Meine Freundin sieht das anders - Unni Drougge - E-Book

Meine Freundin sieht das anders E-Book

Unni Drougge

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Beschreibung

Annie steckt mitten in einer Beziehungskrise und ist mehr und mehr von ihrem Mann genervt. Im Waschbecken liegen schmutzige Socken, auf dem Jackett tummeln sich blonde Haare und ständig wird gerülpst. Nicht einmal im Schlaf hat sie ihre Ruhe, denn ihr Mann schnarcht fürchterlich. Single müsste man sein! Und so schaut Annie immer öfter neidisch auf ihre beste Freundin Hillevi. Die ist nicht nur Single, sondern auch noch super erfolgreich in ihrem Job und eine richtige Karrierefrau. Auf Sex verzichtet sie deshalb noch lange nicht, denn Hillevi nimmt sich einfach das, was sie braucht. Allerdings ist auch Hillevi nicht glücklich mit ihrem Leben – sie sehnt sich nach einer festen Beziehung, so wie Annie sie führt.-

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Unni Drougge

Meine Freundin sieht das anders

Roman

Saga

Für Niclas.

Du kamst, Du sahst, Du siegtest.

Danke für Deinen männlichen Mut.

Auf Annies Anrufbeantworter,7. März, 02:50, dumpfe Stimme

»Hallo, hier ist Hillevi. Hör mal, Annie ... Ich will keinen mann! (Langes Seufzen) Aber ich habe nun mal einen. Bis dann!«

Telefongespräch zwischen Annie und Hillevi, 7. März, 11:45

»Hallo, du undankbare Trine! Hier ist Annie. Letzte Nacht hast du dich bei meinem Anrufbeantworter über dein Luxusproblem beklagt. Daß du einen Mann hast.«

»Jaaa! Im Moment beneide ich dich wirklich, schließlich brauchst du dich nicht mit einer besseren Hälfte herumzuschlagen ... Stiiiiillll, Kinder! Ich telefoniere. Meine Güte, Kinder verkneifen sich wirklich nichts...«

»Ja, und ich auch nicht. Ich habe mir schon mehrere Abende in dieser Woche nichts verkniffen. Bin durch die Gemeinde gezogen. Zuletzt diese Nacht. Und nicht ein einziges brauchbares Männchen hab ich erlegen können. Die Wüste der Sünde scheint total ausgedörrt zu sein. Kannst du dir vorstellen, wie lange ich jetzt schon unberührt bin? Ein halbes Jahr bald, seit der Katastrophe mit diesem deutschen Trübsalbläser, du weißt schon.«

»Das war der mit den Klorollen?«

»Ja, im Volksmund auch Kloheini genannt. Seine stundenlangen Exzesse im Badezimmer hätten mich fast um den Verstand gebracht. Wie manisch hat er aus den Klopapierrollen im Regal ganz sorgfältig immer neue Formationen gebaut, und jedesmal, wenn ich hineinwollte, hab ich eine Ladung davon auf die Birne gekriegt...«

»Ja, das hast du mir alles ausführlich erzählt.«

»Und nicht mal vögeln konnte er richtig...«

»Nein, ich weiß noch, wie du erzählt hast, daß er die Menge der Stöße pro Minute mit festem Blick auf den Wekker gezählt hat, wir brauchen das nicht noch mal durchzugehen. Aber du landest ja immer bei so schrillen Typen!«

»Ich lande? Es sind doch nur schrille Typen im Umlauf. Und die landen bei mir! Wann hast du zuletzt eine Botanisierrunde gemacht? Aber du hast das ja nicht nötig. Dein Märchenprinz bleibt zu Haus bei Weib und Kind. Also, halt du die Klappe. Was ein Single von siebenunddreißig Jahren sich bieten lassen muß, sind die Trottel, die vor die Tür gesetzt worden oder übriggeblieben sind.«

