Mein Verstand belügt mich! - Kimberley Claire - E-Book

Mein Verstand belügt mich! E-Book

Kimberley Claire

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Beschreibung

"Mein Verstand belügt mich!" ist ein Buch über das Phänomen Stimmen hören. es berichtet von Schizophrenie, Psychosen und wie diese Phänomene zustande kommen.

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Seitenzahl: 82

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Dieses Buch ersetzt nicht den Gang zum Arzt!!!

Übersicht:

über das Phänomen Stimmen hören

wie entstehen Stimmen im Kopf

was sind Efferenz Kopien

auf den Punkt gebracht

was genau hören Menschen, die Stimmen hören

bis zu 10% der Bevölkerung hören Stimmen

stimmen und Geräusche werden von Empfindungen begleitet

Wer Stimmen hört muss nicht krank sein

Psychisch gesunde Menschen hören Stimmen

Stimmen hören kann auch ein harmloses Phänomen sein

Jeder zwanzigste hört Stimmen

Das Gehirn spricht auf versteckte Wörter an

Akustische Halluzinationen: Stimmen hören kann qualvoll sein

Skills gegen das Stimmen hören

Neutrale und wütende Stimmen

Bei Leidensdruck ist professionelle Hilfe wichtig

Wahnsinn oder doch normal

Halluzinationen

Ursachen komplexer Halluzinationen

Wenn das Gehirn aus dem Gleichgewicht gerät-Halluzinationen

Halluzinationen: Entgleisung der Fantasie

Wahn

Chemische Gleichgewichtsstörungen bei Wahn

Überschiessende Aktivität von Hirngebieten

Ich-Störung

Formale Denkstörung

Affektive Störungen

Psychomotorische Störungen

Was ist eine Psychose

Unterschied Neurose und Psychose

Die Psychose

Die Neurose

Isolation und Reizdeprivation

Schizophrenie

Behandlung mit Psychopharmaka

Psychotherapie

Soziotherapie

Psychotherapie als Bewältigungstechnik

Psychopharmaka: Antipsychotika

Die Krankheit verstecken…Stigma

Der Mythos der Unheilbarkeit

Identifikation- mit wem?

Ich bin schizophren, ich suche Arbeit

Lügen, lügen, lügen…?

Auf alle Fälle ist Vorsicht geboten!

Stigma Bewältigung und Entstigmatisierung

Die Erkrankten

Die Angehörigen

Der Stigmatisierung entgegenwirken

Über das Phänomen Stimmenhören

Stimmenhören ist eine besondere menschliche Wahrnehmungsform, die zwar Leiden hervorrufen kann, unter günstigen individuellen und sozialen Voraussetzungen aber das Leben bereichern kann. Leider wird Stimmenhören heutzutage vor allem als Symptom psychischer Krankheit angesehen und Leute, die Stimmen hören werden als irre stigmatisiert. Im Gegensatz dazu ist es in anderen Kulturen und war es in der Vergangenheit unserer westlichen Kultur anerkannt, dass viele Personen, die Außergewöhnliches leisteten, Stimmen hörten: z. B. Sokrates, Mohammed, Jeanne d’Arc, Theresa v. Avila, Hildegard von Bingen.

Es kommt bisweilen vor, dass Trauernde die Stimme eines verstorbenen Angehörigen hören. Auch Menschen, die lange isoliert sind, wie z.B. Weltumsegler, Isolationshäftlinge und Menschen mit traumatischen Erfahrungen hören häufig Stimmen.

Wenn jemand Stimmen hört, heißt das also nicht zwangsläufig, dass er oder sie psychisch krank ist. Forschungen über das Vorkommen von Stimmenhören belegen, dass viele Stimmenhörende deswegen keine psychischen Probleme haben, sondern sogar vollkommen gesund sind.

Untersuchungen zeigen, dass jene, die Stimmen hören, die psychiatrische Unterstützung beanspruchen mussten, die Stimmen besonders bedrohlich und negativ erlebten, sodass ihr Alltagsleben erheblich gestört wurde. Sie fühlten sich den Stimmen gegenüber hilflos und ausgesetzt. Manche Menschen, die von Psychiatern als psychotisch oder Schizophren bezeichnet werden hören Stimmen. Die Behandlung mit Psychopharmaka bringt für einige Erleichterung, andere leiden trotz der Medikamentenbehandlung weiterhin unter den Stimmen.

