (ich habe mich wegen des beschmutzten Tischtuchs tausendmal bei Mrs Biltmore entschuldigt – und auch wegen der Belleek-Vase).

Ich bin gut erzogen, auf die gute altmodische, traditionelle Art und Weise. In meiner Familie werden Bescheidenheit, Höflichkeit und vor allem Diskretion hochgehalten.

Egal, was passiert, wir machen keine Szene.

Laut meiner Mutter, Margaret Whitney Thurber Lewiston (auch bekannt als Muffy), spricht nichts so deutlich für Geschmacklosigkeit – oder noch schlimmer fürNeureiche –, als jemandem eine Szene zu machen.

Sie meint, ich hätte es geschafft, mich derart geschmacklos aufzuführen, dass die Leute noch die nächsten Jahre darüber sprechen würden.

Womit sie wahrscheinlich recht hat.

Aber ich kann es erklären.

❊ ❊ ❊

Es begann mit einer dieser Textnachrichten, die niemand dienstagnachts von einem Exfreund bekommen möchte. Auch nicht in irgendeiner anderen Nacht.

Tripp: Ich muss dich unbedingt sehen. Stehe vor der Tür.

Ich: Es ist schon spät. Können wir nicht morgen reden?

Tripp: Nein, jetzt. Bitte. Ich brauche dich.

Stirnrunzelnd starrte ich mein Handy an und fragte mich, was er wollte. Wir hatten die Beziehung vor gut einem Jahr beendet, und auch wenn wir seitdem ein freundschaftliches, leicht verkrampftes Verhältnis aufrechterhielten, hatten wir seit der Trennung kein persönliches Gespräch mehr geführt. Während ich darüber nachdachte, wie ich ihm seinen Wunsch möglichst höflich abschlagen könnte, schrieb er erneut.

Tripp: Bitte, Gogo. Es ist wichtig.

Ich spürte, wie ich beim Lesen meines Spitznamens weich wurde. Nicht weil ich ihn so gern mochte, sondern weil er mich an bessere Zeiten erinnerte. Tripp und ich kannten uns schon sehr lange, unsere Familien waren miteinander befreundet, und früher hatte ich gedacht, wir würden den Rest unseres Lebens miteinander verbringen. Die Erinnerung daran stimmte mich gnädig.

Ich: Okay. Gib mir eine Minute.

Die Minute benutzte ich dazu, meinen Pferdeschwanz zu lösen, einen BH unter das College-T-Shirt zu ziehen, das ich nachts zum Schlafen trug, und in eine pinke Seiden-Schlafanzughose zu schlüpfen. Ein heftiger Sommerregen trommelte auf das Dach meines Stadthauses, also eilte ich die Treppe hinab zur Eingangstür, um Tripp zu erlösen. Doch natürlich war er völlig trocken.

»Hey«, sagte ich verlegen und wich vor seinem tropfenden Regenschirm zurück, als er in den Hausflur trat. Schwülheiße Luft drang von draußen herein, und ich schloss schnell die Tür hinter ihm und schaltete das Licht an.

»Hey.« Er stellte den Schirm in den dafür vorgesehenen Ständer neben der Tür und fuhr sich mit den Fingern durch das ordentlich geschnittene dunkelblonde Haar. Er trug ein rosafarbenes Hemd mit hochgerollten Ärmeln, das er in ein Paar weiße Shorts mit aufgestickten grünen Walen gesteckt hatte. Er besaß auch entsprechende lange Hosen in verschiedenen Farben mit kleinen Walfischen darauf. Mein Blick verharrte einen Moment lang auf den vertrauten Segelschuhen. Ohne Socken.

»Danke, dass du mich reinlässt«, sagte er.

»Was ist los?« Ich drehte meine langen Haare zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Können wir uns hinsetzen? Ich muss mit dir reden.« Mir schlug eine Whiskeyfahne entgegen, und als ich sein Gesicht genauer betrachtete, bemerkte ich, dass seine Augen blutunterlaufen waren.

»Können wir nicht hier reden?«

Er wand sich unbehaglich. »Hör zu, ich weiß, dass die Sache mit uns nicht so gut gelaufen ist.«

»Das ist ein Jahr her. Ich bin darüber hinweg, Tripp.« Es stimmte. Fast. Manchmal verspürte ich noch einen Anflug von Traurigkeit, wenn ich an die drei Jahre dachte, die wir zusammen gewesen waren, und an meine Hoffnungen, inzwischen verlobt oder gar verheiratet zu sein. Doch meine Therapeutin hatte mich halbwegs davon überzeugt, dass sich meine Enttäuschung weniger um den Verlust von Tripp selbst drehte. Vielmehr ging es um diesen Wunsch, diesen Traum von einem Leben, das ich mir mit ihm vorgestellt hatte. Um ehrlich zu sein, war ich mir immer noch nicht ganz sicher, was der Unterschied war.

»Aber was, wenn ich es nicht bin?«

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie bitte?«

»Was, wenn ich nicht darüber hinweg bin, über die Sache mit uns?«

»Wie meinst du das? Red keinen Unsinn, Tripp. Du warst doch viel früher über unsere Trennung hinweg als ich. Du warst es, der mich nicht heiraten wollte. Ich war bereit.«

»Das habe ich nie gesagt. Es lag nicht an dir.« Sein breites Kinn schob sich nach vorn. »Ich habe nur gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich heiraten will.«

»Nun ja, ich war mir sicher. Und ich hatte nicht vor, ewig darauf zu warten, dass du dich endlich entscheidest. Und jetzt habe ich die Sache hinter mir gelassen, Tripp. Und du doch auch. Das Leben geht weiter.«

Mein Liebesleben war allerdings nicht so wirklich weitergegangen. Seit der Trennung hatte ich keine nennenswerten Dates mehr gehabt. Tripp dagegen wurde in der Stadt immer wieder mit irgendwelchen Studentinnen gesehen. Seit Kurzem traf er sich mit einer, die meine Freunde Margot 2.0 nannten, da sie quasi eine jüngere, blondere, großbusigere Version von mir war. (Laut Muffy tat das alles nichts zur Sache, da sie eine Neureiche war, was bedeutete, dass sie in den Augen von Tripps Eltern, Mimi und Deuce, völlig ungeeignet war.)

»Was ist mit deiner Freundin? Weiß sie, dass du hier bist?«

»Amber?« Er runzelte die Stirn. »Nein. Sie denkt, ich wäre bei meinem Vater, was ich auch war. Er …« Das Stirnrunzeln verstärkte sich, und er schluckte schwer.

»Er was?« Mit einem Mal bekam ich Angst. Deuce war schon über siebzig, und sein hoher Blutdruck in Kombination mit seiner Vorliebe für fette Steaks und harte Drinks machten die Sache nicht besser. Er hatte Ende vergangenen Jahres seinen dritten Herzinfarkt gehabt. »Geht es deinem Vater gut?«

»Ja, es geht ihm gut. Aber …« Er verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, und seine feuchten Schuhe quietschten auf dem Holzboden. Ich hatte Tripp noch nie so nervös und angespannt erlebt. Sonst war er immer Mr Selbstbewusst, besonders nach ein paar Gläsern Scotch – teuer, versteht sich –, nur so strotzend vor der Arroganz des gut aussehenden, reichen, gebildeten weißen Mannes.

