Only Us - Unvergesslich - Melanie Harlow - E-Book + Hörbuch

Only Us - Unvergesslich Hörbuch

Melanie Harlow

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Beschreibung

»Willst du, dass ich dir verfalle, Oliver Pemberton?« Er grinste. »Wir fallen nicht. Wir springen.«

Wir waren elf, als Oliver Pemberton mich dazu überredete, von einem Scheunendach zu springen. Er sagte, man könne sich aus der Höhe kein Bein brechen. Er hat gelogen.

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass das die letzte Wette mit ihm war - das letzte Mal, dass ich ihm vertraut habe. Aber so ist es nicht. Je älter wir wurden, desto schmutziger die Wetten und desto höher der Einsatz - bis Oliver mir schließlich das Herz brach.

Ich schwor mir, nie wieder mit ihm zu reden. Doch jetzt, Jahre später, ist er zurück - charmanter, überzeugender und attraktiver als je zuvor. Und er geht mir immer noch so unter die Haut wie kein anderer. Aber wie viele Chancen hat die wahre Liebe verdient?

Eine knisternde Enemies-to-Lovers-Romance. Der zweite Band der Cloverleigh-Farms-Romance-Reihe von Melanie Harlow.

Stimmen unserer Leserinnen und Leser:

»Wow. Ohne Frage einer meiner liebsten Bücher. Knisternde Chemie, Anziehungskraft ohne Ende und alle Gefühle, die ich bei einer Liebesgeschichte von Melanie Harlow erwarte!« (Ilsa Madden-Mills, Wall Street Journal-Bestsellerautorin)

»Melanie Harlow webt eine hoffnungsvolle Geschichte in einer Weise, die dich vom Stuhl holen wird.« (Corinne Michaels, New York Times-Bestsellerautorin)

»Eine super Enemies-to-Lovers Geschichte mit viel Witz, Romantik und süßen Rückblicken in die Vergangenheit der Charaktere.« (Lenasbuchparadies Amazon 15.11.2021)

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Zeit:7 Std. 47 min

Sprecher:Jana Marie Backhaus-Tors

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Danksagung

Impressum

Weitere Titel der Autorin

Only Us – Unwiderstehlich

Über dieses Buch

Wir waren noch Kinder, als Oliver Pemberton mich überredete, von einem Scheunendach zu springen. Ich könnte mir aus der Höhe kein Bein brechen. Das war seine erste Lüge.

Ich wünschte, es wäre zugleich das letzte Mal, dass ich ihm vertraut habe. Mit ihm gewettet und verloren habe. Aber so ist es nicht. Und je älter wir wurden, desto höher der Wetteinsatz – bis Oliver mir das Herz brach.

Jetzt, Jahre später, ist er auf einmal zurück in meinem Leben. Und ich muss wieder alles auf eine Karte setzen. Denn niemand geht mir so unter die Haut wie Oliver. Aber wie viele Chancen hat eine einmal verspielte Liebe verdient?

Über die Autorin

Melanie Harlow bevorzugt ihre Martinis trocken, ihre Schuhe hoch und liebt abenteuerliche, romantische Geschichten mit allen schmutzigen kleinen Details. Ihre Bücher handeln von modernen Paaren, Menschen wie du und ich, die mit ganz alltäglichen Problemen kämpfen und oft Rückschläge hinnehmen müssen, bis sie letztendlich doch die wahre Liebe finden. Melanie lebt mit ihrem Mann, zwei Töchtern bei Detroit.

Melanie Harlow

Unvergesslich

Aus dem Amerikanischen von Michaela Link

Für all die unglaublichen Schriftsteller, die das Gatlinburg Madcap Retreat besucht haben. Ihr habt mir viel beigebracht, mich ermutigt und mich inspiriert.

Jemanden zu lieben ist ein vertrauensvoller Sprung ins Ungewisse, und eine weiche Landung ist nie garantiert.

Sarah Dessen

Kapitel 1

Chloe

Damals

»Bist du dir sicher?«

»Natürlich bin ich mir sicher«, sagte Oliver verächtlich. »Ich bin schon von viel höheren Dächern gesprungen.«

»Aber es geht ganz schön tief runter.«

Er zuckte die Achseln. »Vielleicht für jemanden wie dich.«

»Wie – für jemanden wie mich?«

Oliver bedachte mich mit einem Seitenblick und einem selbstgefälligen Grinsen, dann zog er die Oberlippe hoch und mümmelte wie ein Hase.

»Lass das!« Ich schlug ihm auf den Arm. Er wusste, dass ich es hasste, Angsthase genannt zu werden oder Hasenfuß oder Baby. Solche Namen gab er mir ständig, weil ich Höhen nicht besonders mochte. Oder die Dunkelheit. Oder Gewitter. Oder Schlangen. Er war genau der Typ Junge, der einen dazu brachte, ihm geheime Ängste anzuvertrauen, um sie dann gegen einen zu verwenden. »Ich bin kein Angsthase.«

»Dann spring.«

»Das werde ich auch.« Ich ruckte wütend mit dem Kinn und schaute zum Boden tief unter uns. Wir standen auf dem Dach der Scheune auf der kleinen Farm meiner Familie; es war Ende August, vier Uhr nachmittags und glühend heiß, und die Sonne hatte den Schlamm dort unten zu einer krustigen, kakaofarbenen Mulde festgebacken. Oliver hatte mich zu einer Mutprobe herausgefordert. Er hatte sein Tamagotchi darauf verwettet, dass ich nicht springen würde.

Der Mutprobe hätte ich vielleicht widerstehen können – obwohl das fraglich war –‍, aber dieses Tamagotchi wollte ich unbedingt haben. Ich hatte mir letztes Weihnachten eins gewünscht, aber stattdessen eine Barbiepuppe bekommen, die ich fast sofort meiner kleinen Schwester Frannie gegeben hatte. (Allerdings hatte ich Barbie zuerst noch eine fabelhafte Nacht mit Ken gegönnt. Meine Barbies standen auf Sex.)

»Du gibst mir dann wirklich dein Tamagotchi?«, fragte ich. Ich kannte Oliver praktisch von Geburt an, und wenn ich eins über ihn wusste, dann, dass man ihm nicht trauen konnte. Seine Ideen handelten uns immer Ärger ein.

Er verdrehte die Augen. »Ich habe gesagt, dass ich das tun würde, nicht wahr? Und du wirst dir schon kein Bein brechen. Es sind nur drei Meter oder so. Aus der Höhe kann man sich gar kein Bein brechen.«

Ich biss mir auf die Unterlippe und schaute wieder hinunter. Mir schienen das mehr als drei Meter zu sein. Konnte ich so sanft landen, dass ich mir nicht wehtat?

»Und du springst auch?«, fragte ich voller Argwohn.