»Ach was. Du weißt offenbar nicht, was Ich mir bieten lassen muß. Ich wäre sogar froh, wenn er nicht so oft zu Hause wäre. Denk doch nur an die Abendzeitungen. Darin vergräbt er sich, hält sie sich als Schild gegen die Umwelt vor, während ich Essen koche. Ich hasse die Abendpresse! Ich würde ihm diese bescheuerten Zeitungen schrecklich gern wie eine Narrenkappe um den Schädel wickeln, der gerade kahl wird. Und nach dem Essen kommt die Fernbedienung an die Reihe. Die hält er dann den ganzen Abend krampfhaft fest. Und er zappt wie besessen zwischen den Sendern herum, ich habe richtig Lust, die Satellitenschüssel abzumontieren und wie einen Riesenfrisbee über den See segeln zu lassen.«

»Hmm, ja, sicher. Jetzt weiß ich auch wieder, wie es war, verheiratet zu sein. Aber immerhin ist dir das Vögeln garantiert.«

»Das ist doch gerade das Schlimme. Wenn ER will. Ich kann es kaum ertragen, daß er mich anfaßt. Ich kriege eine Gänsehaut, wenn seine Hand unter der Decke angeschlichen kommt. Nein, sei froh, daß dir das erspart bleibt.«

»Das sagst du nur, weil du weißt, daß du es kriegen kannst, wenn du willst.«

»Aber ich will nicht. Nicht mit ihm. Du dagegen kannst doch zulangen, wann immer du Lust hast. Du hast ein ganzes Büfett zur Auswahl!«

»Jetzt geht das wieder los. Ein Büfett aus alten Resten, bei dem andere schon munter abgeräumt haben. Oder unreife Primeursorten, bei denen sich einem der Magen zusammenzieht. Die Wichser schwirren mit flackerndem Blick herum und riechen nicht mal gut. Ich würde so gerne Lust verspüren, Hillevi. Aber ich komme mir vor wie ein trockener Fussel. Ich will, daß mein Fleisch wieder pulsiert.«

»Du willst ein Problem, gib es doch zu. Dein Leben gleitet zu glatt dahin.«

»Na gut. Ich habe einen tollen Job, meine Kinder sind brav, und meine Wohnung gefällt mir. Aber abends spät, wenn die Kinder in ihren Bettchen schlummern, dann kommt die große Frage: Soll das alles gewesen sein? Neihein! Ich will abgelenkt werden! Ich will mich verlieben!«

»Dir geht es zu gut, Herzchen.«

»Du bist hier diejenige, der es zu gut geht.«

(Keuchen) »Mückchen zündet gerade die Vorhänge an, und Kuschel hab ich seit einer Stunde nicht mehr gesehen, ich muß das Feuer löschen und nachsehen, ob Kuschel nicht ins Wasser gefallen ist. Bis demnächst, tschüs!«

»Ja, ja, selber tschüs!« (Seufzen)

Telefongespräch zwischen Annie und Hillevi, 8. März, 10:03

»Hallöchen, Big Mama!«

»Öööh, Momentchen. Kuschel sitzt auf dem Pott, und ich muß ihm den Hintern abwischen. (Pause mit Kindergeschrei und laufendem Wasserhahn) Unfug ... so. Verdammt, jetzt hat er wieder Durchfall. Sind sicher diese Grippesorten und die antibiotikaresistenten Streptokokken, mit denen die Kindergartenkinder heute um sich werfen. Oder kann es von den Pralinen kommen, die John gestern abend mitgebracht hat? Weintrauben ... Ist dir das übrigens schon mal aufgefallen, Annie? Wenn Kinder Weintrauben essen, dann kommen die als Rosinen wieder zum Vorschein. Aber wenn man ihnen Rosinen gibt, verwandeln die sich in Trauben. Als ich neulich Kuschel den Hintern abgewischt habe, lagen echte Trauben im Topf.«