»Spuck es aus, Tripp«, forderte ich ihn auf und unterdrückte ein Gähnen. »Sonst können wir auch morgen darüber reden. Ich bin müde, und ich muss morgen früh arbeiten. Ich rufe dir ein Taxi, wenn du nicht mehr nach Hause fahren kannst, denn ehrlich gesagt riechst du ein bisschen so, als hättest du …«

»Heirate mich, Margot!« Er warf sich abrupt vor mir auf die Knie. »Ich will heiraten. Dich heiraten.«

»Was?« Mein Herz begann wie wild zu klopfen. Meinte er das ernst?

»Heirate mich. Bitte. Es tut mir alles so furchtbar leid.« Er schlang die Arme um meine Beine und drückte das Gesicht an meinen Bauch.

Ich rüttelte an seiner Schulter. »Um Himmels willen, Tripp. Du bist betrunken. Steh auf!«

»Ich bin nicht betrunken. Ich weiß genau, was ich sage. Ich muss dich heiraten.«

Ich erstarrte, versuchte nicht länger, mich von ihm zu befreien, und starrte auf seinen Haarschopf hinab. »Wie meinst du das, du musst mich heiraten?«

Nun erstarrte er für einen Moment, erholte sich jedoch schnell wieder. »Ich muss dich heiraten, weil mir klar geworden ist, dass du die Einzige für mich bist. Wir sind perfekt füreinander. Du warst immer die Richtige, Margot. Immer.«

Okay, er bot einen ziemlich erbärmlichen Anblick – die quietschenden Segelschuhe, die blutunterlaufenen Augen und die Wal-Shorts –, aber irgendwie hatte ich Mitgefühl. Tripp war noch nie gut darin gewesen, seine Gefühle zu offenbaren. Ich war auch nicht gerade ein Meister auf dem Gebiet. »Tripp, bitte. Steh auf. Lass uns darüber reden«, sagte ich mit einem Seufzen.

»Sag mir zuerst, dass du mich heiraten wirst. Schau doch, ich habe auch einen Ring«, sagte er, als wäre ihm diese Tatsache gerade erst wieder eingefallen. Er zog eine kleine schwarze Schachtel aus der Tasche und öffnete sie mit ungeschickten Fingern.

Ich riss die Augen auf und schlug mir die Hand vor den Mund. Der riesige, fein geschliffene Brillant funkelte mir aus seinem diamantenbesetzten Band entgegen. Der Stein musste mindestens zwei Karat haben, dazu besaß er eine wunderbare Farbe und Klarheit.

»Zieh ihn mal an«, forderte er mich auf und zog den Ring aus dem Samtkissen.

Ich wollte es. Gott, ich wollte es wirklich. Aber ich wollte Tripp nicht heiraten. Es wäre falsch gewesen, den Ring anzuziehen, wenn ich wusste, dass ich ihn abweisen würde, oder nicht?

Und ich musste ihn abweisen. Trotz allem, was er gesagt hatte, waren wir nicht füreinander bestimmt. Ich liebte ihn nicht. Nicht mehr.

Andererseits … vielleicht sollte ich den Ring anprobieren, nur um sicherzugehen, sagte ich mir selbst. Was, wenn ich ihn anzöge und der Flur plötzlich erfüllt wäre von Musik und Regenbogen und Sonnenschein? Was, wenn ich ihn doch noch liebte, ohne es zu wissen? Ich biss mir auf die Lippen, streckte ihm die linke Hand entgegen und ließ ihn den Ring über meinen Finger ziehen. Er passte wie angegossen. Ich erschauderte, und Tripp stand wieder auf.

Doch da war keine Musik. Auch keine Regenbogen und auch kein Sonnenschein. Nur der Regen vor dem Haus, das Geräusch seiner quietschenden Segelschuhe, die nassen Flecken, die sie auf meinem schönen Holzfußboden hinterließen, und diese elenden Wal-Shorts.

Seufzend warf ich einen letzten Blick auf meine Hand, ehe ich begann, den Ring abzuziehen. »Er ist wunderschön, Tripp, aber ich kann nicht …«

Schnell bedeckte er meine Hände mit seinen, um mich davon abzuhalten. »Sag das nicht. Bitte, sag das nicht. Du musst mich heiraten.«

Genervt entzog ich ihm meine Hand und nahm den Ring ab. »Ich muss gar nichts!«

»Ich flehe dich an, Margot. Bitte.« Seine Stimme brach, und in seinem Blick erkannte ich echte Verzweiflung. Das hatte ich nicht mehr bei ihm gesehen seit …

»Tripp«, sagte ich gedehnt. »Was ist wirklich los?« Vor Jahren hatte Tripp mit Spielsucht zu kämpfen gehabt, wodurch er Hunderttausende Dollar an Schulden angehäuft hatte, die sein Vater am Ende bezahlen musste. Doch soweit ich wusste, hatte er das zwanghafte Wetten bereits überwunden, als wir zusammenkamen. Und was sollte das mit diesem ominösen Antrag zu tun haben?

Er schluckte schwer, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. »Nichts. Ehrlich, Margot. Es ist einfach nur so, dass ich so unglücklich und einsam war, seit wir uns getrennt haben.«

»Du hast aber gar nicht unglücklich und einsam ausgesehen.«

»Ich war es aber. Wirklich. Und ich habe mich dir gegenüber wie ein Arschloch verhalten.«

»Na, wenigstens in diesem Punkt sind wir uns einig.«

»Es tut mir leid.« Er zog mich unbeholfen in seine Arme, aber ich erwiderte die Umarmung nicht, den Ring fest in der rechten Faust. »Wir sind füreinander bestimmt, das weißt du. Das mit uns ergibt einen Sinn. Und wir gehen beide auf die dreißig zu, da sollten wir keine Zeit mehr verlieren.«

Ich schob ihn von mir weg und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist ja sehr romantisch. Außerdem bist du derjenige, der Zeit verschwendet.«

»Tut mir leid. Ich bin schlecht in so was, das weißt du doch. Aber … aber …« Seine Augen leuchteten auf, als ihm ein Gedanke kam. »Du vervollständigst mich, Margot.«

Ich widerstand dem Drang, ihn wegen der schamlosen Zweitverwertung von Filmzitaten bloßzustellen, nahm ihm die Schmuckschachtel aus der Hand und legte den Ring zurück, zugegebenermaßen mit einem gewissen Widerwillen. »Hör zu, das ist doch verrückt. Wir sind seit über einem Jahr getrennt. Du kannst nicht einfach aus heiterem Himmel hier auftauchen und mir einen Antrag machen.«

»Aber ich will dich heiraten«, quengelte er, wobei sein Blick dem meinen auswich.

»Dann hättest du mich vielleicht erst einmal zum Essen ausführen sollen.« Ich streckte ihm nachdrücklich die Schachtel entgegen, wobei ich nicht umhinkonnte, eine gewisse Genugtuung darüber zu empfinden, wie gut ich mit der Situation umging. Noch vor einem Jahr hätte ich bereits jetzt ein Bild des Verlobungsrings an meine zwei besten Freundinnen Jaime und Claire geschickt.

Tripp nickte betrübt, während er die Ringschachtel wieder in die Tasche steckte. »Klar. Okay.«

Ich schob ihn sanft zur Haustür, reichte ihm seinen Regenschirm und umarmte ihn aus einem Impuls heraus. Ich wusste, wie schwer das für ihn gewesen sein musste – für einen Mann wie Tripp war es nicht leicht, Fehler zuzugeben und um Vergebung zu bitten. Das bewies doch eine gewisse Reife, oder nicht? »Lass uns in den nächsten Tagen noch mal reden, okay? Ich muss erst mal nachdenken.«

Ich öffnete die Tür, und er ging ohne ein weiteres Wort davon. Dann löschte ich das Licht und ging ins Wohnzimmer, von wo aus ich durch das große Panoramafenster beobachten konnte, wie er in sein Auto stieg. Der Regen lief in Strömen über die Fensterscheibe, so dass ich seine Umrisse nur verschwommen sehen konnte. Als die Scheinwerfer seines Wagens aufleuchteten und kurz darauf in der dunklen Nacht verschwanden, ging ich nach oben und zurück ins Bett.