»Wenn du springst, springe ich auch.«

Ich nickte und kratzte den letzten Rest notwendigen Muts zusammen.

»Geh zur Seite. Ich springe als Erster«, sagte Oliver und rutschte zum Rand.

»Nein!« Ich versetzte ihm einen Stoß, durch den er fast das schräge Dach hinuntergepurzelt wäre. Ständig gab er mit irgendwas an. Wir waren im selben Alter, aber er war größer, stärker und schneller – und manchmal war er deswegen echt ein Blödmann.

Seine Mom und seinen Dad nannte ich Tante Nell und Onkel Soapy (mehr dazu später), aber wir waren nicht wirklich Cousin und Cousine. Wir waren einfach oft zusammengesteckt worden, weil unsere Mütter schon seit Ewigkeiten beste Freundinnen waren. Sie waren gleichzeitig mit uns schwanger gewesen und hatten uns in einem Abstand von nur zwei Tagen zur Welt gebracht. Oliver war natürlich der Ältere, und man hätte meinen können, dass diese zwei Tage den entscheidenden Unterschied bedeutet hätten. Die meiste Zeit konnte ich ihn nicht ausstehen – aber dann ertappte ich mich doch wieder dabei, alles zu tun, was ich konnte, um ihn zu beeindrucken.

Manchmal verstand ich mich selbst nicht.

»Dann tu es endlich.« Er sah auf seine Armbanduhr. Oliver Ford Pemberton trug immer eine Armbanduhr. »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.«

»Na schön.« Ich rutschte dichter an den Rand heran und ließ die Beine herunterbaumeln. »Auf drei.«

»Eins.« Oliver klang selbstgefällig und leicht gelangweilt, als wüsste er, dass ich nicht springen würde.

»Zwei«, murmelte ich zögernd und hoffte, dass ich mich nicht übergeben würde.

»Drei.« Er hielt inne. »Ich wusste, dass du nicht – oh scheiße!«

Ich war gesprungen. Und legte eine miserable Landung hin – mit einem Geräusch, das man nur als Übelkeit erregendes Knacken bezeichnen konnte, als mein Bein sich in einem unnatürlichen Winkel unter mir verdrehte. Bevor ich den Schmerz auch nur registrieren und anfangen konnte zu schreien, sprang Oliver mir hinterher.

RUMS.

Er landete direkt neben mir im Schlamm, sogar noch uneleganter als ich und praktisch mit dem Kopf zuerst.

Er stöhnte, und ich begann zu kreischen. Es dauerte nicht lang, bis unsere Eltern herbeigelaufen kamen.

Wie sich herausstellte, hatte Oliver in mehreren Punkten gelogen. Er war noch nie von einem Dach gesprungen. Er besaß gar kein Tamagotchi. Und man kann sich tatsächlich bei einem Sprung aus vier Metern Höhe ein Bein brechen.

Man kann sich auch ein Schlüsselbein brechen, was ihm meiner Meinung nach recht geschah.

Ich musste am Ende operiert werden, was mir eine Narbe am rechten Bein bescherte, und wann immer ich sie sah, wurde ich wieder böse auf ihn. Und auf mich selbst.

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es die letzte seiner Mutproben war, auf die ich mich je einließ, die letzte Wette, die ich je mit ihm schloss, das letzte Mal, dass ich dem verdammten Oliver Ford Pemberton je vertraute.

Aber so war es nicht.

Nicht einmal ansatzweise.

Kapitel 2

Chloe

Jetzt

»Das kann nicht dein Ernst sein.« Quer über den Esstisch hinweg starrte ich meinen Dad an, der mein Leben gerade mit einem einzigen Satz ruiniert hatte. »Du erwartest von mir, dass ich für Oliver arbeite?«

»Es ist ja nur für sechs Monate.« Mein Dad nahm sich eine Scheibe Brot und zuckte die Achseln, als wäre es keine große Sache, dass ich ein halbes Jahr lang Befehle von diesem Arschloch würde entgegennehmen müssen. »Er scheint zu denken, es wäre genug Zeit, um dich auszubilden.«

»Sechs Monate!« Ich umklammerte mein Weinglas.

»Das ist sinnvoll, Chloe. Du willst eine Brennerei eröffnen. Er leitet bereits eine. Und sie hat sich im Lauf der letzten Jahre bestens entwickelt.«

Ich wusste alles über seine verdammte Brennerei – sie war meine Idee gewesen.

»Oliver gehört praktisch zur Familie«, schaltete meine Mutter sich ein. »Du kennst ihn seit deiner Geburt.«

»Dafür kann ich ja nichts.« Ich nahm einen Schluck Rosé.

»Ich finde Oliver sehr nett«, sagte meine jüngere Schwester Frannie, süß wie immer.

Ich warf ihr einen mörderischen Blick zu. »Du kennst ihn nicht so gut wie ich.«

»Wer ist dieser Oliver noch mal?«, fragte Mack. Er und Frannie waren frisch verlobt. Mack arbeitete als Finanzchef für Cloverleigh Farms, unser Familienunternehmen, das nicht nur aus einer Farm bestand, sondern auch aus einem Weingut, einem Landhotel und einem Veranstaltungsort für Hochzeiten. Es überraschte mich ein bisschen, dass er nichts von dem Deal wusste, den mein Dad eingegangen war. Er hatte doch an den Meetings zwischen Dad und mir teilgenommen, bei denen es darum gegangen war, hier eine kleine Destillerie zu eröffnen. Meetings, die für mich am Ende immer enttäuschend gewesen waren.

Wie überzeugend ich auch argumentierte, dass eine Destillerie eine großartige Ergänzung für unser gesamtes Unternehmen wäre und ihm einen modernen Touch verleihen würde, es war und blieb Tatsache, dass kein Geld dafür vorhanden war.

»Oliver ist der Sohn meiner besten Freundin«, erklärte meine Mutter Mack mit wohlwollender Stimme. »Und er ist so charmant.«

»Das war Ted Bundy auch«, rief ich ihr ins Gedächtnis.

»Klug, gut aussehend, erfolgreich«, fuhr meine Mutter fort, als hätte ich gar nichts gesagt. »Er hat wirklich etwas aus sich gemacht.«

»Was nicht schwer ist, wenn man Pemberton heißt«, murrte ich und spießte mit der Gabel eine Stange gegrillten Spargel auf.

»Pemberton wie die Seifenfabrik?«, hakte Mack nach.