Drei Phasen des Stimmenhörens

Die Stimmen können unterschiedlich häufig auftreten, haben ganz verschiedene Charaktere, können flüstern und schreien, haben zum Teil sogar Namen, drohen und herabsetzen den Betroffenen.... Sie treten einzeln auf, reden durcheinander oder im Chor. Manchmal sind sie bekannt, manchmal sind sie vage und flüchtig. Auch die Inhalte, über die geredet wird, unterscheiden sich sehr. Manche reden über das Wetter, andere beschimpfen einen. Wieder andere erzählen Witze oder geben Ratschläge.

Trotz der Vielfalt der Erfahrungen gibt es auch Gemeinsamkeiten, wie Stimmen erlebt werden und wie die betroffenen Personen darauf reagieren. Die drei häufigsten Stufen erläutere ich in den folgenden Seiten.

1. Erschrecken

Die meisten Betroffenen beschreiben den Beginn des Stimmenhörens als plötzliches, erschreckendes und beängstigendes Erlebnis und können sich genau erinnern, wann sie zum ersten Mal eine Stimme gehört haben. Das Alter, in dem zum ersten Mal Stimmen auftraten, ist ganz verschieden. Die Intensität des Erschreckens ist in der Pubertät am größten.

Verglichen damit ist die Verstörung geringer, wenn man als Kind oder als Erwachsener Stimmen hört, denn in der Pubertät weiss man selber nicht wer man eigentlich ist und als Erwachsener hat man sich schon viel mehr gefunden und ist auch selbstbewusster. Genau umgekehrt ist es bei Kindern diese haben nämlich immer noch das sogenannte « magische Denken», das ihnen erlaubt an Dinge, wie Feen und Kobolde oder eben auch Stimmen zu glauben.

Stimmen werden häufig von traumatischen oder emotional belastenden Ereignissen wie Unfällen, Scheidung, Todesfällen oder Krankheiten ausgelöst.

Manche betroffenen Menschen betrachten die Stimmen als hilfreich; sie rufen ein Gefühl der Vertrautheit hervor. Für diese Menschen steht fest, dass die Stimmen sie bestärken und ihr Selbstwertgefühl heben. Die Stimmen werden als positiver und verständlicher Aspekt des eigenen Ich erlebt.

Andere erleben die Stimmen von Anfang an als aggressiv und negativ. Für diese Menschen sind die Stimmen feindliche Kräfte, sie akzeptieren sie nicht als Teil ihrer selbst. Sie leiden unter den negativen Stimmen, die sie ins geistige Chaos stürzen können und sie so in Anspruch nehmen, dass die Beziehungen zur Außenwelt schwer gestört werden. Vor allem Menschen mit psychischen Problemen erleben die Stimmen oft als so bedrohlich, dass sie dadurch sehr verwirrt werden und den Bezug zur Realität verlieren.

Manche StimmenhörerInnen können anfangs nicht über ihre Erfahrungen sprechen. Manchmal verbieten ihnen das die Stimmen oder die StimmenhörerInnen befürchten, dass durch die Mitteilung die Stimmen verstärkt würden, und schweigen deshalb. Viele befürchten auch, als wahnsinnig abgestempelt zu werden, wenn sie zugeben, dass sie Stimmen hören. In dieser Phase ist es wichtig, die Betroffenen darin zu unterstützen, dass sie Kontrolle über ihre Stimmen ausüben können und sich von ihnen distanzieren können.

2. Wege suchen, mit den Stimmen auszukommen

Nachdem sich die Betroffenen an die Stimmen gewöhnt haben, ist es möglich, Erklärungen und Wege zu suchen, um besser mit den Stimmen zu leben. Verschiedene Formen von Psychotherapie und auch Selbsthilfegruppen können in dieser Phase sehr hilfreich sein.

Wer Stimmen hört, wird oft so verwirrt, dass man ihnen entfliehen möchte. Will man sich mit den Stimmen arrangieren, dann erfordert das eine bewusste Akzeptanz, d.h. ich stelle mich der Tatsache, dass ich Stimmen höre und dass sie zu mir gehören, auch wenn ich nicht mit ihrem Inhalt einverstanden bin.

Man kann in dieser Phase ganz verschieden reagieren:

die Stimmen überhören

selektiv hören, das heisst sich entscheiden, nur auf bestimmte Stimmen zu hören und aktiv in den Dialog mit den Stimmen treten

sich mit den Stimmen regelrecht verabreden und nur zu gewissen Zeiten mit ihnen reden.

Wie Betroffene berichten, ist es hilfreich, die als positiv empfundenen Stimmen auszuwählen, nur ihnen zuzuhören, zu antworten und sie zu verstehen versuchen.