Heilige Scheiße, dachte ich, als ich wieder unter das Laken schlüpfte. Was für eine seltsame Wendung des Schicksals. In einer Million Jahren hätte ich nicht damit gerechnet, dass Tripp mal mitten in der Nacht mit einem Diamantring vor meiner Tür stehen und mich anflehen würde, ihn zu heiraten. Angesichts seines Verhaltens vor einem Jahr hatte er anscheinend einen kompletten Sinneswandel durchgemacht.

Ein Teil von mir war sauer auf ihn, weil es ihm erst jetzt auffiel, dass wir füreinander bestimmt waren. Ein anderer Teil hingegen fragte sich, ob er nicht damals einfach noch etwas Zeit gebraucht hatte. War es falsch von mir gewesen, ihn zu etwas zu drängen, zu dem er noch nicht bereit gewesen war? War ich mit meinem »Jetzt-oder-nie«-Ultimatum zu voreilig gewesen? Hatte ich zu Unrecht darauf bestanden, die Dinge nach meinem Zeitplan zu machen?

Aber verdammt, wir hatten doch über alles gesprochen! Drei Jahre lang hatten wir gemeinsam von einer Hochzeit im Country Club geträumt, von dem großen Haus im Kolonialstil, den zwei Kindern, dem Segelboot, dem King-Charles-Spaniel … Es war nicht nur mein Traum gewesen, sondern auch seiner.

Und wollte ich das alles nicht immer noch? Sollte ich über sein Angebot nachdenken? So schmerzhaft es auch war, dass er meinen dreißigsten Geburtstag erwähnt hatte – er hatte recht. Mein soziales Umfeld war begrenzt, und ich hatte seit einem Jahr niemanden kennengelernt, den ich interessant fand. Wie lange wollte ich noch auf die nächste Phase meines Lebens warten? Wie Muffy mich so gern erinnerte: Thurber-Frauen heiraten und haben Kinder, ehe sie dreißig sind, Gogo. Selbst die lesbischen.

Es war ja nicht so, dass ich unglücklich gewesen wäre. Ich hatte tolle Freunde, ein gutes Verhältnis zu meiner Familie, einen Job, den ich liebte, und ein wunderschönes Haus. Also warum war da dieses Gefühl, dass mir etwas fehlte?

Obwohl ich müde war, lag ich noch eine ganze Weile wach und grübelte, wobei ich immer wieder die Stelle an meinem linken Ringfinger berührte, an der der Ring gesessen hatte.

2

Margot

»Du machst Witze.« Jaime hielt in der Bewegung inne, ihr Glas Dirty Martini auf halbem Weg zum Mund erstarrt. Claire war dem Anblick nach genauso fassungslos, nahm aber, im Gegensatz zu Jaime, nun erst recht einen großen Schluck von ihrem Cocktail.

»Nein, mache ich nicht.« Ich schüttelte den Kopf und lächelte.

»Warum hast du mir das denn nicht früher erzählt?«, fragte Jaime vorwurfsvoll. »Ich habe dich heute Morgen im Büro gesehen – und du hast keinen Ton gesagt!«

Jaime und ich arbeiteten zusammen bei Shine PR, der Marketing- und Public-Relations-Firma, die wir im vergangenen Jahr gemeinsam gegründet hatten. Ihr Abschluss in Psychologie und Marketing, noch dazu ihre Erfahrung in der Werbebranche, ergänzten sich hervorragend mit meiner Erfahrung im PR-Bereich und meinen gesellschaftlichen Kontakten, so dass unser kleines Start-up-Unternehmen bisher ein großer Erfolg war. Wir hatten bereits eine Mitarbeiterin einstellen können, die sich um die Social-Media-Auftritte unserer Kunden kümmerte, und wir planten, im nächsten Jahr einen weiteren Mitarbeiter einzustellen. »Weil wir heute Morgen beschäftigt waren und du den ganzen Nachmittag Kundentermine hattest. Ich hielt es für besser, es euch beiden heute Abend zu erzählen.«

»Also, ich bin jedenfalls froh, dass du gewartet hast«, erklärte Claire, die auf der anderen Seite von Jaime saß und sich vorbeugen musste, um mich zu sehen. Es war unser wöchentlicher Mittwochs-Mädelsabend, und wir saßen wie üblich in der Buhl Bar, heute ein bisschen früher als sonst, da ich später noch auf einer Spendengala für meinen Vater erwartet wurde. »Jetzt, da ihr beiden zusammen arbeitet und euch jeden Tag seht«, fuhr Claire fort, »habe ich immer Angst, die besten Geschichten zu verpassen. Also, er hat dir tatsächlich einen Antrag gemacht?«

Ich nickte. »Er ist auf die Knie gefallen – mit einem exquisiten Brillantring.«

»Was für eine Überraschung!«, kreischte Claire.

»Was für ein Vollidiot«, meinte Jaime. »Ich hoffe, du hast ihm gesagt, er kann sich den Ring sonst wohin stecken.«

Ich nippte an meinem Martini, ehe ich antwortete. »Nein, ich habe nichts dergleichen getan. Ich war nett und verständnisvoll und habe ihn möglichst rücksichtsvoll abserviert.«

»Aber warum?« Jaime starrte mich mit ihren großen blauen Augen an. »Er hat sich am Ende wie ein Arschloch verhalten.«

»Weil ich Manieren habe. Ja, er war ein Arschloch«, räumte ich ein, »aber er hat es zugegeben. Er hat sich entschuldigt und mich geradezu angefleht, ihn zurückzunehmen. Er hat eine Menge netter Dinge gesagt, um ehrlich zu sein.«

Jaimes Starren wurde mir allmählich unangenehm, und ich konzentrierte mich stattdessen auf meinen Drink. Sie kannte mich einfach zu gut. Das ist das Problem mit besten Freundinnen – selbst für jemanden wie mich, der seine Gefühle meisterhaft verbergen kann: Eine beste Freundin durchschaut einen. Immer.

»Es ist doch schön, dass ihm endlich auffällt, was er an dir hatte«, wandte Claire, die ewige Optimistin, ein. »Auch wenn es ein bisschen zu spät ist.«

»Ist es denn zu spät?«, wagte ich die Frage auszusprechen, die mir schon den ganzen Tag lang keine Ruhe gelassen hatte.

Die beiden sahen mich entsetzt an, als ihnen klar wurde, was ich gesagt hatte. »Wie meinst du das?«, fragte Jaime, auch wenn ihr Tonfall ganz deutlich sagte: Ich weiß, was du meinst, doch das kann einfach nicht dein Ernst sein.

»Ich meine, glaubt ihr, es ist zu spät für uns?«

»Verdammt, ja, das glaube ich!« Jaime schlug mit der Faust auf die Theke, und mein Martini kam gefährlich ins Schwanken.