»Genau.« Ich zeigte mit der Spargelstange auf Mack. »Und sein zweiter Vorname ist Ford. Wie schwer kann Erfolg denn sein, wenn man sich nicht nur auf ein gewaltiges Familienvermögen stützen kann, sondern gleich auf zwei?«

»Also, Chloe«, tadelte meine Mutter mich. »Nell hat gesagt, Oliver habe die Brennerei mit seinem eigenen Geld aufgebaut.«

Ich schnaubte. »Sein eigenes Geld. Na klar.«

»Ganz so wie du dein eigenes Geld für deine Collegeausbildung verwendet hast«, bemerkte mein Dad mit einem schiefen Grinsen. »Familienvermögen ist Familienvermögen. Unseres ist zufällig Sawyer-Vermögen, nicht Pemberton-Vermögen. Es ist bloß nicht ganz so groß.« Er lachte über seinen eigenen Scherz.

»Das ist etwas anderes«, wandte ich ein. »Ja, du hast mein Bachelorstudium finanziert, aber ich habe meinen Master bezahlt, nicht wahr? Ich habe Darlehen aufgenommen, wie jeder normale Mensch das tut, und neben dem Studium gearbeitet, damit ich anfangen konnte, sie abzuzahlen. Ich zahle sie immer noch ab!«

»Und wir sind sehr stolz auf dich«, sagte mein Dad und nippte an seinem Rosé. »Aber genau das ist ein weiterer Grund, warum eine Partnerschaft mit Oliver eine gute Idee wäre. Du weißt, ich wünschte, wir hätten das zusätzliche Geld, das du brauchst, um hier eine Brennerei zu eröffnen, aber wir haben es nicht. Nicht, wenn du es richtig machen willst. Das kann Mack bestätigen.«

Mack blickte schuldbewusst drein. »Tut mir leid, Chloe, ich kann da nicht widersprechen – wenn dein Herz wirklich an dieser teuren Kupferausstattung hängt und du das Projekt lieber früher als später in Angriff nehmen willst, ist ein erfahrener Partner eine gute Idee.«

Ich wollte keinen verdammten Partner – ich war extrem unabhängig, wollte es allein schaffen und allen beweisen, dass ich es konnte. Aber ich verlor langsam die Geduld, die sowieso nie eine meiner Stärken gewesen war.

Ich stellte mein Weinglas auf den Tisch. »Okay, schön. Ein erfahrener Partner wäre vielleicht eine gute Idee. Aber warum muss es Oliver sein?«

»Oliver ist eine naheliegende Wahl«, sagte mein Dad. »Er und ich haben uns ein Weilchen über deine Ideen unterhalten, als Mom und ich letzten Monat Nell und Soapy in Harbor Springs besucht haben. Er war gerade zufällig da. Dann hat er mich gestern aus heiterem Himmel angerufen. Meinte, er hätte darüber nachgedacht, und hat mir ein Angebot gemacht.«

Mir blieb der Mund offen stehen. Ich wusste nicht, worüber ich verärgerter war – dass mein Vater überhaupt mit Oliver über meine Ideen gesprochen hatte, ohne mir davon zu erzählen, oder dass die beiden hinter meinem Rücken diesen Deal geschlossen und meine Idee im Grunde gekapert hatten.

Typisch Männer!

Ich versuchte, die Fassung zu wahren. »Wie genau sieht dieses Angebot aus?«, fragte ich steif.

Mein Dad kaute den Bissen fertig, schluckte ihn runter und nippte dann noch einmal an seinem Wein, bevor er antwortete. »Er wird dir alles beibringen, was du über dieses Geschäft wissen musst, und wenn er sich davon überzeugt hat, dass du so weit bist, steigt er als Partner ein und hilft dir hier oben beim Start. Und er steuert die Hälfte des Geldes bei.«

»Das gibt ihm die ganze Macht.« In mir sträubte sich alles.

»Ganz und gar nicht.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Hör mal, wenn du kein Interesse hast, brauchst du es nicht zu tun, aber dann wird es keine Brennerei auf Cloverleigh geben. Ich habe deiner Mutter versprochen, etwas kürzerzutreten und über den Ruhestand nachzudenken. Sie hat uns für den Herbst bereits eine Reise gebucht, sobald die Touristensaison abebbt. Ich kann an diesem Punkt in meinem Leben kein Projekt von dieser Größenordnung mehr übernehmen, weder persönlich noch finanziell.«

»Der Arzt hat gesagt, dein Dad müsse Stress abbauen«, warf meine Mutter ein und tätschelte ihm die Schulter. »Dass er mehr Freizeit braucht. Wir haben gestern Abend darüber gesprochen und finden die Idee genial. Olivers Angebot ist sehr großzügig. Wäre es dir lieber, wir hätten es abgelehnt?«

»Nein«, gab ich zu und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich wünschte einfach, ihr hättet mit mir geredet, bevor ihr ihm gesagt habt, ich würde es tun.«

»Du wünschst dir das doch schon seit Jahren, Dimples«, rief mein Dad mir ins Gedächtnis. Mit diesem alten Kosenamen hatte er mich schon als Kind gerufen. »Warum so halsstarrig? Es ist die perfekte Lösung. Stimmt’s, Mack?«

»Ähm.« Mack wurde ein wenig blass bei dem Gedanken, sich in einen Familienstreit einzumischen.

»Ach, nur zu, Mack«, sagte ich genervt. »Du kannst dich ruhig einmischen. Du gehörst jetzt zur Familie, und ich vertraue darauf, dass du mir die Wahrheit sagst.«

Mack räusperte sich. »Nun, obwohl ich nicht alle Details des Deals oder der Partnerschaft kenne, von denen dein Dad spricht, und obwohl ich nichts über Oliver oder sein Unternehmen weiß, würde ich sagen: Eine Partnerschaft mit jemandem, der über das Wissen und die Möglichkeit verfügt, etwas Derartiges durchzuziehen, ist eine bessere Idee, als sich tonnenweise Geld zu leihen oder ahnungslos auf eigene Faust da reinzutappen.«

»Genau.« Mein Vater nickte Mack zu. »Ich habe auch mit Henry DeSantis darüber gesprochen, und er gibt mir recht. Er hat keine Erfahrung mit dem Brennen von Spirituosen, außerdem hat er in dieser Jahreszeit alle Hände voll mit dem Weingut zu tun.«

»Du hast bereits mit Henry darüber gesprochen?« Henry DeSantis war der Winzer in Cloverleigh, und ich arbeitete viel mit ihm zusammen, da ich für das Marketing und die PR für unsere Weine zuständig war und außerdem sowohl hier als auch in der Innenstadt die Weinproben managte. Er war ein klasse Typ, und wir waren recht gute Freunde, weshalb sich dies hier wie ein Verrat von allen Seiten zugleich anfühlte. Ich hatte das Gefühl, als gehörten sie alle zu irgendeinem Männerverein, in den ich nicht aufgenommen wurde, der aber über meine Zukunft entscheiden durfte.