»Bitte, erspar mir die Details! Ich sitze hier bei der fünften Tasse Kaffee auf nüchternen Magen und möchte mich mit meinem sauren Mageninhalt ebensowenig bekannt machen wie mit den Abfallprodukten deines Sohnes. Weißt du, was heute für ein Tag ist, oder ist dir die Kinderkacke zu Kopf gestiegen?«

»Was heute für ein Tag ist? Ein normaler Montag, nehme ich an. Ich hab noch nicht mal das Frühstücksgeschirr weggeräumt. Müüüüückchen! Nicht mit der Butter rumschmieren! Ooooh, jetzt muß ich mit ihr ins Badezimmer, sonst stinkt sie nach ranziger Butter, und dann will John sie nicht auf den Schoß nehmen, wenn er von seiner Golfrunde zurückkommt...«

»Aber Hillevi! Reiß dich zusammen, zum Teufel. Du bist doch total eingebacken in diese banale Soße...«

»Nicht nur eingebacken. Sondern auch eingelegt. Ich hab gestern alle Pralinen gefressen, die die Kinder übriggelassen hatten, und das waren viele, das kann ich dir sagen. Wenn ich jetzt auf die Waage gehe, bricht die garantiert zuammen. Kannst du begreifen, daß man von einer einzigen Schachtel Pralinen drei Kilo zunehmen kann? Das ist mir letzte Woche passiert, als...«

»Stöööhn! Heute ist der 8. März, genauer gesagt, der internationale Frauentag. Je davon gehört? Oder sind deine Fettzellen zu einer einzigen großen Gefängniszelle geworden? Erinnerst du dich nicht mehr an unsere muntere Jugend, als wir am 8. März zu Demos gegangen sind und gefordert haben, daß...«

»Wir wollten keine Krümel, sondern die ganze verdammte Bäckerei! Ja, seufz. Aber die habe ich ja gekriegt. Eine Bäckerei, in der ich jeden Tag herummampfe. Heute morgen habe ich schon drei Croissants gefressen ... Nein! Ich habe ein Blech Zimtbrötchen im Backofen vergessen, bleib mal einen Moment dran! (Pause, Stöhnen) Das ist zum Teufel gegangen. Die Brötchen kann ich jetzt als Grillkohle verwenden. Typisch!«

»Wie gut, Hillevi, dann brauchst du dir doch keine weiteren Kalorien einzutrichtern! Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, dir eine ungeheuer interessante britische Feministin anzuhören, die heute abend...«

»Wann denn? Aia baia, Kuschel! Rühr die brötchen nicht an! Ach, übrigens ... ist Kohle nicht gut gegen Durchfall? Wo waren wir noch gleich ... Ja, sicher, ja, wann spricht diese Feministin? (Schrilles Geschrei im Hintergrund) O nein, jetzt hat er sich verbrannt. Kann ich dich zurückrufen?«

»Vergiß es. Vergiß, daß ich überhaupt gefragt habe, ob du dich vom heimischen Herd losreißen kannst. Bis dann.«

E-Mail von Annie an Hillevi, 13. März, 15:28

Liebes Housewife!

Hast du je daran gedacht, deine Kinder in eine Krippe zu schicken? Wir können doch fast nie ein Gespräch führen, das nicht unterbrochen wird. Obwohl ich mit dir über jede Menge reden will, wo wir uns doch schon so lange kennen. Deshalb finde ich, wir sollten ab jetzt mailen. Dann lesen und schreiben wir, wenn wir gerade ungestört sind.