»Warte doch mal, Jaime. Vielleicht ist es nicht zu spät«, wandte Claire mit verklärtem Blick ein. »Es ist so romantisch, wenn die Liebe eine zweite Chance erhält.«

»Das ist kein Film!«, erwiderte Jaime. »Das ist das echte Leben, und er hat sich wirklich wie ein Arschloch benommen.«

»Aber Menschen können sich ändern«, entgegnete Claire. »Nimm zum Beispiel dich und Quinn. Du hast geschworen, du würdest niemals einen festen Freund haben – und schon gar nicht ihn. Und trotzdem hast du ihm eine Chance gegeben.«

»Das ist etwas anderes«, sagte Jaime gereizt. »Außerdem ist Quinn unfassbar gut im Bett. Tripp dagegen war der totale Reinfall, nicht wahr, Margot?«

Ich zuckte zusammen. »Ich weiß nicht, ob ich es einen totalen Reinfall nennen würde. Der Sex war nur ein bisschen … einfallslos. Aber vielleicht ist das gar nicht so wichtig. Vielleicht gibt es in einer Beziehung wichtigere Dinge als guten Sex.«

Jaime schaute mich ungläubig an. Blinzelte. »Wie was zum Beispiel?«

»Wie gemeinsame Interessen.« Ich setzte mich aufrecht hin. »Und Familienbande. Und eine gemeinsame Vergangenheit. Geteilte Werte.«

Jaime verdrehte die Augen. »Na schön, dann sind eure Familien eben gemeinsam auf der Mayflower nach Amerika gesegelt oder was auch immer. Da könnt ihr euch echt was drauf einbilden. Wenn du ihm gestern Abend, als er in dein Haus spaziert kam, nicht augenblicklich die Klamotten vom Leib reißen wolltest, ist da nichts mehr zwischen euch.«

Ich dachte einen Moment darüber nach. Dann musste ich schmunzeln, als ich mir vorstellte, wie ich ihm diese unsäglichen Wal-Shorts und das pinke Hemd vom Leib gerissen hätte. »So sind wir einfach nicht«, erwiderte ich. »Wir waren noch nie so. Wir sind beide eher … reserviert. Konservativ vielleicht. Hätte ich gern besseren Sex? Klar.« Ich zuckte mit den Schultern. »Aber ich bin fast dreißig. Und vielleicht sollte ich auf solche Dinge nicht mehr so viel geben.«

»Dreißig ist doch nicht alt.« Jaime runzelte die Stirn. »Außerdem will ich nicht, dass du rückfällig wirst, Margot. Vor einem Jahr warst du so unglücklich und heute … Du hast solche Fortschritte gemacht.«

»Da stimme ich dir zu«, erwiderte ich. »Aber ich bin trotzdem noch derselbe Mensch. Ich will immer noch die Dinge, die ich damals wollte. Ich bin eben traditionell, okay? Ich will ein konservatives Leben, das Leben, mit dem ich aufgewachsen bin: Ehemann, Haus, Familie.«

»Und das ist doch auch okay«, sagte Claire beschwichtigend und fasste über Jaimes Schoß hinweg nach meiner Hand. »Wir verurteilen dich nicht dafür, dass du dir diese Dinge wünschst.«

»Und Tripp kennt mich«, fügte ich hinzu, genervt, weil es wahr war. »Der Ring, den er ausgesucht hat, ist perfekt. Er kennt meinen Stil, meinen Geschmack. Er ist gebildet, hat einen guten Job, eine gute Familie. Das ist mir wichtiger als Sex.«

Jaime weigerte sich aufzugeben. »Aber was ist mit der Leidenschaft? Was ist mit dem Gefühl, gleich den Verstand zu verlieren vor Begierde? Wünschst du dir keine Schmetterlinge im Bauch, sobald er den Raum betritt? Dass sich dein Puls beschleunigt, wenn er sich dir nähert?«

»Aber was, wenn ich dafür einfach nicht gemacht bin?«, sprach ich eine Frage aus, die mich schon eine ganze Weile beschäftigte. »Was, wenn ich einfach kein so leidenschaftlicher Mensch bin? Was, wenn ich nicht der Typ bin, der jemanden wahnsinnig macht? Heißt das, dass ich allein bleiben muss?«

»Nein«, antwortete Claire bestimmt und warf Jaime einen warnenden Blick zu. »Und wenn du Tripp noch eine Chance geben möchtest, dann ist das vollkommen in Ordnung. Wir respektieren deine Entscheidung, egal, wie sie ausfällt.«

Ich sah Jaime fragend an. »Du auch?«

»Natürlich.« Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher, und sie ließ ihren Kopf kurz an meine Schulter sinken. »Es tut mir leid. Du weißt, dass ich dich liebhabe, Gogo. Ich will doch nur, dass du glücklich bist. Wenn du denkst, dass Tripp der Richtige für dich ist, dann nur zu. Ich werde immer für dich da sein.«

»Danke. Ich denke noch darüber nach.« Ich warf einen Blick auf mein Handy und erschrak, als ich die Uhrzeit sah. »Ach, verdammt. Ich muss jetzt zu dieser Sache von meinem Vater.«

»Eine Dinner-Sache?« Jaime führte ihr Glas zum Mund.

»Nein, nur Getränke und Dessert mit ein paar reichen Sponsoren, die fette Schecks für die Kampagne ausgestellt haben.«

»Wie läuft es denn mit der Kampagne?«, wollte Claire wissen.

»Gut, denke ich. Ich habe nicht viel damit zu tun, da meine politische Einstellung sich ein wenig von der meines Vaters unterscheidet, worüber wir natürlich nicht reden.«

Jaime schüttelte den Kopf. »Gott, ich liebe deine Familie. Viel Spaß heute Abend. Wird Tripp auch dort sein?«

Ich legte einen Zwanziger auf die Theke und leerte mein Glas in einem Zug. »Keine Ahnung. Aber ich weiß, dass Deuce einer der Hauptsponsoren ist, also kann es gut sein. Wie sehe ich aus?«

Sie begutachteten mein Outfit, bestehend aus einem ärmellosen dunkelblauen Etuikleid, High Heels im angesagten Nudeton und meiner Lieblingsperlenkette. Meine Haare waren sorgfältig geglättet, meine Nägel manikürt, meine Beine frisch rasiert. Den Lippenstift würde ich im Auto nachziehen, da meine Großmutter mir beigebracht hatte, Make-up nie in der Öffentlichkeit aufzutragen.

»Perfekt«, kommentierte Claire. »Sehr Grace Kelly.«

Jaime nickte. »Ein klassischer Margot-Look.«

»Danke euch. Wir sehen uns morgen.« Nachdem ich jeder meiner Freundinnen einen Abschiedskuss auf die Wange gedrückt hatte, verließ ich die Bar und ging zum Parkplatz.

Auf dem Weg zu der großen Villa, die in einer bewachten Wohnanlage in Grosse Pointe lag, hatte ich ein komisches Gefühl. Schwer zu sagen, ob es Schmetterlinge waren … oder eher eine Vorahnung, dass sich etwas in meinem Leben grundlegend verändern würde. Dasselbe Gefühl habe ich, wenn ich beim Friseur mehr als zwei Zentimeter von meinen Haaren abschneiden lasse – eine Mischung aus Vorfreude und Panik.

Ich bog in die Einfahrt ein und reichte meine Schlüssel dem Mitarbeiter des Parkservice, der den glänzenden puderblauen 1972er-Mercedes mit sehnsüchtigen Blicken musterte, den mir meine Großmutter letztes Jahr vermacht hatte, nachdem sie selbst endlich das Fahren aufgegeben hatte.