»Das musste ich tun«, fuhr mein Vater mit einem Achselzucken fort. »Schließlich wird Henry derjenige sein, dem eine Arbeitskraft fehlt, während du für Oliver arbeitest – natürlich nur, wenn du dich dafür entscheidest.« Er griff wieder nach seinem Weinglas. »Ich werde dich nicht dazu zwingen.«

Stirnrunzelnd sah ich auf mein Besteck. Dann schnitt ich mir einen Bissen von der gegrillten Garnele ab und steckte ihn in den Mund, hauptsächlich um etwas zu tun zu haben, während ich über alles nachdachte. Ken, mein Therapeut, hatte mir beigebracht, mir Zeit zu nehmen, bevor ich das Maul aufriss, und seien es auch nur zwei oder drei Sekunden. Es fiel mir nicht immer leicht, aber ich arbeitete daran.

»Ich halte es für eine gute Idee«, sagte April, meine ältere Schwester, die links von mir saß. »Warum der Partnerschaft mit Oliver nicht wenigstens eine Chance geben?«

Warum nicht? Ich hatte hundert Gründe, aber hier waren die beiden wichtigsten:

1. Oliver Ford Pemberton war nicht zu trauen.

2. Mir war in Oliver Ford Pembertons Nähe nicht zu trauen.

Aber ich nahm mir Zeit, zu kauen und zu schlucken. Denn Ken hatte mir noch etwas beigebracht: einfühlsamer zu sein, mich in andere Menschen hineinzuversetzen. Mein Dad war fast siebzig, und er hatte gesundheitliche Probleme. Wir alle – meine Mutter, meine vier Schwestern, langjährige Angestellte wie Mack und Henry – stimmten darin überein, dass es das Beste für ihn wäre, einen Gang runterzuschalten. Tief im Innern hoffte ich wirklich, dass er mir einen Teil des Managements von Cloverleigh übergeben würde ... das war einfach das Naheliegendste.

Ich war nicht die Älteste – das war Silvia –, aber die lebte mit ihrem Mann und ihren Kindern zusammen drüben in Santa Barbara. Ich war nicht mal die Zweitälteste – das war April. Sie war hier die Eventplanerin. Sie machte ihren Job großartig, und ich hatte nie einen Piep von ihr gehört, dass sie irgendwas anderes tun wollte. Hochzeiten und Firmenevents hielten sie auf Trab, und sie passte sich immer an neue Trends an. Die Nächste in der Reihe war Meg, aber sie lebte in Washington D.C., wo sie eine politische Karriere anstrebte, um etwas in der Welt zu bewirken. Das war schon immer ihr Traum gewesen.

Damit blieben Frannie und ich übrig. Frannie war mit siebenundzwanzig die Jüngste, aber sie hatte kürzlich aufgehört, an der Rezeption des Hotels zu arbeiten, um ihr eigenes kleines Macaron-Unternehmen zu eröffnen: ein Café im Zentrum von Traverse City, ungefähr zwanzig Minuten entfernt. Außerdem war sie frisch mit einem alleinerziehenden Dad verlobt, der drei kleine Töchter hatte, und war vor Kurzem bei ihm eingezogen. Neben ihrem neuen Geschäft, der Unterstützung, die sie bei der Betreuung der drei Kinder leistete, und der Planung ihrer Hochzeit konnte sie in Cloverleigh unmöglich noch mehr Verantwortung übernehmen.

Also war es schlüssig, mich zu befördern. Ich arbeitete mit großer Hingabe für das Familienunternehmen. Ich war zweiunddreißig, Single und hatte keine Aussichten oder Pläne, daran in nächster Zukunft etwas zu ändern – meine Vorgeschichte in Liebesdingen war von impulsiven Entscheidungen und beklagenswerten Fehlgriffen geprägt. Ich hatte einen schrecklichen Männergeschmack, und bis Ken mir erklären konnte, warum ich Arschlöcher immerzu den netten Kerlen vorzog, hatte ich allen Beziehungen abgeschworen.

Aber ich verstand eines: Wenn ich beweisen wollte, dass ich ein Teamplayer war, flexibel und klug, ein Mensch, der das große Ganze sah, und eine besonnene Geschäftsfrau, dann musste ich bereit sein, Kompromisse zu schließen und meine Gefühle nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.

Ich holte tief Luft und nahm noch einen Schluck Wein.

»Mir gefällt die Idee eines Kompromisses«, begann ich. »Es ist nur ... ich mache mir Sorgen, dass Oliver und ich vielleicht als Partner nicht optimal zusammenpassen.«

Links von mir hörte ich April kichern, was sie zu verbergen versuchte, indem sie ihr Weinglas an die Lippen führte. Niemand an diesem Tisch kannte meine vollständige Geschichte mit Oliver Ford Pemberton, aber April wusste genug, um die Peinlichkeit der Situation zu erkennen. Ich versetzte ihr einen leichten Tritt gegen den Knöchel, bevor ich weitersprach.

»Warum denn nicht?«, fragte meine Mutter. »Ihr zwei wart doch mal dicke Freunde.«

»Weil ich jemand bin, der hart arbeitet, und er ein in der Weltgeschichte herumbummelnder, auf Yachten herumturnender, sorgloser, reicher und selbstsüchtiger Playboy ist, darum.«

»Ich bitte dich, Chloe. Menschen ändern sich. Oliver mag in seinen Zwanzigern ein wenig übermütig gewesen sein, aber in den letzten Jahren ist er wirklich ruhiger geworden.«

»Wir verstehen uns nicht gut, Mom.«

»Ach, papperlapapp.« Meine Mutter tat meinen Einwand mit einer knappen Handbewegung ab. »Ihr zwei mögt in jüngeren Jahren hin und wieder aneinandergeraten sein, aber das lag nur daran, dass ihr euch so ähnlich seid – so halsstarrig und wetteifernd. Aber ihr kennt einander seit einer Ewigkeit. Um Himmels willen, er hat dich sogar zu seinem Abschlussball ausgeführt.«

Ich starrte sie ungläubig an. »Seine Mutter hat ihn dazu gezwungen, mich zu fragen. Und du hast mich gezwungen, Ja zu sagen.«

»Und ihr wart herzallerliebst zusammen.« Sie stieß einen traurigen Seufzer aus. »Nell und ich fanden immer, dass ihr zwei wie geschaffen füreinander seid. Es ist ein Jammer, dass ihr zwei nie – nun, wie dem auch sei, ihr seid beide jetzt so viel reifer.«

Ich wand mich ein wenig auf meinem Stuhl. »Mag sein, aber ich habe immer noch nicht die Gemeinheiten vergessen, die er mir angetan hat, als wir jünger waren.«

»Wie damals, als er dich davon überzeugt hat, du hättest die Holländische Ulmenkrankheit?«, neckte April mich.