Wie aber verhält man sich gegenüber Stimmen, die einem unfreundlich gesonnen sind, die einen schlechtmachen und schmähen oder sich in die Gedanken einmischen, schädliche Ratschläge geben und zu unklugen Taten anregen?

Als Erstes muss man sich klar machen, dass man dieser Stimme, obwohl sie ins Bewusstsein dringt, nicht blindlings folgen muss. Viele, die Stimmen hören haben, wie alle anderen Menschen, ein Recht auf Selbstbestimmung, und auf diesem Recht können sie auch den Stimmen gegenüber bestehen.

3. Psychische Stabilität und Selbstbewusstsein erreichen

Es ist möglich, in positiver Weise mit den Stimmen umzugehen und seelisches Gleichgewicht zu finden. Die Betroffenen entscheiden, ob sie den Stimmen gehorchen oder lieber eigene Ideen und Vorhaben verwirklichen. Die Stimmenhörer haben mehr Kontrolle über die Stimmen erlernt und können die Stimmen mit ihrer Lebensgeschichte in Verbindung bringen.

In diesem Stadium der inneren Ausgeglichenheit betrachten die betroffenen Menschen ihre Stimmen als Teil ihres Selbst und ihres Lebens: "Ich höre Stimmen, kann damit leben und mich vielleicht sogar darüber freuen. Ich lasse mich nicht mehr von den Stimmen beherrschen, sondern beherrsche sie. Sie haben keine Kontrolle über mich." Damit ist die Grundlage dafür geschaffen, an der Lösung von Alltagsproblemen zu arbeiten und sich ein Leben nach eigenen Wünschen aufzubauen.

Wie entstehen Stimmen im Kopf?

Fremde oder bekannte Stimmen hören, die nicht da sind können psychotische aber auch gesunde Menschen hören. Wie unterscheidet das Gehirn die eigene von fremden Stimmen?

Stimmenhören beruht vermutlich auf einem Verwechselungsfehler.

Mithilfe von „Efferenz Kopien“ kann das Gehirn zwischen äußeren und inneren Signalen unterscheiden. Werden diese fehlerhaft weitervermittelt, kann es zu Symptomen wie Stimmenhören oder auch Fremdbeeinflussungserleben kommen.

Was sind Efferenz Kopien?!

Das Gehirn sendet Anweisungen, sogenannte „efferente Signale“, zu den ausführenden Organen. Zum Beispiel wird die Anweisung für den Satz: „Heute Abend koche ich für uns eine Pizza“ – über den Motorkortex zu den Lippen geschickt, welche die Muskelbewegung ausführen – wir sprechen.

Gleichzeitig wird eine „Efferenz Kopie“, eine Kopie dieser Anweisung, zu den akustischen Hirnarealen geschickt, die die wahrgenommene Sprache verarbeiten. Durch diese Kopie wissen wir, dass wir es selbst sind, die diesen Satz gesagt haben.

Eine Efferenz Kopie erhalten wir auch dann, wenn Sätze nicht laut ausgesprochen werden – so erkennen wir unsere eigenen Gedanken.

Innere Sprache wird also ähnlich, durch die Aktivierung der gleichen motorischen Sprachareale, eingeleitet, die auch bei gesprochener Sprache aktiviert werden.

Wenn externe Reize („Afferenzen“) unsere akustischen Hirnareale erreichen, kurz nachdem unsere Ohren unsere eigene Stimme wahrnimmt, wissen wir durch die Efferenz Kopie, dass wir selbst die Verursacher dieser Worte sind, in unserem Beispiel des Pizza-Satzes.

Bei Menschen, die Stimmen hören, ist die Weiterleitung der Efferenz Kopie an die akustischen Hirnareale gestört oder ganz blockiert. Ihnen fehlt also die Meldung, dass der gehörte Satz vom eigenen Gehirn initiiert wurde, sodass dieser als von außen kommend wahrgenommen wird.

Somit findet eine Fehl-Attribution intern generierter Sprache statt, die so als externe Stimme erscheint.

Durch das gleiche Phänomen kann es auch zum Erleben von Fremdbeeinflussung und Gedankeneingebungen kommen.

Auf den Punkt gebracht

Das Gehirn schickt Anweisungen (z.b sprechen) an die dafür entsprechenden Organe (z.b Lippen). Eine Kopie dieser Anweisung wird an das sprachverarbeitende Gehirnareal geschickt. Die Kopie meldet dem Hirnareal, der für das hören zuständig ist den internen Ursprung der Sprache. So kann unser Gehirn unterscheiden zwischen eigener und fremder Sprache. Bei Menschen, die Stimmen oder Geräusche hören, fehlt diese Kopie.