Ich betrat das Haus, und das unangenehme Gefühl in meinem Bauch verstärkte sich, als ich Tripp im geräumigen Wohnzimmer entdeckte. Der Raum war so groß, dass selbst der monströse Steinway-Flügel nicht weiter auffiel. Sofas, Ottomanen und Ohrensessel waren, in kleinen Grüppchen angeordnet, über den Raum verteilt, und alle Möbel, Vorhänge und sogar der Teppich hatten diesen ausgeblichenen Shabby-Look, der typisch ist für die Häuser des alten Geldadels. Der Look, der sagt: Wir sind furchtbar reich, werfen aber nichts weg, was man noch mindestens einen Tag benutzen kann, und wir mögen nichts, was neu und modern ist.

Ich erblickte meinen Vater am Kamin, wo er gerade jemandem die Hand schüttelte, und meine Mutter saß auf einem der Sofas und nippte an einem Gin Tonic, vermutlich ihr dritter. Doch ich ging auf Tripp zu, wobei ich mein Bestes tat, das seltsame Gefühl als Schmetterlinge zu interpretieren. Er stand plaudernd inmitten einer Gruppe Frauen am Fenster, und sie waren ganz offensichtlich gefesselt von dem, was er zu erzählen hatte. Als ich näher kam, bemerkte ich, dass er nicht allein war. Amber stand neben ihm. Sie trug ein Kleid, das ihr fast passte, und streckte den anderen Frauen gerade ihre linke Hand hin, als würde sie ihnen etwas zeigen, und zwar …

O nein.

O nein, er hat doch nicht etwa …

Das kann er nicht machen.

Das würde er nicht tun.

Aber er hatte es getan.

Der Ring war derselbe, mit dem Tripp mir vergangene Nacht einen Antrag gemacht hatte.

»Es war ja so romantisch«, hörte ich Amber schwärmen. »Er stand mitten in der Nacht auf meiner Schwelle und sagte, er könne nicht mehr länger warten, weil er ganz sicher sei, dass ich die Richtige bin.«

Ich unterdrückte ein Würgen. Möglichst unauffällig wich ich zurück und suchte die Bar, wo ich mir vor Wut zitternd einen Martini bestellte. (Ein Vorteil mit diesen reichen Leuten ist: Es mangelte nie an gutem Gin.)

Wie in Trance trat ich mit meinem Drink auf die Terrasse, wo mein älterer Bruder Buck mich erblickte. Sofort verwickelte er mich in ein Gespräch mit irgendwelchen Männern in teuren Anzügen, deren Namen ich sofort wieder vergaß. Während ich dort stand und trank und ihnen mit halbem Ohr zuhörte, wie sie über Politik und Boote plauderten, konnte ich an nichts anderes denken als daran, was für ein Arschloch Tripp doch war. Er musste gestern Nacht von mir aus direkt zu ihr gefahren sein. Was zum Teufel war nur in ihn gefahren?

Irgendwann schlenderten die Männer davon, um ihre Whiskeygläser aufzufüllen, und Buck drehte sich zu mir um. »Was ist los mit dir? Du bist so schweigsam, und gegen deine Sauertopfmiene wirkt sogar Muffys Gesichtsausdruck freundlich.«

»Sorry, ich war in Gedanken.«

Er grinste auf seine überhebliche Art und nahm einen großen Schluck von seinem Whiskey auf Eis. »Lass mich raten. Tripps Verlobung? Lass dich davon nicht runterziehen.«

»Warum nicht? Ich stehe doch jetzt da wie der letzte Idiot! Alle wissen, dass wir uns getrennt haben, weil ich heiraten wollte und er nicht.« Ich war mir nicht sicher, ob ich meinem Bruder von letzter Nacht erzählen sollte.

Er nahm noch einen Schluck und schüttelte den Kopf. »Das will er immer noch nicht. Aber Deuce hat die Bedingungen für seine Erbschaft verändert, weil Tripp so ein elender Spieler ist. Er ist hochverschuldet, dreihunderttausend, habe ich gehört. Und wenn er das Geld haben will, hat Deuce ihm zur Bedingung gemacht, endlich zu heiraten und sesshaft zu werden, keine Zeit mehr zu verschwenden.«

Ich riss die Augen auf. Heiraten und keine Zeit mehr verschwenden? Das kam mir viel zu bekannt vor. »Du machst Witze.«

»Nö. Ich habe es heute von einem Typen gehört, der für Deuce arbeitet und mit angehört hat, wie der mit seinem Anwalt darüber gesprochen hat.« Er lachte. »Was für ein Arschloch. Wenn du mich fragst, hast du Glück gehabt, ihm entkommen zu sein.« Er prostete mir zu. »Cheers.«

Wutschnaubend kippte ich meinen restlichen Martini herunter. »Entschuldige mich.«

Ich stellte das leere Glas auf dem Tablett eines vorbeigehenden Kellners ab und steuerte zielstrebig die Bar an, um noch einen Drink zu bestellen. Damit schloss ich mich im Badezimmer im ersten Stock ein, wo ich zuerst einen großen Schluck nahm, bevor ich das Glas abstellte und mich auf das Marmorwaschbecken stützte. Schwer atmend starrte ich mein Spiegelbild an, mich selbst scheltend und verachtend.

Du bescheuerte Kuh! Natürlich wollte er dich nicht heiraten! Er hat dir letztes Jahr ins Gesicht gesagt, dass er das nicht will! Er wollte nur sein Geld, und du warst das Ticket. Du erbärmliche, dumme, blauäugige Kuh hast sogar darüber nachgedacht, ihm noch eine Chance zu geben.

Doch ich hatte es nicht getan. Gott sei Dank. Allerdings war ich jetzt voller Gin und Wut – auf Tripp, auf mich selbst und sogar auf Amber, weil sie so blind war, Tripps Spiel nicht zu durchschauen. Für den Moment wünschte ich mir, jemand zu sein, der sich nicht scheute, seine Gefühle zur Schau zu stellen. Dann würde ich jetzt da rausgehen und ihn vor allen Leuten mit seiner Tat konfrontieren, seine schleimigen Lügen aufdecken und ihn als das bloßstellen, was er war. Ich wünschte es mir so sehr, dass ich zitterte.

Doch ich konnte es nicht.

Dachte ich zumindest … bis ich sah, wie Tripp und Amber im Esszimmer eine weitere Audienz gaben und eine andere Gruppe mit der romantischen Geschichte ihrer Verlobung beglückten.

»Vor mir wollte er gar nicht heiraten«, brüstete sie sich. »War es nicht so, Liebling?«

»Genauso war es, Mäuschen.«

Mäuschen. Was für ein Arschloch! Ich stellte mein drittes leeres Glas auf dem Boden ab – zumindest denke ich, dass es der Fußboden war. Zu diesem Zeitpunkt war meine Wahrnehmung schon etwas schwammig.

»Ich schätze, ich habe nur die perfekte Frau finden müssen, um meine Meinung zu ändern.« Er warf Amber einen erbärmlich geheuchelten Schmachtblick zu. »Und wenn man sie findet, weiß man es einfach.«

Die perfekte Frau. Ich glaube, ich schnaubte lautstark, denn ein paar Leute drehten sich entrüstet zu mir um. Ich ignorierte sie und wendete mich stattdessen der reichhaltigen Auswahl an Desserts zu, die auf langen Tischen angerichtet waren, und tat so, als suchte ich nach dem perfekten Leckerbissen, um das Dinner abzurunden.

»Der Ring ist wunderschön«, hörte ich jemanden säuseln.