»Das war nicht witzig«, fuhr ich sie an, obwohl alle anderen am Tisch in Gelächter ausbrachen.

»Das wusste ich überhaupt nicht«, sagte Frannie. »Wie hat er das denn angestellt?«

»Er hat ihr eingeredet, Sommersprossen auf der Nase seien ein sicheres Zeichen, und wenn ihr Haare an den Beinen wachsen würden, solle sie die auf jeden Fall mit Erdnussbutter einschmieren«, platzte April heraus, diese Verräterin. »Er hat ihr gesagt, das sei das einzige bekannte Heilmittel.«

»Ach ja, stimmt.« Meine Mutter wischte sich Tränen aus den Augen und schnappte vor Lachen nach Luft. »Das hatte ich ganz vergessen. Ich habe sie eines Tages in der Speisekammer gefunden, von oben bis unten mit Skippy beschmiert.«

»Wir haben sie danach monatelang Skippy genannt«, keuchte April.

»Ich weiß nur, dass sie sich ein Bein gebrochen hat, nachdem er sie zu einer Mutprobe aufgefordert hatte. Sie sollte vom Dach der Scheune springen«, sagte Frannie kichernd. »Und hat er sich nicht das Schlüsselbein gebrochen, als er hinter ihr hergesprungen ist?«

Meine Mutter schnaufte und griff sich an die Brust. »Ja! Gütiger Himmel, ich dachte, ich hätte einen Herzinfarkt, als ich die beiden dort liegen sah.«

»Es war mehr als eine Mutprobe, es war eine Wette – die ich gewonnen habe und die er nie beglichen hat«, bemerkte ich. Von der bloßen Erinnerung bekam ich schon schlechte Laune. »Denn er war ein Lügner und Betrüger. Tief im Innern hat er sich wahrscheinlich kein bisschen verändert, und das ist der Grund, warum ich nicht seine Partnerin sein will.«

»Jetzt fühle ich mich gleich viel besser, wenn ich daran denke, was meine Kinder einander so antun«, warf Mack grinsend ein und griff nach seiner Bierflasche.

»Ich wette, deine Töchter würden niemandem eine Gummischlange unter die Bettdecke legen, wenn sie in einem Familiencottage zu Gast wären«, schnaubte ich. »Und sie würden sich dann auch nicht unterm Bett verstecken, um herauszufinden, wie laut ihr Opfer schreit.«

Mack hielt mit seiner Bierflasche auf halbem Weg zum Mund inne und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht behaupten, dass sie das getan hätten, aber es klingt durchaus nach etwas, das mir bei meiner Schwester hätte einfallen können.«

»Es fällt mir schwer, das zu glauben«, sagte ich naserümpfend, »denn im Gegensatz zu Oliver Pemberton bist du ein Gentleman. Du weißt dich zu benehmen.«

»Oh, Chloe, um Himmels willen«, tadelte meine Mutter. »Oliver weiß sich auch zu benehmen. Ihr zwei habt euch nur deshalb in die Haare gekriegt, weil ihr euch so nah wart.«

»Eher in die Betten gekriegt ...«, murmelte April vor sich hin.

Ich verpasste ihr einen weiteren Tritt gegen den Knöchel – diesmal fester – und versuchte erneut, ruhig und rational zu bleiben. »Hört mal. Ich bin bereit, offen an diese Sache heranzugehen, aber ich will auch ehrlich sein. Ich weiß nicht, wie gut er und ich zusammenarbeiten würden.«

»Er scheint zu denken, dass ihr ganz wunderbar zusammenarbeiten werdet«, sagte mein Dad.

Ich verdrehte die Augen. »Nein, er scheint zu denken, dass es wunderbar sein wird, mich sechs Monate lang herumzukommandieren. Das wird er großartig finden. Er wird mich wahrscheinlich die Toiletten schrubben und die Böden wischen lassen.«

»Da hat er aber etwas ganz anderes gesagt«, versicherte mir meine Mutter und beugte sich vor, um meine Hand zu tätscheln. »Er hat gesagt, es habe auch ihm zuerst widerstrebt, da es in der Vergangenheit ein paar Reibereien zwischen euch gab.«

Reibereien?

So konnte man es auch formulieren.

»Aber er meinte, je länger er darüber nachgedacht hätte«, fuhr sie fort, »desto mehr hätte er erkannt, was für eine wunderbare Chance es wäre, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der so talentiert und leidenschaftlich ist wie du.«

»Das hat er gesagt?«, fragte ich zweifelnd.

»Ja. Und er hat auch gesagt, ihm gefalle die Idee, mit jemandem zusammenzuarbeiten, dem er vertrauen kann, denn das sei für ihn das Wichtigste in einer Partnerschaft.«

Was für eine Ironie, dachte ich.

»Ich finde, du solltest es tun, Chloe.« Frannie strahlte mich begeistert an. »Du bist unglaublich gut in dem, was du hier tust, aber ich weiß, dass du immer eine größere Herausforderung gesucht hast. Ich sage, pack es an.«

»Wie würde das überhaupt funktionieren?«, gab ich zu bedenken. »Würde ich für sechs Monate nach Detroit ziehen müssen? Was ist mit meinem Job hier?«

»Oliver und du müsstet die Details noch klären, aber ja, ich stelle mir vor, dass du einen Teil der Zeit dort wärst«, antwortete mein Vater. »Was deinen Job hier betrifft, werden deine Mutter und Henry zusammen einen Ersatz suchen.«

Ich dachte konzentriert nach. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass dies meine große Chance war – wenn ich ablehnte, würde ich die Wertschätzung meiner Eltern verlieren sowie die Chance, hier wirklich Einfluss zu nehmen. Ich würde wie der trotzige Teenager wirken, der ich einmal gewesen war, oder schlimmer noch, wie ein halsstarriges Kleinkind, das einen Wutanfall hinlegte. Aber wenn ich zu schnell Ja sagte, würde ich übereifrig erscheinen, und dieser Männerverein würde denken, sie könnten mich immer weiter unterbuttern. Ich würde mich auf keinen Fall von ihnen herumschubsen lassen.

Also richtete ich mich auf meinem Stuhl höher auf, strich mir das Haar hinter die Ohren und erklärte selbstbewusst: »Ich werde das Angebot in Erwägung ziehen, nachdem ich mir selbst angehört habe, was Oliver zu sagen hat. Ich werde mich morgen bei ihm melden und ein Meeting vereinbaren.«

»Oh, das ist nicht nötig«, sagte mein Dad und griff nach einer weiteren Scheibe Brot. »Er ist bereits auf dem Weg hierher. Er wird wohl gegen neun Uhr eintreffen und bleibt über Nacht. Wenn du zu müde bist, um zu bleiben und mit ihm zu reden, können wir uns morgen früh um acht in meinem Büro treffen.«

Mir klappte der Unterkiefer herunter. Es fühlte sich an, als würde eine Dampfwalze über mich hinwegrollen, heiß und schwer, bis ich vollkommen platt war.