Und jetzt, Hillevi ... jetzt habe ich es immerhin geschafft. Du weißt schon, diese Diesel-Kampagne, die ich mitgestaltet habe, die mit ihrer brutalen Ironie solches Aufsehen erregt hat und die ich im Fernsehen und in der Presse verteidigen mußte. Diese Kampagne ist bei den jungen Leuten seit ihrer Absetzung Kult geworden. Und eben hatten wir mit dem ganzen Büro eine Konferenz. Eine schwimmende Konferenz auf der Finnlandfähre, weil Jalle, der Chef, du weißt schon, alles Volkstümliche toll findet. Aber egal, da saßen wir also nach dem Essen in der Bar, und mir fielen zwei junge Dachse in den Zwanzigern auf, die uns in immer engeren Runden umkreisten, bis einer sich dann endlich ein Herz faßte und fragte, ob ich ich sei, sozusagen, und das mußte ich ja zugeben. Also lud ich sie ein, sich zu uns zu setzen; zu mir und Jalle und einem Projektleiter aus dem Büro. Ich bestellte für jeden der Jungen einen Drink, und sie wollten über die Diesel-Kampagne sprechen, die sie einfach suuuuupergeil fanden. Ich hatte schon einen sitzen und beschloß, mich geschmeichelt zu fühlen, und deshalb habe ich die jungen Kavaliere einfach auf die Tanzfläche gezerrt. Sie waren so niedlich, Hillevi! Der eine war blond und der andere schwarz, und ich war für sie sozusagen ein Star. Sie waren meine Groupies, und die ganze Kiste war natürlich total bescheuert. Jalle faßte sich an die Stirn, als ich mit den Knaben im Schlepptau in meine Kabine abgezogen bin.

Da habe ich dem Leckerbissen befohlen, sich auszuziehen. Der Blonde war einfach süß: durchtrainiert, tätowiert und an den Brustwarzen gepierct. Nicht ein Haar auf der Brust. Der Schwarze war schlaksig und behaart, mit kakaofarbenem Teint, und beide hatten einen stehen. Ich zog sie ins Bett, und sie schälten mich ungeschickt aber hungrig aus meinem Vivienne Westwood-Kostüm. Dann wollten sie geküßt werden, und ich mußte den Verkehr ein wenig regeln; einen oberhalb des Nabels, einen unterhalb. Es wurde ein bißchen anstrengend, als sie versuchten, beide zugleich zum Zug zu kommen, und ich war reichlich beschwipst. Aber trotz des doppelten Fangs kam doch nur Gehampel dabei heraus. Der eine feuerte seine Salve schon ab, ehe er ihn reingekriegt hatte, und der andere hatte einen so kleinen Schniedelwutz, daß es für mich keine Rolle spielte, ob er den nun drinnen hatte oder nicht. Ich habe geschrien wie eine gesengte Sau, er sollte doch glauben, ich sei soweit, damit wir den Akt beenden konnten, aber da fragte er erschrocken, ob es weh tue. Weh? Mit einem so winzigen Piephahn? Ich konnte nur noch lachen, und da kam er mit spastischen Bewegungen, die mich an einen Tollwutanfall erinnerten, und danach sind wir eingeschlafen. Aber wir könnten das Ganze als Vorübung zu kommenden genitalen Aktivitäten betrachten.

Morgens rief Jalle an und teilte mit, er erwarte mich zum Frühstücksbüfett, und ich kam mir ja so mies vor, als ich mich von Max und Moritz verabschiedete. Ich jagte sie aus dem Bett, reichte jedem einen Finger, und dann mußten sie abziehen. Mit etwas Phantasie könnte man sagen, ich hätte die Röhre gereinigt, Hillevi, aber das Problem bleibt bestehen. Ich bin nicht verliebt, was an sich ja auch eine Katastrophe gewesen wäre. Sich in zwei zwanzigjährige Knaben zu verknallen. Annie liebt Bull und Bill, in einem gezeichneten Herzen... wie sähe das wohl aus?

Knutschies,

Annie.