»Nicht wahr?«, rief Amber erfreut. »Er hat ihn extra für mich anfertigen lassen.«

Für sie anfertigen lassen. Meine Hände begannen zu zittern, als mein Blick auf ein silbernes Tablett mit Scones fiel. Ich schloss die Finger um eines der handlichen Gebäckstücke und schätzte die Flugbahn mit den Augen ab.

»Das stimmt.« Tripp küsste ihren Handrücken. »Nur für dich.«

Eine Sekunde später schleuderte ich den Scone, der sein Ziel – Tripps schleimige Visage – leider verfehlte und ihn stattdessen an der Brust traf.

Erschrocken blickte er auf, genau in dem Moment, als das zweite Wurfgeschoss vom Kronleuchter abprallte und vor seinen Füßen landete. »Was zum Teufel …?«

Die Leute sahen sich suchend um und gingen eilig aus dem Weg, was nur gut war, denn der dritte Scone streifte eine Vase, die prompt vom Tisch fiel und vor Tripp auf dem Boden zerschellte.

Schließlich trafen sich unsere Blicke. »Margot, was zur Hölle tust du da?«

Ich holte wieder aus. »Drei Jahre!«, explodierte ich, während das nächste Gebäck ihm an die Stirn klatschte. Endlich! Ich versuchte es erneut, doch dieses Mal drehte das Wurfgeschoss in Richtung Amber ab, die sich schnell duckte. »Drei Jahre habe ich es mit deinen langweiligen Golfgeschichten ausgehalten und deinen lächerlichen Hosen mit den kleinen Walen drauf und mit deinem winzigen, planlosen Schwanz!«

Ein Raunen ging durch die Menge. Tripp war wie gelähmt vor Schreck, was ich gleich ausnutzte, um ihm einen weiteren Scone an die Brust zu pfeffern.

»Autsch!«, rief er, was ich urkomisch fand. »Hör auf, Essen nach mir zu werfen! Und mein Schwanz ist nicht winzig – und auch nicht planlos!«

»Ist er doch!« Ich attackierte ihn weiter, doch jetzt bewegte er sich, weshalb ich ihn verfehlte und das Brötchen von der Wand abprallte. »Du hast null Ahnung vom weiblichen Orgasmus! Ich musste es mir immer selbst besorgen, nachdem du mich nach Hause gebracht hattest, Arschloch!«

Ich hörte unterdrücktes Gelächter, als ich den nächsten Scone warf, der eine große, dünne Kerze umnietete, die unglücklicherweise angezündet war. Sie brannte ein Loch in das weiße Tischtuch, ehe jemand geistesgegenwärtig das Feuerchen löschte.

»Margot, hast du den verdammten Verstand verloren?«, schrie Tripp über den Tisch hinweg, die Hände schützend vor das Gesicht haltend, als würde ich Granaten anstelle von weichem Gebäck werfen.

»Ja, vielleicht«, zischte ich und wollte nach dem nächsten Scone greifen, doch meine Hand griff ins Leere. »Vielleicht habe ich das wirklich, weil ich dir heute Abend tatsächlich sagen wollte, dass ich über deinen beschissenen Antrag nachdenken werde.«

Tripp wurde bleich.

»Was für einen Antrag denn?«, fragte Amber und schaute zwischen ihm und mir hin und her.

Ich öffnete den Mund. Tripp wand sich förmlich unter Ambers Blick. Es fühlte sich fantastisch an.

»Margot, bitte. Tu das nicht.« Seine Augen flehten mich um Gnade an. »Du stellst uns nur beide bloß. Lass uns das in Ruhe besprechen. Ich habe gute Gründe für alles.«

Ich verspürte keinerlei Bedürfnis, je wieder mit ihm in Ruhe zu sprechen, und seine »guten Gründe« kannte ich schon. Doch er hatte recht – wenn ich die Wahrheit über die vergangene Nacht erzählte, wäre das auch für mich peinlich. Schließlich hatte ich gerade verkündet, dass ich hergekommen war, weil ich bereit war, über einen Antrag nachzudenken, der nur Täuschung gewesen war.

Ich ließ den Blick schweifen und entdeckte eine Kirschtorte. Kurz dachte ich über einen letzten, vernichtenden Schlag nach und ließ schon die Hand unter die Kuchenplatte gleiten. Jemand in der Menge zog hörbar die Luft ein.

Doch als ich wieder Tripp anschaute, verspürte ich eine Welle der Macht, die mir meine Selbstkontrolle zurückgab, meine Würde, meine gute Erziehung.

Ich war immer noch Margot Thurber Lewiston, verdammt noch mal, und ich war eine Frau mit Klasse. Das konnte mir niemand wegnehmen.

Ich riss mich zusammen und setzte eine möglichst unbewegte Miene auf, während ich trotz meines Schwipses versuchte, aufrecht zu stehen. »Um ehrlich zu sein, will ich nie wieder mit dir sprechen. Einen schönen Abend allerseits. Wählt Lewiston zum Senator.«

Als ich aus dem Zimmer rauschte, hörte ich ihn noch sagen: »Mann, ist die Alte durchgeknallt.«

Ich weiß, was ihr denkt.

Ich hätte die verdammte Torte werfen sollen.

3

Jack

Ich konnte nicht schlafen.

Nicht dass mich das überraschte. Ich schlief generell nicht gut, aber im August war es immer am schlimmsten. Mit etwas Glück kam ich auf ein paar Stunden pro Nacht.

»Es liegt bestimmt an der Hitze«, hatte meine Schwägerin Georgia vergangene Woche gemeint. »Warum schläfst du nicht ein paar Nächte bei uns?«

»Oder noch besser, installiere endlich mal eine Klimaanlage in dieser alten Hütte«, warf mein jüngerer Bruder Pete ein. »Eine fürs Fenster würde doch nicht die Welt kosten.«

Es lag nicht an der Hitze.

»Vielleicht liegt es am Licht«, war Georgias Vorschlag im letzten Jahr gewesen. »Vielleicht könntest du dich besser entspannen, wenn du versuchen würdest, ohne Licht zu schlafen.«

Aber ich brauchte das Licht. Manchmal hatte ich das Gefühl, kaum atmen zu können, bis die Sonne aufging.

Ich gab mir Mühe, ruhig zu bleiben, wenn meine Familie mir Tipps und Ratschläge gab, um meine Probleme zu lösen, obwohl die wahre Ursache so viel komplizierter war, dass sie diese nie verstehen würden. Doch es gelang mir nicht immer, erst zu denken und dann zu sprechen oder meine Beherrschung zu bewahren.

Gestern war ich auf Pete losgegangen, weil er sich von hinten an mich herangeschlichen hatte, als ich gerade einen Zaun entlang der Grundstücksgrenze im Wald reparierte. Rückblickend war es wahrscheinlich ein wenig übertrieben, ihn auf den Boden zu werfen und als »verdammten schwanzlutschenden Hurensohn, dem man ins Gehirn geschissen hat« zu beschimpfen. Aber verdammt, er weiß doch, dass man sich nicht von hinten an mich heranschleichen und erschrecken sollte. Der einzige Grund dafür, dass ich beim Arbeiten keine Musik höre, ist, dass ich mir meiner Umgebung bewusst bleiben will. Ich mag es nicht, überrascht zu werden.