Und es war nicht das erste Mal, dass Oliver dieses Gefühl in mir weckte.

Es würde auch nicht das letzte Mal sein.

Kapitel 3

Oliver

Jetzt

Gott, ich wünschte, ich hätte ihr Gesicht sehen können.

Jedes Mal, wenn ich darüber nachdachte, wie sauer Chloe gewesen sein musste, als ihre Eltern ihr von dem Deal erzählten, den ich vorgeschlagen hatte – und dem sie im Prinzip in Chloes Namen zugestimmt hatten –, musste ich laut lachen.

Ich hatte seit einigen Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen, aber ich konnte sie direkt vor mir sehen. Nicht nur, weil ich sie gelegentlich in den sozialen Medien stalkte – ich meine, weil ich dort über ihre Fotos stolperte –, sondern weil wir einander von Geburt an kannten und mir ihre Mimik urvertraut war.

Hitzig und zornig, weil ich sie abgelenkt und dann den Keks von ihrem Teller verputzt hatte.

Halsstarrig und entschlossen, als ich mit ihr gewettet hatte, sie könne nicht so schnell rennen wie ich (keine Ahnung, warum sie überhaupt auf diese Wetten einging – ich war viel größer als sie, hatte viel längere Beine und habe sie jedes verdammte Mal besiegt).

Empört und trotzig, wenn ich sie einen Angsthasen nannte, weil sie sich weigerte, etwas Dummes zu tun, zu dem ich sie herausgefordert hatte.

Mit halb zusammengekniffenen Augen grollend, wenn wir beide dabei erwischt wurden, etwas Dummes und Gefährliches zu tun, das meine Idee gewesen war. Verpetzt hat sie mich allerdings nie.

Mit geröteten Wangen und atemlos, die dunklen Augen halb geschlossen, den Mund geöffnet, als ich in sie hineinglitt, während sie sich verzweifelt an mich klammerte, mein Name ein Flehen auf ihren Lippen ...

Verdammt.

Ich rutschte auf meinem Sitz herum und konzentrierte mich wieder auf den Highway.

Es war eine ziemlich entspannte sonntagabendliche Fahrt. Die meisten Menschen auf der I-75 fuhren Richtung Süden, kehrten gerade nach einem Urlaub im Norden nach Hause zurück. Meine Familie besaß ein Sommerhaus in Harbor Springs, aber das war etwa zwei Autostunden von Cloverleigh entfernt. Statt dort zu übernachten, hatte ich also beschlossen, das Angebot der Sawyers anzunehmen und in ihrem Haus in einem der Gästezimmer zu schlafen. Hatten sie Chloe schon erzählt, dass ich kommen würde? Wieder musste ich grinsen. Onkel John hatte gesagt, die Familie werde am Sonntag um sieben Uhr zu Abend essen, und dann würde er mein Angebot erwähnen. Er hatte mich eingeladen, dazuzukommen, aber ich hielt es für das Beste, nicht dabei zu sein, wenn sie von dem Deal erfuhr. Wahrscheinlich hätte sie auf der Stelle Nein gesagt, nur um mir eins auszuwischen, und das hätte keinem von uns in irgendeiner Weise genutzt. Ungeachtet dessen, was sie vermutlich dachte, tat ich das hier für uns beide. Ich wusste, wie sehr sie sich eine Brennerei wünschte, und ich konnte ihren Traum wahr werden lassen – aber ich würde ihre Hilfe brauchen.

Wie wütend war sie? Würde sie überhaupt bleiben, um mit mir zu reden? Oder war sie bereits hinausgestürmt, voller Zorn und mit dem Gefühl, wir hätten uns alle gegen sie verschworen?

Ich strich mit dem Zeigefinger unter meiner Unterlippe entlang und überlegte, dass die Chancen ungefähr 50:50 standen. Wenn sie zuließ, dass ihr Jähzorn die Oberhand gewann, war sie wahrscheinlich bereits nach Hause aufgebrochen, womöglich nachdem sie irgendwelche Gegenstände durch den Raum geworfen hatte. Wenn sie sich einen Moment Zeit nahm, um vernünftig über den Deal nachzudenken, würde sie jedoch begreifen, dass es in ihrem eigenen Interesse war zu bleiben. Chloe war heißblütig, und sie war im Moment nicht mein größter Fan, aber sie war keine Närrin. Und sie war auch nicht besonders geduldig. Wenn sie dachte, ich könnte ihr früher verschaffen, was sie haben wollte, als wenn sie es allein versuchte, dann war sie vielleicht geneigt, sich zu benehmen.

Die Chancen standen gut, befand ich, dass sie lange genug bleiben würde, um mich zu begrüßen, die Situation abzuklopfen und ihr Missfallen zu äußern, wenn nicht gar ihre blanke Empörung.

Aber dann würde sie Ja sagen. Sie hatte mir noch nie widerstehen können.

Mein Grinsen wurde noch breiter, und ich trat ein wenig fester aufs Gaspedal, um schneller anzukommen.

Verdammt, ich wünschte, ich hätte ihr Gesicht sehen können.

Kapitel 4

Chloe

Jetzt

Mein erster Impuls war es natürlich, den Tisch umzuwerfen und hinauszustürmen.

Aber tat ich das? Nein. Nein.

Denn ich war kein tobendes Kind mehr, sondern eine gelassene, reife Erwachsene. Eine Frau, die klug genug war, um eine günstige Gelegenheit zu erkennen und unvoreingenommen die Möglichkeiten durchzuspielen. Eine Frau, die sich ihres eigenen Werts sicher genug war – meistens –, um Vergangenes ruhen zu lassen, zu vergeben und zu vergessen.

Zumindest wollte ich diesen Eindruck erwecken.

Zu diesem Zweck experimentierte ich also, nachdem ich meiner Mutter beim Abwasch geholfen hatte, ein wenig mit meiner Körpersprache. Das tat ich im Badezimmer meiner Eltern im ersten Stock – wir nannten es »das Puderstübchen«, weil dort in einer eigenen winzigen Nische ein Marmor-Waschtisch stand mitsamt einem dreiteiligen, bis zur Decke reichenden Klappspiegel.