E-Mail von Hillevi an Annie, 15. März, 05:12

Annie, du muntere kleine Möse! Hast du in der Zeitung über die britische Feministin gelesen, die am internationalen Frauentag Stockholm besucht hat, ich kann mich an ihren Namen nicht erinnern, aber es war etwas mit G am Anfang. Sie hat von einer großen Frauengemeinschaft in Australien erzählt, die von Männern ganz und gar unabhängig ist. Wenn sie sich vermehren wollen, suchen sie sich einen passenden Zuchtbullen, und um die Kinder kümmern sie sich gemeinsam. Sex ist kein Problem, denn um ihre Stadt streichen so viele Männchen herum, daß sie einfach nur die Hand nach einer passenden Beute auszustrekken brauchen. Wenn der Sexsklave im Lager sein Gastspiel gegeben hat, muß er pro Samenerguß einen Tag arbeiten, und wenn eine der Frauen sich verliebt, wird sie sofort in ein Entwöhnungsprogramm gesteckt, das ihr Selbstbewußtsein stärkt, denn sie glauben, daß Frauen nur aus Mangel an Selbstbewußtsein bereit sind, einem Mann zu folgen. Deshalb werden die Frauen in diesem Kollektiv ja gerade so umworben: Die Typen geben sich alle Mühe, um zu beweisen, daß sie Zuneigung und Aufopferung verdient haben, aber das gelingt ihnen nicht. Der Frust bei der Männergesellschaft wurde am Ende so massiv, daß die Frauen aus dem Kollektiv daraus eine überaus vorteilhafte Verhandlungsposition entwickeln konnten, und inzwischen sind sie an die Börse gegangen. Sie entwickeln und produzieren frauenfreundliche Technik und Software, und ihr Einfluß wird immer größer. Und das liegt daran, daß sie in ihrem Privatleben von Männern ganz und gar unabhängig sind.

Weißt du, wozu ich Lust hätte, zumindest im Moment? Abzuhauen. Eine Tasche zu packen und mich nach Australien abzusetzen. Ich habe heute nacht nicht eine Sekunde geschlafen. John kam um halb zwei nach Hause. Sturzbesoffen. Wühlte eine Weile im Schrank herum und fischte seine alte E-Klampfe und seinen ramponierten Verstärker heraus. Schaltete das Ding ein und machte einen solchen Lärm, daß das Dach abhob. Wie ein Scheißteenie. Die Kinder wurden wach, und ich ging nach unten, um die Lautstärke runterzudrehen. Da ist er ausgerastet. Schrie, unser Haus sei ein Gefängnis. Dann versuch doch mal einen Ausbruchsversuch, sagte ich. Dann wirst du schon sehen, daß du frei bist. Aber glaubst du, das hätte er gemacht? Nichts da. Er beschimpfte mich als selbstgerecht und jammerte, er sei überarbeitet und niemand sei lieb zu ihm und ich sei frigide. Da saß ich also auf dem Sofa, und er kläffte wie ein Kettenhund. Total absurd. Am Ende torkelte er ins Schlafzimmer und fiel ins Bett. Er stank nach Bier und schnarchte und furzte, und ich stellte mir wirklich vor, wie ich ihm ein Kissen aufs Gesicht lege und mich mit meinem dicken Hintern darauf setze, bis er nicht mehr atmet. Verstehst du? Ich mußte aufstehen und mir einen Kamillentee kochen, und jetzt sitze ich in meiner kleinen Schreibecke. Dreiunddreißig Jahre alt, drei Kinder am Hals und einen Freak zum Mann. Aber jetzt will ich wenigstens abnehmen. Das ist doch krankhaft, Annie. Je mehr John heimlich säuft, um so mehr fresse ich. Gestern habe ich eine ganze Packung Hob Nobs aufgeknabbert. Danach habe ich mich über die Samstagssüßigkeiten der Kinder hergemacht. John muß ja immer Überstunden machen, und deshalb macht er am Wochenende fast einen kompletten Einkaufswagen mit Süßigkeiten und Limo und Kartoffelchips voll. Ich habe seine Plastikkarte versteckt, die überzieht er nämlich immer. Keine zehn Minuten vergingen gestern, ohne daß ich mir etwas in die Fresse gestopft hätte, aber alles hat nur nach Pappe geschmeckt. Ich habe fast das Gefühl, nicht zu leben, Annie. Die Kinder waren doch immer mein Lebensinhalt, aber ich weiß nicht ... ich habe vor ihren Bedürfnissen kapituliert und komme mir vor wie ein Gewächshaus. Das Problem ist vielleicht, daß ich mich nicht weiter vermehren möchte, und deshalb bin ich plötzlich ganz leer. Ich habe damals eine Entscheidung getroffen. Ich wollte den Kindern einen guten Start geben. Aber jetzt. Es ist neun Jahre her, daß ich bei Bonniers aufgehört habe. Neun Jahre Haushalt, Rotz, Kacke, Kinderkrankheiten, Stoffwindeln, Vollkornbrei und Ökogemüse. Neun Jahre Bedürfnisse. Die der anderen. Neun Jahre unsichtbare Arbeit. Neun Jahre im Mikrokosmos, einer organischen Einheit, bei der alles ineinander übergeht, bei der sich Resultat und Entwicklung jedoch nicht messen lassen. Ich habe in einem einzigen großen Nahrungsmittelschmelzprozeß gelebt. Der Abfall kommt in den Kompost und wird in den Nährboden eingepflügt, und dann geht es rund, rund, wie die Jahreszeiten. Aber nebenan passiert etwas. Außerhalb von allem hier. Die Kinder werden größer, das kann ich messen. Ich werde größer, auch das kann ich messen, leider vor allem um meine Taille. Die ganze Kernfamilie scheint ein Stadium der Verwesung erreicht zu haben und sollte ebenfalls in den Boden eingepflügt werden. Keine chemischen Reaktionen mit anderem Material. Du tauschst immerhin mit Bill und Bull, oder wie du diese süßen Schnuffel von der Finnlandfähre genannt hast, Körperflüssigkeiten aus. Du befruchtest dein Leben mit Arbeit und beruflicher Erfahrung. Aber fehlen dir deine Kinder nicht? Wann siehst du die eigentlich?