Der einzige Mensch, der das je verstanden hatte, war Steph. Vor ein paar Jahren hatte meine Familie eine Überraschungsparty zu meinem dreißigsten Geburtstag geplant – wahrscheinlich weil sie wussten, dass ich zu jeder Art von Veranstaltung sofort Nein gesagt hätte, auf der ich mit anderen Leuten reden musste. Steph hatte dafür gesorgt, dass ich jedes Detail vorab erfuhr. Außerdem hatte sie alles versucht, um meine Brüder und meine Eltern davon abzubringen, doch sie hatten darauf bestanden, gemeint, dass es gut für mich wäre, »aus dem Haus zu kommen« und »mein Leben zu feiern«.

Ich war nur hingegangen, weil Steph mich angefleht hatte, es zu tun. Zuerst war ich furchtbar wütend gewesen und hatte mich geweigert, es auch nur in Betracht zu ziehen, doch dann hatte sie mir erzählt, dass meine Mutter und meine Tante extra aus Florida eingeflogen waren und dass meine Schwägerin Cassata gemacht hatte und meine Nichte Olivia nur für mich »Happy Birthday« auf dem Klavier spielen gelernt hatte. Es war schwer, Steph etwas abzuschlagen, wenn sie es sich wirklich in den Kopf gesetzt hatte. Außerdem hatte sie mich an dem Tag mit diesem wahnsinnigen Blowjob geweckt.

Sie kannte eben meine Schwächen.

Ich lag dort in der Dunkelheit und drehte meinen Ehering an meinem Finger.

Drei Jahre.

Unmöglich, dass es schon so lang her war. Ihre Brille lag noch auf ihrem Nachttisch, ihre Kleider hingen noch im Schrank, und ich erwartete immer noch, ihren zarten Körper an meinen drücken zu können, wenn ich mich in unserem alten Bett mit den quietschenden Sprungfedern umdrehte.

Andererseits kam es mir wie eine Ewigkeit vor, seit ich sie das letzte Mal unter der Dusche hatte singen hören oder ihr dabei zugesehen hatte, wie sie sich bettfertig machte, oder ich mich in ihrem Körper verlieren konnte. Sie wollte immer, dass ich langsam anfange, angeblich weil sie sich um meine Größe Sorgen machte, selbst als wir schon jahrelang zusammen waren. Wahrscheinlich sagte sie das nur, um mir zu schmeicheln (und es funktionierte jedes Mal), obwohl sie tatsächlich ein kleines Persönchen war, mit Kurven an den richtigen Stellen. Ich hatte nie ein Problem mit den paar Kilos, die sie behauptete, zu viel auf den Rippen zu haben – ganz im Gegenteil, ich liebte es, wie weich ihr Körper war, wie sich diese Kurven unter meinen Händen anfühlten, unter meinem Mund und meiner Zunge, und wie sie sich an mich schmiegte. Es hatte sich so gut angefühlt, sich um sie zu kümmern.

Verdammt, ich vermisste den Sex. Ich vermisste alles.

»Du musst wieder ausgehen«, meinte mein ältester Bruder Brad, der wusste, wie es mir ging. »Lass mich dir mal April vorstellen, die neue Immobilienmaklerin in der Agentur. Sie ist ziemlich heiß, und ich glaube, du könntest Spaß mit ihr haben. Oder zumindest könntest du mal wieder jemanden flachlegen.«

Ich sagte ihm, er solle sich verpissen.

»Komm schon, Mann«, versuchte er es vergangene Woche erneut, als wir zusammen einen der Feldwege entlangjoggten, die unsere zwanzig Hektar große Farm begrenzten. »Es ist jetzt drei Jahre her. Du versuchst nicht einmal, mit deinem Leben weiterzumachen. Wann kommst du endlich darüber hinweg?«

»Fick dich, Brad«, hatte ich erwidert und war mit langen, schnellen Schritten, mit denen er nicht mithalten konnte, davongezogen. Ich versuchte nicht, mit meinem Leben weiterzumachen? Jeder verdammte Tag, den ich hinter mich brachte, bedeutete, dass ich weitermachte. Jeder Morgen, an dem ich es schaffte aufzustehen, bedeutete, dass ich weitermachte. Jeder verdammte Atemzug bedeutete, dass ich mit meinem Leben weitermachte.

Und über sie hinwegkommen? Das würde niemals passieren. Er konnte eine endlose Parade heißer Frauen an mir vorbeiziehen lassen – es wäre reine Zeitverschwendung.

Ich hatte die Liebe meines Lebens bereits getroffen, ich hatte sie seit meiner Kindheit gekannt.

Ich hatte sie geheiratet, und ich hatte sie verloren.

Dafür gab es keine Verjährung und keine Erlösung. Keine zweite Chance.

Ich wollte nicht einmal eine.

4

Margot

»Bist du dir sicher, dass du dir das gerade jetzt aufhalsen möchtest?« Jaime reichte mir über den Tisch hinweg mit zweifelnder Miene die Kundenakte. Ich hatte gerade angeboten, einen neuen Auftrag zu übernehmen, der ein paar Tage Dienstreise, eine Menge Vorbereitung und wenig Geld bedeutete. Der Kunde war der Besitzer einer kleinen familiengeführten Farm, die sich auf nachhaltige Landwirtschaft konzentrierte. Die perfekte Gelegenheit, um aus der verdammten Stadt rauszukommen und niemanden zu treffen, den ich kenne. »Eine Farm klingt nicht wirklich nach dir.«

»Warum denn nicht?«, fragte ich, während ich die Akte in meine Tasche stopfte. »Ich bin früher geritten, erinnerst du dich? Ich glaube, ich habe sogar noch irgendwo ein Paar Reitstiefel herumliegen.«

»Du hattest dein Pferd in einem Country-Club stehen. Das hier ist eine Farm.«

»So anders wird das schon nicht sein«, winkte ich ab. »Ich bin mir sicher, dass ich auf einer Farm klarkomme. Und wie gesagt, Muffy meint sowieso, es wäre das Beste, wenn ich für eine Weile die Stadt verlasse, zumindest bis der Klatsch abgeebbt ist.«

»Bis der Klatsch abgeebbt ist?« Jaime verschränkte grinsend die Arme. »Ich fürchte, das wird noch eine Weile dauern.«

Leider wahr. Es war nun fast eine Woche vergangen, doch »Sconehenge« war immer noch die meist erzählte Story in den Country-Clubs der Gegend, die seit Monaten keine gute Szene mehr erlebt hatten. (»Dieses ganze manierliche Verhalten ist so ermüdend«, hatte sich meine Großmutter vor einer Woche beim Dinner beschwert.) Die Geschichte war aufgebauscht worden: Tripp hätte ein Brötchen direkt in die Nüsse bekommen (eine Änderung, die mir gefiel), und Amber hätte mir eine Platte Krapfen an den Kopf geworfen (eine, die mir nicht gefiel). In den ortsansässigen Bäckereien verkauften sich Scones seitdem wie verrückt, und der Laden, der die Scones für die Gala geliefert hatte, die ich dann später geworfen hatte, nannte sie jetzt »Abgeblitzte Erbin« (den Werbevertrag hatte ich abgelehnt). Auf Cocktailpartys überall in der Stadt lachten die Leute über die Phrase »Rache ist nur einen Scone-Wurf entfernt«.

Meine Mutter war noch immer außer sich (»Ehrlich, Margot, wer um alles in der Welt wird sich jetzt noch mit dir sehen lassen wollen?«), meine Großmutter hingegen hatte sich köstlich amüsiert, als sie die Geschichte gehört hatte. Mein Vater schien von der ganzen Sache eher verwirrt zu sein, und Buck tat es nur leid, dass er die Show verpasst hatte.