Ich stand geschlagene zehn Minuten da und probte verschiedene Posen und Gesichtsausdrücke, die ich vielleicht einsetzen konnte, wenn Oliver seinen Vorschlag vorstellte. Ich versuchte es mit distanziert, irritiert, kritisch, skeptisch, vorsichtig optimistisch, höflich, aber pessimistisch und schlicht und ergreifend empört. Als ich einigermaßen zufrieden war, verwuschelte ich mir schnell ein wenig das Haar, trug einen alten Lippenstift auf, den ich in der Schublade gefunden hatte und der nicht wirklich meine Farbe hatte, aber besser war als nichts, und zwickte mir in die Wangen, damit sie etwas Farbe bekamen. Ich wünschte, ich hätte etwas Hübscheres getragen als abgeschnittene Jeansshorts, aber zumindest hatte ich mein weißes Tanktop gegen eine niedliche grüne Bluse eingetauscht und die Sneakers gegen Sandalen.

Als ich aus dem Bad kam, stand Frannie im Flur und musterte mich fragend. »Geht es dir gut?«, fragte sie. »Du warst eine Ewigkeit dort drin.«

»Alles bestens.«

Sie zog eine Braue hoch. »Was ist das für ein Lippenstift? Den hattest du eben noch nicht.«

»Was? Doch, hatte ich.« Ich schob mich an ihr vorbei und spürte, wie meine Wangen heiß wurden.

»Ist der für Oliver?«, neckte sie mich, während sie mir ins Wohnzimmer folgte.

»Nein. Der ist fürs Selbstbewusstsein.« Ich schaute mich um und überlegte, ob ich besser stehen oder sitzen sollte, wenn er hereinkam.

»Das Ganze regt dich wirklich auf, hm?«

»Ein wenig«, gab ich zu und dachte über eine lässige Pose am Kamin nach, vielleicht mit einem Weinglas in der Hand. Das war es, was ich brauchte – eine Requisite. »Hey, bleibt ihr noch? Lasst uns noch eine Flasche Wein aufmachen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Wir haben der Babysitterin versprochen, vor neun zurück zu sein.«

»Ich verstehe nicht, warum ihr die Mädchen nicht einfach mitbringt. Mom lädt sie jedes Mal ein. Wenn ihr sie nicht zu Hause lassen würdet, könntet ihr öfter kommen.«

»Ich weiß.« Frannie seufzte. »Es ist Macks Entscheidung. Er will sich bei Moms und Dads Familiendinner nicht aufdrängen.«

»Habe ich da meinen Namen gehört?« Mack erschien in der Wohnzimmertür, seine Schlüssel in der Hand.

»Ja. Wir wollen, dass du endlich aufhörst, dich in diesem Haus wie ein Gast zu fühlen.« Ich ging zu ihm und schlug ihm auf die Schulter. »Wenn du hier einheiratest, gehörst du zur Familie. Genau wie die Kinder, also solltest du sie zum Sonntagsdinner mitbringen. Mom und Dad brennen darauf, Kinder um sich zu haben. Sie würden zur Entspannung beitragen.«

Mack lächelte. »Vielleicht nächstes Mal.«

»Gut. Dann bis morgen, Mack. Gute Nacht, Frannie.« Ich umarmte meine Schwester schnell und versetzte Mack noch einen Schlag auf die Schulter, bevor ich in die Küche ging, wo ich eine weitere Flasche Rosé aus dem Kühlschrank nahm.

»Meinst du, ich kann die aufmachen?«

April, die an der Theke lehnte, blickte von ihrem Handy auf. »Natürlich. Gute Idee.«

»Wo sind Mom und Dad?«

»Dad ist im kleinen Wohnzimmer, und ich glaube, Mom ist nach oben gegangen, um sich davon zu überzeugen, dass das Gästezimmer für Oliver bereit ist.«

Ich entkorkte die Flasche. »Am liebsten würde ich ihm eine Gummischlange ins Bett legen.«

Sie lachte und legte ihr Handy beiseite. »Wann habt ihr zwei eigentlich das letzte Mal miteinander gesprochen?«

Ich dachte darüber nach, während ich ein paar Gläser aus dem Schrank holte. »Vor zweieinhalb Jahren. Als die Pembertons das letzte Mal zur Weihnachtsfeier hier waren. Er hat seine Verlobte mitgebracht.« Ich sprach das Wort voller Hohn aus. »Erinnerst du dich an sie? Dieses männermordende Biest?«

April lachte. »Ach ja. Die Blondine mit den High Heels, den Perlen und der Designerhandtasche. Sie war hübsch.«

»Du fandest sie hübsch? Ich nicht.« Das war gelogen. Ich hatte sie wunderschön gefunden – hochgewachsen und elegant und kultiviert. Kühl und durchgestylt. All die Dinge, die ich nicht war. Der Anblick der beiden zusammen hatte mich wütend gemacht.

»Ich frage mich, was aus ihr geworden ist«, überlegte April laut. »Sie waren nicht sehr lange verlobt.«

»Sie ist wahrscheinlich zur Besinnung gekommen. Hier.« Ich reichte ihr ein Glas Rosé. »Ich werde am Fenster nach seinem Auto Ausschau halten.«

Sie sah mich mit einem wissenden Grinsen an. »Bist du aufgeregt, dass du ihn wiedersehen wirst?«

»Nein.« Ich schnaubte. »Ich mag bloß nicht überrumpelt werden. Ich will vorbereitet sein.«

»Vorbereitet worauf?«

»Darauf, für mich selbst einzutreten! Dad und Oliver sollen ja nicht denken, sie könnten einfach bestimmen, wo es langgeht. Und ich habe das Gefühl, dass Dad jetzt, da er in den Ruhestand tritt, versucht, Oliver mit ins Boot zu holen, damit er als Babysitter für mich fungiert. Um auf mich aufzupassen.«

»Und warum sollte Oliver daran interessiert sein, dein Babysitter zu sein?«

Ich zuckte die Achseln. »Um mich zu foltern? Wer weiß? Der Typ ist ein Sadist.«

Sie verdrehte die Augen und hob ihr Glas an die Lippen. »Ich gebe dir recht, dass es mies war, was er dir in Chicago angetan hat, aber ich halte ihn nicht für sadistisch. Und anscheinend will er gern mit dir zusammenarbeiten. Ich meine, Oliver Pemberton ist nicht knapp bei Kasse – wenn er hier oben eine Brennerei eröffnen wollte, würde er es wahrscheinlich einfach tun.«

»Stimmt«, gab ich zu und richtete mich ein wenig höher auf. »Ich hoffe, du hast recht. Denn ich will das wirklich, April. Ich will Mom und Dad beweisen, dass ich eine Vision habe, dass ich die nötigen Nachforschungen anstellen, das Fundament schaffen und das Ganze durchziehen kann.«

»Das schaffst du auf jeden Fall ...« Ihr Lächeln wurde ein wenig schief. »Du musst dich nur zuerst mit Oliver Ford Pemberton herumschlagen.«

Ein dreimaliges schnelles Klopfen an der Haustür unterstrich ihre Feststellung.