Ach, ach. Jetzt ist Kuschel aufgewacht. Und John wird an diesem ganzen verdammten Sonntag in der Hölle halbtot sein.

Wir sprechen uns bald (oder mailen),

Hillevi.

E-Mail von Annie an Hillevi, 16. März, 23:08

O verdammt, Hillevi. Diese Montage, nachdem die Kinder übers Wochenende bei ihrem Papa waren, wenn der Alltag ertragen werden muß, sind immer schrecklich. Ich führe ein Doppelleben. Jedes zweite Wochenende muß ich die vernachlässigten Laster und Gelüste pflegen, und an diesem Wochenende war ich noch dazu nach der Finnlandfähre die pure ausgeschissene Rosine. Die Kinder waren müde und unerträglich, da ihr Schlappschwanz von Vater sie abends so lange aufbleiben läßt, wie sie wollen. Außerdem sind sie von Süßigkeiten, Spielzeug, Videos und Computerspielen absolut überstimuliert. Ich habe heute morgen mit meinem Seelenklempner darüber geredet. Und weißt du, was der sagt? Er sagt das, was auch alle anderen immer meinen. Daß ich dafür dankbar sein sollte, daß ich ein so reiches Leben habe. Mit den Kindern. Als könnte das erwachsenen Menschen ihre Bedürfnisse ersetzen. Ich lebe wie diese Frauen in dem australischen Kollektiv, das du erwähnt hast, mit dem Unterschied, daß ich alles selber mache. Können wir nicht dahin auswandern? Ich bin es so satt, eine einsame Lokomotive zu sein, die nirgendwo anhalten darf. Die einzige Treibstoffzufuhr, die ich bekomme, besteht aus Spermasätzen, die mir noch weitere Waggons anhängen wollen, wenn ich nicht aufpasse. Der eine von diesen verdammten Minicharmeuren von der Fähre hat leichtsinnig seinen Saatvorrat in meinen Fortpflanzungsapparat abgefeuert, und jetzt muß ich Angst haben, bis es der roten Woche paßt, meine Sorge zu beheben, ich müßte mich auf die Abtreibungspritsche fallen lassen. Mehr Nachkommenschaft will ich nun wirklich nicht haben.