Aber wir waren uns alle darin einig, dass ich mich für den Rest des Sommers am besten rar machte. Bei Mrs Biltmore hatte ich mich bereits von Herzen entschuldigt, als ich am darauffolgenden Tag meinen Mercedes abholen musste, den ich aufgrund meines Alkoholpegels nicht mehr hatte fahren können. »Oder zumindest so lange, bis sich jemand anders danebenbenimmt«, hatte Oma mir zugeflüstert. »Ich werde die Augen offen halten. Niemand achtet auf alte Damen, und wir sehen alles.«

»Also, erzähl mal, was du über diesen neuen Kunden weißt«, forderte ich Jaime auf, während ich in meinem Büro umherging und alles einpackte, was ich in den nächsten zwei Wochen brauchen würde. Die Valentini Brothers Farm lag immerhin im südöstlichen Teil Michigans, etwa zwei Stunden nördlich von Detroit. Ich hatte mir ein kleines Häuschen in der Nähe gemietet und stellte mir vor, dass ich die Zeit, in der ich nicht arbeitete, entspannt mit einem guten Buch in einem Liegestuhl verbringen würde. Außerdem war es nötig, dass ich mal über mein Leben und die Richtung, die ich einschlagen wollte, nachdachte.

»Nicht viel«, gab Jaime zu und stützte sich auf meinem Schreibtisch ab. »Die Farm gehört drei Brüdern. Quinn hat einen der Brüder, Pete, und seine Frau Georgia auf einem regionalen Bauernmarkt kennengelernt, und sie sind ins Gespräch gekommen. Du kennst Quinn, er freundet sich immer gleich mit jedem an.« Sie verdrehte die Augen, doch mir entging nicht, wie sich ihre Wangen röteten, wie immer, wenn sie von ihm sprach. Jaime tat immer so, als wäre sie nicht der Typ für große Gefühle, doch in Quinn war sie bis über beide Ohren verliebt. »Jedenfalls hat der Typ erwähnt, dass sie Probleme haben, ihre Markenbekanntheit auszubauen und ihren Kundenstamm zu erweitern – obwohl er es wohl nicht so ausgedrückt hat –, und Quinn hat natürlich gleich gesagt: ›Oh, meine Freundin kann Ihnen helfen. Das ist genau ihr Fachgebiet!‹ Er hat ihm meine Karte gegeben, und Georgia hat mich vergangene Woche angerufen.«

»Aber sie wissen, dass ich zu ihnen komme und nicht du, oder?« Ich steckte ein paar Kulis und Marker in meine Tasche sowie einen Stapel bunter Post-it-Zettel.

»Ja. Das war ihnen recht. Ich glaube, sie freuen sich einfach darauf, von uns beraten zu werden.«

»Sind sie auch Farmer?« Ich stellte mir ein Paar vor, das aussah wie Tante Emmy und Onkel Henry aus »Der Zauberer von Oz«.

»Nein. Also, ich glaube, Pete erledigt die Arbeiten auf der Farm, aber da ist noch ein anderer Bruder, der die Geschäfte führt. Georgia und Pete sind beide eigentlich Köche.« Sie legte den Kopf schief. »Oder sie waren es zumindest. Aber das meiste weiß ich nur aus zweiter Hand von Quinn, also solltest du lieber das Neukundenformular lesen, das sie ausgefüllt haben und das ich dir heute Nachmittag gemailt habe. Da steht noch mehr drin.«

»Wird gemacht.« Ich klappte meinen Laptop zu und steckte ihn in die Hülle, dann schaltete ich die Schreibtischlampe aus. »Wir bleiben in Kontakt, ja? Ich werde mich auf jeden Fall bei dir melden, um mich mit dir abzusprechen.«

»Klingt gut.« Sie stand auf, ein schelmisches Grinsen im Gesicht. »Ich versuche gerade, mir dich auf einer Farm vorzustellen. Beim Kühemelken und Reiten auf einem Esel. Oder vielleicht doch lieber gleich auf einem Cowboy?«

Ich verdrehte die Augen und rauschte an ihr vorbei. »Das Einzige, was ich gern reiten würde, ist ein edles Pferd. Ich habe null Interesse an Eseln oder Cowboys.«

»Sag niemals nie«, meinte Jaime und folgte mir aus dem Büro. »Ein bisschen Herumtollen im Stroh mit einem strammen Cowboy würde dir vielleicht ganz guttun und deine ewige Durststrecke beenden.«

Ich drehte mich im Flur um und stemmte die Hände in die Hüfte. »Ich fahre dort hoch, um meine Arbeit zu erledigen, Jaime. Dann werde ich mich für eine Weile verkriechen und einfach mal durchatmen. Und dafür brauche ich keinen Mann, egal, wie stramm er auch sein mag.«

Sie schnalzte mit der Zunge und grinste mich verschmitzt an. »Du bist eine Scone-harte Nuss, weißt du das?«

Ich wandte mich schnell zum Gehen, damit sie mein Grinsen nicht sehen konnte.

❊ ❊ ❊

Kurz nach sieben an diesem Abend erreichte ich Lexington, nachdem ich nur einmal falsch abgebogen war, was ich als Erfolg verbuchte. Wie alle Thurber-Frauen vor mir hatte ich null Orientierungssinn. Ich fragte mich, wie sie vor der Zeit von Navigationsgeräten überhaupt irgendwohin gelangt waren. »Das nannte sich Chauffeur«, war die Antwort meiner Großmutter gewesen.

Die Hausverwalterin hatte mir gesagt, ich sollte sie anrufen, sobald ich da war, dann würde sie mit dem Schlüssel vorbeikommen. Während ich auf sie wartete, schlenderte ich um das kleine, mit Schindeln bedeckte Häuschen herum und zum Strand hinunter. Es war warm und windig, Wellen rollten in schneller Folge an die felsige Küste. Ich hielt mir die Haare aus dem Gesicht und schlüpfte auf dem Weg zum Ufer aus meinen Sandalen. Das Wasser war an meinen nackten Füßen eiskalt.

Ich atmete die feuchte Luft ein, den Geruch von See und Algen. Irgendwo in der Nähe grillte jemand. Was auch immer das war, es roch köstlich. Mein Magen knurrte. Hatte ich eigentlich etwas zu Mittag gegessen? Ich konnte mich nicht erinnern.

»Hallo?«, rief jemand hinter mir. »Miss Lewiston?«

Ich fuhr herum und erblickte eine stämmige Frau mittleren Alters mit Hut und Sonnenbrille, die mir zuwinkte, ein Schlüsselbund in der Hand. Als ich den Strand zu ihr hochging, beschloss ich, sie zu fragen, ob es in dem Häuschen einen Grill gab. Ich hatte zwar noch nie selbst gegrillt, aber ich war mir sicher, dass ich es mithilfe des Internets schon herausfinden würde. Es war ohnehin an der Zeit, dass ich mal meine Komfortzone verließ.

Ohne etwas zu werfen.

❊ ❊ ❊

Die Hausverwalterin, Ann, gab mir den Schlüssel und zeigte mir die Hütte – nicht dass es da viel zu zeigen gegeben hätte: Schlafzimmer und Badezimmer im hinteren Teil, ein großes Wohnzimmer mit angeschlossener Küche und große Panoramafenster mit Blick auf den See. Aber es war sauber und hell, modern eingerichtet im Strandlook und strahlte fast ein wenig Cape-Cod-Feeling aus. Ich fühlte mich gleich zu Hause.