Wir wechselten einen Blick und nahmen beide einen Schluck Wein, und die Geste war wie gespiegelt, da ich Linkshänderin war und sie Rechtshänderin.

»Bist du bereit?«, fragte sie, als ich mein Glas abstellte.

»Ja. Ich werde für mich einstehen. Und diesmal lasse ich mich nicht von ihm einwickeln.«

Sie grinste. »Viel Glück.«

Die Hand an der Türklinke, hielt ich inne und atmete tief durch. Schloss für eine Sekunde die Augen. Rief mir ins Gedächtnis, dass vor der Tür derselbe Junge stand, den ich mein Leben lang gekannt hatte, und er war nicht schlauer oder gewitzter oder besser als ich. Nur zehnmal so reich, zwei Tage älter und fünfmal so selbstbewusst.

Aber ich kannte ihn. Ich würde klarkommen.

Ich riss die Tür auf und hielt meinen Gesichtsausdruck neutral, wenn nicht gar kühl.

Und da war er.

Attraktiv wie eh und je, der elende Mistkerl. Volles, dunkles Haar, über den Ohren kurz geschnitten und oben ein wenig länger – derselbe flotte Haarschnitt, den er seit seinem achten Lebensjahr trug. Sein Haar war ein wenig zerzaust, aber nicht so wirr, als hätte er es nicht gekämmt. Eher als käme er gerade von seinem Segelboot und meinte, es sei jetzt Zeit für einen Gin Tonic.

»Hey, Dimples.« Seine blauen Augen wagten es doch tatsächlich, bei meinem Anblick aufzuleuchten, und sein Mund verzog sich zu dem typischen selbstgefälligen Lächeln, das Schüler teurer Privatschulen gern spazieren trugen.

»Hallo.« Ich achtete darauf, meine Züge ausdruckslos zu halten, obwohl es mich ärgerte, dass er meinen Spitznamen benutzte.

Er legte mir eine Hand auf den Oberarm und drückte seine Lippen kurz rechts neben meine. »Schön, dich zu sehen. Ist ein Weilchen her.«

Nicht lange genug, dachte ich, biss mir aber auf die Zunge. »Stimmt. Komm rein.«

Ich zog die Tür weit auf und drückte mich mit dem Rücken dagegen. Er trat über die Schwelle ins Haus, und kurz hüllte mich sein Duft ein – ein Anflug teuren Rasierwassers, ein Hauch Wäschestärke und unter alldem etwas Jungenhaftes und Vertrautes, das eindeutig zu ihm gehörte. Meine unteren Körperregionen zogen sich auf eine Weise zusammen, die mir nicht im Mindesten gefiel.

Ich widerstand dem Drang, mir die Nase zuzuhalten, hielt aber den Atem an und schloss die Tür.

Oliver trug eine alte Segeltuchtasche über der Schulter (natürlich mit dem Monogramm OFP versehen). Ich hatte halb erwartet, dass er in Khakishorts und einem Vineyard-Vines-T-Shirt auftauchen würde – seiner Teenagergarderobe –, aber er trug Jeans und ein weißes Polohemd, das seine muskulösen Unterarme freiließ und die gebräunte Haut betonte.

»Oliver!« Meine Mutter kam die Treppe heruntergeeilt und umarmte ihn. Sie küssten einander auf die Wange. »Sieh dich nur an. Gut siehst du aus!«

Er schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln. »Danke, Tante Daphne. Du siehst toll aus. Trägst du dein Haar jetzt kürzer?«

Meine Mutter schüttelte ihren kurzen gestuften Bob. »Ja. Danke, dass dir das aufgefallen ist. Hast du Hunger, mein Lieber?«

»Nein, danke, ich habe mir auf dem Weg hierher etwas zu essen geschnappt.«

»Wie wäre es mit einem Drink? Cocktail? Ein Glas Wein?«

»Das klingt gut.« Er sah mich über ihre Schulter hinweg an. »Chloe? Kommst du mit dazu?«

»Sicher. Ich habe gerade eine Flasche Rosé geöffnet. Ist das okay, oder hättest du lieber ...«

»Rosé ist perfekt«, sagte er, gerade als April in den Flur kam, ihr Weinglas in der Hand. Sie begrüßten einander und gingen ins Wohnzimmer, während ich wieder in die Küche schlüpfte. Nach einigen tiefen Atemzügen, um meine Nerven zu beruhigen, stellte ich die Flasche Rosé und einige Gläser auf ein Tablett, zusammen mit einem kleinen Teller mit Crackern und Käse, und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Mein Vater schüttelte Oliver gerade die Hand und klopfte ihm auf den Rücken.

»Schön, dich zu sehen, mein Junge«, sagte er leutselig. Mein Dad hatte Oliver immer gemocht, und es war unübersehbar, wie sehr es ihm gefiel, einen weiteren Mann im Haus zu haben. »Wie war die Fahrt?«

»Reibungslos«, antwortete Oliver und nahm an einem Ende der dunkelblauen Couch Platz. »Danke für die Einladung.«

Ich stellte das Tablett auf den Couchtisch und schenkte ihm ein Glas ein. »Mom? Dad? Ein Glas Wein?«

»Für mich nicht, danke.« Meine Mutter setzte sich in einen der gestreiften Sessel dem Sofa gegenüber, und mein Vater nahm in dem anderen Platz.

»Ich auch nicht«, sagte er.

Ich schenkte mir ein wenig nach, während April sich ans andere Ende des Sofas setzte, wodurch mir keine andere Wahl blieb, als mich zwischen sie und Oliver zu setzen. Als ich stockgerade auf dem Polster saß, warf ich ihr einen bösen Blick zu, und sie lächelte.

Meine Eltern erkundigten sich nach Olivers Mom und Dad, die immer etwas mehr als die Hälfte des Jahres in Florida blieben und die wärmeren Monate in ihrem Haus in Harbor Springs verbrachten. Sie erkundigten sich nach seinem älteren Bruder Hughie und dessen wachsender Familie sowie nach seiner kleinen Schwester Charlotte, die irgendwann im Sommer ihr erstes Kind erwartete.

Oliver beantwortete höflich all ihre Fragen, übermittelte die Grüße seiner Familie und lud uns alle ein, uns den Pembertons am vierten Juli, also am Mittwoch, in Harbor Springs anzuschließen. »Am selben Tag feiern wir auch den neunzigsten Geburtstag meiner Großmutter. Wir haben im Cottage jede Menge Platz, und meine Eltern haben mir aufgetragen, darauf zu bestehen, dass ihr alle kommt.«

Ich verdrehte die Augen. Sie hatten jede Menge Platz, weil es kein Cottage war, sondern ein verdammtes Anwesen. Ein viktorianisches Haus mit sieben Schlafzimmern, einem Tennisplatz, Swimmingpool und Krocketrasen auf dem Grundstück.